Bibelvers der Woche 06/2024

Da aber der HErr eure Worte hörte, die ihr mit mir redetet, sprach er zu mir: Ich habe gehört die Worte dieses Volks, die sie dir geredet haben; es ist alles gut, was sie geredet haben.
Dtn 5,28

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Trennung

Noch einmal Deuteronomium — zum vierten Mal hintereinander. Ich spare mir, Ihnen vorzurechnen, wie wahrscheinlich dies Ereignis a priori ist. Geübte Leser dieses Blogs wissen, wie es geht. Die Wahrscheinlichkeit ist ähnlich hoch wie diejenige, dass beim Roulette die Kugel viermal nacheinander auf dieselbe Zahl fällt…!

Diese Wiederkehr fordert mich indes auf, weiterzuerzählen, gibt mir die Gelegenheit dazu. In der vergangenen Woche lasen wir, dass die Israeliten dem Gesetz zwei Stelen bauten. Ich schlug vor, dass es sich dabei um die Zehn Gebote gehandelt haben könnte und stellte die Gebote ins Netz, in Deutsch und Hebräisch. Der hier gezogene Vers nun erzählt, wie es weiterging, unmittelbar nachdem das Volk die Zehn Gebote von Gott empfangen hatte.

Die Israeliten hatten Gottes Worte selbst gehört, er hatte ihnen die Zehn Gebote mit eigener Stimme vom Berg Sinai herab verkündet und erst dann dem Mose Steintafeln gegeben, auf denen sie geschrieben standen. Gottes Wort dröhnte in den Ohren aller, die am Vulkan standen, jeder hatte dasselbe gehört. Epiphanie. Gott tritt in Erscheinung durch sein Gebot. Geteilte Wirklichkeit ist echte Wirklichkeit. Die Ältesten des Volks waren in tiefer Angst — sie wussten, dass sterben muss, wer Gott sieht, und sie meinten, dass auch Gottes furchtbare Stimme sie das Leben kosten könne. Sie verlangten von Mose, er solle stellvertretend für alle mit diesem schrecklichen Gott sprechen, sie würden dann tun, was Gott von ihnen verlange.

Und Gott ist einverstanden.

In dieser logischen Sekunde passiert es. Gerade vorher noch hatte das ganze Volk unmittelbaren Zugang zu Gottes Wort. Nie waren Gott und sein Volk einander näher; so wie Materie und Energie eins waren nach dem Urknall. Jetzt aber sind sie getrennt: nur Mose, der Erzprophet, besitzt den Zugang noch und die anderen sind darauf angewiesen, dass dieser sie unterweist und ihnen Gottes Willen auslegt. Die vom Volk geforderte Mittlerrolle Mose wird gewissermaßen zum Zusatzartikel des Bundes.

Geteilte unmittelbare Erfahrung mit Gott gibt es nun nicht mehr. Der direkte Austausch mit Gott obliegt den Propheten. Seinen Bruder Aaron macht Mose zum Priester — er und nach ihm seine Söhne versehen die Opferhandlungen. Wenig später gibt es die Stiftshütte als beweglicher Tempel, der die Gesetzestafeln beherbergt. Zur Zeit Jesus dann gibt es um den Tempel herum eine mächtige Hierarchie, mit dem Hohepriester und dem Sanhedrin an der Spitze einer streng gegliederten Struktur, und Schriftgelehrte umkreisen diesen Planeten wie Satelliten. Nicht ganz unähnlich der katholischen Kirche.

Im Neuen Testament finden wir einen anderen Moment geteilter, kollektiver Gotteserfahrung mit Gründungscharakter: das erste Pfingstfest, Schawu’ot nach Kreuzigung und Auferstehung. Dort tritt Gott ganz anders in Erscheinung, als Heiliger Geist, nicht als Gesetzgeber. Nicht dem ganzen Volk, aber den Hörern der Predigt.

Wieviel echten Austausch mit Gott verträgt der Mensch, wieviel Vermittlung braucht er, und wie hält man die Macht in Grenzen, die bei den Vermittlern zu liegen kommt? Seit der logischen Sekunde am Sinai sind die Fragen in der Welt.

Der Herr helfe uns zur rechten Mischung,
Ulf von Kalckreuth

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