Bibelvers der Woche 51/2023

Ich schweige wohl eine Zeitlang und bin still und halte an mich; nun aber will ich wie eine Gebärerin schreien; ich will sie verwüsten und alle verschlingen.
Jes 42,14

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gott als Gebärende 

Merken Sie es? Eine neue Zeit soll beginnen. Der Vers markiert den Umbruch, den Moduswechsel: von einem passiven, abwesenden Gott, der sich nicht äußert, zu einem Gott, der machtvoll eingreift. Er ist in ein Loblied zur Ehre Gottes eingebettet — Israel ist gefangen, und im Vorausgriff wird Gott gelobt für eine Rettungsta, die noch nicht stattgefunden hat. 

Die Übersetzung der letzten Worte des Verses in der Lutherbibel von 1912 ist nicht recht nachvollziebar. In der Lutherbibel 1984 lautet der Vers gemeinsam mit den beiden Folgeversen:

Ich schwieg wohl eine lange Zeit, war still und hielt an mich. Nun aber will ich schreien wie eine Gebärende, ich will laut rufen und schreien. Ich will Berge und Hügel zur Wüste machen und all ihr Gras verdorren lassen und will die Wasserströme zu Land machen und die Seen austrocknen. Aber die Blinden will ich auf dem Wege leiten, den sie nicht wissen; ich will sie führen auf den Steigen, die sie nicht kennen. Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen und das Höckerige zur Ebene. Das alles will ich tun und nicht davon lassen. Aber die sich auf Götzen verlassen und sprechen zum gegossenen Bilde: »Ihr seid unsre Götter!«, die sollen zurückweichen und zuschanden werden. (V.14-17)

Eigenartig aber — diese Verse beschreiben Stadien im Erwachen und Eingreifen Gottes: 

  1. Schweigen und Passivität.
  2. Gewaltiges Rufen, erst aus Schmerz, dann als Signal zu Aufbruch und Kampf. Gott als Gebärende. Eine neue Wirklichkeit wird geboren.
  3. Gott kehrt das Unterste zuoberst. 
  4. Gott wendet sich den Blinden zu — den Orientierungslosen, die ihren Kurs im Leben und ihren Halt verloren haben. Für sie gibt es nun Führung und Licht und Gott bahnt ihre Wege. 
  5. Die Götzendiener treffen auf ihr Schicksal.

Dem Propheten steht das deutlich vor Augen, noch bevor der Umschwung begonnen hat, die Rettung einsetzt. Und alles beginnt damit, dass Gott laut wird, wie eine Gebärende schreit. Gott als Gebärende, Kraftzentrum einer Welt in Neuschöpfung, ein Bild in unglaublich leuchtenden und dynamischen Farben. In der Offenbarung des Johannes taucht es wieder auf.

Chag HaMolad heißt Weihnachten auf Hebräisch, Fest der Geburt. Die Verse sind aus einem Teil Jesajas, der vom Auftreten des Gottesknechts und der Errettung von Gottes Volk handelt. Ich wünsche uns eine laute, frohe Woche hin zum Weihnachtsfest. Keine Besinnlichkeit, sorry! 

Der Herr sei mit uns,
Ulf von Kalckreuth

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