Bibelvers der Woche 22/2024

Dann aber wirst du Glück haben, wenn du dich hältst, dass du tust nach den Geboten und Rechten, die der HErr dem Mose geboten hat an Israel. Sei getrost und unverzagt, fürchte dich nicht und zage nicht!
1 Chr 22,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Viel Glück und viel Segen…!

Ein Kommentar ist nicht unbedingt nötig. Sie können den Vers dreimal lesen und damit getrost in die nächste Woche gehen!

Aber vielleicht etwas zum Hintergrund. Der ist nämlich interessant, und er sagt uns, worum es geht. Der Vers und sein Text schließen an die Geschichte von Davids Volkszählung an. Erinnern Sie sich? Vor kurzem, in Woche 19/2024, haben wir einen Vers gezogen, der David den Ort für einen Altar nannte: Araunas, des Jebusiters Tenne. Platz für ein Sühneopfer, nachdem der Todesengel des Herrn Jerusalem beinahe vernichtet hätte. Dies sollte nun auch der Platz für den Tempel in Jerusalem werden. David selbst soll ihn nicht bauen, sagt ihm der Herr, zu viel Blut klebt an seinen Händen. Salomon, sein Sohn, ist ausersehen, er soll König des Friedens sein. David will das seine tun, für den Tempelbau legt er riesige Vorräte an und führt Kriege darum — siehe die BdWs 08/2022 und 27/2021. Er hat eben seinen eigenen Modus…

Und nun gibt David seinem Sohn den Segen. Hier der ganze Wortlaut (1 Chr 22,11-13)

So wird nun, mein Sohn, der HERR mit dir sein und es wird dir gelingen, dass du dem HERRN, deinem Gott, ein Haus baust, wie er von dir gesagt hat. Auch wird der HERR dir geben Klugheit und Verstand und wird dich bestellen über Israel, dass du haltest das Gesetz des HERRN, deines Gottes. Dann aber wird es dir gelingen, wenn du die Gebote und Rechte befolgst, die der HERR dem Mose für Israel geboten hat. Sei getrost und unverzagt, fürchte dich nicht und lass dich nicht erschrecken! 

Der Tempelbau möge gelingen, mit Glück und Segen! Jedem von uns. In diesem Sinne wünsche ich uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 19/2024

Und Gad kam zu David zur selben Zeit und sprach zu ihm: Gehe hinauf und richte dem HErrn einen Altar auf in der Tenne Aravnas, des Jebusiters!
2 Sa 24,18

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Pandemie

In der vergangenen Woche wurde Pessach gefeiert, das jüdische Fest des Auszugs der Kinder Israel aus Ägypten. In die Vorgeschichte gehört die Geschichte von den zehn Plagen. Jüdische Kinder lernen diese Plagen vor dem Fest auswendig und malen sie. Die Bibelverse der vergangenen Wochen erinnern mich daran: 16/2024: Blut und Gottes Gericht; 17/2024: Die Sterne und Gottes Gericht; 18/2024: Auf Gottes Weisung stirbt ein Volk. Und nun also 19/2024: Gott sendet eine tödliche Seuche. 

Es geht um eine sonderbare Geschichte. Ausführlicher und noch eindrucksvoller wird sie in 1 Chr 21 erzählt. Sie beginnt damit, dass der „Zorn Gottes abermals entbrannte gegen Israel“ (2 Sa 24,1). Gott „reizt David gegen sie“, und der König ordnet eine Volkszählung an. Diese Volkszählung aber stellte ein todeswürdiges Verbrechen dar, dazu unten mehr. 

Gad, ein Prophet, erscheint vor David. Der König soll zwischen drei Strafen wählen: 1) Das Land erleidet eine sieben Jahre währende Hungersnot, 2) David selbst muss drei Monate lang vor Widersachern fliehen, die ihn verfolgen, und 3) Während dreier Tage wütet eine Pest im Land. David entscheidet sich gegen die zweite Möglichkeit: er will lieber, so sagt er, in die Hand Gottes fallen als in die der Menschen. Und so bricht eine Pest aus, verschlingt in rasender Geschwindigkeit siebzigtausend Menschen im Norden des Landes. Als die Epidemie Jerusalem erreicht und der Todesengel turmhoch über der Stadt steht, gereut es den Herrn, und er gebietet Einhalt. David sieht den Todesengel und bittet darum, dass ihm selbst die Strafe zukommen möge und nicht dem Volk — „was haben diese Schafe getan?“ Gad, der Prophet, weist David an, dem Herrn an dieser Stelle einen Altar zu bauen. Das ist der gezogene Vers, und es war dies der Platz, auf dem später der Tempel entstehen sollte. 

Hat man den Mund wieder zubekommen, steht man vor Fragen.

Warum sollte die Volkszählung ein todeswürdiges Verbrechen sein? Das lässt sich nicht mehr klären. Volkszählungen waren an sich erlaubt. In Ex 30, 11-16 wird eine Kopfsteuer im Zusammenhang mit Zählungen beschrieben. Jeweils zu Beginn (Num 1) und zum Ende (Num 26) der Wüstenwanderung ordnete Gott eine Volkszählung an. Der Name des Buchs Numeri leitet sich von der ersten Volkszählung ab. Ich bin bei meiner Recherche auf eine Diskussion im „Wachturm“ der Zeugen Jehovas gestoßen. Dort gibt es sonst Sicherheit und keine offenen Fragen, aber zur Sündhaftigkeit der Volkszählung muss der Redakteur passen.

Eigentlich aber ist die Sündhaftigkeit der Volkszählung gar nicht entscheidend. Das Urteil war schon früher gefallen. Gottes Zorn war entbrannt, er will das Volk und David strafen, und die Volkszählung sollte der äußere Anlass sein, eine Tat, zu der er selber David reizt. Im parallelen Text der Chronik übrigens ist es Satan, der David provoziert. Gott lässt David die Wahl, die Strafe selbst anzunehmen oder das Volk büßen zu lassen, und David entscheidet sich für die Seuche. 

Aus Sicht der Israeliten klingt die Geschichte etwa so: Gott, der Herr reizt unseren König zu einer schweren Sünde. Diese Sünde rechnet der Herr uns zu, weil unser König es so entscheidet, und wir müssen sterben. Siebzigtausend von uns tötet der Engel des Herrn. Gemeinsam strafen Gott und sein König David uns für etwas, an dem wir keine Schuld tragen. 

An dieser Stelle wird die dunkle Geschichte fast ein wenig kenntlich, nicht wahr? So können viele Opfer vieler Kriege klagen. Aber warum? 

Noch etwas anderes erkenne ich wieder — das Schlüsselmotiv hinter den ägyptischen Plagen. Wir haben sie oben schon angesprochen. Die Plagen trafen die Ägypter, weil ihr Pharao die Israeliten nicht ziehen lassen wollte. Aber der Herr selbst hatte den Pharao „halsstarrig“ gemacht, unfähig, auf neue Gegebenheiten zu reagieren. Er konnte den wiederkehrenden Forderungen Mose nicht nachkommen. Wie ein Automat musste er ablehnen, ein ums andere Mal, und ein ums andere Mal trafen die Plagen sein Volk, darunter auch eine Seuche. Siehe hierzu den Kommentar „Verblendung“ zu BdW 44/2019. Gott wollte den disruptiven Auszug, und der Pharao musste seinen Beitrag leisten.

Hier, in Sam 24, ist Gottes Volk selbst das Opfer. Das will nicht so recht passen zu unserem Bild von Gott: Gott tut so etwas nicht. Oder doch? Warum eigentlich nicht? Genau so sieht unsere Welt doch aus. Vielleicht liegt das Problem bei unserem Bild von Gott. Eigentlich sollten wir gar keines haben. Ein gnädiger Gott ist keine Selbstverständlichkeit, ein gütiger Gott auch nicht. Und wenn er nicht so ist, wie wir ihn gern hätten — nicht gütig, nicht gnädig, nicht zugewandt — dann können wir ihn nicht entlassen, abwählen, zurückgeben und umtauschen, wie wir es so gern tun. In seiner Allmacht steht er uns gegenüber…!

Vielleicht will uns die Geschichte daran erinnern. An ihrem Anfang steht der Zorn Gottes. Bezeichnenderweise endet sie damit, dass ein Platz für den Bau des Tempels gefunden wird. Der gewaltige Bau und der Opferbetrieb soll die Beziehungen zwischen Gott und seinem Volk auf eine regelbasierte und verlässliche Grundlage stellen. Ein Versuch, dem Ausgeliefertsein zu entkommen?

Ich wünsche uns allen eine Woche im Segen des Herrn, frei von Plagen — und mit dem Licht des Friedens in Rafah!

Ulf von Kalckreuth

P.S. Der Zufall oder etwas anderes wollte es, dass ich gestern in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Frankfurt Geld wechseln musste. Ich wartete in einer Schlange, und bemerkte, dass ich auf einer großen Metallplatte stand, auf der Sterne und ein Komet zu sehen war. Als ich mir die Platte näher betrachtet, konnte ich Worte entziffern: 

Du bist erschrecklich — Wer kan furdirstehen wen du zurnest Anno 1680

Die Platte war nach einer Münze aus dem 17. Jahrhundert gestaltet, mit den Worten aus Psalm 76,8: Furchtbar bist du! Wer kann vor dir bestehen, wenn du zürnest? Das prägten die Menschen sich auf ihr Geld, vor knapp 350 Jahren. Der Kuschelgott, den wir zu kennen glauben, ist jedenfalls nicht sehr alt. 

Bibelvers der Woche 07/2024

…und die Leviten und die Sänger alle, Asaph, Heman und Jedithun und ihre Kinder und Brüder, angezogen mit feiner Leinwand, standen gegen Morgen des Altars mit Zimbeln, Psaltern und Harfen, und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Drommeten bliesen;
2 Chr 5,12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gottesdienst

Der Tempel wird eröffnet. Jahrzehntelang wurde gebaut, und viel länger noch, schon unter David, wurde der Bau vorbereitet. Alles treibt seit langem auf diesen Höhepunkt zu. 

Zu mir spricht dieser Vers sehr direkt, fast wie eine Antwort. In der letzten Woche endete ich mit der Vorstellung, dass die vom Volk erbetene und von Gott gewährte Mittlerrolle Mose geteilte und kollektive Gotteserfahrungen nicht mehr vorsieht — der Austausch mit der Gottheit vollziehe sich nun über berufene Mittelsmänner. Große theokratische Strukturen sind die Folge. Als Beispiel für eine Wende, einen Ausbruch habe ich das Pfingstereignis erwähnt. 

Aber etwas anderes noch vermittelt seit viertausend Jahre Glaubenden geteilte Erfahrung mit Gott: der Gottesdienst, mit Gebeten und Gesängen. Auch dafür steht ja die Einweihung des Tempels: für regelmäßigen, d.h. Regeln folgenden Gottesdienst einer großen Vielzahl von Menschen. Jeder Mann sollte dreimal im Jahr zu den hohen Festen den Tempel besuchen und dort seinen Dienst an Gott verrichten. Dieser Dienst war vor allem Opfer, und es gab keine Predigten im heutigen Sinne. Aber da war schon vieles, was es heute noch gibt: Psalmgesänge, Gebete, Lobpreis. 

Und wie heute waren Gottesdienste Raumzeiten gemeinsamen Erlebens. Für mich selbst ist dies sehr oft mit Musik verbunden, Musik der verschiedensten Art. Und als ich las, wie Asaf, Heman, Jeditun und alle Tempelsänger zur Eröffnung des Tempels ihre Stimme erhoben, unterstützt von 120 Priestern, die Trompete bliesen wie ein Mann, alle angetan in feinstes Leinen — da sah ich es nicht nur vor mir, sondern ich hörte es auch ein wenig, und ich wusste, woran ich in der vergangenen Woche nicht gedacht hatte. 

Hier Psalm 150, der den Psalter beschließt: 

Hallelujah! Lobet Gott in seinem Heiligtum, lobet ihn in der Feste seiner Macht! 
Lobet ihn für seine Taten, lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit! 
Lobet ihn mit Posaunen, lobet ihn mit Psalter und Harfen! 
Lobet ihn mit Pauken und Reigen, lobet ihn mit Saiten und Pfeifen! 
Lobet ihn mit hellen Zimbeln, lobet ihn mit klingenden Zimbeln! 
Alles, was Odem hat, lobe den HERRN! Hallelujah!

Der Herr segne und behüte uns
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 41/2023

The LORD said that he would dwell in the thick darkness

So habe ich nun ein Haus gebaut dir zur Wohnung, einen Sitz, dass du ewiglich da wohnest.
1 Kö 8,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Unverfügbar

Salomo spricht. Vor versammeltem Volk eröffnet er den Tempel des Herrn. Im Zusammenhang lautet der Vers: Da sprach Salomo: Die Sonne hat der HERR an den Himmel gestellt; er hat aber gesagt, er wolle im Dunkel wohnen. So habe ich nun ein Haus gebaut dir zur Wohnung, eine Stätte, dass du ewiglich da wohnest.

Salomo verweist auf die Vergangenheit, als früher schon das ganze Volk vor Gott stand. Das war am Horeb, als Gott die zehn Gebote gab. Mose musste Mittler sein, weil das Volk Gottes Gegenwart nicht ertrug — So stand das Volk von ferne, aber Mose nahte sich dem Dunkel, darinnen Gott war (2. Mose 20,21).

Gott, der sich Mose offenbarte, ist überörtlich und überzeitlich, er war, der er sein wird, und er zeigt sich, wem er will, wo er will und wann. Unverfügbar. Salomos Werk war der Tempel, das große Interface zwischen Gott und Mensch. Ort des Opfers, des Gebets, des heiligen Gesangs. Einziger Ort für all dies, für die Verehrung Gottes. Um den Tempel herum gründete sich eine Bürokratie, die Zugang gewährte oder verwehrte, ein Steuersystem, eine beamtete Priesterkaste, die Verschränkung von Staat und Kult. 

Ist es recht, dem großen Gott, der im Dunkel wohnen will, ein Haus zu bauen? Zu zeigen, wo Gott wohnt, und damit auch, wo er nicht wohnt? 

Die Gnade unseres dunklen Gotts sei mit uns allen,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 23/2023

So habe ich nun dies Haus erwählt und geheiligt, dass mein Name daselbst sein soll ewiglich und meine Augen und mein Herz soll da sein allewege.
2 Chr 7,16

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Wo wohnt Gott? 

Der Tempelberg inJerusalem ist drei Religionen heilig, Juden, Christen, und Muslimen, und jedes Jahr zieht er Millionen von Besuchern an. Den zwischen die Steine der Klagemauer geschobenen Gebetszetteln wird besondere Kraft nachgesagt. Die Mauer ist der Ort, wo man der vermuteten Ort des Allerheiligsten so nahe wie möglich kommen kann, ohne die Plattform selbst zu betreten. Dem Ort, an dem Gott zu wohnen versprach!

Nach seinem Bau war der Tempel der einzige Ort, an dem Gott Opfer gebracht werden durften — alternative Opferstätten, die es nach wie vor gab, wurden diskreditiert und kriminalisiert. Opfer war Gottesdienst. Opfer war die wichtigste Form der Kommunikation zwischen Gott und Mensch, und wenn der Tempel in Jerusalem die einzig legitime Opferstätte war, dann war dieser Tempel unglaublich wichtig. Und Gott hatte zugesagt, im Tempel zu WOHNEN. Anders als andere Gottheiten der Zeit war der Gott Israels vorher ortlos — er war dort, wo er angebetet wurde, wo er den Seinen erschien, er zog mit den Israeliten durch die Wüste. Mit David und Salomo hatte sich ein Königtum etabliert, mit einer festen Hauptstadt, und Gott bekam einen Ort zugewiesen, siehe den BdW 29/2019. Gott war nun festgelegt: er hatte ein Volk, dessen König er schützte, und einen Wohnort in dessen Hauptstadt. Ich hatte nie ein gutes Gefühl bei dieser Vorstellung. 

Das Versprechen Gottes, an seinem Wohnort zu bleiben, war aber von vornherein bedingt, siehe Vers 20, es galt nur solange das Volk seinen Teil des Bundesvertrags erfüllt. Der Tempel wurde mehrfach zerstört, zuletzt von den Römern, welche die Bevölkerung Jerusalems zerstreute und einen Wiederaufbau des Tempels verhinderten. 

So ist es heute noch. Keine israelische Regierung hat den Wiederaufbau gewagt. Der Tempel kann nur dort stehen, wo schon der alte war — der Bibelvers, den wir gezogen haben, sagt es: Gott hat sich einen konkreten Ort erwählt. Genau deshalb aber stehen auf dem Gelände des Tempels heute zwei wichtige  muslimische Heiligtümer. Es gibt noch ein anderes Problem: mit der Einweihung des Tempels würden sofort eine Unzahl Opfervorschriften der Torah wieder gelten. Ein gewaltiger Opferbetrieb müsste aufgenommen werden und das würde viele Juden in Israel und dem Ausland ihrer Religion entfremden, das Judentum vielleicht gar spalten. 

Lieber nicht.

Wo aber WOHNT Gott, wenn das alte Versprechen ausgesetzt ist und bleibt? Ist er ortlos wie ursprünglich, zieht er umher? Ist diese Frage überhaupt sinnvoll? Wenn Gott überall ist, ist es dann nicht so, als wäre er nirgends? 

Ich kenne nur die christlichen Vorstellungen näher. Aus dem Pfingstereignis heraus sagen Christen, dass Gott in der Gemeinde der Glaubenden wohnt. Auch Jesus selbst weist auf die Betenden: Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. (Mat 18,19f). Mystiker aller Religionen verorten Gott im Menschen selbst: Gott ist im Menschen, soweit der Mensch lernt, ihn in sich wahrzunehmen. 

Von George Berkeley, Bischof und Philosoph des 18. Jahrhunderts, stammt eine recht radikale philosophische Position: Den Dingen kommt Existenz nur insofern zu, wie sie wahrgenommen werden. Etwas, das nicht wahrgenommen wird oder nicht wahrgenommen werden kann, gibt es im eigentlichen Sinne nicht. Ein Stein auf der Rückseite des Mondes, der sich schwebend vom Boden entfernt und wieder niedersinkt, ist ebensogut wie einer, der sich nie bewegt hat. Man nennt diese Haltung subjektiven Idealismus, ebensogut könnte man sie radikalen Empirismus nennen. 

Wenn man Berkeley folgt, ist die Antwort auf die Frage recht einfach: Gott wohnt dort, wo wir ihm begegnen: im Gebet, im Studium der Schrift, in der Gemeinschaft der Glaubenden, in der Verzückung, der Meditation, aber auch auf dem Sterbebett, der Geburtsstation, in der Todesangst, vielleicht auch im religiösen Wahn, im Delirium — die Berichte von Gotteserfahrungen der Propheten im Alten Testament sind mit „normalen“ Welterfahrungen nicht vereinbar. 

Für die Begegnung aber müssen wir selbst uns bewegen. Gott lässt sich von denen finden, die ihn suchen, sagt die Schrift, und mein Pastor meinte kürzlich, dass wir Gotteserfahrungen selten auf der Couch machen…

So habe ich nun dies Haus erwählt und geheiligt, dass mein Name daselbst sein soll ewiglich und meine Augen und mein Herz soll da sein allewege. 

Und wenn wir selbst dies Haus sein könnten? Ich wünsche uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth

P.S. Bischof Berkeley gehört nun zu denen, deren Name möglichst nicht genannt werden soll. Er stammt aus Irland, aber er besaß ein Gut in Rhode Island. Dort arbeiteten auch Sklaven. Das Trinity College in Dublin nimmt dies nun zum Anlass, seine Bibliothek nicht weiter nach Bischof Berkeley zu benennen. Wir werden sehen, wie die Stadt Berkeley und ihre weltberühmte Universität damit umgehen wollen. 

Bibelvers der Woche 45/2022

…dazu Schalen, Messer, Becken, Löffel und Pfannen von lauterem Gold. Auch waren die Angeln an der Tür am Hause inwendig, im Allerheiligsten, und an der Tür des Hauses des Tempels golden.
1 Kö 7,50

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Fertig!

Wieder König Salomo… Diesmal sehen wir ihn beim Bau des Tempels. Der Bau ist abgeschlossen, auch der Innenausbau, nun werden als letztes die Kultgeräte bereitgestellt. Im Zusammenhang lautet unser Vers wie folgt:

Auch ließ Salomo alles Gerät machen, das zum Hause des HERRN gehörte: den goldenen Altar, den goldenen Tisch, auf dem die Schaubrote liegen, fünf Leuchter zur rechten Hand und fünf Leuchter zur linken vor dem Chorraum von lauterem Gold mit goldenen Blumen, Lampen und Lichtscheren; dazu Schalen, Messer, Becken, Löffel und Pfannen von lauterem Gold. Auch waren die Angeln an den Türen zum Allerheiligsten innen im Hause und an den Türen der Tempelhalle von Gold. So wurde das ganze Werk vollendet, das der König Salomo gemacht hatte am Hause des HERRN. 
(Lutherbibel 1984, 1.Kö 7, 48-51a)

Vor gut zwei Jahren hatten wir aufeinander folgend drei Verse zu Bau des Tempels, BdW 25/2020, BdW 26/2020 und BdW 27/2020, und schließlich noch einen zu seiner Zerstörung, BdW 28/2020 — alle zufällig gezogen. Im Vers dieser Woche erleben wir den präzisen Moment der Fertigstellung dieser Stätte, wo Gott und Mensch sich begegnen sollen — das göttliche Interface! Die Einweihung steht unmittelbar bevor. Was dieser Tempel für das Volk Gottes zur Zeit Salomos war, wurde später Jesus den Christen und den Juden die Thora. Man spürt, wie sehr der unbekannte Autor ihn liebt, jedes der genannten Objekte wird geistig gestreichelt. 

Salomos Arbeit ist getan. DerTempel steht weithin sichtbar auf einem Berg, Wo kann ich an einem Tempel bauen? Und wird jemals etwas fertig?  

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 41/2022

Und Salomo machte zu der Zeit ein Fest und alles Israel mit ihm, eine große Versammlung, von der Grenze Hamaths an bis an den Bach Ägyptens, vor dem HErrn, unsrem Gott, sieben Tage und abermals sieben Tage, das waren vierzehn Tage.
1.Kö 8,65

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Hochzeit

Wir wohnen einer orientalischen Hochzeit bei, einer königlichen Hochzeit besonderer Art. Gott ist bereit, bei Israel zu wohnen, seiner Braut. Salomo hat in zwanzigjähriger Arbeit den Tempel gebaut, eine unglaubliche logistische und ökonomische Anstrengung. Der Tempel wurde geweiht, der Opferbetrieb aufgenommen, und mit einem langen Gebet will Salomo den Bund Israels mit dem Herrn, seinem Gott, stärken und gewissermaßen in die nächste Phase des gemeinsamen Lebens nehmen. 

Es ist der glanzvollen Höhepunkt der biblischen Geschichte des Alten Testaments, siehe auch den BdW 27/2020. Die Zeit der Wanderschaft ist endgültig vorbei. Israel unter Salomo ist ein mächtiger Territorialstaat mit festen Grenzen. Er will sein Reich verstetigen, ein dauerhaftes Königtum etablieren. Die Bundeslade, die einst dafür stand, dass Gott mit seinem Volk zieht, wohin immer es auch geht, wird im Allerheiligsten fest verschlossen. Der Tempel in Jerusalem soll einziger Kultort sein. 

Auf das Gebet Salomos antwortet Gott mit einer Mahnung: ja, alles soll so sein, wie Salomo es erbeten hat — wenn denn das Volk den Bund hält. Wenn nicht, fielen Tempel, Staat und Königtum der Vernichtung anheim und das Volk würde zum Spott seiner Umgebung. 

Das greift mehrere Jahrhunderte voraus. Einstweilen aber wird die Hochzeit vollzogen. Und wie es üblich ist im Orient wird lange, lange gefeiert: sieben Tage, und nochmals sieben Tage, das waren vierzehn Tage… 

Ich habe Grund, dem Herrn für Schutz in der vergangenen Woche zu danken. Gottes Segen sei mit uns auch in der Woche, die kommt!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 39/2022

Und wenn sie durch die Tore des innern Vorhofs gehen wollen, sollen sie leinene Kleider anziehen und nichts Wollenes anhaben, wenn sie in den Toren im innern Vorhofe und im Hause dienen.
Hes 44,17

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Reinheit und Verschiedenheit

Es geht in unserem Vers um Reinheit. Reinheit in der Verschiedenheit ist für Juden sehr wichtig. Gott erschafft die Welt, indem er verlässliche Grenzen dort einzieht, wo Chaos herrscht — er trennt Licht von Finsternis, das Land vom Wasser, den Himmel von der Erde. Schöpfung ist Trennung. Juden feiern die Verschiedenheit: des Heiligen vom Weltlichen, der Juden von den Nichtjuden, der Männer von den Frauen. Ein zentrales Gebet, die Havdalah, dankt dem Herrn so: 

Gelobt seist Du, Herr, unser Gott, König der Welt, 
der du unterscheidest und trennst
zwischen Heiligem und Nichtheiligem,
zwischen Licht und Finsternis,
zwischen Israel und den Völkern,
zwischen dem siebten Tag und den sechs anderen.

Gelobt seist Du, Herr, 
der du unterscheidest und trennst
zwischen Heiligem und Nichtheiligem.

Für Christen und auch Hindus oder Buddhisten ist dies eine gewöhnungsbedürftige Idee — sie tendieren dazu, die in der Verschiedenheit verborgene Einheit zu suchen. In diesem Sinne ist der Vers, den wir gezogen haben, zutiefst jüdisch. Der letzte Teil des Buchs Hesekiel ist eine großartige Vision vom neuen Jerusalem als der Ort der Herrschaft Gottes auf Erden. Der reale Tempel im realen Jerusalem ist vernichtet, da sieht Hesekiel am Ort seiner Verbannung den neuen Tempel im himmlischen Jerusalem. Ein Engel führt ihn, und er kann den Dienst im Tempel Gottes studieren. Hesekiel ist Fachmann, er entstammt einer Priesterfamilie und war vielleicht selbst Priester im Tempel, bevor er nach Babylonien verschleppt wurde. Im himmlischen Tempel sieht er nun Reinheit, wo sie früher nicht war. Hierfür steht unser Vers. Die Priester, die nun wirkliche Leviten sind und Gott wirklich dienen wollen, tragen leinene Kleidung, damit sie nicht schwitzen und mit ihrer Körperlichkeit den Tempel nicht verunreinigen. Diese Kleidung sollen sie nach dem Gottesdienst an einer besonderen Örtlichkeit verwahrt, „damit sie das Volk nicht durch ihre Kleidung mit dem Heiligen in Berührung bringen“ (44,19). 

Lehavdil bein chodesh lechol — das Heilige vom Nichtheiligen scheiden, wie es im Gebet heisst. Beides muss immerzu voreinander geschützt werden, das Heilige und das Nichtheilige. Das Heilige ist immer bedroht und braucht Reinheit. Für normale Sterbliche wiederum war es tödlich, mit der Heiligkeit Gottes in Berührung zu kommen oder sie auch nur zu sehen. 

Ja, auskristallisierte Verschiedenheit ist Schöpfung, und die Strukturen, die sie schafft, machen die Welt aus. Das ist richtig, logisch zwingend geradezu, und wenn wir uns über Unterschiede ärgern, hilft es oft sich zu fragen, ob es denn gut wäre, wenn sie fehlten. Gott aber ist es auch, der die Gegensätze eint und in der Einheit zur Vollkommenheit macht. 

In der vergangenen Woche war Tag- und Nachtgleiche, jetzt ist die Nacht länger als der Tag. In der Woche, die vor uns liegt, feiern Juden ihr Neujahrsfest, das Fest der Schöpfung, Sie gedenken des Tags der Erschaffung der ersten Menschen, als Mann und Frau, aber auch des Tags der ersten Sünde. In der Welt der Verschiedenheit sei der eine Gott uns gnädig und zugewandt!

שנה טובה ומתוקה 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 27/2022

Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Siehst du wohl allen diesen großen Bau? Nicht ein Stein wird auf dem anderen bleiben, der nicht zerbrochen werde.
Mk 13,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017. 

Apokalypse — how?

Der Tempel war das Herz des religiösen und gesellschaftlichen Lebens im jüdischen Palästina. Die Ruinen der Fundamente, die man heute noch sehen kann, sind beeindruckend genug. Auf die Zeitgenossen hatte er eine ungeheure Wirkung. Als Jesus daher unvermittelt sein baldiges Ende voraussagte, hat es die Jünger „kalt erwischt“: 

Und als er aus dem Tempel ging, sprach zu ihm einer seiner Jünger: Meister, siehe, was für Steine und was für Bauten! Und Jesus sprach zu ihm: Siehst du diese großen Bauten? Hier wird nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.

Im Markusevangelium steht diese Ankündigung im Zusammenhang mit Worten über das Ende der Welt, wie wir sie kennen und — nur angedeutet — der Heraufkunft einer neuen. Was Jesus sagt, erinnert in vielem an die Prophezeihungen am Ende des Buchs Daniel, vor allem Kapitel 12-14. Dort werden viele Angaben gemacht, die zu einer Datierung des Untergangs einladen. So steht etwa geschrieben: „Und von der Zeit an, da das tägliche Opfer abgeschafft und das Gräuelbild der Verwüstung aufgestellt wird, sind 1290 Tage“ (Dan 12,11). Von diesem Gräuelbild spricht auch Jesus (Mk 13,14). 

Jesus selbst war vom nahen Ende überzeugt — „… dies Geschlecht wird nicht vergehen, bevor dies alles geschieht“ (Mk 13,39). Der Tempel ging wirklich unter. Im Jahr 70 zerstörten ihn die Römern im Zuge der blutigen und gewaltsamen Unterdrückung einer Revolte, und die Stadt wurde entvölkert. Die Apokalypse, das Ende der Welt, wie wir sie kennen, das Gericht, die Heraufkunft des Messias und des Reichs Gottes, lassen hingegen auf sich warten. Oftmals in den zweitausend Jahren seither haben sich Menschen versammelt in der Erwartung, dass es nun so weit sei. 

Aber macht es einen Unterschied? Rom wirklich ist untergegangen, nur einige Sprachen, imposante Ruinen und die Reste des römischen Zivilrechts erinnern noch an das große Imperium. Ganz andere Menschen leben heute in Germanien, Italien, Palästina. Geschichte ist ein Mahlstrom, der in der langen Frist alles zerreibt. Und auch die große Katastrophe, der Untergang der Welt, wie wir sie kennen, steht jedem von uns bevor: als individueller Tod. Er ist dem einen nahe, dem anderen noch näher. Ich bin in dieser Woche 59 Jahre alt geworden, das schärft den Blick.

Nichts bleibt. Das ist die Perspektive der Apokalypse, und sie ist realistisch, sehr im Unterschied zu unseren vielfältigen und komischen Versuchen, uns doch irgendwie unsterblich zu machen. 

Und daneben, dahinter und davor steht die Aussage Jesu, die Aussage Gottes: Ja, alles vergeht, was du siehst, aber auf das, was du siehst, kommt es nicht wirklich an. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Es ist beständig und vergeht nicht: die Kraft Gottes, sein ewiges Reich und unsere Zugehörigkeit, unsere Heimstatt in dieser anderen Welt. Diese Welt gibt es schon, wir leben in ihr und sehen es nicht. 

Ich wünsche uns allen eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 08/2022

…von Syrien, von Moab, von den Kindern Ammon, von den Philistern, von Amalek, von der Beute Hadadesers, des Sohnes Rehobs, König zu Zoba.
2 Sa 8,12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017. Der gezogene Vers ist ein Fragment. Hier ist der vollständige Satz, 2 Sa 8, 1+12:

Auch diese heiligte der König David dem HERRN samt dem Silber und Gold, das er geheiligt hatte von allen Völkern, die er unterworfen hatte, von Aram, von Moab, von den Ammonitern, von den Philistern, von Amalek und von dem, was er erbeutet hatte von Hadad-Eser, dem Sohn Rehobs, dem König von Zoba.

David sammelt Geld und Güter für den Bau des Tempels… bei anderen! Für den Zusammenhang siehe auch den Kommentar zum BdW 27/2021, eine Parallelstelle aus der Chronik.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth