Bibelvers der Woche 37/2023

Da das sah Judas, der ihn verraten hatte, dass er verdammt war zum Tode, gereute es ihn, und brachte wieder die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und den Ältesten.
Mat 27,3

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

In der Geisterbahn

Der Vorhang zum letzten Akt hat sich geöffnet. Judas, einer der engsten Vertrauten Jesu, hat diesen an die Miliz des Sanhedrin, des Hohen Rats verraten, gegen Geld. Jesus wird verhaftet und abgeführt. Der Sanhedrin tagt, gemeinsam mit dem Hohepriester, und sie beschließen Jesu Tod, wegen Gotteslästerung. Er wird der römischen Besatzungsmacht überantwortet, weil die Juden selbst keine Todesurteile fällen und vollstrecken dürfen. Es bleibt daher noch zu prüfen, ob Jesus auch gegen römisches Recht verstoßen hat, aber der Ausgang scheint nun hinreichend klar. Für Judas ist das Geschehen unerträglich, er wird von tiefer Reue erfasst. Hier der Textzusammenhang, Mat 27, 3-5:

Als Judas, der ihn verraten hatte, sah, dass er zum Tode verurteilt war, reute es ihn, und er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und Ältesten zurück und sprach: Ich habe gesündigt, unschuldiges Blut habe ich verraten. Sie aber sprachen: Was geht uns das an? Da sieh du zu! Und er warf die Silberlinge in den Tempel, ging davon und erhängte sich.

Nur Matthäus berichtet von Judas‘ Selbstmord. Beim zweiten Hinsehen ist Judas‘ Reaktion nicht unmittelbar einleuchtend. Das Ergebnis der Verhandlung war eigentlich gut vorhersehbar. Judas hatte eine hohe Belohnung erhalten, und die Hohepriester oder ihre Miliz haben sie gezahlt, um etwas damit zu erreichen. Ein öffentlichkeitswirksamer Freispruch war sicherlich nicht das Ziel. Warum bringt sich Judas also um?

Die kritische Veränderung kommt nicht aus der Umwelt, sie muß sich in ihm selbst vollzogen haben.  Oder aber seine Verzweiflung war zuvor schon übergroß, und er hat zuerst die geistliche Seite seines Lebens getötet und dann die körperliche. Jesu Tod wäre dann die letzte Station auf Judas‘ persönlicher Reise in die Nacht. 

Wie ja auch umgekehrt. Judas‘ und Jesu Leben sind am Ende auf geheimnisvolle Weise miteinander verschränkt, Bild und Gegenbild, sie beide sterben mit und wegen des jeweils anderen.

Ich wünsche uns allen eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth

Nachts am, Fluss, Ulf von Kalckreuth, 2019

Bibelvers der Woche 34/2023

Von den Kindern Laedan, den Kindern des Gersoniten Laedan, waren Häupter der Vaterhäuser die Jehieliten.
1 Chr 26,21

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Die Hüter des Tempelschatzes

Nicht um Indiana Jones geht es hier, sondern darum, wie jemand im biblischen Israel zu seiner Aufgabe fand. Um es kurz zu sagen; Ein Mensch wurde in eine Familie hineingeboren, die sich in der Gemeinschaft in einer bestimmten Weise nützlich macht, und dies oft schon seit Jahrhunderten. Das war der Platz dieses Menschen, er war ihm garantiert, einen anderen gab es nicht. Gott selbst hatte diesen Platz bestimmt. Unser Vers zeigt dies am Beispiel der Hüter des Tempelschatzes. 

Dienst am Tempel taten ausschließlich Leviten, die Söhne Levis. Unter ihnen waren die Kohaniter, die Nachkommen Aarons, besonders herausgehoben: nur sie durften das Priesteramt wahrnehmen. In der Zeit um Davids Tod gab es unter den Leviten 38.000 Männer über 30 Jahren. Sie alle dienten im Tempel, so der biblische Bericht: 24.000 waren im Haus beschäftigt, 6.000 waren Verwalter und Tempelrichter, 4.000 waren Türhüter, eine besondere Schutztruppe, und weitere 4.000 waren Tempelmusiker. Der Text um unseren Vers legt fest, welche Zweige des reich gegliederten Stamms als Aufseher über die Tempelschätze dienten. 

Ich habe die Zuweisung in einer kleinen Grafik zusammengefasst. In Auszügen ist die Nachkommenschaft Levis zu sehen, einer der zwölf Söhne Jakobs. Wenn ich es richtig verstehe, sind ALLE Nachkommen Jehiels, Setams und Joels Hüter des Schatzes. In der Grafik sind sie gefettet und unterstrichen. Dazu treten EINIGE Nachkommen Amrams, Jizhars, Hebrons und Usiels, Ich habe sie kursiv markiert. Spezifisch aber sind die Oberaufseher des Schatzes stets Nachkommen Schubaels, eines Enkels von Mose.  

