Bibelvers der Woche 48/2022

Und stärkten also das Königreich Juda und befestigten Rehabeam, den Sohn Salomos, drei Jahre lang; denn sie wandelten in den Wegen Davids und Salomos drei Jahre.
2 Chr 11,17

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gottesfurcht als Staatskunst?

Drei Jahre lang war alles gut!

Immer wenn sich die Könige Judas abwenden vom Herrn, geht es bergab mit ihnen und dem Reich. Zuwendung und Treue hingegen werden belohnt, meist unmittelbar. Das ist die Kernbotschaft des zweiten Buchs der Chronik. Der Darstellung nach ist der Zusammenhang fast naturgesetzlich, Er erklärt die große Katastrophe in der jüdischen Geschichte, die Vernichtung des Reichs Juda, der Hauptstadt Jerusalem und des Tempels, die Wegführung der Bevölkerung.

Schon ganz zu Beginn der Geschichte des Südreichs scheint der Zusammenhang mit Händen zu greifen. Da folgt ein König drei Jahre lang dem Herrn und ist erfolgreich. Er verlässt die Wege des Herrn und schnell gerät das Land an den Rand der Katastrophe. 

Rehabeam hatte einen denkbar schlechten Start. Nach dem Tod Salomos war er designierter Nachfolger auf dem Thron des israelitischen Gesamtreichs. Die Nordstämme baten — recht höflich, wie ich finde — um eine Verminderung der Last, die nur sie allein tragen mussten. Das große Juda hatte unter Salomo keine Abgaben zu leisten, siehe den BdW 43/2022. Rehabeam, schlecht beraten von jugendlichen Altersgenossen, antwortete harsch und unnachgiebig. Zehn Stämme verweigerten daraufhin die Gefolgschaft. Rehabeam blieb König nur über Juda. Im weitaus größeren Nordteil des salomonischen Reichs etablierte sich Jerobeam als König. Von da an herrschte ständig Krieg. 

Und doch läuft es zunächst gut. Der König des Nordreichs nämlich führte ausländische Kulte ein und vertrieb die Leviten aus seinem Land, die Priester des Herrn. Sie gingen nach Jerusalem. Dieser Migrationswelle schlossen sich andere Teile der Elite des Nordreichs an, die mit den neuen Götzen und dem veränderten Wind im Land nichts anfangen konnten. Der Zustrom half dem jungen Südreich bei der nationalen Konsolidierung. Drei Jahre lang. Dann, so wird weiter berichtet, wendet sich auch Rehabeam neuen Einflüssen zu, und prompt kommt mit Pharao Schischeck eine schreckliche Bedrohung aus Ägypten. Rehabeam bereut und demütigt sich vor Gott. Die Vernichtung der Hauptstadt kann abgewendet werden. 

Soweit der Vers und seine Botschaft. Ist es so? Meiner eigenen Lebenserfahrung entspricht es nicht: Abwendung von Gott bedeutet in der Welt, die ich kenne, durchaus kein sofortiges Scheitern, ebensowenig, wie die Hinwendung zu Gott Erfolg und Reichtum programmiert. Die Psalmen wissen das und beklagen vielfach, dass es der Gottlose sei, der auf der reich gedeckten Seite des Tischs sitzt, vorübergehend jedenfalls. Wenn der Zusammenhang so einfach und mechanisch wäre — wie könnte ein machtfokussierter König von Juda oder ein statusorientierter Manager unserer Zeit je die Wege des Herrn mißachten? Das hätte sich in interessierten Kreisen herumgesprochen, und die Zehn Gebote und ausgewählte Psalmen stünden in den Eingangskapiteln jedes Karriereleitfadens…! 

Nein, so ist es nicht. Es ist anders, und wirklich ausbuchstabieren kann ich es hier nicht. Hinwendung zu Gott bedeutet die Bereitschaft, Sinn zu erkennen und dankbar zu sein. Das Leben als Geschenk zu begreifen befähigt uns, die in den verworrenen Pfaden dieses Lebens verborgenen Chancen zu sehen. Dazu bekommen wir den Mut, diese Chancen zu ergreifen und auch Stehvermögen, wenn es zunächst nicht klappt. Das ist eine Erfahrung, die ich tatsächlich gemacht habe. Gebet hilft, zu sehen, worauf es ankommt, und richtet unsere Aufmerksamkeit auf Wunder oder ihre Keime — auf Außerordentliches also, das mit den Regeln, die wir zu kennen meinen, nichts zu tun hat. Das macht uns stark, und auf lange Sicht auch erfolgreich. 

Aber es geschieht dies in einer Weise, die wir nicht kontrollieren. Es ist das Gegenteil einer abrufbaren Mechanik — es ist offen. Unverfügbar.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche auf dem unbekannten Weg mit Gott,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 47/2022

Die Kinder der Knechte Salomos waren: die Kinder Sotai, die Kinder Sophereth, die Kinder Perida,…
Neh 7,57

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Nachfahren versklavter Kriegsgefangener

Die judäische Gesellschaft konstituiert sich nach der Zeit des erzwungenen Exils in Babylon neu, und auch ein Tempel soll gebaut werden. Wer soll dazugehören? Wer kann Dienst im Tempel tun? Siehe den BdW 20/2020 zu einer Parallelstelle in Esra.

Im Alten Testament sind solche Fragen fast immer wie folgt geregelt: du gehörst dazu, wenn deine Eltern dazugehören. So definierte sich Volkszugehörigkeit, und so bestimmt die Halacha noch heute, ob jemand Jude ist oder nicht. Und auch hier: die Angehörigen der drei genannten Sippen dürfen im Tempel Dienst tun, weil ihre Vorfahren es auch schon getan haben, sie sind die „Kinder der Knechte Salomons“. 

Hier wird es spannend: Wenn in der Bibel von „Knechten“ die Rede ist, kann man „Sklaven“ setzen — die Lutherbibel 1984 tut dies im Unterschied zur Übersetzung 2017 konsequent. Salomo setzte für den Tempelbau in umfangreichem Maße ausländische Zwangsarbeiter ein, israelitische Volksangehörige waren von Zwangsarbeit ausdrücklich ausgenommen, siehe 1. Kö 9,20-22. Einige von ihnen wurden dauerhaft für den Tempeldienst rekrutiert — nicht als Sänger oder Priester, sondern wohl als Arbeiter. Ursprünglich gehörten sie gerade nicht dazu!

Zwischen der goldenen Zeit Salomos und der schwierigen Rückkehr der Judäer aus dem babylonischen Exil liegen fast sechshundert Jahre. Die „Knechte Salomos“ waren längst durch Beschneidung zum Judentum übergetreten. Als nun gefragt wird, wer unter den Zurückkgekehrten für den Tempeldienst geeignet ist, bestehen sie die Prüfung; man weiss, wer sie sind. Andere, deren Vorfahren vermutlich Priester waren, können ihre Credentials weniger gut belegen und bleiben aussen vor, siehe wieder BdW 20/2020

Nachfahren versklavter Kriegsgefangener… davon gibt es vielleicht sehr viele auf der Welt. Wie fühlt es sich an, wenn diese Vergangenheit noch nach Jahrhunderten den Platz in der Gesellschaft definiert? 

Es geht um Identität. Identität gibt es nicht umsonst. Die Nachfahren der versklavten Kriegsgegner wissen um ihre Vergangenheit und ihr soziales Umfeld auch. Dasjenige, was uns heute als gefestigte Diskriminierung erschiene, dient hier zum Erweis der Zugehörigkeit. Das hat etwas Folgerichtiges: wie können wir dazugehören ohne Identität? Und setzt uns Identität nicht immer auch ab von anderen? Als Jesus vom Himmelreich spricht, sagt er, dass die letzten die ersten sein werden. Hier geht es „nur“ um den Tempeldienst, aber vielleicht passt das Jesuswort trotzdem.

Food for thought…

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 46/2022

Und er predigte ihnen lange durch Gleichnisse; und in seiner Predigt sprach er zu ihnen:
Mk 4,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Signalkette

Ja, was sprach er zu ihnen? Am See haben sich Menschen um Jesus versammelt um es zu verstehen. Viele Menschen, so viele, dass er in ein Boot steigen muß, um von dort aus Richtung Ufer zu predigen. Das ist eine kluge Lösung für ein großes Problem: Es gab kein Mikrophon und keinen Verstärker, und nur derjenige konnte etwas hören, der nahe genug war — das aber wird schnell gefährlich für den, der in der Mitte steht. Rednern der damaligen Zeit muß das eine gängige Erfahrung gewesen sein.  

Unser Vers leitet ein Gleichnis ein. Man kann ihn auch für sich stehend lesen. Dann steht dort, dass Jesus zu den Menschen lange durch Gleichnisse predigte und dabei zu ihnen sprach. 

Wie, wenn ich damals dabei gewesen wäre? In Rufweite des Meisters? Was wäre bei mir angekommen?

Christen ist Jesus Christus fleischgewordenes Wort Gottes, wie den Juden die Thorah. Gott spricht zu den Menschen vermittels eines Menschen, damit sie es verstehen können. Und jener Mensch spricht durch Gleichnisse — die Wahrheit selbst ist unerkennbar. Mit seinen Gleichnissen projiziert Jesus sie auf eine Ebene, die uns Menschen zugänglich ist. 

Aber das ist noch nicht das Ende. Es muß Hörer geben. Jemand muß zur rechten Zeit am richtigen Ort sein. Er muß das Gesagte akustisch aufnehmen — schwer genug in dieser Situation — und in seinem Geist die Teile richtig zusammensetzen. Das ist noch schwerer: den Jüngern selbst gelingt es nicht. Und schließlich muss die Botschaft in dem wirksam werden, der die Botschaft hört. Das ist am schwersten, davon genau handelt das Gleichnis. Preisfrage: Wissen Sie, welches Gleichnis Jesus erzählt? 

Wenn ich damals dort gewesen wäre, hätte ich wohl nichts mitbekommen, oder es wäre nichts hängen geblieben, oder schnell hätte ich Wichtigeres zu tun gehabt…

Paulus spricht davon, dass der Glaube selbst Gnade ist. Und dass es die Geistkraft ist, die den Menschen wandelt. Das war seine persönliche Erfahrung. Ja, so muß es sein!

Ich wünsche uns allen eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 45/2022

…dazu Schalen, Messer, Becken, Löffel und Pfannen von lauterem Gold. Auch waren die Angeln an der Tür am Hause inwendig, im Allerheiligsten, und an der Tür des Hauses des Tempels golden.
1 Kö 7,50

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Fertig!

Wieder König Salomo… Diesmal sehen wir ihn beim Bau des Tempels. Der Bau ist abgeschlossen, auch der Innenausbau, nun werden als letztes die Kultgeräte bereitgestellt. Im Zusammenhang lautet unser Vers wie folgt:

Auch ließ Salomo alles Gerät machen, das zum Hause des HERRN gehörte: den goldenen Altar, den goldenen Tisch, auf dem die Schaubrote liegen, fünf Leuchter zur rechten Hand und fünf Leuchter zur linken vor dem Chorraum von lauterem Gold mit goldenen Blumen, Lampen und Lichtscheren; dazu Schalen, Messer, Becken, Löffel und Pfannen von lauterem Gold. Auch waren die Angeln an den Türen zum Allerheiligsten innen im Hause und an den Türen der Tempelhalle von Gold. So wurde das ganze Werk vollendet, das der König Salomo gemacht hatte am Hause des HERRN. 
(Lutherbibel 1984, 1.Kö 7, 48-51a)

Vor gut zwei Jahren hatten wir aufeinander folgend drei Verse zu Bau des Tempels, BdW 25/2020, BdW 26/2020 und BdW 27/2020, und schließlich noch einen zu seiner Zerstörung, BdW 28/2020 — alle zufällig gezogen. Im Vers dieser Woche erleben wir den präzisen Moment der Fertigstellung dieser Stätte, wo Gott und Mensch sich begegnen sollen — das göttliche Interface! Die Einweihung steht unmittelbar bevor. Was dieser Tempel für das Volk Gottes zur Zeit Salomos war, wurde später Jesus den Christen und den Juden die Thora. Man spürt, wie sehr der unbekannte Autor ihn liebt, jedes der genannten Objekte wird geistig gestreichelt. 

Salomos Arbeit ist getan. DerTempel steht weithin sichtbar auf einem Berg, Wo kann ich an einem Tempel bauen? Und wird jemals etwas fertig?  

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 44/2022

Und will das Recht gehen lassen über Moab; und sie sollen erfahren, dass ich der HErr bin.
Hes 25,11

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Vom Verurteilen

Ein „Fremdvölkerspruch“ von Hesekiel. Moab, Edom und eine Reihe anderer Völker haben zum Untergang Judas beigetragen, und sie sollen, so wünscht und prophezeit es Hesekiel, ihre Strafe erhalten. Auf seiner Reise ist der ‚Bibelvers der Woche‘ schon einige Male auf Sprüche zu anderen Völkern gestoßen. Die Tonlage kann sehr unterschiedlich sein. Mal weint der Prophet über das Unglück, das er sieht, siehe die BdW 4/2018 und 44/2018 zu Moab, mal sieht er Israel gleichrangig im Verbund mit den großen Völkern, siehe BdW 17/2021 zu Israel, Assur und Ägypten, und mal steht Vernichtung im Vordergrund, wie in BdW 13/2018 und auch in diesem Vers.

Ich bin in einem interreligiösen Chor, genannt ‚Tehillim‘, nach dem hebräischen Wort für ‚Psalmen‘. Wir singen zur Zeit den Psalm 137, in unterschiedlichen Vertonungen, hebräisch, deutsch, lateinisch, englisch. Er beginnt mit den bekannten Worten „An den Wassern von Babel saßen wir und weinten…“ Der Psalm kreist um die Erfahrung der Hilflosigkeit im erzwungenen Exil, und die Bedeutung des Festhaltens an der eigenen religiösen Identität. Und dann, am Ende des Psalms, kommen diese Worte: 

HERR, vergiss den Söhnen Edom nicht, was sie sagten am Tage Jerusalems:
»Reißt nieder, reißt nieder bis auf den Grund!«
Tochter Babel, du Verwüsterin
wohl dem, der dir vergilt, was du uns angetan hast
Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt
und sie am Felsen zerschmettert!

Wie singt man das eigentlich? Es ist eine Vernichtungsphantasie, hier spricht der blanke Hass gegen die Eroberer, die den Exilanten ihre Lebenswelt nehmen, um ihnen die eigene aufzudrücken. 

Die Bibel ist nicht nur Wort Gottes. Sie ist Transkript eines Gesprächs Gottes mit den Menschen — vielen Menschen, verschiedenen Menschen. Menschen in sehr unterschiedlichen Lebenslagen, über vielen Hunderten von Jahren. Manche können verzeihen, andere nicht. In der Sprache der Musik ist das, was da gen Himmel steigt, nicht ein volltönender Akkord, sondern ein Cluster. Wenn ich Psalm 137 immer wieder lese und auch singe, verstehe ich den Menschen, der ihn geschrieben hat. Auch meine Familie wurde vertrieben, auch wir haben alles verloren. Seine Phantasie aber muß ich für mich nicht übernehmen

Gott will Recht über Moab sprechen, sagt Hesekiel. Es ist klar, welches Urteil der Prophet erwartet — immerhin aber bleibt offen, ob Gott nicht vielleicht zu einem ganz anderen Ergebnis kommt. Wer nicht selbst verurteilt werden will, sollte Verurteilungen anderer nicht herbeisehnen. Es gibt einen anderen Psalm, er singt die Worte: „So du willst, HERR, Sünde zurechnen — Herr, wer wird bestehen?“

Ich wünsche uns allen eine Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

P.S. : In wenigen Wochen, am 23. November um 19:30 Uhr, findet im jüdischen Gemeindezentrum von Frankfurt ein Konzert von „Tehillim“ zu Psalm 137 statt — hier ein Link.

Bibelvers der Woche 43/2022

Baana, der Sohn Ahiluds, zu Thaanach und zu Megiddo und über ganz Beth-Sean, welches liegt neben Zarthan unter Jesreel, von Beth-Sean bis an Abel-Mehola, bis jenseit Jokmeams.
1 Kö 4,12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Salomon und Liz Truss

Wie vor zwei Wochen ein Vers aus dem Beginn des ersten Königsbuchs. Salomo richtet seine Herrschaft auf. Hier geht es um einen wichtigen Aspekt — Steuern. Der gezogene Abschnitt benennt Verantwortliche für die Ausstattung der königlichen Hofhaltung für jeweils einen Monat. In 1 Kö 5,1-3 wird aufgelistet, welche Last es bedeutete, das Benötigte in Naturalien heranzuschaffen.

Es geht um die Wurst — wer muß die Rechnung zahlen? Als Volkswirt würde ich erwarten, dass die einmal eingerichtete fiskalische Verfassung darüber hinaus für weitere Zweck genutzt wurde, Finanzierung von Kriegen, öffentlichen Bauwerken, Repräsentation. Der Abschnitt nennt die Namen der Fronvögte und zählt die dahinter stehenden Gebiete auf: zwölf Steuerbezirke also. Wir können sie in einer Karte betrachten. Hier ist ein Link, der im Vers genannte Distrikt trägt die Nummer 5. Und dann fällt etwas Wichtiges auf: Salomos eigenes Stammesgebiet, Juda, ist völlig ausgespart. Obwohl Jerusalem direkt an Juda angrenzt, muß der Stamm Davids und Salomos nichts zur Finanzierung der Hofhaltung beitragen! 

Ist das möglich? Das Buch der Könige wurde nach dem Exil verfasst, also rund fünfhundert Jahre nach Salomo, auf der Grundlage älterer Schriften. Es wäre also denkbar, dass die salomonischen Steuerbezirke in Vergessenheit geraten waren und die Verfasser sich ersatzweise an den Steuerbezirken des Nordreichs (ohne Juda also) orientiert haben. 

Andererseits — wenn Salomo aber wirklich so besteuert hätte, so wäre dies die Steuerverfassung eines Imperiums, mit Juda und Jerusalem als Zentrum und den nördlichen Landesteilen als tributpflichtigen, abhängigen Gebieten. Während ich dies schreibe, sitze ich in einem Flugzeug nach Rom. Es setzt gerade zur Landung an in der ewigen Stadt. Bis zum Untergang des römischen Reichs mussten die Einwohner dieser Stadt keine Steuern zahlen… 

Senatus Populusque Romanus — Kanaldeckel in Rom

Nach dem Tod Salomos können sich die zehn Stämme des Nordens nicht mit der Herrschaft seines Sohns Rehabeam abfinden, siehe 1 Kö 12. In der Auseinandersetzung um die Nachfolge halten Vetreter der zehn Stämme dem Sohn Salomos entgegen: Dein Vater hat unser Joch zu hart gemacht. Mache du nun den harten Dienst und das schwere Joch leichter, das er uns aufgelegt hat, so wollen wir dir untertan sein. (1 Kö 12,4). Rehabeam besteht auf dem Status Quo, und die zehn Stämme schaffen sich einen eigenen Staat. Rehabeam kann nichts dagegen tun.

Wenn Salomo tatsächlich die ganze Steuerlast dem Norden aufgebürdet hätte, wäre das Auseinanderbrechen des Reichs mehr als verständlich. Sollte der für seine Weisheit gerühmte Salomo gleich zu Beginn seiner Herrschaft einen solchen Fehler begangen haben? Liz Truss fällt mir ein, die Premierministerin von Großbritannien, und ihre Steuerpolitik. Ihre Herrschaft währte nur sechs Wochen…

Eine schöne Nachricht zum Schluß: Der „Bibelvers der Woche“ wurde von der Frankfurter Buchmesse als relevantes Medium eingestuft, und ich kann, nun als akkreditierter Blogger, die Messe kostenfrei besuchen. Mein neues Leben als Influencer hat begonnen!

Uns allen wünsche ich eine Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche — akkreditierter Blog

Bibelvers der Woche 42/2022

… auf dass ihre Herzen ermahnt und zusammengefasst werden in der Liebe und zu allem Reichtum des gewissen Verständnisses, zu erkennen das Geheimnis Gottes, des Vaters und Christi,…
Kol 2,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gottes Geheimnis

Hier ist noch einmal der Vers im Kontext, und zwar im leichter verständlichen Wortlaut der „Gute Nachricht Bibel“:  

Es liegt mir daran, dass ihr wisst, wie sehr es bei diesem meinem Kampf um euch in Kolossä geht und auch um die Gemeinde in Laodizea und überhaupt um alle, die mich persönlich nicht kennengelernt haben. Ich möchte, dass sie alle Mut bekommen und in Liebe zusammenhalten und dass sie zur ganzen reichen Fülle des Verstehens gelangen und Gottes Geheimnis begreifen, nämlich Christus. In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen. (Kol 2,1-3) 

Das ist spannend: hier sagt Paulus knapp, warum er missioniert. Er tut’s für andere, nicht für sich selbst, und es geht ihm darum, bei diesen Mut zu erwirken, Liebe und das Erfassen von Gottes großem Geheimnis, Jesus Christus. Um zu ermessen, was da steht, mag man kurz überlegen, welche anderen Motive es geben könnte.

Ich wünsche uns eine Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 41/2022

Und Salomo machte zu der Zeit ein Fest und alles Israel mit ihm, eine große Versammlung, von der Grenze Hamaths an bis an den Bach Ägyptens, vor dem HErrn, unsrem Gott, sieben Tage und abermals sieben Tage, das waren vierzehn Tage.
1.Kö 8,65

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Hochzeit

Wir wohnen einer orientalischen Hochzeit bei, einer königlichen Hochzeit besonderer Art. Gott ist bereit, bei Israel zu wohnen, seiner Braut. Salomo hat in zwanzigjähriger Arbeit den Tempel gebaut, eine unglaubliche logistische und ökonomische Anstrengung. Der Tempel wurde geweiht, der Opferbetrieb aufgenommen, und mit einem langen Gebet will Salomo den Bund Israels mit dem Herrn, seinem Gott, stärken und gewissermaßen in die nächste Phase des gemeinsamen Lebens nehmen. 

Es ist der glanzvollen Höhepunkt der biblischen Geschichte des Alten Testaments, siehe auch den BdW 27/2020. Die Zeit der Wanderschaft ist endgültig vorbei. Israel unter Salomo ist ein mächtiger Territorialstaat mit festen Grenzen. Er will sein Reich verstetigen, ein dauerhaftes Königtum etablieren. Die Bundeslade, die einst dafür stand, dass Gott mit seinem Volk zieht, wohin immer es auch geht, wird im Allerheiligsten fest verschlossen. Der Tempel in Jerusalem soll einziger Kultort sein. 

Auf das Gebet Salomos antwortet Gott mit einer Mahnung: ja, alles soll so sein, wie Salomo es erbeten hat — wenn denn das Volk den Bund hält. Wenn nicht, fielen Tempel, Staat und Königtum der Vernichtung anheim und das Volk würde zum Spott seiner Umgebung. 

Das greift mehrere Jahrhunderte voraus. Einstweilen aber wird die Hochzeit vollzogen. Und wie es üblich ist im Orient wird lange, lange gefeiert: sieben Tage, und nochmals sieben Tage, das waren vierzehn Tage… 

Ich habe Grund, dem Herrn für Schutz in der vergangenen Woche zu danken. Gottes Segen sei mit uns auch in der Woche, die kommt!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 40/2022

So gehorchet mir nun, meine Kinder. Wohl denen, die meine Wege halten!
Spr 8,32

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Weisheit suchen und finden!

Schauen Sie sich erst einmal den wundervollen Abschnitt an, dem unser Vers entstammt. Hier spricht die Weisheit selbst: 

Der HERR hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war. Als die Meere noch nicht waren, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen. Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren, als er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des Erdbodens. Als er die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über den Fluten der Tiefe, als er die Wolken droben mächtig machte, als er stark machte die Quellen der Tiefe, als er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, dass sie nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte, da war ich als sein Liebling bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.

So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten! Hört die Mahnung und werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind! Wohl dem Menschen, der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür täglich, dass er hüte die Pfosten meiner Tore! Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom HERRN. Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.
(Sprüche 8, 22-36, Lutherbibel 1984)

Das Buch der Sprüche ist ein Lehrbuch der Weisheit — im wortwörtlichen Sinne. In seinem Kern ist es eine Sammlung von Merksätzen zum Auwendiglernen, die den Lehrstoff begreif- und erinnerbar machen sollen. Ich freue mich jedesmal, wenn ich auf einen Vers aus dem Buch der Sprüche ziehe. Was dabei zum Vorschein kommt, ist neu und vertraut zugleich. Und es ist 2300 Jahre alt, gut abgehangen, nicht immer garantiert tagesaktuell. Aber wenn ich das brauche, kann ich den Deutschlandfunk einschalten.

Die morgenländische Weisheit ist mit der griechischen Philosophie verwandt. Es geht um Regeln für gelungenes Leben. Diese Regeln stehen in Zusammenhang mit Gott. Sie sind aber nicht Theologie, sondern Kunst der Lebenspraxis. Man findet im Buch der Sprüche kaum Verweise auf die Torah oder die Schriften. 

Die Regeln der Weisheit tragen sich selbst — wer sie befolgt, hat Erfolg, wer sie mißachtet, trägt den Schaden selbst. Wohl denen, die meine Wege halten! Jeder Lebensratgeber behauptet das von sich. Entscheidend aber ist, dass das Buch der Sprüche (auch) von Ethik handelt. Das „Wie soll ich leben“ bemißt sich nicht nur am individuellen Wohlergehen, sondern gleichermaßen am Wohlergehen der Gemeinschaft. Wir sehen hier üblicherweise einen Konflikt. Die Bonbons, die ein Kind sich vom Tisch nimmt, stehen für die anderen nicht mehr zur Verfügung. Die Weisheitsliteratur besteht darauf, dass es, wenn wir richtig leben, zwischen diesen Forderungen keinen Widerspruch gibt. Wer das für die Gemeinschaft richtige tut, bringt und hält sein eigenes Leben in Ordnung. Und umgekehrt: Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.

Wie soll man das verstehen? Als Ökonom fühle ich mich an Adam Smith erinnert. Er war Moralphilosoph und wurde zum Gründungsvater der Nationalökonomie. Er steht für die durchaus erstaunliche Botschaft, dass man längerfristig keinen Wohlstand erzielen kann, ohne dabei das Richtige für die Gemeinschaft zu tun. Wer reich werden oder auch nur am Markt bestehen will, reagiert auf Preissignale und kann gar nicht anders, er muß bestehende Knappheiten lindern. Er wird zum Beispiel Arzt — nicht um der Menscheit zu helfen, sondern weil Ärzte knapp und Behandlungen teuer sind. Der Porsche, den die Medizinstudentin während ihrer Vorlesungen vor Augen hat, lenkt sie und ihre Möglichkeiten sehr gezielt auf den rechten Weg. Auf ihren Altruismus müssen wir uns nicht verlassen… Andererseits: wen Preissignale nicht interessieren, muss dies teuer bezahlen — und zwar selbst.

Jeder weiss, dass es viele Situationen gibt, in denen der Markt nicht das Wohl aller garantiert. Aber das Preissystem als grundlegende soziale Institution ist erstaunlich robust, und es wäre schön, lebensnotwendig gar, wenn mehr Felder sich so entwickeln ließen, dass es keinen Widerspruch gibt zwischen unserem Eigeninteresse und dem Wohl aller. Solche Wege sind dauerhaft und belastbar. Das Buch der Weisheit steht für die Überzeugung, dass es sie gibt. 

Und so verstehe ich den Vers dieser Woche: Lasst uns diese Wege suchen und sie gehen! Es ist das Beste, das wir für uns selbst tun können. Ich selbst denke an die Klimakrise, es ist das, was mich zunehmend beruflich beschäftigt. Widersprüche zwischen Eigeninteresse und dem Interesse der Menschheit sind hier der Kern des Problems. 

Jesus sagt uns, dass dieser Widerspruch Illusion ist, dass wir ihn überwinden müssen, dass wir bei Gott sind, wenn wir den Nächsten lieben wie uns selbst. 

Der Herr gebe uns Weisheit, in der kommenden Woche und in unserem Leben.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 39/2022

Und wenn sie durch die Tore des innern Vorhofs gehen wollen, sollen sie leinene Kleider anziehen und nichts Wollenes anhaben, wenn sie in den Toren im innern Vorhofe und im Hause dienen.
Hes 44,17

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Reinheit und Verschiedenheit

Es geht in unserem Vers um Reinheit. Reinheit in der Verschiedenheit ist für Juden sehr wichtig. Gott erschafft die Welt, indem er verlässliche Grenzen dort einzieht, wo Chaos herrscht — er trennt Licht von Finsternis, das Land vom Wasser, den Himmel von der Erde. Schöpfung ist Trennung. Juden feiern die Verschiedenheit: des Heiligen vom Weltlichen, der Juden von den Nichtjuden, der Männer von den Frauen. Ein zentrales Gebet, die Havdalah, dankt dem Herrn so: 

Gelobt seist Du, Herr, unser Gott, König der Welt, 
der du unterscheidest und trennst
zwischen Heiligem und Nichtheiligem,
zwischen Licht und Finsternis,
zwischen Israel und den Völkern,
zwischen dem siebten Tag und den sechs anderen.

Gelobt seist Du, Herr, 
der du unterscheidest und trennst
zwischen Heiligem und Nichtheiligem.

Für Christen und auch Hindus oder Buddhisten ist dies eine gewöhnungsbedürftige Idee — sie tendieren dazu, die in der Verschiedenheit verborgene Einheit zu suchen. In diesem Sinne ist der Vers, den wir gezogen haben, zutiefst jüdisch. Der letzte Teil des Buchs Hesekiel ist eine großartige Vision vom neuen Jerusalem als der Ort der Herrschaft Gottes auf Erden. Der reale Tempel im realen Jerusalem ist vernichtet, da sieht Hesekiel am Ort seiner Verbannung den neuen Tempel im himmlischen Jerusalem. Ein Engel führt ihn, und er kann den Dienst im Tempel Gottes studieren. Hesekiel ist Fachmann, er entstammt einer Priesterfamilie und war vielleicht selbst Priester im Tempel, bevor er nach Babylonien verschleppt wurde. Im himmlischen Tempel sieht er nun Reinheit, wo sie früher nicht war. Hierfür steht unser Vers. Die Priester, die nun wirkliche Leviten sind und Gott wirklich dienen wollen, tragen leinene Kleidung, damit sie nicht schwitzen und mit ihrer Körperlichkeit den Tempel nicht verunreinigen. Diese Kleidung sollen sie nach dem Gottesdienst an einer besonderen Örtlichkeit verwahrt, „damit sie das Volk nicht durch ihre Kleidung mit dem Heiligen in Berührung bringen“ (44,19). 

Lehavdil bein chodesh lechol — das Heilige vom Nichtheiligen scheiden, wie es im Gebet heisst. Beides muss immerzu voreinander geschützt werden, das Heilige und das Nichtheilige. Das Heilige ist immer bedroht und braucht Reinheit. Für normale Sterbliche wiederum war es tödlich, mit der Heiligkeit Gottes in Berührung zu kommen oder sie auch nur zu sehen. 

Ja, auskristallisierte Verschiedenheit ist Schöpfung, und die Strukturen, die sie schafft, machen die Welt aus. Das ist richtig, logisch zwingend geradezu, und wenn wir uns über Unterschiede ärgern, hilft es oft sich zu fragen, ob es denn gut wäre, wenn sie fehlten. Gott aber ist es auch, der die Gegensätze eint und in der Einheit zur Vollkommenheit macht. 

In der vergangenen Woche war Tag- und Nachtgleiche, jetzt ist die Nacht länger als der Tag. In der Woche, die vor uns liegt, feiern Juden ihr Neujahrsfest, das Fest der Schöpfung, Sie gedenken des Tags der Erschaffung der ersten Menschen, als Mann und Frau, aber auch des Tags der ersten Sünde. In der Welt der Verschiedenheit sei der eine Gott uns gnädig und zugewandt!

שנה טובה ומתוקה 
Ulf von Kalckreuth