Denn deine Pfeile stecken in mir, und deine Hand drückt mich.
Ps 38,3
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.
Zerfall… und Wiederaufbau
Der dritte Bußpsalm. Nicht das, worüber man sich zu Beginn einer neuen Woche freut. Der Betende ist körperlich und seelisch am Ende. Krankheit drückt ihn nieder, der Psalm findet krasse Worte für den Zustand der fortschreitenden Auflösung, in dem Körper und Geist sich befinden. Der Zerfall findet seine Entsprechung im sozialen Bereich: Freunde und Verwandte ziehen sich zurück und die feindlich gesinnten Kräfte werden übermächtig. Der Betende sieht dies als Strafe Gottes für seine Sünden. Das ist die Saite, die der gezogene Vers anschlägt. Er steht an zweiter Stelle im Psalm, der Eingangsvers lautet: „Herr strafe mich nicht in meinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm!“ Der Betende bekennt seine Sünden und bittet um Verschonung.
Ein Thema, das sich durch die ganze Bibel zieht: unser Unglück kann Strafe Gottes sein, der Ausfluß unserer Verfehlungen. So formuliert klingt es „alttestamentarisch“, und mit Absicht lasse ich den negativen Beiklang mitschwingen: da ist jemand, der keine Sünde ungestraft lässt, bis ins dritte und vierte Glied (2. Mose 34,7).
Hier liegt, Zeitgeist und Beiklang zum Trotz, aber eine tiefe Wahrheit. Sind nicht unser Verhalten und unsere Verfasstheit letztlich eins? Kann denn aus einer kranken inneren Verfasstheit gesundes Verhalten erwachsen, und korrumpieren nicht umgekehrt unsere Verfehlungen die Seele? Mit der mitmenschlichen Umgebung wird ein Dreieck daraus: in einer Umwelt voll Hass und Streit kann nur ein Heiliger friedlich und innerlich gelassen bleiben, und andererseits kehren die Ergebnisse unserer Dysbalancen über die Umwelt schnell zu uns selbst zurück. Das eine bedingt das andere. Krankheit führt zu Verfehlung, Verfehlung zu Krankheit, und beides wird von unserer Umwelt aufgenommen, verstärkt und zurückgegeben. Die Punkte des Dreiecks stützen sich gegenseitig. Eine psychophysische Armutsfalle. Wir machen unsere Hölle und unsere Hölle macht uns. Und dies vielleicht wirklich bis ins dritte und vierte Glied.
Wie kann man aus einer solchen Lage herauskommen? Es geht nicht ohne einen Angelpunkt außerhalb dieses Systems von Rückkopplungen. Wir brauchen Gott. Als „Deus ex Machina“ im Wortsinne, der außerhalb und oberhalb unserer Mechanismen steht. Der uns helfen kann, „trotz allem“ unser Verhalten zu ändern, wenigstens an einigen Stellen, der uns in unserer Umgebung Atemluft schenken kann, der uns zusätzliche Kraft dort verleiht, wo eigentlich alle Reserven aufgebraucht sind. Und dann kann die positive Rückkopplung auch andersherum laufen. Bis am Ende vielleicht eine ausgewogene körperliche und seelische Verfasstheit ein großzügiges und gemeinschaftsorientiertes Verhalten stützt und beides bei den Mitmenschen Ansehen und Wertschätzung bewirkt und Liebe ermöglicht. Aber am Anfang steht das Eingeständnis: der eigenen Korruption, der verzweifelten äußeren Lage, des geistigen und körperlichen Verfalls. Und dann die Bitte. Der Psalm schließt mit den Worten:
Verlass mich nicht, HERR, mein Gott, sei nicht ferne von mir!
Eile, mir beizustehen, Herr, meine Hilfe!
So sei es für uns in dieser Woche.
Ulf von Kalckreuth