Wenn dann die Fußsohlen der Priester, die des HErrn Lade, des Herrschers über alle Welt, tragen, in des Jordans Wasser sich lassen, so wird das Wasser, das von oben herabfließt im Jordan, abreißen, dass es auf einem Haufen stehen bleibt.
Jos 3,13
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Zeichen und Wunder
Vor einiger Zeit hatten wir mit BdW 06/2018 einen Vers in der unmittelbaren Nachbarschaft, dessen Betrachtung ich jetzt ein wenig fortspinnen kann.
Josua ist neuer Führer der Israeliten und bekommt von Gott Autorität geschenkt — beim Einzug der Kinder Israel ins Heilige Land wiederholt sich für ihn im Kleinen das Wunder, das unter Mose im Großen den Auszug, die Flucht aus Ägypten, ermöglicht hat. Wie damals im Schilfmeer teilen sich nun die Wasser des Jordan: oberhalb staut sich das Wasser auf wie durch eine unsichtbare Mauer, so dass Priester und Kämpfer den Fluß trockenen Fußes durchschreiten können.
Es ist dies „nur“ eine Erinnerung, ein Zeichen — die Durchquerung des Jordan wäre auch ohne dies möglich gewesen. Später aber schenkt Gott dem Josua ein eigenes Wunder: auf sein Gebet hin bleiben Sonne und Mond fast einen Tag lang stehen und ermöglichen den Israeliten die Fortführung einer günstig verlaufenden Schlacht, siehe Jos 10,13-15. Auch dieses Wunder erhält ein fernes Echo. Auf Hiskias flehendes Gebet hin gibt Gott dem Todkranken fünfzehn weitere Jahre Lebenszeit, und um die Heilung zu bestätigen, lässt er die Sonnenuhr rückwärts gehen, siehe 2 Kö 20,8ff und BdW 09/2019. Auch hier hat die Wiederholung Zeichencharakter: die Heilung Hiskias selbst hat mit dem Wunder nichts zu tun.
Da ist eine Art Handschrift, eine Semantik. Die Wunder setzen den klassisch physikalischen Gang der Dinge einfach aus. Eine Wassersäule steht, und statt mit der Schwerkraft zu fallen und im Fallen sich auszubreiten, bleibt sie einfach weiter stehen. Und Himmelskörper — scheinbar der Mond und die Sonne, in Wahrheit aber die Erde selbst — halten in ihrer Rotation inne. Eine äußere Kraft, die das Drehmoment der Erde in kurzer Zeit überwindet, und anschließend wieder herstellt, müsste die Erdoberfläche zerstören und alles Leben unmöglich machen.
Es wird gesagt, dass Gott durch die Naturgesetze spricht — hier spricht er durch ihre Aufhebung, in denkbar machtvoller Weise.
Aber noch ein Zeichen gibt Gott am Jordan, vielleicht an derselben Stelle, aber über tausend Jahre später. Es kommt ohne Eingriff in die Naturgesetze aus. Gott spricht selbst, in direkter Rede. In allen Evangelien wird berichtet, wie Jesus sich von Johannes taufen lässt:
Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald heraus aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe (Mt 3,13f).
Gott bestätigt Jesus in der Öffentlichkeit, wie er Josua bestätigt hat, ebenso eindrucksvoll, aber es geschieht mit einer ganz anderen Semantik. Warum? Ich weiss es nicht.
Ich wünsche uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth
P.S. Gestern konnte ich für ein paar Stunden den Kirchentag in Nürnberg besuchen — und als ich die Kirchentags-App öffnete, um sehen, was ich mit dieser Zeit anfangen kann, fand sich auf meinem Bildschirm meines Handys plötzlich eine jüdisch-christliche Diskussion zu 2. Kö 20, der Geschichte von Hiskias Heilung und der Sonnenuhr, die rückwärts läuft. Darüber hatte ich doch gerade erst geschrieben! Natürlich ging ich hin. Ein klitzekleines Zeichen vielleicht für mich…