Bibelvers der Woche 21/2023

Und Amasa hatte nicht acht auf das Schwert in der Hand Joabs; und er stach ihn damit in den Bauch, dass sein Eingeweide sich auf die Erde schüttete, und gab ihm keinen Stich mehr und er starb. Joab aber und sein Bruder Abisai jagten nach Seba, dem Sohn Bichris.
2 Sa 20,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Ein heimtückischer Mord

Ein Bild. Amasa und Joab — Waffenbrüder eigentlich, und Vettern, und beide im Generalstab König Davids — begegnen sich auf der Jagd nach dem Aufrührer Seba. Joab nähert sich Amasa, um ihn freudig zu umarmen, fasst ihn dabei am Bart, wie es Sitte zu sein scheint, und sticht ihn dann heimtückisch in den Bauch, gänzlich unversehens sowohl für das Opfer wie auch für den Leser. 

Er gab ihm keinen Stich mehr — hinter diesen harmlos klingenden Worten steht, dass Joab dem mit herausquellenden Eingeweiden am Boden liegenden Amasa den Gnadenstoß verweigert und ihn langsam sterben lässt, über Stunden vielleicht.

Was ist hier geschehen? Amasa hatte sich in der Vergangenheit Absalom angeschlossen, in dessen Revolte gegen seinen Vater David, siehe dazu den BdW 05/2020. Damals führte Joab den Krieg für König David. Joab gewann schließlich die entscheidende Schlacht und tötete Absalom eigenhändig und höchst grausam mit drei Holzstäben, die er dem wehrlos an einem Baum hängenden Königssohn in den Leib rammte — gegen den ausdrücklichen Befehl des Königs. David entzieht daraufhin Joab das Kommando und überträgt es Amasa, dem General seines toten Sohns, um das Land zu befrieden.

Mit dem heimtückischen Mord an Amasa nutzt der degradierte Joab die erste sich bietende Gelegenheit, den Konkurrenten und Widersacher zu beseitigen. Einen ganz ähnlichen Mord hatte Joab schon viel früher begangen, an einem Feldhauptmann Sauls, der zu David übergelaufen war (2Sa 3,27). Nun ist Joab unbeschränkter Herr der Streitmacht des vereinten Israels. Dem alternden David graut es — er unternimmt nichts mehr gegen Joab, aber auf dem Sterbebett trägt er seinem Sohn Salomon auf, die Tat zu rächen (1Kö 2,5f). Der junge neue König vertut keine Zeit. Umstandslos lässt er Joab vor dem Altar des Herrn erstechen, zu dem jener flieht (1Kö 2,30ff). 

Zurück zum Bild. Amasa windet sich sterbend auf dem Boden. Was tun damit? Als ich begann, einen „Bibelvers der Woche“ zufällig zu ziehen, wusste ich, das ich dabei auf Dinge stoßen würde, über die man sonst nicht spricht. Wer würde solche Geschichten seinen Kindern vor dem Einschlafen vorlesen? Erbauung sucht man hier vergebens, dazu sind diese Berichte nicht geschrieben. Sie sind zu grausam, um nicht wahr zu sein — niemand würde die Entourage Davids in dieser Weise erfinden. 

Und Gott schweigt beharrlich. Vielleicht ist das ein Schlüssel? Vielleicht sollen wir hier sehen, was ist, aber nicht sein soll? Wahrheit ohne Gott?

Wenn es so ist, dann darf ich uns eine gesegnete Woche wünschen, in Frieden und mit Freude im Herzen, mit Ehrfurcht vor dem Leben, der Schöpfung des Höchsten, und vor Gott selbst.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 08/2022

…von Syrien, von Moab, von den Kindern Ammon, von den Philistern, von Amalek, von der Beute Hadadesers, des Sohnes Rehobs, König zu Zoba.
2 Sa 8,12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017. Der gezogene Vers ist ein Fragment. Hier ist der vollständige Satz, 2 Sa 8, 1+12:

Auch diese heiligte der König David dem HERRN samt dem Silber und Gold, das er geheiligt hatte von allen Völkern, die er unterworfen hatte, von Aram, von Moab, von den Ammonitern, von den Philistern, von Amalek und von dem, was er erbeutet hatte von Hadad-Eser, dem Sohn Rehobs, dem König von Zoba.

David sammelt Geld und Güter für den Bau des Tempels… bei anderen! Für den Zusammenhang siehe auch den Kommentar zum BdW 27/2021, eine Parallelstelle aus der Chronik.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 05/2020

Und da Husai hinein zu Absalom kam, sprach Absalom zu ihm: Solches hat Ahithophel geredet; sage du, sollen wir’s tun oder nicht?
2. Sam 17,6

Der Vers ist uneingeschränkt zufällig gezogen aus der Lutherbibel 1912. Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017.

Wahrheit und alternative Wahrheit

In unserem Vers steht ein richtiger Rat einem falschen gegenüber, einem Rat, der den Untergang des Beratenen bezweckt. Nun muss der Herrscher richtig von falsch unterscheiden können — sein Leben hängt davon ab. 

Es herrscht Bürgerkrieg. Absalom hat sich gegen seinen Vater David aufgelehnt. Das Volk ist mit dem jungen und strahlenden Absalom, und David verlässt die Stadt Jerusalem, bevor es zu spät ist. Mit einem Gefolge treuer Anhänger lagert er am Rand der Wüste, demoralisiert, aber noch nicht geschlagen.

Guter Rat gilt überall in der Bibel als kriegsentscheidend, und mit Ahitofel hatte Absalom als Berater eine wahre Wunderwaffe von David abgezogen. Von ihm wird gesagt: „Wenn damals Ahitofel einen Rat gab, dann war das so, als wenn man Gott zu etwas befragt hätte, so viel galten Ahitofels Ratschläge bei David und bei Absalom. 

Als David hört, dass Ahitofel übergelaufen war, betet er „Herr, mach Ahitofels Rat zu Torheit.“ Und er bittet einen anderen Berater, seinen Freund Huschai, gleichfalls nach Jerusalem zurückzukehren und seine Dienste dem Sohn anzubieten. Er soll den Ratschlag Ahitofels zunichte zu machen. Und tatsächlich: Absalom nimmt beide Männer Davids in seinen Dienst.

Und schnell stehen sich zwei Wahrheiten zweier Berater gegenüber. Ahitofel rät, die Schwäche Davids auszunutzen und diesen mit allem, was unmittelbar verfügbar ist, sofort zu verfolgen, zwölftausend Mann immerhin. Absalom findet den Ratschlag gut. Er beschließt aber, auch Huschai zu befragen. Der rät zum Gegenteil. Eine rasche Reaktion aus dem Stand, sagt er, könne Verluste bedeuten, und in der unübersichtlichen Gemengelage des Bürgerkriegs kann schnell das Gerücht entstehen, Absalom hätte eine entscheidende Niederlage erlitten. David habe eine ungeheure Reputation als Kämpfer, die Absalom schnell gefährlich werden könne. Daher soll er den nächsten Schritt gut vorbereiten und den Schlag erst dann führen, wenn seine Übermacht erdrückend ist. 

Beides klingt begründet. Ahitofel argumentiert mit der Demoralisierung Davids und seiner Truppe, er weist auf eine Chance hin. Huschai stellt das Risiko in den Vordergrund, er warnt vor der Kämpfernatur Davids und seinem gewaltigen Ruf, die einen kleinen Fehler zum Verhängnis machen können. Der Leser weiß, dass Huschai ein Agent Davids ist, Absalom weiß es nicht.

Und er wählt falsch. In diesem Moment verliert er den Krieg und sein Leben. David wird über die Entscheidung informiert und reagiert rasch. Er zieht sich in die Wüste zurück, die er so gut kennt, und ordnet seine Kräfte neu. Wenig später kann er seinen Sohn vernichtend konfrontieren. 

Über Ahitofel wird noch folgendes berichtet: „Als aber Ahitofel sah, dass sein Rat nicht ausgeführt wurde, sattelte er seinen Esel, machte sich auf und zog heim in seine Stadt, und bestellte sein Haus, und erhängte sich und starb und wurde begraben in seines Vaters Grab.“ 

Wie hätte Absalom richtig wählen können? In der Bibel gilt die Fähigkeit, richtig und falsch unterscheiden zu können, als Gabe Gottes. Gott stand hier auf Seiten Davids. Viel später geschieht etwas Vergleichbares, wieder in Jerusalem, als König Zedekia eine folgenreiche strategische Entscheidung treffen muss, siehe BdW 2019 KW 31. Der Prophet Jeremia spricht wahr, aber Zedekia kann es nicht erkennen und soll es auch gar nicht. 

Im Vers sind richtig und falsch verschiedene Interpretationen derselben Wirklichkeit. Manchmal stehen solche Interpretationen vor uns wie Zwillinge, und wenn wir uns entscheiden, teilt sich die Welt. Der Herr kann uns das richtige fühlen lassen. Er schütze uns vor Verblendung in dieser Woche,

Ulf von Kalckreuth