Bibelvers der Woche 22/2025

…welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut, damit er die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete in dem, dass er Sünde vergibt, welche bisher geblieben war unter göttlicher Geduld;…
Röm 3,25

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gnadenstuhl

Jede Woche ziehe ich zufällig einen Vers und versuche mich in einer Betrachtung. Nie habe ich versprochen, dass der Versuch immer glückt. Heute kann er nicht glücken, aus zwei Gründen. 

Die Bibel ist nicht Theologie, Theologie wird „über“ die Bibel gemacht. Das ermöglicht auch Nichttheologen einen vollgültigen Zugang, und nur so kann etwas wie der „Bibelvers der Woche“ gelingen. Es gibt eine Ausnahme — Paulus. Paulus sammelt nicht nur, er reflektiert, ordnet und systematisiert das, was er über Jesus gehört hat, weiss und selbst erfahren hat. Paulus ist Theologe — neben dem, was er sonst ist: Missionar, Kirchenpolitiker, Gründer vieler Gemeinden und bei Licht betrachtet der ganzen Weltkirche. Unser Vers ist reine Theologie, Wissenschaft von Gott. Viele Fäden nimmt er auf und verknüpft sie, sie laufen zusammen in diesem einen Vers. Die Botschaft des neuen Testaments in einer Nussschale. Der Vers und sein zentrales Bild, der Gnadenstuhl, haben eine eigene große Webseite in Wikipedia. Es kann mir nicht gelingen, die zentralen Aspekte leicht fasslich auf einer Seite zu reflektieren. Allein die Sprache ist eine Herausforderung…

Ich selbst stehe unter den Nachwirkungen eines seelischen Schlags und habe nicht die Kraft und Souveränität, einen Aspekt herauszugreifen und darin das Ganze aufscheinen zu lassen, vielleicht mit einem Lied oder einem Bild. Immerhin kann ich die Fäden benennen, die hier zusammenlaufen: 

  • Gottes Gerechtigkeit — sie verlangt Bestrafung von Sünde und Vergehen;
  • Gottes Gnade und Vergebung — sie beinhalten das Gegenteil, nicht wahr?
  • Gottes Geduld — Aufschub der Strafe, aber bis wann? 
  • das Blut Christi und sein Opfertod — wie kann das gerecht sein?
  • Glauben — den Weg gehen;
  • Versöhnung — von Mensch und Gott.

Alles dies kommt zusammen im Bild des „Gnadenstuhls“. Das ist Luthers Übersetzung des hebräischen Worts für eine goldene Platte, welche die Bundeslade im Allerheiligsten des Temples bedeckt, ohne selbst ein Teil von ihr zu sein. Das Wort „Stuhl“ steht hier für „Sitz, Örtlichkeit“, nicht für ein reales Sitzmobiliar. Gott selbst wird über dem Gnadenstuhl als anwesend gedacht. Beim Opfer am Versöhnungstag, Jom Kippur, spritzt der Priester das Blut des Opfertiers in Richtung des Gnadenstuhls. 

Bildlich findet dort die Versöhnung statt. Für Paulus ist Jesus Christus selbst dieser Gnadenstuhl: in ihm laufen die Fäden zusammen, findet die Versöhnung statt. Und nun kann ich ihnen doch eine Gemme geben: Wie dieser Gnadenstuhl ist irgendwie der Vers selbst: er nimmt all diese Fäden auf, in ihrer Widersprüchlichkeit, und verwebt sie zu einer festen Struktur. Der Vers kann also für den Gnadenstuhl stehen, dieser steht für Jesus Christus, und der wiederum steht für die Versöhnung von Mensch und Gott — er ist diese Versöhnung. 

Versöhnung — der Friede Gottes sei mit uns,
Ulf von Kalckreuth

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