Bibelvers der Woche 31/2024

…und waren alle vier eines wie das andere, als wäre ein Rad im andern.
Hes 10,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Ich bin, der ich sein werde

Jahrhundertelang war seine Wohnung der Tempel, den Salomo ihm gebaut hatte. Ihm, dem eigentlich ort- und zeitlosen Gott, den niemand sehen konnte, ohne zu sterben. So glaubten die Judäer. Alles, was Gott betraf, sollte ausschließlich im Tempel stattfinden, und eine gewaltige Priesterkaste wachte über die Einhaltung der immer komplexer werdenden Regeln. Und — so war die Vermutung — wenn und solange der allmächtige Gott in Jerusalem residierte, könne der Stadt nichts geschehen.  

Nun aber hatte Gott den Untergang Jerusalems und des judäischen Staats beschlossen. Und wenn es sie je gegeben hat: jetzt löste sich die räumliche Klammer. Hesekiel war nach Babylon verschleppt worden, und er hatte eine gewaltige Vision.

Er sieht einenThronwagen, begleitet von vier Cherubim. Ein Thron mit vier Rädern. Jedes dieser Räder ist frei drehbar aufgehängt und kann in jede Richtung gestellt werden. Änderungen der Richtung machen die Räder stets gemeinsam, wie bei einem Einkaufswagen. Und die Räder sind geistbegabt: jedem ‚Rad‘ ist ein Cherub beigestellt, der vier Gesichter hat und in jede Richtung schauen kann, ohne den Kopf zu drehen, selbst ganz den Rädern vergleichbar.

Hesekiel sieht diesen Thronwagen zweimal: in Hes 1 bei seiner Berufung am Fluß Keba und noch einmal (Hes 10 und 11), als er aus weiter Ferne geistig sieht, wie Gottes Gegenwart den Tempel und Jerusalem verlässt und der Untergang der Stadt bevorsteht.

Diese beiden Texte haben im Judentum sehr große Bedeutung — sie sind Referenzpunkt einer eigenen Mystik, die nach dem Thronwagen (Merkaba) benannt ist. Anderen sind die detaillierten Beschreibungen Beleg für einen Besuch Außerirdischer. 

Eine tiefgehende Erörterung mute ich mir nicht zu. Aber das Bildelement unseres Verses lässt sich gut deuten. Die Räder des Thronwagens spielen eine überrschend große Rolle in den Beschreibungen. Sie stehen für vollkommene Mobilität — ja, überirdische Mobilität, denn frei aufgehängte und beliebig auszurichtende Räder gab es seinerzeit gar nicht. Der „Thronwagen“ ist eine Art Kreuzung zwischen einem Thron, der Macht in statischer Weise repräsentiert und einem Streitwagen. Auch Streitwagen symbolisieren Macht, mobile Macht, die wie ein Blitz über die feindliche Armee kommt. Nun hatten Streitwagen typischerweise zwei Räder, vierrädrige Gefährte waren schwer zu lenken. Hier liegt der springende Punkt der Vision: Der Prophet sieht den Herrn in einem Gefährt, dass sich aus der Luft auf die Erde senken kann und dort uneingeschränkt frei beweglich ist, dennoch aber der Gegenwart Gottes breiten Raum geben kann.

Gott ist, der er sein wird. Er ist, wo er sein will. Das ist der Hintergrund für Hesekiels Berufung weit im Innern Babyloniens. Und Gottes Geschichte mit den Menschen ist nicht zu Ende, als Jerusalem fällt und vernichtet wird. 

Der Herr sei immer mit uns, auch wenn wir weit reisen!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 30/2024

Da er aber vierzig Jahre alt ward, gedachte er zu sehen nach seinen Brüdern, den Kindern von Israel.
Apg 7,23

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Metamorphosen

Apg 7 erzählt die Steinigung des Stephanus, und wie es dazu kam. Sie enthält eine der besten Reden die ich kenne: eine Zusammenfassung wesentlicher Teile der biblischen Geschichte auf engstem Raum, mit einer scharfen Pointe, die sich direkt gegen die richtet, die ihn verhören. Ich habe über diesen eigenartigen Text schon einmal geschrieben, und von einer persönlichen Begegnung, die ich damit hatte, siehe BdW 03/20219.  

