Bibelvers der Woche 32/2025

…wie der Mond soll er ewiglich erhalten sein, und gleich wie der Zeuge in den Wolken gewiss sein.” (Sela.)
Ps 89,38

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Glaube und Zweifel und Glaube

Wie der Mond, der stets aufs neue wiederkehrt, und in seinen Formen so verlässlich sich wandelt, dass die Hebräer ihren Kalender darauf stützen können. So verlässlich wie dieser Mond, der treue Zeuge in den Wolken, ist die Treue des Herrn zu König David und seinen Nachfolgern. Mit den Worten unseres Verses endet der erste Teil von Psalm 89, ein anrührender Lobpreis der Treue Gottes zu seinem Volk und den von Gott eingesetzten Königen.  Das Wort „Sela“ beschließt den Abschnitt.

Dann, unmittelbar anschließend, kommt der große Bruch: „Aber nun hast du verstoßen und verworfen, und zürnst mit deinem Gesalbten“. In der Gegenwart des Betenden ist die Treue Gottes ganz und gar abwesend — und wenn Treue Konstanz über die Zeit impliziert, ist sie aufgehoben, hat im Grunde nie bestanden. Die Treue Gottes ist unverbrüchlich und ewig — und nun ist sie aufgehoben und nichtig? Das ist eine Antinomie, ein Widerspruch, und er wird im Psalm nicht aufgelöst. Beide Aussagen stehen nebeneinander, gleichermaßen gültig, als Klage.

Sonnenfinsternis über Jerusalemf

Der Mond verfinstert die Sonne. Die Situation, in welcher der Betende sich an Gott wendet, ist katastrophal, und die Aspekte der Katastrophe werden genannt. Vermutlich ist der Psalm im babylonischen Exil entstanden oder noch zuvor, im Zusammenbruch des judäischen Reichs. Der Psalm ist blankes Unverständnis, aber gleichzeitig Ausdruck eines Glaubens der besonderen Art. Das Vertrauen in das Heilsversprechen Gottes besteht weiter, obwohl die Erfahrung unüberhörbar eine andere Sprache spricht — auf der Waage des Psalms sind die beiden Teile im Gleichgewicht. 

Und dann kommt dieses lakonische, heroische, rührende Ende: „Gelobt sei der HERR ewiglich! Amen! Amen!“ Der Sänger lobt Gott im Angesicht dieses Widerspruchs, ohne zu verstehen, ohne weiterhin Verständnis zu verlangen. Da ist eine Dialektik: Glaube — Zweifel — Glaube einer übergeordneten und reinen Art, der sich löst von der Empirie und selbst Voraussetzung wird. Sehr hart an der Grenze zur Widersinnigkeit. So mögen es die Babylonier empfunden haben, als sie sahen, wie die unterworfenen Judäer an ihrem Gott festhielten. Und so hat die Verbindung mit JHWH den Zeitenbruch überstanden.

Ein Glaubensbekenntnis sehr eigener Art. Wie ist es entstanden — aus einem Guss? Ist der erste Teil vielleicht älter? Hat jemand seine Klage im Angesicht der Katastrophe daneben gestellt, hat dann er oder jemand drittes die beiden Teile mit dem alles duldenden Schlussvers zueinander gefügt?

Ich wünsche uns allen eine gesegnete Woche, in Glaube und Zweifel und Glaube,
Ulf von Kalckreuth

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert