Bibelvers der Woche 07/2023

…so sollst du die Bürger derselben Stadt schlagen mit des Schwertes Schärfe und sie verbannen mit allem, was darin ist, und ihr Vieh mit der Schärfe des Schwerts.
Deut 13,16

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Ein Gebot Gottes…!

Ali Chamenei ist das politische und religiöse Oberhaupt des Iran — Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte und gleichzeitig höchste geistliche Instanz im Rang eines Ajatollah. Stellen wir uns vor, Ajatollah Chameini erließe eine Fatwa zu Städten und Dörfern des Landes, die sich vom schiitischen Islam abkehren, namentlich durch Hinwendung zu anderen Religionen. Gemäß dieser Fatwa müssten solche Städte dem Erdboden gleichgemacht werden, alle Einwohnerinnen und Einwohner müssten hingerichtet werden. Was würden wir davon halten?

Ein solche Bestimmung enthält die Bibel als Gesetz, und zwar in ihrem alten Kern, der Torah. Der Schrift nach wurde es im Namen Gottes verkündet von Mose, dessen Stellung der des Ali Chamenei glich. Hier ist es im Wortlaut, Deut 13,13-17. Der Bibelvers der Woche ist hervorgehoben:

Wenn du von irgendeiner Stadt, die dir der HERR, dein Gott, gegeben hat, darin zu wohnen, sagen hörst: Es sind etliche heillose Leute aufgetreten aus deiner Mitte und haben die Bürger ihrer Stadt verführt und gesagt: Lasst uns hingehen und andern Göttern dienen, die ihr nicht kennt, so sollst du gründlich suchen, forschen und fragen. Und wenn sich findet, dass es gewiss ist, dass solch ein Gräuel unter euch geschehen ist, so sollst du die Bürger dieser Stadt erschlagen mit der Schärfe des Schwerts und an ihr den Bann vollstrecken, an allem, was darin ist, auch an ihrem Vieh, mit der Schärfe des Schwerts. Und alles, was in ihr erbeutet wird, sollst du sammeln mitten auf dem Marktplatz und mit Feuer verbrennen die Stadt und alle ihre Beute als ein Ganzopfer für den HERRN, deinen Gott, dass sie in Trümmern liege für immer und nie wieder aufgebaut werde.

Die Bewohner der von Gott abgefallenen Stadt unterliegen der Vernichtungsweihe (Bann), hierzu siehe den Bibelvers der vergangenen Woche 06/2023. Das Wort „Ganzopfer“ bezeichnet ein Opfer, das der Gottheit als Ganzes dargebracht wird. Für eine große Anzahl Menschen wird es hier im übertragenen Sinne verwendet. Eine solche Übertragung wurde im Jahr 1944 übrigens ein weiteres Mal vorgenommen — das griechische Wort für Ganzopfer ist Holocaust… 

Die Bestimmung über die Vernichtung von Städten, die vom Herrn abgefallen sind, ist Teil der Torah und gilt daher im Judentum als Mitzwah, als Gebot Gottes. In der von Maimonides aufgestellten Liste der Ge- und Verbote Gottes ist sie als (positives) Gebot Nr. 186 sowie als Verbot Nr. 23 und 24 eingegangen. Sie kam wohl nie zur Anwendung — die Bücher Josua, Richter oder Könige hätten davon berichtet. So ist sie auch nicht gemeint, sie soll als Drohung und Wertung im Raum stehen. Gemeinsam mit den beiden vorangehenden Abschnitten sagt sie, was von Undankbarkeit und Verrat an der Gottheit zu halten ist, der die Israeliten alles verdanken. 

Der Text steht in meiner Bibel. Wenn ich diese Abschnitte lese, schaudert mich. Zustimmung und Ablehnung ist aber nicht wirklich gefragt. Die Bibel ist, was sie ist; ein in Teilen rätselhaftes Monument, dem wir uns betrachtend nähern können und das Anstoß sein kann in unserem Leben. Die Stimme Gottes hören wir darin dann, wenn wir sie bereits in uns tragen. Unsere Antwort wird individuell sein.

Als ein Ganzopfer für den Herrn… Am letzten Sonntag stand ich bei der Abendmahlsfeier im Kreis der Gemeinde. Es war die Rede vom Opfertod Jesu, und dass Jesus die Sünden von uns genommen habe. Oft habe ich Mühe, das zu verstehen: warum mußte Jesus diesen furchtbaren Foltertod sterben für meine Sünden und die anderer Menschen? Am vergangenen Sonntag hatte ich den Bibelvers dieser Woche bereits gezogen. und seine Worte im Kopf. Plötzlich befiel mich die Idee, dass er vielleicht sterben mußte, um genau diese Verse aus der Welt zu räumen und das, was damit zusammenhängt an Schuld, Sühne und Vernichtung, dass Gott zu uns kam, um zu sagen: „So nicht!“, und dabei Feuer mit Feuer bekämpfte, wie man einen Präriebrand löscht. Opfer gegen Opfer.

Ich spreche hier für mich selbst. Es war eine Idee, eine Vision, aber christliche Theologie ist es nicht, glaube ich. Was ist Ihre Antwort, wie geht es Ihnen mit dem Vers?

Wie in der letzten Woche, ich bleibe dabei: Der Segen Gottes, der heilt und Leben gibt, sei mit uns, 
Ulf von Kalckreuth


Für diejenigen unter Ihnen, die über einen JSTOR-Account verfügen: hier ist ein gut lesbarer Aufsatz zu Deut 13.

3 Antworten auf „Bibelvers der Woche 07/2023“

  1. (UvK): Hier ist ein Kommentar meines Freundes Oliver, den er mich ins Netz zu stellen bat:
    ————————————

    In Deut 13 geht es um falsche Propheten und im weiteren Verlauf um israelitische Städte, die, sofern sie vom Glauben abgefallen sind, erst nach genauer Untersuchung dem Bann verfallen. Ist denn das wirklich nie passiert?

    Ich glaube schon, auf zweifache Weise:
    1. Diese Thematik kommt auch, im Zusammenhang mit Segen und Flüchen, die Israel bei Gehorsam bekommt/bei Ungehorsam ausgesetzt sein wird, bei Lev. 26 vor. Es geht um die Konsequenzen, die sich ergeben, wenn man sich an den Bund mit Ihm hält oder wenn man ihn bricht. Im Vers 31 heißt es: „Und ich werde eure Städte zur Trümmerstätte machen und eure Heiligtümer öde machen, und ich werde euren wohlgefälligen Geruch nicht riechen.“ Das ist die Stelle in der Bibel, wo den Israeliten angedroht wird, dass sie bei jeder weiteren Ablehnung des Bundes alles siebenmal schlimmer erfahren müssen.

    Ich bin davon überzeugt, dass die Offenbarung ab Kapitel 11 von der Zerstörung Jerusalems berichtet. Da gibt es sieben Schalen und den Zorn Gottes nach dem Abfall Israels vom Bund, der in Jesus Christus seine Erfüllung fand. Insofern wäre der Bann letztendlich an Jerusalem vollzogen worden, wie es der Herr ja im Voraus prophezeit hatte (Mt. 24; Lk. 21, 20-24).(Aus meiner Sicht war das gesamte Neue Testament bereits vor der Zerstörung Jerusalems fertiggestellt.)

    2. Aber was denkst du über Richter 20,40 und 20,48? Da geht es darum, dass Israel den Stamm Benjamin befragt, was für eine gräuelvolle Tag dort begangen worden war (Ri. 19). Die Szene da erinnert einerseits an die Geburt Jesu in Bethlehem, aber andererseits besonders ganz stark an die Geschichte, die in Sodom passierte, als die Engel zu Lot kamen. Die Menschen aus dem Stamm Benjamin sind, wie es aussieht, moralische Kanaaniter und Sodomiten geworden. Und deswegen gehen die Israeliten gegen Benjamin auf dieselbe Weise vor wie am Anfang von Richter die Israeliten gegen die Kanaaniter vorgegangen sind. Und so kommt es am Ende zur Vollstreckung des Banns.
    Und dann gibt es noch die Zerstörung von Jabesch in Gilead (Ri. 21,10-11).

    In Deut. 13,14 gibt es in der Elberfelder Fassung die Bemerkung „Söhne der Bosheit“ (sons of Belial), was mit ruchlosen Männern übersetzt wird. Dieser Ausdruck kommt auch in Richter 19 und 20 vor, was man so deuten kann, dass man dem Leser hier klarmachen wollte, dass es in Richter um genau dieselbe Sache geht, um die es in Deut. 13 gegangen war. Aus diesem Grund kann man schon annehmen, dass in diesem Fall der Bann auch im Stamm Benjamin vollstreckt wurde.

    Mit solchen Stellen wie die in Richter 20, wo es im AT um Gottes Gerechtigkeit und Rache geht, tun wir uns naturgemäß schwerer als mit solchen, wo uns Gottes Gnade angeboten wird. Aber das ist kein Widerspruch, „[d]enn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt“ (2. Tim. 3,16-17).

    Mit anderen Worten: Was will uns unser Herr mit solchen „unangenehmen“ Stellen ans Herz legen? Offensichtlich will Er, dass wir daraus etwas Wichtiges lernen – die Frage ist nur, was? Ich präsentiere dir hier gern eine Antwort. Aber ich finde, alle Christen, die wie wir Kopfzerbrechen mit diesen harten Passagen im AT haben, tun gut daran, sich zu fragen, welche Botschaft diese Verse für uns haben.

    Gott hat ein für alle Mal Sein Urteil und Seine strafende Gerechtigkeit für die Sünden der Menschen an Seinem Sohn ausgeübt. Das ist der Grund, weshalb wir jetzt Frieden mit Gott haben, „keine Verdammnis“ (Röm. 8,1) mehr. Das zeigt, wie schrecklich die Sünde in uns ist. Gott ist Leben, und Leben im Übermaß. Aber die Sünde führt zum absoluten Gegenteil, zum Tod, sie macht alles kaputt, sie verursacht, dass wir Gottes Liebe und Herrlichkeit nicht mehr in Seiner Schöpfung sehen können, obwohl genau damit alles gemacht ist. Wir sind teuer erkauft, mit dem Blut dessen, der für uns den Himmel verlassen hat, Mensch geworden ist und unsere Falschheit auf sich genommen hat. Und im achten Kapitel des Römerbriefs wird ja dann ausgeführt, was „keine Verdammnis“ bedeutet: An uns soll vor den Augen der Schöpfung die Herrlichkeit Gottes offenbar gemacht werden, die uns durch den Geist als Anzahlung bereits gegeben worden ist! Weder unsere Sünden noch der wirkliche Tod können Gottes Plan etwas anhaben, dass wir „Kinder Gottes“ geworden sind.

    Aber hat sich an der Böshaftigkeit der Sünde oder an Gottes Gerechtigkeit seit des Opfertodes Seines Sohnes etwas geändert? Nein. Gott hat kein Gefallen an Bösem (Ps. 5,4). Und Er wird die Menschen richten, die das Opfer Seines Sohnes nicht annehmen (Joh. 3,36; Heb. 10,29-30).

    Das bedeutet konkret, dass wir uns unter der Leitung des Heiligen Geistes bewusst sind, in welcher Gnade wir stehen und wovon wir abfallen können, wenn wir unsere Herzen verstocken und Ihn ignorieren (Heb. 3). Der Heilige Geist befähigt uns sogar, jetzt so zu leben, wie es Gott gefällt, nämlich dass wir unsere Nächsten lieben, wogegen es kein Gesetz gibt.

    Das heißt zum anderen aber auch, dass wir wachsam sein müssen. Die Liebe des Vaters, die in unsere Herzen kam, und die Welt mit ihren Begierden sind einander entgegengesetzt. Wenn wir angehalten sind, mithilfe des Geistes diesen Begierden auszuweichen, dann wissen wir, dass diese Leitung uns hilft, der Versuchung zu widerstehen (1. Kor. 10,13). Was wir nicht vermögen, das vermag der Heilige Geist in uns. Und selbst wenn wir sündigen, können wir auf die Vergebung des Herrn vertrauen.

    Die Gerechtigkeit Gottes im Glauben an Jesus und Seine Vergebung zu bekommen, war ein enormes Geschenk. Aber auch das Geschenk des Heiligen Geistes ist enorm! Gnade, Herrschaft über die Sünde und Gottes Wohlwollen strahlen im allerhellsten Licht. Gleichzeitig decken sie die dunklen Machenschaften und die Abscheulichkeiten von uns Menschen auf, die „sehr gut“ geschaffen worden waren. Und diese beiden, das enorme Geschenk und die enorme Sündhaftigkeit, sind nicht auf derselben Ebene. Das eine sticht das andere aus!

    Die Realität, dass die Menschen im Gericht in Schafe und Böcke geschieden werden, kennen wir schon (Mt. 25). Aber es gibt eine Menge Menschen, die Jesus mit „Herr, Herr“ ansprechen und mit Ihm vertraut zu sein scheinen, sich Christen nennen, aber nicht tun, was der Herr ihnen sagt (Lk. 6,46; 1. Joh. 2,4). Das ist Gott ein Gräuel.

    Inwieweit hat also etwa Richter 20 Relevanz für uns Christen heute? Mein Verständnis für diese „unangenehme“ Stelle ist, dass wir mit demselben Eifer, mit derselben Vehemenz (wie es die gläubigen Juden, wie z.B. Kaleb, Josua und David, im AT an den Tag legten) zuerst uns klar von unseren eigenen Sünden distanzieren, die sich so leicht anhaften, und ebenso im Weiteren diejenigen aus unserer Mitte – aus der Gemeinde – verstoßen müssen, wie es der Heilige Geist schon damals anordnete. Wenn wir das nicht tun, dann ist Sein Geist nicht mit uns, dann ist die Wahrheit nicht mehr in uns, dann täuschen wir uns. Dann haben wir aufgegeben, gegen die Sünde in der Welt Krieg zu führen. Dann schließen wir einen falschen Frieden mit der Welt und gehen am Ende daran nur zugrunde wie diejenigen, die vor die Schweine Perlen werfen und schlussendlich auch noch von diesen Tieren zerrissen werden (Mt. 7).

    Mit anderen Worten: Wenn wir nicht unter der Leitung des Heiligen Geistes einen brutal wirkenden Kampf gegen das Böse in unserem Leben führen, dann wird das Böse uns auf ebenso brutale Weise vernichten. Egal, wie der Ausgang ist, aber der Kampf ist von Bedeutung und von Brutalität gekennzeichnet – so wie auch Jesu Opfertod am Kreuz.

    Dieser Kampf ist real, aber ich meine naturgemäß keinen Kampf mit Waffen und Gewalt. Wir wurden mit Gottes Wort ausgerüstet – das ist unsere Rüstung (Eph. 6). Unsere Waffen „sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören“ (2. Kor. 10,4). Wir zerstören jeden Gedanken, der sich Gott in den Weg stellt (2. Kor. 10,5) und machen ihn Gott untertan. Wenn wir das nicht tun, werden wir von den falschen Gedanken dieser Welt zerstört.

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