Bibelvers der Woche 23/2023

So habe ich nun dies Haus erwählt und geheiligt, dass mein Name daselbst sein soll ewiglich und meine Augen und mein Herz soll da sein allewege.
2 Chr 7,16

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Wo wohnt Gott? 

Der Tempelberg inJerusalem ist drei Religionen heilig, Juden, Christen, und Muslimen, und jedes Jahr zieht er Millionen von Besuchern an. Den zwischen die Steine der Klagemauer geschobenen Gebetszetteln wird besondere Kraft nachgesagt. Die Mauer ist der Ort, wo man der vermuteten Ort des Allerheiligsten so nahe wie möglich kommen kann, ohne die Plattform selbst zu betreten. Dem Ort, an dem Gott zu wohnen versprach!

Nach seinem Bau war der Tempel der einzige Ort, an dem Gott Opfer gebracht werden durften — alternative Opferstätten, die es nach wie vor gab, wurden diskreditiert und kriminalisiert. Opfer war Gottesdienst. Opfer war die wichtigste Form der Kommunikation zwischen Gott und Mensch, und wenn der Tempel in Jerusalem die einzig legitime Opferstätte war, dann war dieser Tempel unglaublich wichtig. Und Gott hatte zugesagt, im Tempel zu WOHNEN. Anders als andere Gottheiten der Zeit war der Gott Israels vorher ortlos — er war dort, wo er angebetet wurde, wo er den Seinen erschien, er zog mit den Israeliten durch die Wüste. Mit David und Salomo hatte sich ein Königtum etabliert, mit einer festen Hauptstadt, und Gott bekam einen Ort zugewiesen, siehe den BdW 29/2019. Gott war nun festgelegt: er hatte ein Volk, dessen König er schützte, und einen Wohnort in dessen Hauptstadt. Ich hatte nie ein gutes Gefühl bei dieser Vorstellung. 

Das Versprechen Gottes, an seinem Wohnort zu bleiben, war aber von vornherein bedingt, siehe Vers 20, es galt nur solange das Volk seinen Teil des Bundesvertrags erfüllt. Der Tempel wurde mehrfach zerstört, zuletzt von den Römern, welche die Bevölkerung Jerusalems zerstreute und einen Wiederaufbau des Tempels verhinderten. 

So ist es heute noch. Keine israelische Regierung hat den Wiederaufbau gewagt. Der Tempel kann nur dort stehen, wo schon der alte war — der Bibelvers, den wir gezogen haben, sagt es: Gott hat sich einen konkreten Ort erwählt. Genau deshalb aber stehen auf dem Gelände des Tempels heute zwei wichtige  muslimische Heiligtümer. Es gibt noch ein anderes Problem: mit der Einweihung des Tempels würden sofort eine Unzahl Opfervorschriften der Torah wieder gelten. Ein gewaltiger Opferbetrieb müsste aufgenommen werden und das würde viele Juden in Israel und dem Ausland ihrer Religion entfremden, das Judentum vielleicht gar spalten. 

Lieber nicht.

Wo aber WOHNT Gott, wenn das alte Versprechen ausgesetzt ist und bleibt? Ist er ortlos wie ursprünglich, zieht er umher? Ist diese Frage überhaupt sinnvoll? Wenn Gott überall ist, ist es dann nicht so, als wäre er nirgends? 

Ich kenne nur die christlichen Vorstellungen näher. Aus dem Pfingstereignis heraus sagen Christen, dass Gott in der Gemeinde der Glaubenden wohnt. Auch Jesus selbst weist auf die Betenden: Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. (Mat 18,19f). Mystiker aller Religionen verorten Gott im Menschen selbst: Gott ist im Menschen, soweit der Mensch lernt, ihn in sich wahrzunehmen. 

Von George Berkeley, Bischof und Philosoph des 18. Jahrhunderts, stammt eine recht radikale philosophische Position: Den Dingen kommt Existenz nur insofern zu, wie sie wahrgenommen werden. Etwas, das nicht wahrgenommen wird oder nicht wahrgenommen werden kann, gibt es im eigentlichen Sinne nicht. Ein Stein auf der Rückseite des Mondes, der sich schwebend vom Boden entfernt und wieder niedersinkt, ist ebensogut wie einer, der sich nie bewegt hat. Man nennt diese Haltung subjektiven Idealismus, ebensogut könnte man sie radikalen Empirismus nennen. 

Wenn man Berkeley folgt, ist die Antwort auf die Frage recht einfach: Gott wohnt dort, wo wir ihm begegnen: im Gebet, im Studium der Schrift, in der Gemeinschaft der Glaubenden, in der Verzückung, der Meditation, aber auch auf dem Sterbebett, der Geburtsstation, in der Todesangst, vielleicht auch im religiösen Wahn, im Delirium — die Berichte von Gotteserfahrungen der Propheten im Alten Testament sind mit „normalen“ Welterfahrungen nicht vereinbar. 

Für die Begegnung aber müssen wir selbst uns bewegen. Gott lässt sich von denen finden, die ihn suchen, sagt die Schrift, und mein Pastor meinte kürzlich, dass wir Gotteserfahrungen selten auf der Couch machen…

So habe ich nun dies Haus erwählt und geheiligt, dass mein Name daselbst sein soll ewiglich und meine Augen und mein Herz soll da sein allewege. 

Und wenn wir selbst dies Haus sein könnten? Ich wünsche uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth

P.S. Bischof Berkeley gehört nun zu denen, deren Name möglichst nicht genannt werden soll. Er stammt aus Irland, aber er besaß ein Gut in Rhode Island. Dort arbeiteten auch Sklaven. Das Trinity College in Dublin nimmt dies nun zum Anlass, seine Bibliothek nicht weiter nach Bischof Berkeley zu benennen. Wir werden sehen, wie die Stadt Berkeley und ihre weltberühmte Universität damit umgehen wollen. 

Bibelvers der Woche 45/2022

…dazu Schalen, Messer, Becken, Löffel und Pfannen von lauterem Gold. Auch waren die Angeln an der Tür am Hause inwendig, im Allerheiligsten, und an der Tür des Hauses des Tempels golden.
1 Kö 7,50

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Fertig!

Wieder König Salomo… Diesmal sehen wir ihn beim Bau des Tempels. Der Bau ist abgeschlossen, auch der Innenausbau, nun werden als letztes die Kultgeräte bereitgestellt. Im Zusammenhang lautet unser Vers wie folgt:

Auch ließ Salomo alles Gerät machen, das zum Hause des HERRN gehörte: den goldenen Altar, den goldenen Tisch, auf dem die Schaubrote liegen, fünf Leuchter zur rechten Hand und fünf Leuchter zur linken vor dem Chorraum von lauterem Gold mit goldenen Blumen, Lampen und Lichtscheren; dazu Schalen, Messer, Becken, Löffel und Pfannen von lauterem Gold. Auch waren die Angeln an den Türen zum Allerheiligsten innen im Hause und an den Türen der Tempelhalle von Gold. So wurde das ganze Werk vollendet, das der König Salomo gemacht hatte am Hause des HERRN. 
(Lutherbibel 1984, 1.Kö 7, 48-51a)

Vor gut zwei Jahren hatten wir aufeinander folgend drei Verse zu Bau des Tempels, BdW 25/2020, BdW 26/2020 und BdW 27/2020, und schließlich noch einen zu seiner Zerstörung, BdW 28/2020 — alle zufällig gezogen. Im Vers dieser Woche erleben wir den präzisen Moment der Fertigstellung dieser Stätte, wo Gott und Mensch sich begegnen sollen — das göttliche Interface! Die Einweihung steht unmittelbar bevor. Was dieser Tempel für das Volk Gottes zur Zeit Salomos war, wurde später Jesus den Christen und den Juden die Thora. Man spürt, wie sehr der unbekannte Autor ihn liebt, jedes der genannten Objekte wird geistig gestreichelt. 

Salomos Arbeit ist getan. DerTempel steht weithin sichtbar auf einem Berg, Wo kann ich an einem Tempel bauen? Und wird jemals etwas fertig?  

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 41/2022

Und Salomo machte zu der Zeit ein Fest und alles Israel mit ihm, eine große Versammlung, von der Grenze Hamaths an bis an den Bach Ägyptens, vor dem HErrn, unsrem Gott, sieben Tage und abermals sieben Tage, das waren vierzehn Tage.
1.Kö 8,65

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Hochzeit

Wir wohnen einer orientalischen Hochzeit bei, einer königlichen Hochzeit besonderer Art. Gott ist bereit, bei Israel zu wohnen, seiner Braut. Salomo hat in zwanzigjähriger Arbeit den Tempel gebaut, eine unglaubliche logistische und ökonomische Anstrengung. Der Tempel wurde geweiht, der Opferbetrieb aufgenommen, und mit einem langen Gebet will Salomo den Bund Israels mit dem Herrn, seinem Gott, stärken und gewissermaßen in die nächste Phase des gemeinsamen Lebens nehmen. 

Es ist der glanzvollen Höhepunkt der biblischen Geschichte des Alten Testaments, siehe auch den BdW 27/2020. Die Zeit der Wanderschaft ist endgültig vorbei. Israel unter Salomo ist ein mächtiger Territorialstaat mit festen Grenzen. Er will sein Reich verstetigen, ein dauerhaftes Königtum etablieren. Die Bundeslade, die einst dafür stand, dass Gott mit seinem Volk zieht, wohin immer es auch geht, wird im Allerheiligsten fest verschlossen. Der Tempel in Jerusalem soll einziger Kultort sein. 

Auf das Gebet Salomos antwortet Gott mit einer Mahnung: ja, alles soll so sein, wie Salomo es erbeten hat — wenn denn das Volk den Bund hält. Wenn nicht, fielen Tempel, Staat und Königtum der Vernichtung anheim und das Volk würde zum Spott seiner Umgebung. 

Das greift mehrere Jahrhunderte voraus. Einstweilen aber wird die Hochzeit vollzogen. Und wie es üblich ist im Orient wird lange, lange gefeiert: sieben Tage, und nochmals sieben Tage, das waren vierzehn Tage… 

Ich habe Grund, dem Herrn für Schutz in der vergangenen Woche zu danken. Gottes Segen sei mit uns auch in der Woche, die kommt!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 39/2022

Und wenn sie durch die Tore des innern Vorhofs gehen wollen, sollen sie leinene Kleider anziehen und nichts Wollenes anhaben, wenn sie in den Toren im innern Vorhofe und im Hause dienen.
Hes 44,17

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Reinheit und Verschiedenheit

Es geht in unserem Vers um Reinheit. Reinheit in der Verschiedenheit ist für Juden sehr wichtig. Gott erschafft die Welt, indem er verlässliche Grenzen dort einzieht, wo Chaos herrscht — er trennt Licht von Finsternis, das Land vom Wasser, den Himmel von der Erde. Schöpfung ist Trennung. Juden feiern die Verschiedenheit: des Heiligen vom Weltlichen, der Juden von den Nichtjuden, der Männer von den Frauen. Ein zentrales Gebet, die Havdalah, dankt dem Herrn so: 

Gelobt seist Du, Herr, unser Gott, König der Welt, 
der du unterscheidest und trennst
zwischen Heiligem und Nichtheiligem,
zwischen Licht und Finsternis,
zwischen Israel und den Völkern,
zwischen dem siebten Tag und den sechs anderen.

Gelobt seist Du, Herr, 
der du unterscheidest und trennst
zwischen Heiligem und Nichtheiligem.

Für Christen und auch Hindus oder Buddhisten ist dies eine gewöhnungsbedürftige Idee — sie tendieren dazu, die in der Verschiedenheit verborgene Einheit zu suchen. In diesem Sinne ist der Vers, den wir gezogen haben, zutiefst jüdisch. Der letzte Teil des Buchs Hesekiel ist eine großartige Vision vom neuen Jerusalem als der Ort der Herrschaft Gottes auf Erden. Der reale Tempel im realen Jerusalem ist vernichtet, da sieht Hesekiel am Ort seiner Verbannung den neuen Tempel im himmlischen Jerusalem. Ein Engel führt ihn, und er kann den Dienst im Tempel Gottes studieren. Hesekiel ist Fachmann, er entstammt einer Priesterfamilie und war vielleicht selbst Priester im Tempel, bevor er nach Babylonien verschleppt wurde. Im himmlischen Tempel sieht er nun Reinheit, wo sie früher nicht war. Hierfür steht unser Vers. Die Priester, die nun wirkliche Leviten sind und Gott wirklich dienen wollen, tragen leinene Kleidung, damit sie nicht schwitzen und mit ihrer Körperlichkeit den Tempel nicht verunreinigen. Diese Kleidung sollen sie nach dem Gottesdienst an einer besonderen Örtlichkeit verwahrt, „damit sie das Volk nicht durch ihre Kleidung mit dem Heiligen in Berührung bringen“ (44,19). 

Lehavdil bein chodesh lechol — das Heilige vom Nichtheiligen scheiden, wie es im Gebet heisst. Beides muss immerzu voreinander geschützt werden, das Heilige und das Nichtheilige. Das Heilige ist immer bedroht und braucht Reinheit. Für normale Sterbliche wiederum war es tödlich, mit der Heiligkeit Gottes in Berührung zu kommen oder sie auch nur zu sehen. 

Ja, auskristallisierte Verschiedenheit ist Schöpfung, und die Strukturen, die sie schafft, machen die Welt aus. Das ist richtig, logisch zwingend geradezu, und wenn wir uns über Unterschiede ärgern, hilft es oft sich zu fragen, ob es denn gut wäre, wenn sie fehlten. Gott aber ist es auch, der die Gegensätze eint und in der Einheit zur Vollkommenheit macht. 

In der vergangenen Woche war Tag- und Nachtgleiche, jetzt ist die Nacht länger als der Tag. In der Woche, die vor uns liegt, feiern Juden ihr Neujahrsfest, das Fest der Schöpfung, Sie gedenken des Tags der Erschaffung der ersten Menschen, als Mann und Frau, aber auch des Tags der ersten Sünde. In der Welt der Verschiedenheit sei der eine Gott uns gnädig und zugewandt!

שנה טובה ומתוקה 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 27/2022

Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Siehst du wohl allen diesen großen Bau? Nicht ein Stein wird auf dem anderen bleiben, der nicht zerbrochen werde.
Mk 13,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017. 

Apokalypse — how?

Der Tempel war das Herz des religiösen und gesellschaftlichen Lebens im jüdischen Palästina. Die Ruinen der Fundamente, die man heute noch sehen kann, sind beeindruckend genug. Auf die Zeitgenossen hatte er eine ungeheure Wirkung. Als Jesus daher unvermittelt sein baldiges Ende voraussagte, hat es die Jünger „kalt erwischt“: 

Und als er aus dem Tempel ging, sprach zu ihm einer seiner Jünger: Meister, siehe, was für Steine und was für Bauten! Und Jesus sprach zu ihm: Siehst du diese großen Bauten? Hier wird nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.

Im Markusevangelium steht diese Ankündigung im Zusammenhang mit Worten über das Ende der Welt, wie wir sie kennen und — nur angedeutet — der Heraufkunft einer neuen. Was Jesus sagt, erinnert in vielem an die Prophezeihungen am Ende des Buchs Daniel, vor allem Kapitel 12-14. Dort werden viele Angaben gemacht, die zu einer Datierung des Untergangs einladen. So steht etwa geschrieben: „Und von der Zeit an, da das tägliche Opfer abgeschafft und das Gräuelbild der Verwüstung aufgestellt wird, sind 1290 Tage“ (Dan 12,11). Von diesem Gräuelbild spricht auch Jesus (Mk 13,14). 

Jesus selbst war vom nahen Ende überzeugt — „… dies Geschlecht wird nicht vergehen, bevor dies alles geschieht“ (Mk 13,39). Der Tempel ging wirklich unter. Im Jahr 70 zerstörten ihn die Römern im Zuge der blutigen und gewaltsamen Unterdrückung einer Revolte, und die Stadt wurde entvölkert. Die Apokalypse, das Ende der Welt, wie wir sie kennen, das Gericht, die Heraufkunft des Messias und des Reichs Gottes, lassen hingegen auf sich warten. Oftmals in den zweitausend Jahren seither haben sich Menschen versammelt in der Erwartung, dass es nun so weit sei. 

Aber macht es einen Unterschied? Rom wirklich ist untergegangen, nur einige Sprachen, imposante Ruinen und die Reste des römischen Zivilrechts erinnern noch an das große Imperium. Ganz andere Menschen leben heute in Germanien, Italien, Palästina. Geschichte ist ein Mahlstrom, der in der langen Frist alles zerreibt. Und auch die große Katastrophe, der Untergang der Welt, wie wir sie kennen, steht jedem von uns bevor: als individueller Tod. Er ist dem einen nahe, dem anderen noch näher. Ich bin in dieser Woche 59 Jahre alt geworden, das schärft den Blick.

Nichts bleibt. Das ist die Perspektive der Apokalypse, und sie ist realistisch, sehr im Unterschied zu unseren vielfältigen und komischen Versuchen, uns doch irgendwie unsterblich zu machen. 

Und daneben, dahinter und davor steht die Aussage Jesu, die Aussage Gottes: Ja, alles vergeht, was du siehst, aber auf das, was du siehst, kommt es nicht wirklich an. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Es ist beständig und vergeht nicht: die Kraft Gottes, sein ewiges Reich und unsere Zugehörigkeit, unsere Heimstatt in dieser anderen Welt. Diese Welt gibt es schon, wir leben in ihr und sehen es nicht. 

Ich wünsche uns allen eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 08/2022

…von Syrien, von Moab, von den Kindern Ammon, von den Philistern, von Amalek, von der Beute Hadadesers, des Sohnes Rehobs, König zu Zoba.
2 Sa 8,12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017. Der gezogene Vers ist ein Fragment. Hier ist der vollständige Satz, 2 Sa 8, 1+12:

Auch diese heiligte der König David dem HERRN samt dem Silber und Gold, das er geheiligt hatte von allen Völkern, die er unterworfen hatte, von Aram, von Moab, von den Ammonitern, von den Philistern, von Amalek und von dem, was er erbeutet hatte von Hadad-Eser, dem Sohn Rehobs, dem König von Zoba.

David sammelt Geld und Güter für den Bau des Tempels… bei anderen! Für den Zusammenhang siehe auch den Kommentar zum BdW 27/2021, eine Parallelstelle aus der Chronik.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 02/2022

…samt den Schwellen, den engen Fenstern und den drei Umgängen ringsumher; und es war Tafelwerk allenthalben herum.
Hes 41,16

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Unverständliches verstehen

Hesekiel beschreibt etwas, das niemand als er selbst je gesehen hat: den Neuen Tempel, wie er im Reich Gottes stehen wird. Hesekiel beschreibt dieses Reich Gottes vom Tempel ausgehend. Er wird von einem Boten Gottes durch den Tempel geführt, der Bote nimmt vor seinen Augen überall Maß, damit Hesekiel sich diese Maße notieren kann. Und es scheint, als würde Hesekiel dabei so konkret wie nur immer möglich. 

Wenn der gezogene Vers ein Fragment ist, stelle ich ihn auch im Zusammenhang ein, meist mit der Lutherübersetzung 2017, die leichter verständlich ist als die alte Übersetzung von 1912. Wie sie sich mit dem Link oben selbst überzeugen können, unterscheidet sich i vorliegenden Fall die neue Übersetzung erheblich von der alten. In solchen Fällen greife ich als erstes zu der für das Alte Testament zuverlässigen und texttreuen katholischen Einheitsübersetzung, hier ein Link. Zu meiner Überraschung ist dort die Wiedergabe der alten Lutherübersetzung ähnlicher als der neuen. Ich schaue auf den hebräischen Urtext — der Text strotzt vor bautechnischen Termini und ich kann ihn auch mit einer Interlinearübersetzung nicht wirklich lesen.  

Was ist hier geschehen? Die Einheitsübersetzung gibt Hinweise. Viele Verse in Kapitel 41 tragen Fußnoten, man sei an dieser Stelle in der Übersetzung der Septuaginta (der antiken griechischen Übersetzung der jüdischen Schriften) gefolgt, weil der überlieferte hebräische Text nicht verständlich sei. Die Worte „waren getäfelt…“ zu Beginn von Vers 16 in der Einheitsübersetzung und der neuen Lutherbibel sind zum Beispiel der Septuaginta entnommen. Für den Folgevers 17 schreibt die Einheitsübersetzung schlicht: „Text unklar.“

Es scheint, als habe der Überlieferungsvorgang beim dutzend-, vielleicht hundertfach wiederholten Abschreiben den Text von Kap 41 so weit zerstört, dass der Inhalt nicht mehr eindeutig bestimmt werden kann. Weil den Neuen Tempel niemand kennt, waren Fehler schwer zu sehen und zu korrigieren. Die großen Übersetzungen gehen unterschiedlich weit darin, den überlieferten hebräischen Text durch besser verständliche alte Übersetzungen zu stützen — wobei unklar ist, ob sich die antiken Übersetzer nicht schon demselben Problem ausgesetzt sahen. 

Ist das tragisch? Ja und nein. Hier wird der Tempel im Reich Gottes beschrieben, in der neuen Welt, auf die Juden wie Christen warten, und wir verstehen die Beschreibung nicht! Aber vielleicht tritt hier auch etwas sehr Grundsätzliches zutage. Wenn Sie Kapitel 40 und 41 lesen, dann werden Sie erstaunt sein über die Fülle von Details, die genauen Maße überall. Es wirkt auf den ersten Blick, als sei der Text ein Plan, und man könne den Neuen Tempel damit bauen. Aber der Eindruck täuscht. Wenn Sie versuchen, sich das Beschriebene vorzustellen, werden Sie feststellen, dass es nicht gelingt — zu oft setzt der Prophet ein Vorwissen des Lesers, das dieser nicht haben kann. Man muß wissen, wie der Tempel aussieht, um ihn sich vorstellen zu können…!

Hesekiel kennt den alten, den salomonischen Tempel genau: er war als junger Priester darin ausgebildet worden. Vielleicht bezieht er sich einfach auf die (beim Leser als bekannt vorausgesetzte) Grundstruktur des alten Tempels? Aber als er schrieb, war der Tempel schon viele Jahre lang zerstört. Am Anfang von Kapitel 40 datiert er seine Vision auf das vierzehnte Jahr nach der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier. Und die Menschen, für die er schrieb, waren bereits im ersten Exil nach Babylon gelangt, also noch einmal zehn Jahre zuvor. Nur die Alten unter ihnen konnten den Tempel noch gesehen haben. Einen Bauplan müsste Hesekiel für eine solche Leserschaft anders schreiben. 

Man muss den Tempel des Reichs Gottes kennen, um ihn nach dem Text bauen zu können… Und mir will scheinen, als sei dies oft in der Bibel so. Ein hermeneutischer Zirkel: ohne Vorwissen um die Bedeutung erschließt sie sich nicht. Dieses Wissen mag aus der religiösen Tradition kommen, oder Gott selbst muß helfen. Sola scriptura, sagt Luther — aber die Heilige Schrift allein führt in ein Spiegelkabinett. Das ist eine schwierige Erkenntnis, auch und gerade mit Blick auf das Projekt dieses Blogs.

Gott selbst könnte den Tempel bauen, Hesekiels Text sagt nichts darüber, wie er entsteht. Man kann es aber auch so lesen: es kommt eine Zeit, in der Menschen wissen, wie der neue Tempel zu bauen ist. Für einen Propheten eigentlich keine ungewöhnliche Vorstellung. Hesekiels Vision wäre dann ein Vorgriff, und würde helfen, den Plan zu erkennen, wenn er ausgeführt werden kann. 

Vielleicht also das: Wir brauchen Vertrauen in unsere Fähigkeit, das Entscheidende zu sehen, das Entscheidende zu tun, wenn die Zeit dafür reif ist. Christen erkennen darin den Heiligen Geist.

Ich will Ihnen zum Ende die Übersetzung von Rosenzweig und Buber anbieten. Sie ist sehr wörtlich und gibt den zerklüfteten Charakter des hebräischen Texts ungeschminkt wieder. Auch sie interpretiert natürlich, so sind etwa alle Satzzeichen Hinzufügungen, es gibt sie im hebräischen Quelltext nicht. Lesen Sie und verzichten Sie für diesmal auf ein genaues Verständnis. Vielleicht können Sie durch die Worte hindurch doch einen kleinen Blick in das Innere der Halle des Neuen Tempels werfen: 

15Und er maß die Länge des Gebäudes vor dem Abgetrennten, das an seiner Hinterseite ist, und seine Altane hüben und drüben: hundert Ellen. Und die Halle, und das Innere, und die Flursäle des Hofs, 16die Schwellen und die abgeblendeten Fenster und die Altane rings an den dreien, gegenüber der Schwelle Holzgetäfel rings ringsum, und der Boden, und bis zu den Fenstern [die Fenster aber gedeckt], 17bis über dem Einlaß und bis ins innere Haus und nach außen, und an der Wand überall, rings ringsum, im Innern und im Äußern, nach Maßen, 18da wars gemacht: Cheruben und Palmen – je eine Palme zwischen Cherub und Cherub, und der Cherub hat der Antlitze zwei, 19ein Menschenantlitz nach der Palme hüben und ein Löwenantlitz nach der Palme drüben – , gemacht an all dem Haus rings ringsum, 20vom Boden bis über dem Einlaß sind die Cheruben und die Palmen gemacht an der Wand. 
Hes 41,15-20

Die Reihe von Palmen und zwiegesichtigen Cheruben ringsum sehe ich jedenfalls klar vor mir. Vielleicht weil ich ähnliches kenne: das babylonische Ischtar-Tor im Berliner Pergamon-Museum. Und ich wünsche uns eine gesegnete Woche, mit Einsicht zur rechten Zeit, am rechten Ort…
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 29/2021

…welchen er uns bereitet hat zum neuen und lebendigen Wege durch den Vorhang, das ist durch sein Fleisch,…
Heb 10,20

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Durch den Vorhang

Ein Vers voll konzentrierter Theologie, Teil eines gedrängten Satzes, der seinerseits die voranstehende Abhandlung zusammenfasst. Hier ist der ganze Satz, Heb 10, 19-22 in der Lutherbibel 2017:

Weil wir denn nun, Brüder und Schwestern, durch das Blut Jesu den Freimut haben zum Eingang in das Heiligtum, den er uns eröffnet hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist: durch sein Fleisch, und haben einen Hohenpriester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in der Fülle des Glaubens, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser.

Ich kann versuchen, das mit meinen Worten wiederzugeben. Es geht um den Zugang zu Gottes Gegenwart. Verse dazu hatten wir in den vergangenen Wochen 24, 25 und 26 bereits. Das Allerheiligste war die „Wohnung Gottes“ im Stiftszelt auf der Wüstenwanderung und später im Tempel. Niemand erträgt die volle Gegenwart Gottes, ohne zu sterben, siehe BdW 24/2021. Gott wohnt daher in der Dunkelheit. Zum Allerheiligsten hatte nur der Hohepriester Zutritt, einmal im Jahr. Allen anderen war der Raum verwehrt. 

Christus hat der Beziehung zwischen Mensch und Gott auf eine neue Grundlage gestellt. Deshalb sprechen Christen vom „neuen“ Testament. Christus steht für den Zugang zu Gott, er ist dieser Zugang, sagt der Verfasser des Hebräerbriefs. Christus ist Hohepriester ganz eigener Art. Sein Opfer und sein Tod sind die Verbindung zwischen unserer Welt und Gottes Gegenwart, wie ein Weg durch den Vorhang, der im Tempel das Allerheiligste und die Welt zugleich verband und trennte. Mt 27 und Mk 15 beschreiben, wie dieser Vorhang bei Jesu Tod zerriss. 

Der Hebräerbrief sucht die Wahrheit Christi in Bilder und Formeln des traditionellen Judentums zu fassen. Die Adressaten waren jüdische Christen. Der Brief ist eine Art Übersetzung. Eigentlich ist das Eulen nach Athen tragen: Jesus war Jude und hat sein Leben unter frommen Juden verbracht. Seine Sprache war einfach, er selbst hätte sicherlich nicht so formulieren wollen. Aber die Antworten auf die Fragen — wer ist denn der Christus? König, Priester, Prophet, Messias, Mensch, Gott, beides? — begannen früh schon so komplexe Gestalt anzunehmen, dass sie übersetzt werden mussten.

Der Brief wurde später in den biblischen Kanon aufgenommen, in den Kernbestand der Zeugnisse christlichen Glaubens. Ob er sein erstes Ziel erreicht hat? Wie wurde er wohl aufgenommen? 

Bei mir bleibt dies Bild: Christus, der bei Gott lebt und den Menschen zugleich, ist unser Weg zur Gegenwart Gottes. Sein Tod macht den Weg durch den Vorhang frei, der die Welten trennt.

Gehen müssen wir den Weg selber. Unvorstellbar eigentlich. Schwindelerregend. Wer wagt es? 

Ich wünsche uns allen eine gute Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 27/2021

Auch schlug er die Moabiter, dass die Moabiter David untertänig wurden und Geschenke brachten.
1 Ch 18,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Von Siegen erzählen

Der Text berichtet von den Eroberungszügen, mit denen David sein neu erworbenes Großkönigtum festigt und erweitert. Unser Vers geht auf das Schicksal der Moabiter ein — mit militärischer Gewalt werden sie in einen Vasallenstatus gebracht und tributpflichtig gemacht. Andernorts, bei Samuel, wird genauer erzählt, und grausamer: 

Er schlug auch die Moabiter und ließ sie sich auf den Boden legen, und maß sie mit der Messschnur ab, und er maß zwei Schnurlängen ab, so viele tötete er, und eine volle Schnurlänge, so viele ließ er am Leben. So wurden die Moabiter David untertan, dass sie ihm Tribut bringen mussten. (2 Sam 8,2)

Bei Samuel steht die Geschichte im Kontext eines wiederkehrenden Wechsels von Maßlosigkeit und Buße — wie in einem Computerspiel lernt David in der Auseinandersetzung mit Gott und der Umwelt seine Möglichkeiten und Grenzen kennen. 

In der Chronik ist der Bezugsrahmen ein ganz anderer. Der Autor interessiert sich ausschließlich für den Jerusalemer Tempel, der noch gar nicht gebaut ist. Vorher wird berichtet, wie David Gott einen Tempel bauen will und jener das Ansinnen ablehnt: erst Davids Sohn Salomon sei dazu bestimmt. Dennoch tut David alles, das große Werk vorzubereiten: er führt viele Kriege, darunter auch den gegen Moab, und füllt mit den Siegen die Staatskasse (Kap 18-20). Nach einer großen, selbstverschuldeten Katastrophe, die beinahe sein Untergang gewesen wäre, findet David den Platz, an dem der Tempel gebaut werden soll (Kap 21) und läßt Steine behauen und Zedernholz heranbringen für den großen Bau. Wenn Salomo der Vater des Tempels ist, dann ist David sein Großvater, kann man der Schilderung entnehmen. 

Manche machen die Bibel für den Inhalt des Berichteten verantwortlich, für eisenzeitliche Eroberungszüge und Massaker. Das ist nicht sinnvoll. Im vorliegenden Text der Chronik ist für mich allerdings die Erzählhaltung schwer erträglich. Das Schicksal der Moabiter und vieler anderer kleinerer und größerer Nachbarvölker wird unter rein fiskalischen Gesichtspunkten gesehen, das eigentliche Geschehen ist der Tempelbau. Das Buch Genesis sieht die Moabiter als Abkömmlinge von Abrahams Neffen Lot, gezeugt durch einen widerlichen Samenraub der Töchter an ihrem betrunkenen Vater. Das bringt die enge Verwandtschaft der Völker zum Ausdruck und ist gleichzeitig morgenländischer Ausdruck allerhöchster Verachtung. Die Verachtung zieht sich durch das ganze Alte Testament, eine Ausnahme ist die Erzählung von Rut, einer Moabiterin, die Urgroßmutter Davids wurde. 

Dabei ist die Bibel ungeheuer ehrlich, all das gibt es ja wirklich. Man kann Erzählungen und Erzählhaltungen ertragen, wie man Menschen ertragen kann. Denn es gibt andere Perspektiven, auf die wir auf der Reise durch die Bibel schon gestoßen sind. Von Jeremia und Jesaja sind „Fremdvölkersprüche“ — Untergangsprophezeihungen — gegen Moab überliefert. Die Moabiter werden das Schicksal Israels und Judas teilen, sagen die Propheten, und sie sagen dies mit größter Trauer, siehe die BdW 4/2018 und 44/2018. Die beiden Seher sind zerrissen: der Herr setzt Vernichtung ins Werk — wie können wir damit umgehen? Jesaja fragt an dieser Stelle noch weiter: wie kann Gott damit umgehen?  

Wie bei einem Menschen müssen wir uns bei der Bibel — und auch bei Gott — manchmal an das erinnern, was wir schon gesehen haben…

Ich wünsche uns allen eine gute Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 38/2018

…der Brief, den ihr uns zugeschickt habt, ist deutlich vor mir gelesen.
Esr 4,18

Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017

Drei Könige und zwei Briefwechsel

Das sprichwörtliche Gesetz der Meder und Perser: niemand kann es aufheben, selbst derjenige nicht, von dem es ausgeht. So kann man es bei Daniel 6 nachlesen. Und wenn sich das Gesetz widerspricht? 

Der persische König Kyros hatte das babylonische Reich zerschlagen und erlaubte dann den Juden, aus ihrem Exil heimzukehren und ihren Tempel wieder aufzubauen. Er gab ihnen zu diesem Zweck sogar das von den Babyloniern geraubte Tempelgold zurück. 

Soweit die Überschrift — sozusagen der Vorstandsbeschluss. Aber ein solcher Beschluss allein bewegt noch nichts. Schnell ist zwar ein Brandopferaltar gebaut, doch als die Juden Anstalten machen, tatsächlich einen Tempelbau in Angriff zu nehmen, sieht die Linie Probleme. Ein Tempel ist ein großes Bauwerk, ein zentraler Ort fürs Volk, und er braucht eine Stadtmauer. Beides gemeinsam würde Jerusalem wieder zum Machtfaktor machen und Unruhe schaffen. Als Kyros gestorben ist, schreibt Rehum, der Oberbefehlshaber der Truppen in Samarien im Namen der regionalen Administration einen Brief an Artaxerxes, einen der Nachfolger von Kyros, und erinnerte ihn daran, wie aufsässig die Stadt einst war. In den Chroniken sei es nachzulesen. Der König möge den Bau unterbinden.

Die Antwort kommt prompt. Man habe den Brief genau gelesen (das ist der gezogene Vers), die Angelegenheit geprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Anliegen berechtigt sei: der Bau müsse gestoppt werden. Bis weitere Befehle folgen.

An dieser Stelle könnte es zu Ende sein. Das ist das Schicksal vieler Projekte, selbst wenn sie grünes Licht von ganz oben haben: sie müssen in der Ebene durchgesetzt werden, und dort kostet ihre Realisierung die aktuell Mächtigen das, was sie nicht aufgeben wollen: Macht. 

Aber die jüdischen Organisatoren des Baus, Serubabbel und Jeschua, haben einen langen Atem. Sie stellen sich gut mit der lokalen Regierung. Für diese ist die Situation unangenehm: es gibt einen Befehl von Kyros, zu bauen, und einen Befehl von Artaxerxes, zu warten. Als die Zeit reif ist, d.h. noch eine Regentschaft später, schreiben Tattenai, der Statthalter Babylons, und seine Beamten ihrerseits einen Brief an Darius, den Nachfolger von Artaxerxes, und erinnern den König an die Erlaubnis, die sein Vorvorgänger gegeben hat. Und fügen ein zweischneidiges Argument hinzu: Kyros habe den Juden ja bereits eine große Menge Goldes gegeben, um die Planungen umzusetzen! Das appelliert an das Bedürfnis der persischen Macht, überzeitliche Konsistenz im Regierungshandeln herzustellen. Der Adressat könnte es aber auch als Einladung verstehen, das erste Edikt zu bekräftigen und das Tempelgold einzuziehen. 

Aber das Gambit gelingt. Auch Darius lässt die Archive prüfen. Auch die Aussage Tettais wird bestätigt. Darius muss sich zwischen zwei Inkonsistenzen entscheiden. Und er befiehlt, dass weitergebaut werden soll. 

Zwei Briefe mit gegenteiligen Anliegen, beide faktisch korrekt begründet, beides jeweils durch die Archive geprüft und belegt. Ganz nebenbei: hier präsentiert sich eine voll ausgebildete Schriftkultur, zu einem Zeitpunkt der uns früh erscheinen mag: Xerxes regierte zwischen 465 und 424 vor Christus. 

Am Ende, nach mehreren Regierungswechseln, wird das Gesetz der Meder und Perser aufgehoben, um dem Gesetz der Meder und Perser Geltung zu verschaffen. Mit Gottes Hilfe und mit sehr langem Atem kann es gelingen, der Bürokratie in die Speichen zu greifen. 

Und am Ende steht der Tempel wieder da!

Ich wünsche uns eine Woche mit langem Atem! 
Ulf von Kalckreuth