Bibelvers der Woche 06/2024

Da aber der HErr eure Worte hörte, die ihr mit mir redetet, sprach er zu mir: Ich habe gehört die Worte dieses Volks, die sie dir geredet haben; es ist alles gut, was sie geredet haben.
Dtn 5,28

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Trennung

Noch einmal Deuteronomium — zum vierten Mal hintereinander. Ich spare mir, Ihnen vorzurechnen, wie wahrscheinlich dies Ereignis a priori ist. Geübte Leser dieses Blogs wissen, wie es geht. Die Wahrscheinlichkeit ist ähnlich hoch wie diejenige, dass beim Roulette die Kugel viermal nacheinander auf dieselbe Zahl fällt…!

Diese Wiederkehr fordert mich indes auf, weiterzuerzählen, gibt mir die Gelegenheit dazu. In der vergangenen Woche lasen wir, dass die Israeliten dem Gesetz zwei Stelen bauten. Ich schlug vor, dass es sich dabei um die Zehn Gebote gehandelt haben könnte und stellte die Gebote ins Netz, in Deutsch und Hebräisch. Der hier gezogene Vers nun erzählt, wie es weiterging, unmittelbar nachdem das Volk die Zehn Gebote von Gott empfangen hatte.

Die Israeliten hatten Gottes Worte selbst gehört, er hatte ihnen die Zehn Gebote mit eigener Stimme vom Berg Sinai herab verkündet und erst dann dem Mose Steintafeln gegeben, auf denen sie geschrieben standen. Gottes Wort dröhnte in den Ohren aller, die am Vulkan standen, jeder hatte dasselbe gehört. Epiphanie. Gott tritt in Erscheinung durch sein Gebot. Geteilte Wirklichkeit ist echte Wirklichkeit. Die Ältesten des Volks waren in tiefer Angst — sie wussten, dass sterben muss, wer Gott sieht, und sie meinten, dass auch Gottes furchtbare Stimme sie das Leben kosten könne. Sie verlangten von Mose, er solle stellvertretend für alle mit diesem schrecklichen Gott sprechen, sie würden dann tun, was Gott von ihnen verlange.

Und Gott ist einverstanden.

In dieser logischen Sekunde passiert es. Gerade vorher noch hatte das ganze Volk unmittelbaren Zugang zu Gottes Wort. Nie waren Gott und sein Volk einander näher; so wie Materie und Energie eins waren nach dem Urknall. Jetzt aber sind sie getrennt: nur Mose, der Erzprophet, besitzt den Zugang noch und die anderen sind darauf angewiesen, dass dieser sie unterweist und ihnen Gottes Willen auslegt. Die vom Volk geforderte Mittlerrolle Mose wird gewissermaßen zum Zusatzartikel des Bundes.

Geteilte unmittelbare Erfahrung mit Gott gibt es nun nicht mehr. Der direkte Austausch mit Gott obliegt den Propheten. Seinen Bruder Aaron macht Mose zum Priester — er und nach ihm seine Söhne versehen die Opferhandlungen. Wenig später gibt es die Stiftshütte als beweglicher Tempel, der die Gesetzestafeln beherbergt. Zur Zeit Jesus dann gibt es um den Tempel herum eine mächtige Hierarchie, mit dem Hohepriester und dem Sanhedrin an der Spitze einer streng gegliederten Struktur, und Schriftgelehrte umkreisen diesen Planeten wie Satelliten. Nicht ganz unähnlich der katholischen Kirche.

Im Neuen Testament finden wir einen anderen Moment geteilter, kollektiver Gotteserfahrung mit Gründungscharakter: das erste Pfingstfest, Schawu’ot nach Kreuzigung und Auferstehung. Dort tritt Gott ganz anders in Erscheinung, als Heiliger Geist, nicht als Gesetzgeber. Nicht dem ganzen Volk, aber den Hörern der Predigt.

Wieviel echten Austausch mit Gott verträgt der Mensch, wieviel Vermittlung braucht er, und wie hält man die Macht in Grenzen, die bei den Vermittlern zu liegen kommt? Seit der logischen Sekunde am Sinai sind die Fragen in der Welt.

Der Herr helfe uns zur rechten Mischung,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 02/2024

Von den Engeln spricht er zwar: „Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen”,…
Heb 1,7

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Botschaft im Wind

Es ist einer dieser Verse, in denen ein anderer steckt, wie in einer Matrioschka. Der Autor des Hebräerbriefs will aufzeigen, um wie vieles der Sohn Gottes höher steht als die Engel, und er zitiert dazu Verse aus dem Alten Testament. Im Vers oben stellt er einen Vergleich mit der Art und Weise an, wie ihrerseits die Engel gepriesen werden. Zitiert wird dabei Psalm 104,4. In der Lutherbibel 1984 lautet dieser Psalmvers: 

…der du machst Winde zu deinen Boten 
und Feuerflammen zu deinen Dienern

„Bote“ und Engel“ werden im Hebräischen durch dasselbe Wort wiedergegeben: mal’ach. Im Psalmvers aber werden Winde zu Boten und Flammen zu Dienern gemacht, nicht umgekehrt, wie im Zitat des Hebräerbriefs. 

Aber vielleicht spricht der Psalmvers ja nicht wirklich über Engel, sondern über die Art und Weise, wie Gott zu uns redet. Manchmal durch Erscheinungen in der Natur, Elemente, wie Feuer und Wind. Aber das muss man verstehen wollen. In meiner Frankfurter Gemeinde berichtete vor einigen Jahren eine Frau, wie sie in ihrer Jugend früh an das Ende ihrer Möglichkeiten gekommen war, sich gescheitert fühlte, auch durch eigenes Verschulden, und sich von Gott und den Menschen verlassen sah. Sie stand an einer Bushaltestelle, in der Dämmerung, und wollte nicht mehr leben. Sie sagte, „Gott, wenn es dich gibt, wenn du mich hörst, dann sprich jetzt zu mir!“ Abwesend blickte sie in Richtung einer dünnen Plastiktüte, die an der Bushaltestelle auf dem Boden lag. Dann nahm sie wahr, wie diese Tüte anfing, sich zu bewegen: sie war in einen Luftwirbel geraten und drehte sich, tanzte hin und her, erhob sich in die Luft und legte sich schließlich wieder nieder. Die junge Frau sah, dass Gott sie gehört hatte und verstand die Antwort. 

Diese Kommunikation hatte mit einer Glaubensentscheidung zu tun — stärker noch; sie war durch eine Glaubensentscheidung bedingt. Die junge Frau hätte die tanzende Tüte ebensogut ignorieren oder gar Spott darin sehen können. 

Gott sprechen hören. Ulf von Kalckreuth mit Dall-E, 01-01-2024

Hier ist noch einmal eine Matrioschka: In dieser Geschichte aus Frankfurt spiegelt sich ein ganz alter Bericht, 1 Kö 19,11-13. Als Elia am Ende war und keine Hoffnung mehr hatte, suchte er den Herrn am Horeb und fand ihn nicht: nicht im Sturmwind, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer. Er fand ihn schließlich im Säuseln des Windes. Und wie die junge Frau hätte Elia in diesem Moment die Freiheit besessen, in dem Säuseln nichts zu sehen und zu hören. 

Aber die Begegnung richtete ihn wieder auf und änderte sein Leben, wie das der jungen Frau, von der ich berichtet habe.

Der Herr, der die Winde zu seinen Boten macht und seinen Engeln befohlen hat, uns zu behüten, sei mit uns!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 29/2021

…welchen er uns bereitet hat zum neuen und lebendigen Wege durch den Vorhang, das ist durch sein Fleisch,…
Heb 10,20

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Durch den Vorhang

Ein Vers voll konzentrierter Theologie, Teil eines gedrängten Satzes, der seinerseits die voranstehende Abhandlung zusammenfasst. Hier ist der ganze Satz, Heb 10, 19-22 in der Lutherbibel 2017:

Weil wir denn nun, Brüder und Schwestern, durch das Blut Jesu den Freimut haben zum Eingang in das Heiligtum, den er uns eröffnet hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist: durch sein Fleisch, und haben einen Hohenpriester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in der Fülle des Glaubens, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser.

Ich kann versuchen, das mit meinen Worten wiederzugeben. Es geht um den Zugang zu Gottes Gegenwart. Verse dazu hatten wir in den vergangenen Wochen 24, 25 und 26 bereits. Das Allerheiligste war die „Wohnung Gottes“ im Stiftszelt auf der Wüstenwanderung und später im Tempel. Niemand erträgt die volle Gegenwart Gottes, ohne zu sterben, siehe BdW 24/2021. Gott wohnt daher in der Dunkelheit. Zum Allerheiligsten hatte nur der Hohepriester Zutritt, einmal im Jahr. Allen anderen war der Raum verwehrt. 

Christus hat der Beziehung zwischen Mensch und Gott auf eine neue Grundlage gestellt. Deshalb sprechen Christen vom „neuen“ Testament. Christus steht für den Zugang zu Gott, er ist dieser Zugang, sagt der Verfasser des Hebräerbriefs. Christus ist Hohepriester ganz eigener Art. Sein Opfer und sein Tod sind die Verbindung zwischen unserer Welt und Gottes Gegenwart, wie ein Weg durch den Vorhang, der im Tempel das Allerheiligste und die Welt zugleich verband und trennte. Mt 27 und Mk 15 beschreiben, wie dieser Vorhang bei Jesu Tod zerriss. 

Der Hebräerbrief sucht die Wahrheit Christi in Bilder und Formeln des traditionellen Judentums zu fassen. Die Adressaten waren jüdische Christen. Der Brief ist eine Art Übersetzung. Eigentlich ist das Eulen nach Athen tragen: Jesus war Jude und hat sein Leben unter frommen Juden verbracht. Seine Sprache war einfach, er selbst hätte sicherlich nicht so formulieren wollen. Aber die Antworten auf die Fragen — wer ist denn der Christus? König, Priester, Prophet, Messias, Mensch, Gott, beides? — begannen früh schon so komplexe Gestalt anzunehmen, dass sie übersetzt werden mussten.

Der Brief wurde später in den biblischen Kanon aufgenommen, in den Kernbestand der Zeugnisse christlichen Glaubens. Ob er sein erstes Ziel erreicht hat? Wie wurde er wohl aufgenommen? 

Bei mir bleibt dies Bild: Christus, der bei Gott lebt und den Menschen zugleich, ist unser Weg zur Gegenwart Gottes. Sein Tod macht den Weg durch den Vorhang frei, der die Welten trennt.

Gehen müssen wir den Weg selber. Unvorstellbar eigentlich. Schwindelerregend. Wer wagt es? 

Ich wünsche uns allen eine gute Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 24/2021

Da rief sie Mose; und sie wandten sich zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde; und er redete mit ihnen.
Ex 34,31

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Allein mit Gott

Niemand vermag Gott, den Herrn, ins Angesicht zu sehen, ohne zu sterben. Die Bibel wiederholt das mehrfach. Der Unterschied zwischen der menschlichen und der göttlichen Sphäre ist so abgrundtief, dass Menschen ihn nicht überbrücken können. 

Selbst Mose nicht. Mose bittet den Herrn, ihn schauen zu dürfen und dieser weist die Bitte zurück. Dabei kommt er ihm entgegen, soweit es möglich ist. Er lässt Mose seine Herrlichkeit spüren, indem er an ihm vorbei geht. Dabei ist Mose getragen und geschützt von Gott und er darf hinter ihm herschauen — aber nicht in sein Angesicht, nicht in seine Totalität.

Die Offenbarung am Horeb war in eine Katastrophe gemündet. Nun aber geht Mose auf den Berg, die zehn Gebote erneut zu empfangen und den Bund zwischen seinem Volk und Gott wieder zu schließen. Er wird zum Grenzgänger zwischen Gottes Welt und der Welt der Menschen. Mehr als jeder andere Mensch vor und nach Jesus lebt er in beiden Welten. Gott beruft ein ganzes Volk, aber der Austausch vollzieht sich in einer Zweierbeziehung mit Mose.

Wie kann Mose damit leben? Und Mensch bleiben, Angehöriger des Volks, das er führt? Er gehörte nie richtig dazu, seine ägyptische Erziehung am Hof des Königs hat ihn den Bausklaven früh entfremdet, Schließlich musste er in die Wüste fliehen, wo er Gott kennenlernte. Nun sind beide am Horeb, Gott und sein Volk, Und Mose dazwischen.

Die Bibel findet ein wunderbares Bild für diese Lage. Das Angesicht des Herrn durfte Mose nicht sehen, aber sein eigenes Angesicht verändert sich jetzt: es geht ein goldenen Schein von ihm aus. Vierzig Tage war er bei Gott, und von seiner Herrlichkeit, in deren Nähe er weilte, hat Mose Gesicht einen goldenen Glanz gewonnen, der so intensiv ist, dass die Israeliten nicht hinschauen mögen und fürchten, was sie sehen. 

In diesem Augenblick ist Mose völlig isoliert, allein mit Gott, wenn man so will. Der goldene Glanz, die Zweisamkeit mit Gott, trennt ihn von allen anderen. Wirken kann er so nicht mehr. Das hätte das Ende der Geschichte sein können. Und es wäre ein natürliches, ein zu erwartendes Ende gewesen. 

Aber es gelingt. Das ist der gezogene Vers. Mose ruft die Menschen und gewinnt ihre Zuwendung zurück. Er kann weitergeben, was er empfangen hat. Er verhüllt sein Gesicht mit einer Decke, um seine Mitmenschen zu schonen, gerade so, wie es am Anfang des Kapitels der Herr mit ihm selbst getan hat. Die Decke legt er nur ab, wenn er weiter Zwiesprache hält mit dem Herrn. 

Im Grunde ist dies — überspitzt und ins Maßlose gesteigert — die Situation, in der sich jeder befindet, der seinen Auftrag in der Verkündigung sieht. Je ausschließlicher auf Gott gewandt er diesen Auftrag erfüllt, umso schwerer wird es, die Mitmenschen zu erreichen, und er wird einsam. So muß die Lösung wohl irgendwie aussehen — eine Decke, die man überzieht und ablegt, je nachdem, ob es um den Kontakt mit Gott oder mit den Menschen geht. Eine Art Schutzmaske… 

Die Katholiken schließen in ihre Fürbitten stets die Diener der Kirche ein. Das hat gute Gründe. Ich wünsche uns allen und besonders den Dienern der Kirche eine gute Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 07/2021

Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. So jemand die Welt liebhat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters
1. Joh 2,15

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Gott und die Welt

Absage an die Welt — mit diesen Worten ist in der neuen Lutherbibel der Abschnitt überschrieben, aus dem unser Vers stammt. Der Vers gibt einen Kern johannäischer Theologie wieder: den Dualismus von Göttlichem und Weltlichem. Es gibt ihn bereits im jüdischen Ursprung des Christentums, aber bei Johannes wird eine Gegnerschaft, eine Feindschaft daraus. Die Welt hat sich gegen Gott entschieden und sich ins Dunkel gewandt. Gott hat seinen Sohn geschickt, fleischgewordene Torah, er ist das Licht im Dunkel, zu dem die Menschen sich wenden können — und es zumeist nicht tun. Die Welt ist vergänglich und dem Untergang geweiht und mit ihr jeder, der sich an ihr festhält. Ewig hingegen ist Gott: wer sich dem Licht zukehrt, den nimmt er auf. 

Wir haben also die Wahl zwischen der Liebe des Vaters und dem Hang zur Welt, sagt Johannes.

Der Dualismus hatte eine ungeheure Wirkung in der Geschichte der christlichen Religion. Die Gegnerschaft von Gott und Welt festzustellen ist gleichbedeutend mit der Aufforderung, sich der Welt ab- und Gott zuzuwenden. In der Frühzeit der Kirche waren es die Eremiten und Asketen, später die Mönchsorden, die Büßer und die Ordensritter, die diesem Ruf folgten. Der große Prediger Wilhelm Busch spricht von der „verfluchten Welt“, die jeder Großstadtpfarrer kennt.

Wovon sollen wir uns abwenden? Sich von der Welt abzuwenden kann ja auch bedeuten, die eigenen ungelösten Probleme zu entsorgen, in der Gewissheit noch dazu, das Rechte zu tun. Wilhelm Busch meint eine Welt ohne Gott, die sich sinnlos um sich selbst dreht. Man kann sein Leben in Selbstmord wegwerfen, sagt er, oder in Vergnügen und Genießen. 

Aber die Welt — das sind auch Sonne, Mond und Sterne, das Meer und der Himmel über dem Gebirge, sind Ehepartner, Kinder, Eltern und Freunde, Musik und Kunst. Hat nicht Gott die Welt erschaffen? Ist sie nicht sein Interface, spricht er nicht durch sie zu uns? Die Welt als Ganze abzulehnen wirkt wie eine höhere Form der Undankbarkeit — und auch etwas arrogant. Kann ich meinen Nächsten lieben, wenn ich die Welt hasse? Gott selbst sehen wir nicht — wenn wir ihn nicht in der Welt und in den Menschen suchen, die darin leben, so können wir ihn nur in uns selbst zu finden hoffen, wie es die Mystiker taten. Kann ich das wagen? 

Wir alle sind ja auf Entzug gesetzt, was die Welt betrifft, und Fasten schärft die Sinne. Ich bin heute (Dienstag) nach mehreren Tagen wieder draussen. Es ist ein hellsonniger Tag, klirrend kalt, nach so vielen dunklen Wochen. Matsch und Morast sind überfroren von Reif, Eis und Schnee, der Boden trägt wieder und ist griffig, das Gehen fällt leicht, trotz der Rückenschmerzen. Das Eis blitzt. Kälte und Licht ergreifen nach und nach Besitz von den trüben Gedanken und machen sie bedeutungslos und unwirklich. Ich kann wieder reden mit Gott und meinen Platz sehen in der Welt. Ich schicke einer Freundin einige Bilder.

Nein, wenn ich mich gänzlich abkehre von der Welt, kann ich mich ebenso verlieren, wie wenn ich ihr verfalle. Abkehren muß ich mich von dem, was krank macht an Leib und Seele. Das ist sicherlich viel, aber ebenso sicherlich nicht alles. Denn auch Gott ist in der Welt, sonst wäre sie nicht. 

Gottes Segen sei mit uns in dieser Woche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 40/2020

…auf dass die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleische wandeln, sondern nach dem Geist.
Röm 8,4

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Treffpunkt Tod

Harter Stoff. Aber bleiben Sie bei mir, vielleicht lohnt es sich! Der Vers ist ein Fragment — hier ist der vollständige Satz im Wortlaut der Übersetzung von 2017:

Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott: Er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch, damit die Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, in uns erfüllt werde, die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist

Der Vers und sein Kontext gehören zum Kern christlichen Glaubens. Ich will, was da steht, zunächst mit meinen Worten wiedergeben. Das Angebot Gottes, die Menschen mit seinem Gesetz zu sich zu führen, läuft auf unserer Seite ins Leere. Ein Leben nach der Thora ist mit der Natur des Menschen unvereinbar — es gelingt ihm auch dann nicht, wenn der Geist willig ist. Der Mensch braucht eine neue Natur — er muß sein „fleischliches“  Wesen, wie Paulus es nennt, gegen ein „geistiges“ Wesen tauschen, gegen ein Leben aus dem Geist Gottes. Die frohe Botschaft ist, dass Gott seinen Geist denen schickt, die er liebt. Dafür sandte er seinen Sohn — in der Gestalt des Fleischs, selbst aber Träger des Geistes.

Für diejenigen, die aus dem Geist leben, wird das Gesetz irrelevant, als Weg zu Gott ist es nicht nötig. Dennoch muß es — Gesetz Gottes — erfüllt sein. Die Lücke füllt der Tod Jesu am Kreuz. Mit diesem Tod werden Fleisch und Sünde verurteilt und hingerichtet. Wir können unser Leben vom Geist leiten lassen. Der Weg ist frei. Pfingsten! Ein Bild, so groß, dass einem der Kopf zerreissen will. 

Der Vers selbst lässt offen, wie das Gesetz durch den Tod Jesu ultimativ erfüllt wird. Der Wortlaut bezeichnet eine Art stellvertretende Sühne. Paulus unterscheidet den fleischlichen vom geistigen Aspekt der menschlichen Wirklichkeit. Jesus — ganz Geist — wird Fleisch und empfängt in dieser Gestalt das Urteil für alles Fleisch, obwohl er selbst frei von Sünde ist. Andernorts, bei Paulus selbst und bei Johannes, wird der Tod Jesu spezifisch als Opfer interpretiert. Der Tod Jesu Christi, des Gottessohns, war das ultimative Opfer: ein Opfer dargebracht von einem Menschen und zugleich von Gott selbst. 

Das ist ganz harter Stoff. Für die Menschen damals: Johannes 6,48ff berichtet von der entsetzten Reaktion der Zuhörer, als Jesus das Opfer in der Synagoge von Kapernaum ankündigte. Und auch für die Menschen heute: Wie etwa vermittelt man den Opfertod im Kindergottesdienst? In ihrer Kritik an der „Opfertheologie“ ziehen progressiv denkende evangelische Theologen das ganze Bild in Zweifel — Gott in seiner Größe und unerschöpflichen Liebe könne ein Menschenopfer gar nicht „wollen“, und in seiner Allmacht die Entsühnung auch ohne Opfer bewirken. Heilsnotwendig könne dies Opfer nicht gewesen sein. 

Ich bin nicht Theologe und die Auseinandersetzung mit dem Diskurs fällt mir wirklich schwer. Ich erkenne aber, dass dies das Narrativ ist, das Christen zu allen Zeiten angenommen haben. In der Wirklichkeit der Menschen so vieler Generationen hatte der Tod Jesu diese ungeheure Bedeutung. Auch für Jesus selbst, nach dem Zeugnis der Evangelien. Das Narrativ ist geglaubte Wahrheit — wie will man es nun verschieben? Man mag sich dann fragen, wie alles so falsch laufen konnte, wenn der Tod Jesu keine Erlösungstat war — was würde uns das über Gott sagen? Wie kämen wir denn damit zurecht, dass der Tod Jesu sinnlos gewesen wäre? Warum musste der Messias gehen, kaum dass er gekommen war? 

Vielleicht sollten wir an die eigentliche Bedeutung des Opfers im Judentum denken. Es geht dabei nur in sehr speziellen Fällen um Schuld und Sühne. Im Vordergrund steht immer Kommunikation und Gemeinschaft mit Gott. Siehe die Betrachtung zum Bibelvers der Woche 43/2018. Ganz so, wie auch das Gesetz seinem Wesen nach zu Gemeinschaft mit Gott führen soll. Gesetz und Opfer liegen tatsächlich nahe beieinander. 

Jesus stellt für uns die Gemeinschaft mit Gott her. So verstehe ich Paulus und Johannes. Für uns und mit uns findet er das Licht dort, wo es nicht dunkler mehr werden kann, im abgründigen Nichts. Treffpunkt Tod. Gott hat dieses Opfer nicht verhindert, wie er die Opferung Isaaks durch Abraham verhindert hat. Statt dessen hebt er die Folgen auf, in einer Weise, die den Naturgesetzen spottet. 

Morgen ist Jom Kippur. Mögen wir alle im Buch des Lebens eingeschrieben sein!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 24/2020

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
Joh 15,5

Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017

Wer liebt, lebt!

Im Evangelium nach Johannes sind in den Abschnitten 13-17 Abschiedsreden Jesu verzeichnet, die sich in den anderen Evangelien nicht finden. Die Reden sind eigentlich Gespräche mit den Jüngern, in tiefer und inniger Zuwendung, gleichzeitig sind sie Testament, das in ein Gebet mündet. Ein Testament im Neuen Testament. Es gibt Parallelen: das Deuteronomium als Ganzes ist als Abschiedsrede Mose verfasst, und mit seiner Rede am Ende von Genesis verwandelt Jakob seine Söhne in ein Volk. 

Wie das Deuteronomium die Essenz der Thora wiedergibt, enthalten die Abschiedsreden Jesu die Essenz seiner Botschaft und sein Vermächtnis. Im Netz habe ich das Skript einer ganzen Vorlesung zu den Reden gefunden. Unser Bibelvers führt in den Kern dessen, worum es Jesus geht. 

Der Vers ist Kulminationspunkt eines Gleichnisses, das er zuvor aufgespannt hat. Der Vater, Gott, ist wie ein Winzer: er hegt den Weinberg, er pflanzt und pflegt den Weinstock und trägt Sorge um die Frucht. Dabei schneidet er Triebe ab, die keine Frucht bringen. Mit der Verbindung zum Stock verlieren diese Reben das Leben. Die Reben aber, die Frucht bringen, werden gereinigt, ihre Kraft wächst. 

Jesus spricht zuvor (Joh 14) darüber, wie der Vater in ihm ist und er im Vater. Nun geht es um die Jünger Jesu. Sie sind die Reben, also die Triebe, Jesus ist der Weinstock. Wenn sie in ihm bleiben, dem lebensspendenden Weinstock, und er in ihnen, so leben sie und bringen reiche Frucht — neues Leben. Eine Kette: Jesus ist eins mit dem Vater und hat Teil an seinem Wesen. Die Jünger aber sind eins mit Jesus, dadurch haben auch sie Teil am Wesen des Vaters, obwohl sie es nicht tragen oder fassen könnten. Jesus ist Interface, würde man heute sagen.

„Bleibt in mir und ich in Euch“. Die Jünger sind rein durch das Wort, sie sollen sich dies erhalten und darin wachsen. Im Gleichnis entscheidet der Winzer, welche Reben Frucht bringen und welche nicht. Darin liegt gleichzeitig Warnung und Verheissung. Jesus spricht aus, worin die lebensspendende Einheit besteht, die ihn mit dem Vater verbindet und die Jünger mit ihm. Es ist die Liebe: 

Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch liebe. … Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, auf dass, worum ihr den Vater bittet in meinem Namen, er’s euch gebe. Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt. (Joh 15,12-17)

Ich kenne eine Frau, die seit vielen Jahren an das Ende ihrer Emails drei Worte stellt: Wer liebt, lebt! Den Satz will ich hier weitergeben. Er ist eine Zusammenfassung der Abschiedsreden Jesu.

Die Liebe Gottes sei mit uns und wir in ihr
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 15/2019

… wenngleich über ihm klingt der Köcher und glänzen beide, Spieß und Lanze.
Hiob 39,23

Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017.

Momente mit Gott im Grenzbereich

Weiterhin Passionszeit… ein Vers aus Hiob. Diesmal nicht aus dem Teil, in dem Hiob klagt und fragt, sondern aus Gottes Antwort aus dem Sturm. Zum Buch und seiner existentiellen Frage siehe den Text zum BdW 19/2018

Am Mittwoch sprach ich mit meiner Hebräisch-Lehrerin über den Text eines Lieds von Hanan Ben Ari. Hier ist ein Youtube-Link zu „Mah ata rozeh mimeni? — Was willst Du von mir? Die Schlüsselzeilen lauten: 

Genug geschwiegen. Jetzt sprich:
Was willst Du von mir? Was? Was?
Wer hat Dich gebeten, mir eine Seele zuzuwerfen?
Warum kommst Du nicht zur Mittagszeit? 
Halt mich fest. Sieh mir in die Augen.

Meine Tochter Mathilde hörte das Lied und wollte wissen, was der Text bedeutet. Ich übersetzte ein wenig und sagte, dass der Mann wohl mit Gott redet. Sie meinte, so dürfe man doch mit Gott nicht sprechen. Aber so ähnlich fragen Hiob, Jeremiah und manche der Psalmisten, und am Ende seines Lebens auch Jesus. 

Gottes Antwort aus dem Sturm: Vordergründig geht es um Gottes inkommensurable Macht und seinen über aller Vernunft stehenden Ratschluss, die es unsinnig machen, Rechte einzuklagen. Dahinter handelt der Text aber auch davon, wann und wo man Gott begegnet. 

Zum Beispiel zur Mittagszeit! Die Umgebung unseres Verses liest sich wie folgt: 

Kannst du dem Ross Kräfte geben oder seinen Hals zieren mit einer Mähne? Kannst du es springen lassen wie die Heuschrecken? Schrecklich ist sein prächtiges Schnauben. Es stampft auf den Boden und freut sich, mit Kraft zieht es aus, den Geharnischten entgegen. Es spottet der Furcht und erschrickt nicht und flieht nicht vor dem Schwert. Über ihm klirrt der Köcher und glänzen Spieß und Lanze. Mit Donnern und Tosen fliegt es über die Erde dahin und lässt sich nicht halten beim Schall der Trompete. Sooft die Trompete erklingt, wiehert es »Hui!« und wittert den Kampf von ferne, das Rufen der Fürsten und Kriegsgeschrei.

Ein Pferd, das mit seinem Reiter mit voller Kraft und gänzlich angstfrei auf die gegnerische Schlachtreihe zustürmt — in der gleißenden Mittagssonne blitzen die Waffen und die Welt ist angefüllt von unglaublichen Tönen: donnernde Hufe, Trompeten, überall Rufe und Kriegsgeschrei. Ein Kavallerieangriff, Sekunden vor dem blutigen Zusammenprall. Die Bewegung wird zur Zeitlupe, dann zum „Still“. Da also ist Gott. 

Politisch höchst inkorrekt natürlich. Ich ging mit dem Lied von Ben Ari im Kopf auf meinen Arbeitsplatz zu, in einem Frankfurter Büroturm. Noch ein paar Meter. Ja, warum zeigst du dich nicht, wo bist du? Und auf einmal war da das Morgenlicht, der Aprilhimmel, ich spürte den kühlen Wind, sah die vielfältige Bewegung auf der Straße, die Menschen, die Autos um mich her. Da also! Die Welt als Interface. Der Vers aus Hiob fiel mir ein, ich verstand ihn auf einmal und spürte den Donner der Schlacht und das unaufhaltsame Stürmen des Pferdes unter mir. So betrat ich die vollsynthetische Welt des Frankfurter Trianon, die keine Außenluft kennt. Was für ein Absturz! Und ich wusste, dass das Bild richtig ist, auch wenn ich’s nicht erklären kann.

Momente mit Gott im Grenzbereich. Wollen wir sie eigentlich? Was wollen wir?
Ulf von Kalckreuth

PS: Die erste Antwort Gottes aus dem Sturm (ab Kap 38!) ist von ungeheurer poetischer Kraft. Ich habe erlebt, wie ein Prediger sie einfach nur vorgelesen hat. 

Bibelvers der Woche 10/2018

Am zehnten Tage des fünften Monats, welches ist das neunzehnte Jahr Nebukadnezars, des Königs zu Babel, kam Nebusaradan, der Hauptmann der Trabanten, der stets um den König zu Babel war gen Jerusalem…
Jer 52, 12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Over and out

Der gezogen Vers ist ein Fragment, der Satz schließt im nächsten Vers: …und verbrannte des HERRN Haus und des Königs Haus und alle Häuser zu Jerusalem; alle großen Häuser verbrannte er mit Feuer. 

Die Sätze stehen ganz am Ende des Buchs Jeremia. Der Abschnitt ist den Prophetien und der Lebensgeschichte Jeremias nachgeschoben und fast wortgleich mit dem Ende des Buchs der Könige. Er zeigt, wie der erste Teil der Prophetien Jeremias eintrifft. Im gezogenen Vers ist die Hand erhoben, für eine logische Sekunde ist alles in der Schwebe. Im nächsten Vers fällt der Stich. Jerusalem ist von den Truppen Nebukadnezars erobert, bereits am 9. Tag des vierten Monats war die Stadt gefallen. Die militärische Arbeit ist getan. Vier Wochen später nun kommt ein Administrator aus dem inneren Kreis um König Nebukadnezar und führt das Zerstörungswerk planmäßig aus. Im Detail wird dann beschrieben, wie die kostbare Tempelausstattung nach draußen getragen und ökonomisch verwertet wird, beinahe wie eine Rückabwicklung des Tempelbaus in 1. Könige 6 und 7.

Passionszeit. Der Tempel, das Interface zwischen Gott und seinem Volk, ist nicht mehr. Gott hat nicht nur seine Gnade vom Volk genommen, sondern auch den Kontakt abgebrochen. Fast wie bei Harry Mulisch „Die Entdeckung des Himmels“ — in diesem Roman bricht Gott die Beziehung mit der modernen Menschheit ab, indem er die Tafeln mit den zehn Geboten wieder zurücknimmt. Die Elite des Volks wird nach Babylon verschleppt. In der jüdischen Bibel ist dieser Moment herausgehoben traumatisch, er ist die Scheide, um die herum die Schriften sich in ein „Vorher“ und ein „Nachher“ gruppieren. Eine Analogie für den gezogenen Vers im Neuen Testament wäre die Stelle, in der Jesus, der Mittler zwischen Mensch und Gott, die Dornenkrone trägt, aber noch nicht am Kreuz hängt. 

Der Vers erinnert daran, dass Gott uns seine Gnade gibt und er sie wieder von uns nehmen kann. Wem nicht ein Bauwerk, sondern die eigene Person der Ort der Begegnung mit Gott ist, den erinnert er an die Endlichkeit des Lebens. Und ganz entfernt scheint eine neue Perspektive auf: mit der Erfüllung des ersten Teils der Prophetie Jeremias wird nun der zweite Teil relevant, in dem es Sätze gibt wie: „So spricht der Herr: Das Volk, das dem Schwert entronnen ist, hat Gnade gefunden in der Wüste; Israel zieht hin zu seiner Ruhe. Der Herr ist mir erschienen von ferne: ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Ich will dich wiederum bauen, dass du gebaut sein sollst, du Jungfrau Israel, du sollst dich wieder schmücken und mit Pauken ausziehen im fröhlichen Tanz.“ (Jer 31, 2-4)

Ich wünsche Euch eine schöne Woche
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 05/2018

Aber den Brandopferaltar setzte er vor die Tür der Wohnung der Hütte des Stifts und opferte darauf Brandopfer und Speisopfer, wie ihm der HErr geboten hatte.
Ex 40,29

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Mobiles Heiligtum

Der gezogene Vers ist aus der Beschreibung der Aufrichtung der Stiftshütte im zweiten Jahr der langen Wanderung der Israeliten durch die Wüste. Die Stiftshütte ist etwas sehr Spannendes: von der Funktion her ein Tempel, und in seiner Portabilität und Mobilität gerade eben kein Tempel. In wichtigen Teilen des AT wird großer Wert darauf gelegt, dass ein gottgefälliger Tempel als Ort des Austauschs mit Gott nur in Jerusalem stehen könne. Aber zur Anfangszeit des Weges mit Gott, in der Wüste, lag Jerusalem in einem mythischen, weit entfernten Land. Der fortdauernde Kontakt mit Gott, bei dem das Opfer einen hohen Stellenwert hatte, musste anders gewährleistet werden. 

Mose erhält den Befehl, eine mobile Anbetungsstätte einzurichten, die jeweils dort aufgebaut werden soll, wo die Israeliten sich temporär niederlassen. Sie beherbergt die Bundeslade, in der die Gebote Gottes vom Sinai enthalten sind. Während der Aufenthalte ruhte die Wolke mit der Herrlichkeit des Herrn auf der Stiftshütte und auf dem Weg zog sie dem Volke voran, nachts erfüllt von Feuerschein. Vor der Stiftshütte kann und soll geopfert werden — im gezogenen Vers geschieht dies zum ersten Male. Nicht der Ort ist dabei entscheidend, sondern die Bestimmung. Dies ist eigentlich eine sehr „moderne“ Vorstellung. Die Juden haben sie erst nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels gezwungenermaßen übernommen. Mystisch orientierte Juden oder Christen haben die Idee weiterentwickelt und weisen darauf hin, dass der eigentliche Tempel des Herrn in der Person des Betenden selbst liegt — wo auch immer dieser gerade sich befindet…

Ich wünsche uns allen eine gute Woche in Gottes Segen,  
Ulf von Kalckreuth