Und es begab sich, da Jesus alle diese Reden vollendet hatte, sprach er zu seinen Jüngern: …
Mat 26,1
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Zwischenüberschrift?
„… Ihr wisst, dass in zwei Tagen Passa ist; und der Menschensohn wird überantwortet werden, dass er gekreuzigt werde“ — so führt Matthäus den angefangenen Satz fort. Jesus kündigt seinen Tod an. Der Satz steht zwischen einem großen Abschnitts mit Jesu Worten über die Endzeit der Welt und dem Bericht über sein eigenen Ende: Verrat, Urteil, Folter, Tod.
Ist der Satz so gefallen? Ich meine: an dieser Stelle?
Im Anschluß beschreibt Matthäus die Salbung von Betanien. Als Jesus zu Tisch saß, tritt eine Frau tritt herzu und salbt ihn — kostbares Salböl aus einem Alabastergefäß, wie für einen König. Das Salböl ist ein Vermögen wert und die Jünger reagieren unwillig: statt Jesus damit zu salben, hätte die Frau es den Armen geben können. Jesus weist die Jünger zurecht: die Salbung erfolgt zu seinem Begräbnis, sagt er, sie nimmt seinen Tod vorweg, und ewig wird man dessen gedenken, was die Frau getan hat.
Ohne die Leidensankündigung unmittelbar zuvor wäre dies eine geheimnisvolle und eindrückliche Begebenheit: Eine fremde Frau sieht, was sonst niemand sieht, einer Prophetin gleich, und mit ihrer Zeichenhandlung erweist sie Jesus Ehren, die einem König zukommen, die aber auch auf seinen Tod weisen und darüber hinaus. Die Geste kommt aus einer anderen Welt, wie die Taube bei Jesu Taufe. Die Jünger aber sind in ihrer eigenen Welt und reagieren so, wie sie es eben vermögen. Es ist Jesu Zurechtweisung, die schließlich die beiden Welten verbindet.
Mit der Leidensankündigung wird eine andere Geschichte daraus. Die Frau mit ihrem Salböl hätte einfach das Naheliegende getan. Der Unwille der Jünger aber wird zu Dummheit und Impertinenz, und der Satz: „Wozu diese Vergeudung? Es hätte teuer verkauft und das Geld den Armen gegeben werden können“ schließlich wäre blanke Beleidigung des Meisters. An diesem Punkt hätte Jesus, statt die Jünger zurechtzuweisen, auch aufstehen können und gehen…
Welche der beiden Geschichten mögen Sie lieber?
Unsere Bibelausgaben sind voll von Überschriften und Zwischenüberschriften. In meiner Bibel ist Abschnitt 26 überschrieben mit „Jesu Leiden, Sterben und Auferstehung“. Diese Überschriften aber gibt es in den hebräischen und griechischen Originaltexten nicht, ebensowenig wie die Unterteilung in Abschnitte. Die Verfasser mussten andere Wege finden, um größere Sinnabschnitte abzugrenzen und Lesern die Orientierung zu ermöglichen.
Ich selbst hoffe, dass Matthäus die Leidensankündigung aus editorischen Gründen an diese Stelle platziert hat. Die Jünger jedenfalls haben den Schuss bis zum Schluß nicht gehört. Als Jesus tatsächlich am Kreuz starb, traf es sie völlig unvorbereitet.
Die Gnade sei mit uns allen.
Ulf von Kalckreuth