Und Amasa hatte nicht acht auf das Schwert in der Hand Joabs; und er stach ihn damit in den Bauch, dass sein Eingeweide sich auf die Erde schüttete, und gab ihm keinen Stich mehr und er starb. Joab aber und sein Bruder Abisai jagten nach Seba, dem Sohn Bichris.
2 Sa 20,10
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Ein heimtückischer Mord
Ein Bild. Amasa und Joab — Waffenbrüder eigentlich, und Vettern, und beide im Generalstab König Davids — begegnen sich auf der Jagd nach dem Aufrührer Seba. Joab nähert sich Amasa, um ihn freudig zu umarmen, fasst ihn dabei am Bart, wie es Sitte zu sein scheint, und sticht ihn dann heimtückisch in den Bauch, gänzlich unversehens sowohl für das Opfer wie auch für den Leser.
Er gab ihm keinen Stich mehr — hinter diesen harmlos klingenden Worten steht, dass Joab dem mit herausquellenden Eingeweiden am Boden liegenden Amasa den Gnadenstoß verweigert und ihn langsam sterben lässt, über Stunden vielleicht.
Was ist hier geschehen? Amasa hatte sich in der Vergangenheit Absalom angeschlossen, in dessen Revolte gegen seinen Vater David, siehe dazu den BdW 05/2020. Damals führte Joab den Krieg für König David. Joab gewann schließlich die entscheidende Schlacht und tötete Absalom eigenhändig und höchst grausam mit drei Holzstäben, die er dem wehrlos an einem Baum hängenden Königssohn in den Leib rammte — gegen den ausdrücklichen Befehl des Königs. David entzieht daraufhin Joab das Kommando und überträgt es Amasa, dem General seines toten Sohns, um das Land zu befrieden.
Mit dem heimtückischen Mord an Amasa nutzt der degradierte Joab die erste sich bietende Gelegenheit, den Konkurrenten und Widersacher zu beseitigen. Einen ganz ähnlichen Mord hatte Joab schon viel früher begangen, an einem Feldhauptmann Sauls, der zu David übergelaufen war (2Sa 3,27). Nun ist Joab unbeschränkter Herr der Streitmacht des vereinten Israels. Dem alternden David graut es — er unternimmt nichts mehr gegen Joab, aber auf dem Sterbebett trägt er seinem Sohn Salomon auf, die Tat zu rächen (1Kö 2,5f). Der junge neue König vertut keine Zeit. Umstandslos lässt er Joab vor dem Altar des Herrn erstechen, zu dem jener flieht (1Kö 2,30ff).
Zurück zum Bild. Amasa windet sich sterbend auf dem Boden. Was tun damit? Als ich begann, einen „Bibelvers der Woche“ zufällig zu ziehen, wusste ich, das ich dabei auf Dinge stoßen würde, über die man sonst nicht spricht. Wer würde solche Geschichten seinen Kindern vor dem Einschlafen vorlesen? Erbauung sucht man hier vergebens, dazu sind diese Berichte nicht geschrieben. Sie sind zu grausam, um nicht wahr zu sein — niemand würde die Entourage Davids in dieser Weise erfinden.
Und Gott schweigt beharrlich. Vielleicht ist das ein Schlüssel? Vielleicht sollen wir hier sehen, was ist, aber nicht sein soll? Wahrheit ohne Gott?
Wenn es so ist, dann darf ich uns eine gesegnete Woche wünschen, in Frieden und mit Freude im Herzen, mit Ehrfurcht vor dem Leben, der Schöpfung des Höchsten, und vor Gott selbst.
Ulf von Kalckreuth
Eine Antwort auf „Bibelvers der Woche 21/2023“