Bibelvers der Woche 49/2022

Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.
Mat 7,21

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

An den Früchten erkennen

Worauf kommt es an? 

Es gibt im protestantischen Christentum eine alte und starke Strömung, die sich gegen die sogenannte „Werkgerechtigkeit“ wendet. Damit ist der Versuch gemeint, sich des Heils durch sichtbare, gottgefällige Taten zu versichern. Es komme nämlich im Grunde nur auf den Glauben an, er verbinde den Menschen mit Gott, verwandele ihn  und führe ihn zum Heil. Taten seien dann Ausfluss einer gelungenen Gottesbeziehung, Symptom sozusagen, aber ohne eigene Bedeutung. Nur der Glaube, nur die Gnade, nur die Schrift, sagt Luther…! 

Wie ist das gemeint? Jesus jedenfalls sagt in diesem Textabschnitt, dass es nicht getan ist mit Bekenntnissen, inneren Einstellungen und religiösen Gefühlen, selbst solchen intensivster Art, die zu Wundern befähigen. Wenn sie nicht mit sichtbaren Früchten einhergehen, sind sie am Ende irrelevant. Dies ist das Bild, das Jesus hier gebraucht: einen Baum erkennt man an seinen Früchten. 

Welcher Art Früchte es sind, sagt Jesus nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es dabei durchaus auch um die innere Welt geht, um das Maß, in dem jemand mit sich, mit Gott und den Mitmenschen in Frieden lebt. Aber auch darum, ob jemand die eigenen Gaben auszuschöpfen vermag, zur Ehre Gottes und dem Wohl seiner Mitmenschen. Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten ist ein anderes wichtiges Bild von Jesus. 

Im Vers spricht Jesus sehr kondensiert und konzentriert davon, dass es im Ergebnis darauf ankommt, den Willen Gottes zu tun. Vielleicht nicht als ersten Schritt zum Heil, aber wohl als wichtigsten Begleiter auf dem Weg dorthin.

Aber was will Gott von mir? Ich weiss es nicht. Wow! Wie wäre mein Leben, wenn ich es wüsste? Um das herauszufinden, sind sie in der Tat unabdingbar: Glaube, Gnade und die Schrift…!  

Ich wünsche uns allen Gottes besonderen Segen in der zweiten Adventswoche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 25/2022

Sie sitzen gern obenan über Tisch und in den Schulen.
Mat 23,6 

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017. 

Was tun? Und warum? 

Jesus ist im Tempel, kurz vor seinem Tod. Er spricht provozierend und ohne jegliche Rücksicht auf Verluste. Wie einer, der weiss, dass er nur noch wenige Tage zu leben hat. Vielleicht ist die Kausalität auch anders herum. 

Im Vers spricht er Personengruppen an — Pharisäer und Schriftgelehrte — und eine Haltung. Wie Jesus glaubten die Pharisäer an Auferstehung und das ewige Leben und auch sie hielten nichts von der etablierten Tempelbürokratie. Im Zentrum stand für sie das Verhalten des Einzelnen vor den Gottes Gesetz — „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erlangen“. Jesus wusste, dass sich diese Frage nicht durch feinsinnige und detaillierte Auslegung des Gesetzes beantworten läßt, dass eine unmittelbare, persönliche Beziehung zu Gott und den Mitmenschen nötig ist — Glaube, Liebe und der Heilige Geist. 

Ich bin nicht überzeugt, dass der Matthäusvers den Pharisäern als Gruppe insgesamt gerecht wird. Sie galten als unbestechlich und mit ihrem Leben Gott zugewandt, unter hohen persönlichen Kosten. Das machte ihren Erfolg aus. Sie sind die Vorläufer der Rabbinen, die nach dem Untergang des Tempels und des offiziellen Mainstreams die Grundlagen für das orthodoxe Judentum legten, wie wir es heute kennen. Sie meinten es ernst, ihr ‚Drive‘ kam nicht nur vom Wunsch, in den Lehrhäusern obenan zu sitzen.

Die Haltung aber, die Jesus charakterisiert, ist weit verbreitet, auch unter Christen. Wieviel religiöse Aktivität gäbe es, wenn sie in den Gemeinden nicht Ansehen verschaffte? Wieviele Blogs mit biblischen Themen gäbe es, wieviel Lobpreismusik und Chorgesang? Wieviel Theologiestudium, wieviel Spenden und gute Werke?

Es ist natürlich, wenn wir Ansehen bei den Menschen suchen, die uns wichtig sind. Wir sind soziale Wesen. Aber vielleicht werden wir am Ende genau das bekommen, was wir wollen, und nichts sonst? „Wahrlich, ich sage Euch, sie haben ihren Lohn schon gehabt“, sagt Jesus dazu in Mat 6,2.

Wir sollen verstehen, warum wir tun, was wir tun, sagt Jesus!

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 07/2022

Jesus aber sprach zu ihm: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte.”
Mat 22,37

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Das ganze Gesetz und die Propheten

Der Vers ist eine Antwort. Die Frage lautet „Was ist das höchste Gebot im Gesetz“. Jesus fügt hinzu: „Dies ist das höchste und erste Gebot“,. und fährt dann fort: „Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. In diesen beiden Geboten, sagt er, hängt das ganze Gesetz und die Propheten.

Die Antwort besteht aus zwei Kernsätzen der Thora. Die erste Forderung, Gott unbedingt zu lieben, ist aus 5.Mo 6,5 und steht am Beginn des „Schma‘ Israel“, mit dem Juden den Herrn bekennen. Die Forderung, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, steht in 3.Mo 19,18 geschrieben. Jesus fasst das Gesetz zusammen und er tut es für Christentum und Judentum gleichermaßen:

»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt«

»Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«

Es sind zwei Gebote, die innig zusammengehören. Wir können Gott im Menschen lieben und den Menschen in Gott. Manchmal mag das eine im Vordergrund stehen, manchmal das andere.

Wie sie so vor uns stehen, beschreiben die Gebote einen Heiligen. Möge aber die kommende Woche einen Tag haben, an dem uns beides gleichermaßen gelingt.
Ulf von Kalckreuth

—————— In eigener Sache ———————————

Dieser Vers ist ein guter Abschluss. Ich fühle mich mit der Kommentierung überfordert. Der Bibelvers der Woche begleitet mich seit über vier Jahren durch die Woche — meist habe ich sonntags angefangen, Material, Ideen und Assoziationen zu sammeln, und am Freitagabend sollte es druckreif im Netz stehen. Jetzt gibt es 216 solcher Kommentare. Mit vielleicht anderthalb Seiten je Kommentar ist das ein stattliches Buch. 245 Bibelverse habe ich insgesamt gezogen, das sind fast 0,8% der ganzen Bibel!

Ich werde vielleicht einmal darüber schreiben, was ich dabei gelernt habe. Es ist viel. Als ich anfing, kannte ich die Bibel kaum, heute liegt sie wie eine Höhle voller Schätze vor mir, und ich halte ein Öllämpchen in der Hand, mit dem ich diese Schätze sehen kann — manches davon funkelt leuchtend, anderes schimmert schemenhaft im Hintergrund.

Die Website steht, und ich werde sie erhalten. Ich will auch vorerst weiter Verse ziehen. Vielleicht findet sich jemand, der einen Kommentar abgeben will, vielleicht sind Sie es? Technisch ist es ganz leicht, am Ende eines jeden Beitrags steht ein Kommentarfeld, Was Sie dort schreiben, steht unter dem Bibelvers, nach einer Freigabe durch mich.

Ich wünsche uns eine gute Reise durchs Leben,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 12/2021

Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.
Mat 10,16

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Von Schafen und Wölfen

Wir stellen uns Jesus gern inmitten seines Gefolges von Jüngern vor. Aber die Evangelien berichten von einer Zeit, in der die Jünger ohne ihren Meister unterwegs waren, selbständig predigten und Wunder wirkten, schon vor Ostern. Im Matthäusevangelium steht die Begebenheit etwas isoliert: die Jünger werden mit einer langen Rede ausgesandt, sind aber in den folgenden Kapiteln weiter bei Jesus,. Von ihrer Rückkehr und ihren Erlebnissen erfährt man nichts. Lukas berichtet von zwei Aussendungen, einmal der Zwölf (Lk 9), ein anderes Mal von 72 Jüngern (Lk 10). Bei der zweiten Aussendung fallen viele der Worte, die wir auch bei Matthäus finden. 

Was Jesus seinen Jüngern in der Aussendungsrede sagt, ist harte Kost — Passionskost. Sie werden Verfolgung erleiden, sagt er ihnen, von ihren nächsten Verwandten verraten, und alle Welt wird sie hassen. Wenn sie vor Gericht gestellt würden, sollten sie sich nicht sorgen, der Heilige Geist werde ihnen eingeben, was zu sagen sei. Wie ernst das gemeint war, konnten die Jünger nicht wissen,. Ich muss an Stephanus denken, an seine große Rede und an sein Ende, siehe den BdW 3/2019

Unser Vers stellt eine schwer zu erfüllende Forderung. Sie wird in ein Paradoxon gekleidet, ein Bild mit vier Tieren. Jesu Jünger seien wie Schafe, die unter Wölfen leben müssten. Sie sollen daher listig sein wie Schlangen, aber doch wie Tauben, ganz ohne Falsch. Sie sollen sein, was sie sind, dabei aber ihre Fähigkeiten und ihr Wissen um menschliches Verhalten bestmöglich nutzen. 

Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir ein Held meiner Jugend ein, ein bekennender Atheist übrigens: Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Nach einer Bilderbuchkarriere in der KPdSU wurde er Generalsekretär des ZK. Nach zwei rasch verstorbenen Interimsführern wollte die Partei Reformen, aber in Maßen — alles sollte sich ändern, damit alles so bleiben könne, wie es war. Gorbatschows Auftrag war, den Repressionsapparat zu stabilisieren und zukunftsfähig zu machen. Er kannte diesen Apparat genau, konnte sich frei darin bewegen, konnte ihn steuern und für seine Ziel nutzen. Mental war er zu gewaltsamen Lösungen durchaus fähig.

Und — oder besser aber — auf fast magische Weise setzte er Jesu Forderung um. Seine Ziele legte er offen, ohne Falsch wie die Tauben, und wie eine Schlange gelang es ihm, das Wichtigste davon umzusetzen und so lange an der Macht und am Leben zu bleiben, bis der Prozess unumkehrbar war. Ein Wunder in Zeitlupe, vor laufenden Kameras. Das Risiko kannte er, auch sein persönliches. Sechs Jahre nach seinem Amtsantritt war die Gewaltherrschaft in Ost- und Mitteleuropa fast gewaltfrei beendet und die Länder konnten ihren Weg selbst wählen. „Fast“ — denn in Litauen und in Aserbaidschan setzte er die Armee tatsächlich ein und hunderte Menschen starben. 

Gorbatschow war nicht wirklich Schaf im Wolfspelz, eher wohl Leitwolf unter Wölfen, der verstanden hatte, dass Schafe besser leben. Ein Wolf mit einer großen Idee. Der Bezug auf ihn aber mag zeigen, wie schwer die Forderung Jesu ist. Fast eine Quadratur des Kreises: in der Welt leben und überleben mit dem Wissen um die Welt, doch aber dem treu, worum es wirklich geht. Und diese Forderung richtet sich an uns alle, jeden Tag neu. In unserem eigenen Leben und dem unserer Nächsten sind wir die Spitzenpolitiker. Die nötige Kraft aber muss der Herr verleihen.

In zwei Wochen ist Ostern. Der Herr geleite uns durch diese Passionszeit!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 01/2021

Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließet vor den Menschen! Ihr kommt nicht hinein, und die hinein wollen, lasst ihr nicht hineingehen.
Mat 23,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Wald und Bäume

Jesus steht für Liebe — der Kern seiner Ethik hebt den Gegensatz auf zwischen dem Individuum und seiner Umwelt. Ein besonders friedlicher Mensch war er dabei nicht. Er konnte scharf und verletzend sein und Hierarchien bedeuteten ihm nichts. Wäre ein konzilianter Jesus von Nazareth am Kreuz gestorben? Wohl kaum — wer hätte ein Interesse daran gehabt? 

Der für diese Woche gezogene Vers ist ein Satz von der Art, die den Kopf kosten können. Pharisäer und Schriftgelehrte vertraten eine am Wortlaut orientierte Sicht auf die Gebote der Thora — sie zogen einen ‚Zaun um die Thora‘, wie man heute sagt, damit sie nicht verletzt werde. Für Jesus war es ein Irrweg. Das Reich Gottes war nahe herbeigekommen, hatte im Kern schon eingesetzt und wer mit Äusserlichkeiten vom Eigentlichen ablenkt, versperrt den Weg. Pharisäern und Schriftgelehrten hingegen galten Führer wie Johannes und Jesus als Quelle von Disziplinlosigkeit und Chaos; schlimmer noch: als Schwarmgeister, die ihre Nachfolger dem Gesetz entfremdeten, das Gott uns anvertraut hat. 

Jesus konnte aus vielen einzelnen Vorschriften die Essenz ziehen, er sah den Wald und nicht die Bäume und wies den Weg: „Das Reich Gottes ist da und es ist nicht da — lebt es, dann ist es Wirklichkeit, für euch und durch euch“, und „Wie ihr übereinander urteilt, wird der Vater über euch urteilen“, und „Liebt Gott über alles und den Anderen wie euch selbst“. Schwer und gleichzeitig einfach. Seine Worte über Pharisäer und Schriftgelehrte in Mat 23 aber hatten nichts Versöhnliches mehr, das Tischtuch war zerschnitten. Der Schnitt tut weh, immer noch. 

Liest man den Text, mag man auch ins Heute schauen. Wer befördert mit seinen Feststellungen und Urteilen über Gottes Wort und Willen die eigenen Interessen, auf Kosten derer, die abgelenkt werden? Die Falle der Selbstgerechtigkeit steht aufgespannt da. Und da müssen auch kleine Blogger gut aufpassen…

Gottes Segen sei mit uns — im neuen Jahr und immer,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 30/2019

Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.
Mat 7,1

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Us and them

Unser Vers führt ins Zentrum der christlichen Ethik. Jesus gibt Antworten auf die beiden zentralen ethischen Fragen — erstens: Wie sollen wir uns anderen Menschen gegenüber verhalten? und zweitens: wie sollen wir das Verhalten anderer Menschen uns gegenüber bewerten?

Die Antwort auf die erste Frage ist die goldene Regel. Kurz hinter dem gezogenen Vers steht sie in der folgenden Form (Mt 7,12) 

Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.

Weiter kommt auch Kant mit dem kategorischen Imperativ nicht. Die Goldene Regel ist im Doppelgebot der Liebe (Mk 12, 29) enthalten. In Mt 5,43ff wird sie zur Feindesliebe zugespitzt. Ökonomen können die Goldene Regel übrigens auf ihre eigene Art formulieren: „Ziehe alle Folgen deiner Handlungen in Betracht, bei dir selbst und bei anderen — es gibt in Wahrheit keine Externalitäten!“ Es ist evident, dass diese Regel „stimmt“, dass sie ein soziales Optimum beschreibt, wenn sich jeder daran hält!

Damit gibt Jesus die Frage, wie wir uns verhalten sollen, in überraschender Weise vollständig an uns selbst zurück. Dasselbe geschieht mit der zweiten Frage, siehe auch Lk 6, 36 ff. Die Kriterien, die wir selbst an andere anlegen, wird Gott an uns anlegen. Die Gleichsetzung ist sehr prominent im Vaterunser enthalten „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Gott wird hier nicht aufgefordert, Schuld bedingungslos zu vergeben, sondern er wird aufgefordert, sich uns gegenüber als Richter so zu stellen, wie wir es untereinander tun. Im Gleichnis vom Schalksknecht (Mt 18) wird die Analogie von richten und gerichtet werden in ein plastisches Bild gebracht, der Hörer des Gleichnisses wird dabei unversehens in die Rolle Gottes, des obersten Richters versetzt. 

Wir sollen uns also verhalten, als ob alle Folgen unseres Handelns uns selbst träfen. Das ist die Goldene Regel Und auf das Verhalten der anderen sollen wir so antworten, als ob es um unser eigenes Verhalten gehe. Dies sagt der gezogene Vers. Das muß nicht zwangsläufig bedeuten, dass es gar keine Antwort geben soll — auch an unser eigenes Verhalten stellen wir ja Forderungen. Aber die Forderungen sollen, ebenso wie die an unser  eigenes Verhalten, liebevoll sein. Im Ergebnis soll es keine Grenze geben zwischen uns und den anderen.

Wow! Ganz einfach und fast unmöglich. Aber das ist wirklich so gemeint!

Man kann ja mal üben. Im Familienkreis ist es richtig schwer. Aber aus diesem Kontext bezieht Jesus viele Analogien. Unter Kollegen — vielleicht sogar etwas leichter? Und ganz Fremden gegenüber? In der Auseinandersetzung mit echten Gegnern und Feinden? Nicht richten? Beobachten und Hinnehmen? Unsere Antworten werden sehr persönlich und individuell ausfallen. Umgekehrt aber sind es diese Antworten, die uns als Mensch charakterisieren. Das jedenfalls sagt der Vers in unnachahmlicher Kürze.  

Aber dann — zu manchen Zeiten geht es irgendwie, ist es schlicht einfacher als an anderen Tagen. Manchmal ist die Grenze zwischen uns selbst und anderen durchlässiger und das Üben fällt leichter. Auch hierin liegt Gnade. Eine solche Woche wünsche ich uns. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 22/2018

Abraham zeugte Isaak. Isaak zeugte Jakob. Jakob zeugte Juda und seine Brüder.
Mat 1,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Die Nahtstelle

Dieser Vers steht für nichts weniger als die Einheit der christlichen Bibel, in ihren beiden großen Teilen, dem Tanach und dem Neuen Testament. Es ist der zweite Vers des ersten Buchs im Neuen Testament. Der Eingangsvers ist eine Art Überschrift und lautet, nach der Lutherbibel 1912: „Dies ist das Buch von der Geburt Jesu Christi, der da ist ein Sohn Davids, des Sohnes Abrahams“. An den gezogenen Vers schließt sich die komplette Ahnreihe Jesu an, die von den Stammvätern zunächst auf David führt, und von diesem nach Joseph, „… dem Mann Marias, von welcher ist geboren Jesus, der da heißt Christus“. 

Geburtsregister gibt es viele in der Bibel. Sie vermitteln Legitimität, Kontext und Kontinuität und stellen das Geschehen in einen großen historischen Zusammenhang. Zur Erinnerung: In der KW 18 hatten wir einen Vers aus einem anderen Geburtsregister gezogen, in dem die zur Zeit der Landnahme existierenden Sippen auf die Stammväter zurückgeführt wurden.

Matthäus schließt die genealogische Betrachtung wie folgt: „Alle Glieder von Abraham bis auf David sind vierzehn Glieder. Von David bis auf die Gefangenschaft sind vierzehn Glieder. Von der babylonischen Gefangenschaft bis auf Christus sind vierzehn Glieder.

Die biblische Geschichte vor Jesus wird hier in drei Teile zerlegt, die jeweils in einer Zeitenwende kulminieren: Die Zeit der Stammväter und Richter bis zur Errichtung des Königtums durch David, die Zeit der Eigenstaatlichkeit bis zur Zerstörung in der babylonischen Gefangenschaft und schließlich die Epoche des zweiten Tempels, Zeit der Rekonstruktion und des religiösen Aufbaus, in der das Judentum seine monotheistische und schriftbasierte Gestalt annahm, die es heute noch hat. 

Spinnt man den Faden fort, so ist das von Matthäus Erzählte Teil einer vierten Epoche, die wieder mit einer Zeitenwende enden wird. Aber dieses Geschehen baut auf den ersten drei Abschnitten auf, ist ihre Fortführung und nicht isoliert zu denken. Am Anfang stehen eben immer die Stammväter, Abraham, Isaak und Jakob.

Es gibt Vorschläge aus der akademischen Theologie, das Alte Testament zu entkanonisieren, es gleichsam abzuschaffen. Solchen Vorstellungen kann man gelassen mit Verweis auf die ersten Verse des Neuen Testaments begegnen.

Ich wünsche uns eine gute Woche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 12/2018

Und als er in den Tempel kam, traten zu ihm, als er lehrte, die Hohenpriester und die Ältesten im Volk und sprachen: Aus was für Macht tust du das? und wer hat dir die Macht gegeben?
Mat 21,23

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Wer bist du?

Die im gezogenen Vers gestellte Frage an Jesus ist völlig berechtigt. Die Hohenpriester und Ältesten, Mitglieder des Sanhedrin, trugen Verantwortung für den Tempel, das kultische Zentrum des Judentums, und Jesus hatte dort am Tag zuvor Aufruhr verursacht: Er hatte die Händler mit Gewalt vertrieben und Wunderheilungen vollbracht, Kinder waren schreiend im Tempel herumgelaufen und hatten gerufen „Hosiannah, dem Sohn Davids“. Nun war er wiederum im Tempel und lehrte das Volk. Woher, also, in wessen Auftrag dies? Die Hohenpriester und Ältesten hatten nicht nur das Recht zu fragen, sondern auch allen Grund dazu.

Die Antwort konnte für den so Befragten sehr gefährlich werden, wie die spätere Entwicklung zeigt. Handelte er im Auftrag von Menschen, oder gar im eigenen Auftrag, so lag ein Rechtsbruch vor. Wer lehrte und wer nicht, bestimmte der Ältestenrat, deren Mitglieder Rechenschaft forderten — sie würden ihn ohne weiteres vor die Tür werfen können. Sagte er, er handle im Auftrag Gottes, so war er womöglich weitaus Schlimmeres, ein Aufwiegler, ein Usurpator. 

In einem weiteren Sinne handelt das ganze Neue Testament von dieser Frage: aus welcher Vollmacht tut Jesus das und wer hat ihm die Macht gegeben? Auch die Jünger kannten die Antwort nicht — immer wieder fragen sie. Die Antwort aber ist es, die Christentum und Judentum im Kern voneinander scheidet, das meiste andere ist akzidentell. 

Jesus antwortet nicht direkt, sondern mit einer Gegenfrage: von wem ist die Taufe des Johannes: von Gott oder den Menschen? Das hatte zunächst unmittelbare Relevanz für die zuerst gestellte Frage der Hohenpriester: Jesus Autorität kam ja von Johannes, und damit hängt ihre Natur nun entscheidend davon ab, ob Johannes im Auftrag von Gott oder von anderen Menschen handelte. Gleichzeitig bringt aber Jesus seine Gegenüber mit der Gegenfrage in eine sehr ähnliche Lage wie diejenige, in die sie ihn bringen wollen. Das Volk hielt Johannes für einen großen Propheten — wenn also die Hohenpriester sagten, seine Taufe sie die eines Menschen, dann würde dies Unmut zur Folge haben, vielleicht gar gewalttätigen. Und sagten sie, seine Taufe käme von Gott, müsste Jesus dem nichts mehr hinzufügen. 

Die Hohenpriester und Ältesten denken lange nach und verweigern sich schließlich dieser Alternative: sie antworten, dass sie es nicht wüssten. Und Jesus verweigert nun die Antwort seinerseits. 

Ein Punktsieg. ja. Aber was wäre denn die richtige Antwort gewesen? Für einen protestantischen Christen hat das Ausweichmanöver etwas Unbefriedigendes — Martin Luther hat auf dem Reichstag zu Worms in einer sehr vergleichbaren Lage ganz anders geantwortet. Und auch Jan Hus verzichtete auf dem Reichstag zu Konstanz auf Ausflüchte, es brachte ihm den Tod. Christen glauben, Jesus handelte im Auftrag und als Sohn Gottes und verkündigte sein Reich, ein Reich, dass mit der Predigt und dem Wirken Jesu seinen Anfang nimmt. Das hätte er hier bekennen können. Aber wäre das die richtige Antwort von Jesu gewesen, an diesem Ort, zu diesem Zeitpunkt?

Später, vor Pilatus, betritt er keine der goldenen Brücken, die man ihm baut. Der Parade Jesu vor den Hohepriestern lässt sich sicherlich entnehmen, dass er nicht jede Gelegenheit beim Schopf ergreifen wollte, schnell zu Tode zu kommen. Darüber hinaus ist es aber möglich, dass er die richtige Antwort auf die Frage der Hohepriester selbst nicht kannte, wenigstens zu diesem Zeitpunkt nicht — dass die Gegenfrage nicht nur rhetorisch war. Dag Hamarskjöld vertritt in seinem geistlichen Testament die Vorstellung, dass Jesus noch in der Abendmahlsszene als wahrer Mensch die Antwort auf die Frage nach seiner Berufung nicht kannte, nicht kennen konnte, und spürte, dass er sie erst im Tode würde finden können. Ein Tod im Zweifel also…

Ein echter Passionsvers also.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 42/2017

Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihr.
Mat 5,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984

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Bibelvers der Woche 28/2017

Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel nicht im Himmel, sondern allein mein Vater.
Mat 24,36

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

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