Bibelvers der Woche 38/2022

Er redete aber von dem Judas, Simons Sohn, Ischariot; der verriet ihn hernach, und war der Zwölfe einer.
Joh 6,71

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Fast allein

Jesus war streitbar — die Evangelien berichten, wie seine harten Formulierungen harte Gegenwehr erzeugen konnten, bis hin zu Gewalttätigkeit, und oft tat er nichts, dies zu vermeiden. 

Der Streit in Kapernaum, von dem hier die Rede ist, ist der erste, von dem Johannes berichtet. Und er kostete den Wanderprediger den größten Teil seiner Anhängerschaft, die durch das Wunder der Brotvermehrung gewaltig zugenommen hatte. 

Was war geschehen? Jesus sagt den Zuhörern, dass sie eins werden müssen mit ihm, dass sie nur so zum Vater kommen können. Ob dies gelingt, ob jemand diesen Weg findet, entscheidet der Vater. Jesus gebraucht für das Einssein mit Jesus ein krasses Bild, und es bleibt ausgesprochen unklar, ob es nur ein Bild ist oder mehr: Die Menschen, so sagt er, müssen sein — Jesu — Fleisch essen und sein Blut trinken, um zum ewigen Leben zu kommen. 

Da schießen explosiv Empfindlichkeiten hoch. Für Juden ist es eine grauenvolle Vorstellung. Menschenopfer sind abscheulich. Das Trinken von Blut ist absolut verboten, Fleischgenuß ist nur möglich, wenn dem Fleisch durch Schächten alles Blut entnommen wurde. Denn im Blut ist das Leben des Tieres, sagt Mose. Gemeint ist im Evangelium zunächst der Opfertod Jesu — das Opfer ist heilsnotwendig. Aber man kann Jesu Worte darüber hinaus auf das Heilige Abendmahl, die Eucharistie beziehen, und dann geht es um physisches Fleisch und physisches Blut. Auch unter Christen werden die Diskussionen hierzu sehr scharf, wenn sie nicht vermieden werden

Jesus vermeidet gar nichts und beharrt auf der Formulierung. Die Menschen wenden sich angeekelt ab. Nur die zwölf Schüler, die er sich selbst erwählt hatte, blieben. Er fragt, ob sie nicht auch gehen wollen, und Petrus antwortet für alle mit den Worten: Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt,: Du bist der Heilige Gottes.

Ein anrührendes Bekenntnis. Jedem anderen hätte es an dieser Stelle die Stimme verschlagen. Aber Jesus antwortet: Habe ich nicht euch zwölf erwählt? Und einer von euch ist ein Teufel.

Der gezogene Vers nun ist die Erklärung des Evangelisten: Jesus meint Judas Ischariot, der ihn später verraten würde. Johannes liefert diese Erklärung, weil die Antwort sehr schroff ist und ihr Sinn nicht offensichtlich — beweisen die Zwölf nicht gerade ihre Treue? Das ist doch wahrlich nicht dasselbe: herausgehobener Anhänger eines Stars zu sein, des angehenden Königs und Heilsbringers, oder zu den letzten Getreuen eines gemiedenen Aussenseiters zu zählen. Die zwölf bleiben bei ihrer Entscheidung für den Messias, den sie gefunden haben. 

Vielleicht meint Jesus wirklich Judas. Vielleicht aber bricht sich in ihm auch Enttäuschung Bahn. Die Zukunft, die vor ihm liegt, wird eben kein Siegeszug sein, keine erfolgreiche Bekehrung großer Massen, sondern ein leidensvoller und oft recht einsamer Weg. Das wird jetzt sehr deutlich.

Wie hätte ich mich entschieden? Wie die zwölf oder wie die vielen anderen? In Mat 7,14 spricht Jesus, dass der Weg zum Leben schmal sei und nur wenige ihn finden. Hat er das vor oder nach Kapernaum gesagt? Es ist die Gnade des Vaters, die zum Vater führt, so sagt er hier, in Joh. 6. 

Der Herr sei uns gnädig auch in der kommenden Woche!
Ulf von Kalckreuth

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