Stephanus ist angeklagt, die Ordnung zu verändern, die Mose gegeben hat, deshalb spricht er über — Mose. Er teilt das Leben Mose auf in drei gleiche Abschnitte. Nach drei Monaten im Hause seiner jüdischen Eltern verbringt Mose vierzig Jahre am ägyptischen Hof. Als er einen Ägypter erschlägt, der einen Landsmann drangsaliert hat, flieht er nach Midian, einem von Halbnomaden bewohnten Land in der Wüste. Er heiratet und dient seinem Schwiegervater, einem Priester am Horeb. Nach weiteren vierzig Jahren begegnet er Gott. Gott offenbart sich ihm am brennenden Dornbusch. Mose stellt sich dem Pharao entgegen und führt sein Volk, die Israeliten, aus Ägypten in die Wüste. Die Wanderung schließlich dauert ein drittes Mal vierzig Jahre. Mose stirbt, kurz bevor sein Volk das heilige Land erreicht.  

Aus Numeri wissen wir, dass Mose 120 Jahre alt wurde und dass die Wanderung des Volks durch die Wüste vierzig Jahre dauerte. Die zeitliche Dauer der dritten Spanne ist somit belegt. Hingegen konnte ich in Exodus keinen Anhaltspunkt dafür finden, dass die ersten beiden Phasen seines Lebens ebenfalls je vierzig Jahre dauerten. Aber sei es drum. Stephanus‘ Bild dreier gleich langer Abschnitte leuchtet ein.  

Den Wechsel in die dritte Phase erzwingt Gott selbst und höchstpersönlich — Mose mutiert dabei vom verheirateten und gut situierten Rinderhirten in Midian zum Revolutionsführer in einem weit entfernten Land. Was aber legt den Schalter um zum zweiten Abschnitt? Warum beginnt er im reifen Alter sich für das Volk zu interessieren, dem er entstammt, obwohl er im ägyptischen Soziotop groß geworden ist? Mose hat viel zu verlieren, und sehr schell verliert er tatsächlich alles. 

Die Bibel deutet die Antwort an. Der entscheidende Satz (Ex 2,2) lautet, fast gleichlautend wie in der Rede des Stephanus: „Zu der Zeit, als Mose groß geworden war, ging er hinaus zu seinen Brüdern und sah ihren Frondienst und nahm wahr, dass ein Ägypter einen seiner hebräischen Brüder schlug.“ Mose sah, und er nahm wahr

Warum? Es hätte genügend Möglichkeiten gegeben, im Kokon zu bleiben, nicht zu sehen und nicht wahrzunehmen, nicht wahr? Mose war offen, bereit, anderes wahrzunehmen als das, was er bereits kannte. Gott bleibt hier unsichtbar im Hintergrund — es ist Mose, dessen Metamorphose wir erleben, als Ausdruck seiner Persönlichkeit und der ihr innewohnenden Dynamik. Begegnet er Gott in sich selbst?

Ja, der Herr lasse uns erwachsen werden — wann auch immer die Zeit dafür gekommen ist, gern auch mit 61. Und nicht mit einem Mord wie bei Mose, auch darum bitte ich. 
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 29/2024

Und es ist kund geworden allen, die zu Jerusalem wohnen, also dass dieser Acker genannt wird auf ihrer Sprache: Hakeldama (das ist: ein Blutacker)
Apg 1,19

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Von einem Acker und einem Menschen

What’s in a name? Das fragt Julia ihren Romeo, und sie meint damit, dass Namen ohne Belang seien — Romeo ist ein Montague, sie eine Capulet, und die damit verbundene Tragödie sei nur Einbildung, sagt sie — ein soziales Konstrukt, würde man auf neudeutsch sagen. Am Ende aber liegt sie tot neben ihrem Geliebten. 