Alles, was sie wissen mussten, konnten die Angehörigen dieser Zweige von ihren Eltern lernen, oder von ihren Onkeln und Großeltern. Im übrigen Israel war es ähnlich. Der Stamm Levi war landlos und lebte vom Dienst an Gott. Alle anderen Stämme lebten von ihrem Land. Es gehörte fest zur Familie. Man konnte es nicht einmal dauerhaft an Fremde verkaufen, es fiel immer wieder an die Familie zurück. Aussicht auf Bereicherung boten nur Landnahme, Schlachtenglück mit Beute und der Dienst für den König.

Wie fühlt es sich an, wenn der Lebensweg dergestalt fest durch die Geburt bestimmt ist? Keine Selbstfindung nach dem Abitur, kein Studienwechsel, keine Neuorientierung in der Midlife-Crisis? Vielleicht ist das Leben leichter. Versagensängste und die seelischen Narben aus gewonnenen oder verlorenen Karriereschlachten spielen keine Rolle. Vor Querschüssen anderer muß sich niemand fürchten; deren Leben ist ja ebenso festgelegt wie das eigene. Und wenn ich nicht reich werde — könnte mein Kind mir einen Vorwurf machen? Die Apanage eines Tempelhüters war gewiss nicht erfolgsabhängig, und eine andere Beschäftigung hätte es für mich ja nicht gegeben.

Was würde eigentlich Indiana Jones dazu sagen? Es gibt natürlich die andere Seite. Wenn ich arm bleibe, muß ich mich nicht schämen, aber es gibt auch nicht viel, das ich tun kann, den Zustand zu ändern. Ich muß mich bescheiden, danken, Gott um Linderung bitten und in die traurigen Augen meiner Kinder blicken, die von Ferien am Meer träumen. Dies ist es, wozu der amerikanische Traum von der pursuit of happiness. sein mächtiges ‚Nein!‘ sagt.

Immerhin: Gott selbst wäre es gewesen, der mir die Stelle als Hüter des Schatzes im Leben gegeben hätte. Tut er so etwas heute noch? Und wie? Hören Sie in sich hinein…! Wie erkennen wir Berufung? Soziologen sagen, dass auch heute Herkunft und familiärer Hintergrund den Lebensweg eines Menschen recht weitgehend bestimmen. Ist das gut? Wäre das Gegenteil besser?

Etwas noch am Rande. Ich komme gerade von der Probe des Musikteams unserer Gemeinde. Wir waren zu viert, mit drei Instrumenten und wenig Kraft nach der Arbeit des Tags. In 1 Chr 23,5 steht zu lesen: 4.000 [waren verordnet] zu Sängern des Herrn, mit Instrumenten, die David zum Lobgesang hatte machen lassen. Mit einer solchen Zahl geübter Berufsmusikern war ein Lobpreis möglich, der heute unvorstellbar ist. Ihn zu erleben, aktiv oder als Zuhörer, muss wunderbar gewesen sein. Zumal jeder Beteiligte wusste, dass er seine Aufgabe vom Herrn selbst bekommen hatte. Und von seinen Eltern und Großeltern. Diese Arbeit gut zu machen ist dann ein Weg, Gott zu ehren und die Eltern dazu.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 31/2023

Er sah aber auf und schaute die Reichen, wie sie ihre Opfer einlegten in den Gotteskasten.
Luk 21,1

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Äquivalenz

Und so geht es weiter: Er (Jesus, d.V.) sah aber auch eine arme Witwe, die legte dort zwei Scherflein ein. Und er sprach: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr als sie alle eingelegt. Denn diese alle haben etwas von ihrem Überfluss zu den Opfern eingelegt; sie aber hat von ihrer Armut alles eingelegt, was sie zum Leben hatte. (Luk 21,2-4)

Jesus sieht, was die Reichen geben, er sieht auch, was die Witwe gibt. Jesus kommentiert das Verhältnis, in dem die Gaben stehen. Was er sagt, bedeutet zunächst einfach, dass mehr geben sollte, der mehr hat. So sagt es auch die Torah, in den Vorschriften zum Sühneopfer: wer arm ist, muß statt eines Schafs oder einer Ziege nur zwei Tauben zum Opfer bringen (Lev 5,7), siehe auch Lev 14,10ff zum Reinigungsopfer für Aussätzige.

In den finanzwissenschaftlichen Literatur zur Besteuerung nennt man dies das Äquivalanzprinzip. Aber Jesus hat keinen fiskalischen Blick, der die Leistungsfähigkeit der Opfernden einschätzt. Er nimmt die Perspektive der mittellosen Witwe ein und spricht von der ungeheuren Bedeutung dieses Opfers für sie — und diese Bedeutung ist es, die den Wert des Opfers ausmacht. Darin liegt die eigentliche Äquivalenz. 

Uns allen wünsche ich eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth