Bibelvers der Woche 27/2021

Auch schlug er die Moabiter, dass die Moabiter David untertänig wurden und Geschenke brachten.
1 Ch 18,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Von Siegen erzählen

Der Text berichtet von den Eroberungszügen, mit denen David sein neu erworbenes Großkönigtum festigt und erweitert. Unser Vers geht auf das Schicksal der Moabiter ein — mit militärischer Gewalt werden sie in einen Vasallenstatus gebracht und tributpflichtig gemacht. Andernorts, bei Samuel, wird genauer erzählt, und grausamer: 

Er schlug auch die Moabiter und ließ sie sich auf den Boden legen, und maß sie mit der Messschnur ab, und er maß zwei Schnurlängen ab, so viele tötete er, und eine volle Schnurlänge, so viele ließ er am Leben. So wurden die Moabiter David untertan, dass sie ihm Tribut bringen mussten. (2 Sam 8,2)

Bei Samuel steht die Geschichte im Kontext eines wiederkehrenden Wechsels von Maßlosigkeit und Buße — wie in einem Computerspiel lernt David in der Auseinandersetzung mit Gott und der Umwelt seine Möglichkeiten und Grenzen kennen. 

In der Chronik ist der Bezugsrahmen ein ganz anderer. Der Autor interessiert sich ausschließlich für den Jerusalemer Tempel, der noch gar nicht gebaut ist. Vorher wird berichtet, wie David Gott einen Tempel bauen will und jener das Ansinnen ablehnt: erst Davids Sohn Salomon sei dazu bestimmt. Dennoch tut David alles, das große Werk vorzubereiten: er führt viele Kriege, darunter auch den gegen Moab, und füllt mit den Siegen die Staatskasse (Kap 18-20). Nach einer großen, selbstverschuldeten Katastrophe, die beinahe sein Untergang gewesen wäre, findet David den Platz, an dem der Tempel gebaut werden soll (Kap 21) und läßt Steine behauen und Zedernholz heranbringen für den großen Bau. Wenn Salomo der Vater des Tempels ist, dann ist David sein Großvater, kann man der Schilderung entnehmen. 

Manche machen die Bibel für den Inhalt des Berichteten verantwortlich, für eisenzeitliche Eroberungszüge und Massaker. Das ist nicht sinnvoll. Im vorliegenden Text der Chronik ist für mich allerdings die Erzählhaltung schwer erträglich. Das Schicksal der Moabiter und vieler anderer kleinerer und größerer Nachbarvölker wird unter rein fiskalischen Gesichtspunkten gesehen, das eigentliche Geschehen ist der Tempelbau. Das Buch Genesis sieht die Moabiter als Abkömmlinge von Abrahams Neffen Lot, gezeugt durch einen widerlichen Samenraub der Töchter an ihrem betrunkenen Vater. Das bringt die enge Verwandtschaft der Völker zum Ausdruck und ist gleichzeitig morgenländischer Ausdruck allerhöchster Verachtung. Die Verachtung zieht sich durch das ganze Alte Testament, eine Ausnahme ist die Erzählung von Rut, einer Moabiterin, die Urgroßmutter Davids wurde. 

Dabei ist die Bibel ungeheuer ehrlich, all das gibt es ja wirklich. Man kann Erzählungen und Erzählhaltungen ertragen, wie man Menschen ertragen kann. Denn es gibt andere Perspektiven, auf die wir auf der Reise durch die Bibel schon gestoßen sind. Von Jeremia und Jesaja sind „Fremdvölkersprüche“ — Untergangsprophezeihungen — gegen Moab überliefert. Die Moabiter werden das Schicksal Israels und Judas teilen, sagen die Propheten, und sie sagen dies mit größter Trauer, siehe die BdW 4/2018 und 44/2018. Die beiden Seher sind zerrissen: der Herr setzt Vernichtung ins Werk — wie können wir damit umgehen? Jesaja fragt an dieser Stelle noch weiter: wie kann Gott damit umgehen?  

Wie bei einem Menschen müssen wir uns bei der Bibel — und auch bei Gott — manchmal an das erinnern, was wir schon gesehen haben…

Ich wünsche uns allen eine gute Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

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