Unser Vers handelt vom Namen eines Ackers. Er heißt Blutacker, sagt Petrus, weil Judas den Acker gekauft habe und den Jünger dort sein seit ewiger Zeit vorherbestimmtes Schicksal ereilte. Judas stürzte und barst entzwei, und seine Eingeweide quollen aus dem Leib, erzählt Petrus. Er zitiert dabei einen Psalm, den er als Prophezeiung sieht. Jesus war zum Himmel aufgefahren, und nun muss der Platz neu besetzt werden, den Judas freigemacht hat. Die Welt dreht sich weiter, die Apostelgeschichte beginnt.

Das ist aber nicht die Geschichte, die wir aus der Erzählung von Matthäus kennen. Der Evangelist schreibt, der Blutacker heiße so, weil er mit Blutgeld bezahlt sei. In seiner Version bringt Judas den Priestern die dreissig Silberlinge zurück, die er für den Verrat an Jesus erhalten hat,. Seine Tat reut ihn tief. Die Priester aber wollen das Geld nicht und sagen ihm, er solle allein klarkommen. Judas wirft das Geld in die Tempelkasse, geht und erhängt sich. Die dreissig Silberlinge seien Blutgeld, sagen die Priester, es dürfe nicht im Tempel bleiben. Und sie kaufen von dem Geld einem Töpferacker, der als Begräbnisort für namen- und mittellose Fremde dienen soll und fortan Blutacker genannt wird.

Zwei sehr unterschiedliche Geschichten, von einem Acker und einem Menschen. Schaut man genauer hin, werden die Unterschiede sehr bedeutsam. 

Was treibt den Verrat? Bei Matthäus ist es Geldgier. Petrus hingegen sagt, die Tat geschah, weil sie geschehen musste. Sie lag im Plan Gottes. Alles war vorherbestimmt, der Verrat des Judas wie auch sein Tod. Für Petrus war der Verräter Judas ein Instrument Gottes und seiner Bestimmung für die Menschen, ein Rad in der Erlösungsmaschine.

Ich habe vor einiger Zeit über die eigentümliche Rolle Judas‘ geschrieben, siehe die BDW 21/2020 und 37/2023. Er tut, was geschehen muss und saugt dabei alle Schuld auf wie ein Staubsauger. Judas stirbt fast gleichzeitig mit Jesus in tiefer Nacht, als sein dunkler Bruder. In der Gründonnerstagsnacht dieses Jahres hatte ich ein Gespräch darüber, und mein Gegenüber machte mich auf die Apostelgeschichte aufmerksam, auf den Text, aus dem wir jetzt gezogen haben.

Ja, was ist in einem Namen? Welche der beiden Geschichten zum Acker ist richtig? Im buchstäblichen Sinne vielleicht keine. ‚Dam‘ heißt Blut, und ‚adom‘ bedeutet rot, lautlich und ethymologisch sehr nah. Es war ein Töpferacker, und seiner Farbe wegen mag er schon immer so geheissen haben. Aber hinter dem Namen steckt eben diese andere Frage — was um aller Welt hat dieser Verrat zu bedeuten? Wenn Petrus recht hat, steht Judas in der Heilsgeschichte in gewisser Weise neben Johannes.

Der Blutacker liegt im Gehinnomtal südlich Jerusalems und gehört seit dem 16. Jahrhundert der armenischen Kirche. Sie nutzte den Ort bis ins 19. Jahrhundert als Begräbnisort für Fremde. Heute steht dort ein Kloster.

Gott segne uns in dieser Woche! 
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 28/2024

Ein Auge, das den Vater verspottet, und verachtet der Mutter zu gehorchen, das müssen die Raben am Bach aushacken und die jungen Adler fressen.
Spr 30,17

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Licht und Schatten

Oh! Wer seine Eltern nicht achtet, den fressen die Raben! Was ist hier gemeint? Wessen Auge die Vögel aushacken, der ist vorher gestorben. Vielleicht wurde er gesteinigt? Dtn 20,18-21 legt die Todesstrafe für mißratene Söhne fest, und im Bundesbuch, Ex 21,15+17, wird der Tod für erwachsene Kinder gefordert, die ihre Eltern schlagen oder verfluchen. 

Aber das Buch der Sprüche ist nicht die Torah, es ist ein Lehrbuch der Weisheit — oder besser: ein Übungsbuch, es sind Vorlagen zum Auswendiglernen. Der Vers sagt, dass die Raben das frevelnde Auge aushacken müssen (=werden), nicht, dass sie es tun sollen. Die Verachtung der Eltern trägt ihre Strafe in sich.

Den Schatten des Urteils im Vers nämlich wirft ein blendend helles Licht. Der familiäre Zusammenhalt ist in der Welt der Bibel elementar wie das Leben selbst. Die Familie erfüllt alle Funktionen der Daseinsvorsorge. Sie ist Alters-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Sie ist Schule und Ausbildungsstätte in einem. In und von seiner Familie erhält ein junger Mensch alles: die Sprache, Kenntnisse und Fertigkeiten, Beziehungen, seinen Patz im Leben, siehe BdW 34/2023, Die Familie stiftet die Ehe und übernimmt die immensen Kosten der Hochzeit. Und sie ist es auch, die das Wissen über die Welt und den Glauben an Gott weitergibt — beides gehört ununterscheidbar zusammen, In den zehn Geboten findet sich kein Aufruf, gesetzestreu zu sein und die Obrigkeit zu achten, sondern das Gebot, die Eltern zu ehren. 

Das wirkt wie ferne Vergangenheit. Aber auch heute ist die Familie für die Chancen eines jungen Menschen von unschätzbarer Bedeutung. Ohne ihren Schutz und Hintergrund ist man schnell bei den Raben…

Wer seine Eltern nicht achtet, aus gutem Grund oder nicht, der steht vor einem schwierigen Leben. Und weil das so ist — was können Eltern tun, damit das nicht geschieht? Darüber denke ich immer wieder mal nach. Gestern gab mir meine Tochter eine Antwort. Als eine Auseinandersetzung fast aussichtslos wurde, hat sie mir geappt: „Heute habe ich gelernt, dass Liebe geduldig ist.“

Unser Vers oben steht in der Sammlung von Sprüchen eines Weisheitslehrers namens Agur. Zu Beginn des Kapitels gesteht er, dass er mit leeren Händen dasteht. Lesen Sie selbst, sein Bekenntnis rührt mich an: 

Ich habe mich gemüht, o Gott, ich habe mich gemüht, o Gott, und muss davon lassen. Denn ich bin der Allertörichtste, und Menschenverstand habe ich nicht. Weisheit hab ich nicht gelernt, und Erkenntnis des Heiligen habe ich nicht. Wer ist hinaufgefahren zum Himmel und wieder herab? Wer hat den Wind in seine Hände gefasst? Wer hat die Wasser in ein Kleid gebunden? Wer hat alle Enden der Welt bestimmt? Wie heißt er? Und wie heißt sein Sohn? Weißt du das?

Das schreibt er etwa zeitgleich mit Sokrates. Unser Vers gehört zu dem wenigen, das er der Nachwelt dennoch hinterlassen will. 

Gott segne unsere Familien! 
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 27/2024

Bewahre mich, HErr, vor der Hand der Gottlosen; behüte mich vor den freveln Leuten, die meinen Gang gedenken umzustoßen.
Ps 140,5

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Die freveln Leute…

Psalm 140, das ist ein ganzer Psalm zu den „Feinden“, diesen üblen Menschen, die ständig auf Verderben sinnen, jede Gelegenheit sofort ergreifen, den Betenden zu zerstören. Wir finden sie überall im Psalter, als Gegenbild zu Vertrauen und Hoffnung in der Beziehung mit Gott. Vor einiger Zeit habe ich zu diesen „Feinden“ einen ausführlichen Kommentar geschrieben, siehe den BdW 12/2023. Deshalb kann ich mich hier auf einen Aspekt beschränken.

Psalm 140 ist in seiner Sprache vergleichsweise gemäßigt, die gewaltsüchtigen Bilder fehlen hier weitgehend, bei den Handlungen der Feinde und auch beim Schicksal, das sie erleiden sollen. Der Haß dieses Psalms ist aufgeklärt, wenn man so will. 

Ich bin im zweiten Teil des gezogenen Verses hängen geblieben, 

... den freveln Leuten, die meinen Gang gedenken umzustoßen.

Ich habe in der hebräischen Bibel nachgeschaut. Statt des altertümlichen „freveln“ könnte man „gewalttätig“ übersetzen, und wo in der Lutherbibel 1912 „meinen Gang umstoßen“ steht, wäre „meine Schritte zu Fall bringen“ wörtlicher. 

Aber die alte Übersetzung hat ein sehr schönes Bild. Der Betende weiß, wo es hingeht. Er weiss es nicht nur, er ist auch schon unterwegs. Und diesen Gang vorwärts stoßen die Feinde um. Wie oft ist es so, genau so! Und ganz ehrlich, schuld sind dann in der Regel keine Menschen aus Fleisch und Blut, sondern die Feinde im Innern. 

Denken Sie an Ihre eigenen inneren Feinde. Ja, der Herr möge feurige Kohlen über sie schütten und sie in eine Grube stürzen, dass sie nicht mehr aufstehen…! 

Und noch ein Ausrufezeichen..!

Gottes Segen sei mit uns in dieser Woche,
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 26/2024

…so doch, wo wir bekleidet und nicht bloß erfunden werden.
2 Kor 5,3

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Mittsommerlicht

Mittsommer. Das ganze Jahr lang sehne ich mich nach diesen magischen Tagen mit ihrem übernatürlichen Licht, das die Zeit transzendiert, in dem Ewigkeit aufscheint.

Paulus glaubt an eine leibliche Auferstehung. Darum geht es im Vers, und weil der Text von 1912 recht mißverständlich ist, sind hier die ersten drei Verse des Abschnitts aus der Lutherbibel 1984: 

Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden. 

Paulus war nicht mehr jung und hatte schwerwiegende gesundheitliche Probleme. Er vergleicht seinen irdischen Leib mit einer Hütte, die dem Untergang geweiht ist und demnächst abgebrochen wird. Das Bild verstehe ich (leider) schon sehr gut. Statt der abbruchreifen Hütte wird er von Gott ein himmlisches Haus bekommen. Das ist ein Bild für den neuen Körper, den Auferstehungsleib, aber es steht auch für Geborgenheit im Vater. 

Die Perspektive eines neuen Körpers ist Paulus sehr wichtig. Die Vorstellung erschreckt ihn, nach seinem Tode körperloser Geist zu bleiben, also „nackt“, unbekleidet, ohne Haus. Das bringt unser Vers zum Ausdruck. Mich schreckt eher die Vorstellung einer Ewigkeit in einem materiellen und notwendigerweise auch zeitlichen Körper. Ewigkeit in der Zeit — dann ginge es ja weiter, und weiter, und weiter…

Ich hoffe auf Ewigkeit in einem Licht jenseits der Zeit. 

Einen gesegneten Johannistag wünsche ich uns allen!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 25/2024

Und Ahab sagte Isebel alles an, was Elia getan hatte und wie er hatte alle Propheten Baals mit dem Schwert erwürgt.
1 Kö 19,1

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Glaube und Unglauben

Das sag ich meiner Mama / meinem großen Bruder / der Frau Neuenberger. Im Kindergarten ist das die ultimative Antwort, wenn man selbst ohnmächtig ist. Die Supermacht soll es richten. 

Ahab „sagt es“ seiner Frau Isebel. Ahab ist der König von Israel. Er hatte gerade mitansehen müssen, wie Elia, der Prophet Gottes, in einem Opferwettstreit mit den Propheten Baals und Ascheras obsiegte und 450 Propheten Baals und 400 Propheten der Aschera eigenhändig tötete. Mit einem weithin sichtbaren Wunder brachte Elia das Volk dazu , sich der Männer Baals und Ascheras zu bemächtigen, und der Prophet selbst vollstreckte das Urteil mit dem Schwert.

Da war Elia unerschrocken, unbesiegbar, von Gott mit unbegrenzter Macht versehen. Wenn er in diesem Moment dazu aufgerufen hätte, Ahab zu töten, wäre dies geschehen. Aber Elia hilft Ahab beim aufkommenden Regensturm und beide ziehen gemeinsam nach Jesreel. 

Dort angekommen, sagte Ahab Isebel alles an, was Elia getan hatte. Isebel war des Königs Frau, eine Phönizierin, die den Baalskult nach Israel gebracht hatte. Sie hatte viele Propheten des Herrn töten lassen. Und nun bekommt sie vom König das Heft in die Hand gelegt. Sie tut nicht viel. Sie wendet sich an Elia und sagt ihm, dass es ihm sehr übel ergehen werde, wenn er morgen noch da sei. 

Und Elia, der eben noch auf dem Karmel den König und achthundertfünfzig Propheten fremder Götter besiegt hatte, fällt in sich zusammen. Er rennt um sein Leben, flieht aus Jesreel, verfällt in eine tiefe Depression und flieht immer weiter, bis zum Berg Horeb im Sinai. Dort hat er eine Begegnung mit Gott. 

Wenn man es liest, versteht man kaum, was hier geschieht. Wie kann das sein? Elia mit Isebel in Jesreel scheint ein anderer Mensch als Elia mit Ahab auf dem Karmel. 

Es liegt nicht am Gegenüber. Ahab war kein schwacher König — wenig später gewinnt er mit hohem persönlichen Einsatz einen großen und eigentlich aussichtslosen Krieg gegen die Aramäer. Man kann es psychologisch deuten. Dann trägt Elia Merkmale einer bipolaren Störung: Phasen von Hochgefühl und Tatendrang wechseln sich ab mit tiefer Depression. Ähnliches lässt sich auch bei anderen großen Propheten beobachten, Jeremia und Hesekiel. Vielleicht spielt auch die Topographie eine Rolle. Der Karmel ist ein Berg und Jesreel liegt in der Ebene. Der Herr galt in dieser frühen Zeit als Berggott und seine Macht in der Ebene war nicht selbstverständlich, vgl. 1 Kö 20,23-28. 

Für mich ist dieser Kontrast Gelegenheit, die Macht von Unglauben zu betrachten. Wenn Glaube Vertrauen ist und Berge versetzen kann, dann ist Unglauben fehlendes Vertrauen, in sich selbst, in andere und in Gott. Das macht handlungsunfähig, es bedeutet Hilf- und Wehrlosigkeit. 

Mit unserem Glauben schaffen wir die Welt, unsere und die der anderen. Das ist ein Topos der Bibel — im „Bibelvers der Woche“ hat er seinen eigenen Hashtag, #Glauben und Vertrauen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Stellen Sie sich vor, Sie hätten es mit einer schweren Herzerkrankung oder einem Krebs zu tun. Welche Aussichten haben Sie, wenn Sie schon zu wissen glauben, dass alles sinnlos und verloren ist? Welche Chance hat im Krieg ein Kämpfer, der sich schon besiegt glaubt? Glaube kann Berge versetzen. Unglaube lässt sie über uns zusammenstürzen. 

Inmitten eines Bergs, dem Horeb, findet Elia seinen Glauben wieder, als er Gott einfach zuhört. Er trifft Gott in einem Windhauch.

Ich wünsche uns eine Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 24/2024

Da geschah des HErrn Wort zu mir und sprach:…
Hes 14,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Kein Wort

Eine auffallende und ungewöhnliche Formulierung. Ich habe nachgeguckt — im hebräischen Originaltext steht es in der Tat fast wörtlich so: „Da war ein Wort des Herrn zu mir und sprach…“. Nicht der Herr spricht, sondern sein Wort. 

Aber was sagt das Wort? Dass es kein Wort geben soll für diejenige, die Götzen anhängen und mit Freuden dasjenige betrachten, womit sie sich besudeln. 

Propheten sind Mittler Gottes zu den Menschen. Zu Ezechiels Zeiten war dies recht umstandslos: Menschen kamen zum Propheten, setzten sich vor ihm nieder und befragten ihn. Sie erwarteten eine von Gott inspirierte Antwort. Ezechiel erfährt nun, dass er gottlosen Menschen nicht antworten soll. Der Herr selbst werde die Antwort geben, indem er diese Menschen aus dem Volk tilgt — wortlos. Antwortet der Prophet den Fragenden, macht er sich mitschuldig und es geschieht ihm das Gleiche. 

Wie zwischen Menschen: solange man miteinander spricht, ist es noch nicht zum Äußersten gekommen. 

Was macht Gott aus? Dass er antwortet! Würde er nicht antworten, wäre eine Welt mit Gott im Grunde nicht anders als eine Welt ohne — sie wäre durchwaltet von Kräften, zu denen wir keinen Kontakt herstellen können, und ob wir diese Kräfte nun Gott nennen, Schicksal oder Chaos, es wäre nicht wirklich wichtig. 

Wer sich Gott entzieht, dem entzieht sich Gott. So einfach ist das. 

Am Sonntag wird meine Tochter konfirmiert. Sie hat sich als Spruch Ps 126,3 ausgesucht: „Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich“. Das könnte nicht besser zu ihr passen. In ihrem Leben sieht sie Gott ständig, es war eigentlich immer so.

Und so möge es bleiben, für die Länge ihrer Tage!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 23/2024

Wir können’s ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben.
Apg 4,20

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Bekenntnis, Freude und Mut

Man liest den Vers und weiß irgendwie schon, worum es geht. Wir sind in der Apostelgeschichte. Das Pfingstwunder, die große Explosion, liegt hinter uns. Petrus und Johannes haben den Tempel besucht und mit ihrem Gebet im Namen Jesu einen Menschen zum Gehen und Springen gebracht, der sein ganzes Leben lang gelähmt war. Ungeheures Aufsehen ist die Folge. Die beiden werden vor den Hohen Rat gebracht und sollen Rechenschaft ablegen: aus welcher Kraft und in welchem Namen haben sie das getan? 

Die beiden Apostel bekennen ihren Herrn, und der Hohe Rat weiss nicht recht damit umzugehen. Offenkundig ist ein Zeichen geschehen, aber das Volk soll nicht aufgewiegelt werden. Also versuchen sie es mit einem Redeverbot: die beiden Apostel sollen hinkünftig nicht mehr in Jesu Namen sprechen. Ihre Antwort ist der gezogene Vers: Wir können’s ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben! 

Diese Antwort hat zwei Seiten. Zu beiden habe ich tagesfrische Eindrücke.

Die Antwort klingt fröhlich und zuversichtlich, mit Kraft, die aus dem eben erst Erlebten kommt. Ein Gebet im Namen Jesu, und ein lebenslang Gelähmter steht auf und geht umher! Vor einigen Wochen erlitt in meiner Gemeinde ein Mann einen Herzstillstand. Er wurde zur Schonung in ein künstliches Koma versetzt, und als er aus diesem Koma auftauchen sollte, erwies sich das als unmöglich. Das Gehirn schien irreparablen Schaden genommen zu haben. Der Mann hat eine Frau und vier Kinder, die von ihm abhängen. In der Gemeinde kennt jeder die ganze Familie. Es war furchtbar. Viele beteten für ihn. Und vor zwei Wochen geschah es, dass er aus dem Koma erwachte. Mittlerweile ist er operiert und durchläuft eine Rehabilitation. Körperlich und geistig erholt er sich schnell. Uns fiel ein Stein vom Herzen. Wir waren fröhlich und glücklich — ‚Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich‘, Psalm 126, 3. Gestern Abend hat mir eine Freundin per Sprachnachricht dazu einen Text ausgerechnet aus Apg 5 geschickt — ohne dass sie vom Bibelvers dieser Woche wusste!

In der Antwort stecken aber auch Todesmut und das Annehmen eines Kelchs. Zwei Kapitel weiter erzählt die Apostelgeschichte, wie ein anderer Apostel, Stephanus, vor demselben Hohen Rat steht. Auch er bekennt unverwandt. Das Ende ist blutig, siehe den BdW 03/2019

Jede Gesellschaft macht kurzen Prozess, wenn die Falschen aufstehen und das falsche sagen. Für die gute und gemeinsame Sache geht manches einfach und schnell, man kann ja auf den Applaus der anderen zählen. Jüngst gab es dieses Video mit ausländerfeindlichem Gesang vor einer Disko in Sylt. Ein Dokument staunenswerter Dummheit. Im Nu war es unverpixelt auf vielen großen Kanälen zu sehen. Eine große Boulevardzeitung veröffentlichte die Namen der jungen Leute und auch, wo sie arbeiten. Wenige Tage später waren alle gekündigt. Ohne Kläger, ohne Richter, ohne Urteil. Ein früherer Kanzlerkandidat der Union jubelt: „In kürzester Zeit waren alle Namen öffentlich. Sie alle haben ihren Job verloren“. Er wünsche sich, „dass man genau so jeden einzelnen versucht zu bestrafen, der antisemitisch, rassistisch und der anders ist.“ (Zitat nach FAZ, 28.05.24, S.1).

Da mag man hoffen, dass alles, was man singt und sagt, stets gut zum Zeitgeist passt. Gläubige Menschen brauchen diese Hoffnung in besonderem Maße. Und fast überall geht für die „Falschen“ viel weniger als hier und jetzt bei uns. Man möchte nicht Kurde sein in der Türkei, Christ im Iran, Palästinenser in Israel oder Jude in Nordafrika. 

Wir können’s ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben! Wie mag sich das angefühlt haben, als einer der ersten Christen immer „falsch“ zu sein — in Jerusalem, oder bei den Verfolgungen in Rom? Und doch zu wissen, dass man richtig liegt mit Jesus? Wie auf einer Abschussrampe, vielleicht: Zuversicht, Hoffnung, Angst, Not, Verzweiflung, Vertrauen, das Wissen um die klare Sonne, die große Kraft, die Ewigkeit. Jesu Liebe, die Liebe der Brüder und Schwestern.

Ja, versuchen wir, uns das vorzustellen!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 22/2024

Dann aber wirst du Glück haben, wenn du dich hältst, dass du tust nach den Geboten und Rechten, die der HErr dem Mose geboten hat an Israel. Sei getrost und unverzagt, fürchte dich nicht und zage nicht!
1 Chr 22,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Viel Glück und viel Segen…!

Ein Kommentar ist nicht unbedingt nötig. Sie können den Vers dreimal lesen und damit getrost in die nächste Woche gehen!

Aber vielleicht etwas zum Hintergrund. Der ist nämlich interessant, und er sagt uns, worum es geht. Der Vers und sein Text schließen an die Geschichte von Davids Volkszählung an. Erinnern Sie sich? Vor kurzem, in Woche 19/2024, haben wir einen Vers gezogen, der David den Ort für einen Altar nannte: Araunas, des Jebusiters Tenne. Platz für ein Sühneopfer, nachdem der Todesengel des Herrn Jerusalem beinahe vernichtet hätte. Dies sollte nun auch der Platz für den Tempel in Jerusalem werden. David selbst soll ihn nicht bauen, sagt ihm der Herr, zu viel Blut klebt an seinen Händen. Salomon, sein Sohn, ist ausersehen, er soll König des Friedens sein. David will das seine tun, für den Tempelbau legt er riesige Vorräte an und führt Kriege darum — siehe die BdWs 08/2022 und 27/2021. Er hat eben seinen eigenen Modus…

Und nun gibt David seinem Sohn den Segen. Hier der ganze Wortlaut (1 Chr 22,11-13)

So wird nun, mein Sohn, der HERR mit dir sein und es wird dir gelingen, dass du dem HERRN, deinem Gott, ein Haus baust, wie er von dir gesagt hat. Auch wird der HERR dir geben Klugheit und Verstand und wird dich bestellen über Israel, dass du haltest das Gesetz des HERRN, deines Gottes. Dann aber wird es dir gelingen, wenn du die Gebote und Rechte befolgst, die der HERR dem Mose für Israel geboten hat. Sei getrost und unverzagt, fürchte dich nicht und lass dich nicht erschrecken! 

Der Tempelbau möge gelingen, mit Glück und Segen! Jedem von uns. In diesem Sinne wünsche ich uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth