Bibelvers der Woche 32/2020

… und sprach zu ihnen: So spricht der HErr, der Gott Israels, zu dem ihr mich gesandt habt, dass ich euer Gebet vor ihn sollte bringen:…
Jer 42,9

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Entscheidung

Vor zwei Wochen hatten wir einen Vers zu einem erfolgreichen Neubeginn. Heute geht es um einen Neubeginn, der nicht stattfand. Judäa hat den Krieg gegen Babylon verloren. Das Land ist besetzt, die Hauptstadt zerstört, der Tempel vernichtet. Ein großer Teil der Elite wurde in das Innere des babylonischen Reichs deportiert. Doch im Umland gibt es noch Judäer, und auch einige Familien aus der Oberschicht sind da, die den Nukleus für eine Selbstverwaltung bilden könnten. Die Babylonier setzen Gedalja als Statthalter ein. 

Es gelingt Gedalja, das zivile Leben wieder in Gang zu bringen und mit Erfolg organisiert er die Ernte. Aus den Nachbarländer kehren geflohene Judäer ins Land zurück. Der Beginn einer ganz anderen biblischen Geschichte beginnt sich abzuzeichnen — als Jischmael, ein Verwandter des letzten Königs, Gedalja tötet und ein Massaker an seinen Leuten und an Pilgern anrichtet. Siehe hierzu den BdW 2019 Woche 39

Jischmael wird schließlich von Jochanan überwunden und vertrieben. Aber nun weiß die Gruppe der Überlebenden nicht, was tun. Warten, bleiben, und den Zorn der Babylonier auf sich nehmen? Oder nach Ägypten fliehen, dem Verbündeten im verlorenen Krieg? Sie beschließen, Jeremia zu fragen — was immer dieser auch vom Herrn erfahre, werden sie tun, sagen sie.  

Warten und dem Übel ins Auge sehen oder fliehen? Jeremia nimmt sich viel Zeit. Nach zehn Tagen kennt er die Antwort des Herrn. Unser Vers ist die Einleitung. Im Lauf der späteren Geschichte taten Juden oft gut daran, rechtzeitig zu fliehen. Hier nicht: Der durch Jeremia verkündete Wille des Herrn ist es, dass sie bleiben und das Land wieder aufbauen. Gott sagt ihnen seinen Schutz zu.

Die Männer weigern sich und fliehen, in offener Auflehnung gegen Gottes Wort. Verständlich ist das durchaus. Im Buch Jeremia ist es jedoch eine Art Todesurteil: den Flüchtlingen wird die Vernichtung vorhergesagt. Jeremia geht mit ihnen, und seine Spur verliert sich in Ägypten. 

In Elephantine gab es dort seit der Zeit des Exils über mehrere Jahrhunderte eine bedeutende jüdische Kolonie. Jüdische Religion wurde dort in heterodoxer Welse gepflegt, es gab sogar einen Tempel. mit Opferdienst. Vielleicht hat die Gruppe um Jochanan individuell das richtige getan. Jeremia aber und das nach ihm benannte Buch verurteilen die Flucht. Aus Sicht des Volks war es die falsche Wahl. Der durch Gedalja vorgezeichntete Weg der Erneuerung hätte jetzt gegangen werden können, nicht erst lange Zeit später durch Männer wie Nehemia und Esra, unter ganz anderen Vorzeichen. Mit der Flucht retten die Männer und ihre Familien sich. Das judäische Volk aber gibt sich an dieser Stelle auf.

Was hätten wir getan? Ich bin heute südlich der Elbe am Rand der Altmark mit dem Fahrrad den früheren Todesstreifen abgefahren. In der Zeit dieses Streifens gab es viele Entscheidungen, die individuell richtig waren und kollektiv falsch. Wie zur Zeit Jeremias hatte man vorher in einem langen Krieg den Menschen im Namen des Volks Dinge abverlangt, die das Volk in den Ruin geführt hatten. Druck und Zwang von oben verstärken einen Zwiespalt, dem wir uns ohnehin täglich stellen müssen. Ein Erfolg kann dann auch darin bestehen, dass wir beim Rasieren noch ruhig in den Spiegel gucken können, auch wenn Gott dabei zuguckt.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche, die uns Entscheidungen dieser Art nicht abverlangt!
Ulf von Kalckreuth

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