Bibelvers der Woche 30/2021

…und der Eifergeist entzündet ihn, dass er um sein Weib eifert, sie sei unrein oder nicht unrein,…
Num 5,14

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Gottesurteil

Wieder ein Vers, über den vielleicht noch nie eine Predigt geschrieben wurde. Es geht um ein Gottesurteil, das die Schuld oder Unschuld von Frauen klären soll, die des Ehebruchs verdächtigt wurden. Es ist dies ein schwerer Verdacht: auf Ehebruch stand nichts weniger als die Todesstrafe, und zwar sowohl bei der verheirateten Frau als auch beim Mann, der in die Ehe einbricht, siehe Deut 22,22 und Lev 20,10. Das Gesetz ist asymmetrisch. Einem Mann sind außereheliche Beziehungen grundsätzlich erlaubt, sein Seitensprung bleibt folgenlos, wenn er dabei nicht die Ehe eines anderen Mannes bricht.

Andererseits aber sieht das ältere Judentum vor, dass Urteile wegen schwerer Vergehen nur aufgrund von Zeugenaussagen erfolgen können. Nach Deut 19,15 sind für ein Urteil mindestens zwei Zeugenaussagen nötig. Nun findet Ehebruch kaum je in der Öffentlichkeit statt, so dass die Norm in Gefahr steht, leer zu laufen. Selbst wenn eine Frau mit dem Kind eines anderen schwanger war, fehlte es ja an Zeugen. 

An dieser Stelle greift das in Num 5 beschriebene Verfahren ein. Ein Mann hat das Recht, seine Frau zum Priester zu bringen und ihre Treue durch ein Gottesurteil klären zu lassen. Er bringt ein Opfer mit, legt es ihr in die Hand, so dass sie selbst zur Opfernden wird, und der Priester lässt sie Wasser trinken, das mit Staub aus der Umgebung des Allerheiligsten verunreinigt ist. Das Wasser wird verflucht. Der Priester spricht — und sie bestätigt durch doppeltes Amen — dass dies Wasser sie unfruchtbar mache und schwer entstellen werde, wenn sie die Ehe gebrochen hat, dass es aber harmlos bleibe, wenn dies nicht der Fall ist. Hier ist ein Link zu einer eingehenden Beschreibung des Verfahrens.

Der Text nennt explizit zwei Anlässe für das Verfahren: die Schuld der Frau ist mehr oder weniger offensichtlich, oder aber der Mann ist nachhaltig „vom Geist der Eifersucht“ entzündet, ob zu Recht oder zu Unrecht. Diese Möglichkeit greift der gezogene Vers auf. In beiden Fällen kann die Ehe nicht ohne weiteres fortgeführt werden, und das Gottesurteil wird nötig.

Das Verfahren wird detailliert auch im Talmud beschrieben, in einem eigenen Abschnitt. Man kann davon ausgehen, dass es tatsächlich zur Anwendung kam. Gibt es hier irgendwo eine frohe Botschaft? Der Ritus bietet immerhin die Möglichkeit, den Schuldvorwurf aus der Welt zu schaffen. Und es ist kein Gottesurteil der Art, bei dem jemand mit einem Mühlstein um den Hals in den See geworfen wird, damit Gott ihn errette, wenn er unschuldig ist. Der Staub dürfte unappetitlich, aber nicht gesundheitsschädlich gewesen sein. Implizit beinhaltet das Verfahren eine starke Tendenz zugunsten der beschuldigten Frau. 

Aber manche Problemlösungen sind keine. Stellen wir uns die Szene vor: ein Mann geht mit seiner Frau den weiten, staubigen Weg zum Tempel in Jerusalem. Sie ist möglicherweise schwanger. Er stellt sie dem Priester vor und die drei vollziehen den Ritus. Wenn die Frau das „bittere, verfluchten Wasser“ trinkt und nicht daran stirbt, so könnte die Ehe fortgeführt werden. So ist es wohl gemeint. Aber was wird, was kann von dieser Ehe dann noch übrig sein? 

Vertrauen wäre besser — Vertrauen der Art, die sogar das Wissen überlagern kann. Aber solches Vertrauen ist nicht jedermanns Sache. Wie der Glauben auch.

Ich wünsche uns allen eine gute Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

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