Bibelvers der Woche 14/2018

Da sich nun der Philister aufmachte und daherging und nahte sich zu David, eilte David und lief auf das Heer zu, dem Philister entgegen.
1 Sa 17,48

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Patt — und ein Ausbruch

Das judäische Heer König Sauls und das Heer der Philister stehen sich gerüstet auf zwei Bergen gegenüber, dazwischen ein Tal. Man kann den Schauplatz noch heute besichtigen, ich bin dort gewesen, ein Freund hat mich an die Stelle geführt. Die Schlacht ist jederzeit möglich, ein Angriff aber — der Israeliten wie der Philister — wäre mit großen Verlusten verbunden. Der jeweilige Angreifer müsste hinab ins Tal und wäre dort Ziel für die Pfeile und Speere des Verteidigers; dann müsste er bergauf kämpfen. Die Philister fordern die Israeliten zu einem Stellvertreterkampf heraus: einer der ihren, Goliath, soll gegen einen ausgewählten Israeliten kämpfen und so den Krieg entscheiden. Recht eigentlich eine schöne Lösung. Ein solcher Stellvertreterkampf wird auch in der Ilias versucht, zwischen Paris und Menelaos. Aber die Parteien halten sich nicht an die vereinbarten Regeln. Vielleicht gäbe es ja Troja noch, wenn es gelungen wäre…

Keiner der Israeliten wagt es, gegen den gewaltigen Krieger anzutreten, viele Tage lang. Verzweiflung macht sich breit. David, ein Junge noch und ohne Ausbildung an den Waffen, erträgt es nicht länger und meldet sich. Saul akzeptiert das Angebot. David kann die Rüstung Sauls nicht tragen und geht ohne Rüstung in dem Kampf, bewaffnet nur mit einer Steinschleuder. So — jung, schnell und wendig, unerfahren, aber auch unterschätzt, mit großem Vertrauen in Gottes Hilfe und seine eigene Kraft, unglaublich präsent, schön — tritt er dem Goliath entgegen. Der Kampf beginnt.

Frohe Ostern,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 13/2018

Fliehet, wendet euch und verkriecht euch tief, ihr Bürger zu Dedan! denn ich lasse einen Unfall über Esau kommen, die Zeit seiner Heimsuchung.
Jer 49,8 

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Feindliche Brüder

Der Kontext ist derselbe wie in dem Jesaja-Vers in Woche 4 dieses Jahres. Die Zerstörung Jerusalems als Strafe für gottloses Verhalten ist wie angekündigt eingetroffen. Aber auch die Feinde Israels sind gottlos und sollen ihrer Strafe nicht entgehen. Im Jesaja-Vers aus Woche 4 ging es um Moab, ein alter Feind des Südreichs. Hier, bei Jeremia, geht es um einen anderen Erbfeind, Edom. 

Das Volk der Edomiter ist den Hebräern eng verwandt, auch sprachlich. Sie wohnen im Süden und Osten vom Salzmeer, im Gebirge. Ihr Gott Qaus ist dem Gott der Hebräer in vielen Aspekten ähnlich, so ähnlich, dass die hebräische Bibel die Religion der Edomiter vorsichtshalber nirgends explizit verurteilt, und an einer Stelle gar von Edom als einem Ort spricht, an dem der Herr sich zeigt. Das Buch Genesis führt die Edomiter auf Esau zurück, den Bruder Jakobs. In der Torah wird erzählt, dass die Edomitern den Kindern Israels auf ihrer Wüstenwanderung den Durchzug verweigerten. Die Nachkommen von Mischehen zwischen Juden und Edomitern waren daher bis in die vierte Generation von der Volksgemeinschaft ausgeschlossen. Das Brudervolk scheint aktiven Anteil an der Zerstörung des Südreichs und Jerusalem gehabt zu haben — seitens der Propheten gibt es dazu Verurteilungen.

Die Prophezeiung von Jeremia sind wie eine Kurzfassung der Prohezeiungen über Israel. Ein tröstlicher Aspekt ist hier angedeutet mit dem Satz (Jer 49,11) „Doch was übrigbleibt von deinen Waisen, denen will ich das Leben gönnen, und deine Witwen werden auf mich hoffen“. Tatsächlich verschwanden die Edomiter mit der Invasion der Babylonier nicht aus der Geschichte. Zur Zeit Jesu war Idumäa Teil des römischen Besatzungsgebiets, zu dem auch Judäa gehörte. 

Ich wünsche uns eine gute Woche — und ein frohes Osterfest
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 12/2018

Und als er in den Tempel kam, traten zu ihm, als er lehrte, die Hohenpriester und die Ältesten im Volk und sprachen: Aus was für Macht tust du das? und wer hat dir die Macht gegeben?
Mat 21,23

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Wer bist du?

Die im gezogenen Vers gestellte Frage an Jesus ist völlig berechtigt. Die Hohenpriester und Ältesten, Mitglieder des Sanhedrin, trugen Verantwortung für den Tempel, das kultische Zentrum des Judentums, und Jesus hatte dort am Tag zuvor Aufruhr verursacht: Er hatte die Händler mit Gewalt vertrieben und Wunderheilungen vollbracht, Kinder waren schreiend im Tempel herumgelaufen und hatten gerufen „Hosiannah, dem Sohn Davids“. Nun war er wiederum im Tempel und lehrte das Volk. Woher, also, in wessen Auftrag dies?

Die Antwort konnte für den so Befragten sehr gefährlich werden, wie die spätere Entwicklung zeigt. Handelte er im Auftrag von Menschen, oder gar im eigenen Auftrag, so lag ein Rechtsbruch vor. Wer lehrte und wer nicht, bestimmte der Ältestenrat, deren Mitglieder gerade Rechenschaft forderten — sie würden Jesus ohne weiteres vor die Tür werfen können. Sagte er, er handle im Auftrag Gottes, so war er womöglich weitaus Schlimmeres, ein Aufwiegler, ein Usurpator. 

In einem weiteren Sinne handelt das ganze Neue Testament von dieser Frage: aus welcher Vollmacht tut Jesus das und wer hat ihm die Macht gegeben? Auch die Jünger kannten die Antwort nicht — immer wieder fragen sie. Die Antwort aber ist es, die Christentum und Judentum im Kern voneinander scheidet, das meiste andere ist akzidentell. 

Jesus antwortet nicht direkt, sondern mit einer Gegenfrage: von wem ist die Taufe des Johannes: von Gott oder den Menschen? Das hatte zunächst unmittelbare Relevanz für die zuerst gestellte Frage der Hohenpriester: Jesus Autorität kam ja von Johannes, und damit hängt ihre Natur nun entscheidend davon ab, ob Johannes im Auftrag von Gott oder von anderen Menschen handelte. Gleichzeitig bringt aber Jesus seine Gegenüber mit der Gegenfrage in eine sehr ähnliche Lage wie diejenige, in die sie ihn bringen wollen. Das Volk hielt Johannes für einen großen Propheten — wenn also die Hohenpriester sagten, seine Taufe sei die eines Menschen, dann würde dies Unmut zur Folge haben, vielleicht gar gewalttätigen. Und sagten sie, seine Taufe käme von Gott, müsste Jesus dem nichts mehr hinzufügen. 

Die Hohenpriester und Ältesten denken lange nach und verweigern sich schließlich der Alternative: sie antworten, dass sie es nicht wüssten. Und Jesus verweigert nun die Antwort seinerseits. 

Ein Punktsieg. Ja. Aber was wäre denn die richtige Antwort gewesen? Für einen protestantischen Christen hat das Ausweichmanöver etwas Unbefriedigendes — Martin Luther hat auf dem Reichstag zu Worms in einer sehr vergleichbaren Lage ganz anders geantwortet. Und auch Jan Hus verzichtete auf dem Reichstag zu Konstanz auf Ausflüchte. Es brachte ihm den Tod. Christen glauben, Jesus handelte im Auftrag und als Sohn Gottes und verkündigte Gottes Reich, ein Reich, das mit der Predigt und dem Wirken Jesu seinen Anfang nimmt. Das hätte er hier bekennen können. Aber wäre das die richtige Antwort von Jesus gewesen, an diesem Ort, zu diesem Zeitpunkt?

Später, vor Pilatus, betritt er keine der goldenen Brücken, die dieser ihm baut. Der meisterhaften Parade vor den Hohepriestern lässt sich sicherlich entnehmen, dass er nicht jede Gelegenheit beim Schopf ergreifen wollte, schnell zu Tode zu kommen. Darüber hinaus ist es aber möglich, dass er die Antwort auf die Frage der Hohepriester selbst nicht kannte, wenigstens zu diesem Zeitpunkt nicht — dass die Gegenfrage nicht nur rhetorisch war. Dag Hamarskjöld vertritt in seinem geistlichen Testament die Vorstellung, dass Jesus noch in der Abendmahlsszene als wahrer Mensch die Antwort auf die Frage nach seiner Berufung nicht kannte, nicht kennen konnte, und spürte, dass er sie erst im Tode würde finden können. Ein Tod im Zweifel also…

Ein echter Passionsvers.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 11/2018

Da schied Jakob die Lämmer und richtete die Herde mit dem Angesicht gegen die Gefleckten und Schwarzen in der Herde Labans und machte sich eine eigene Herde, die tat er nicht zu der Herde Labans.
Gen 30,40 

Hier ist ein Link für den Kontext, zur Lutherbibel 2017

Zwei Skorpione in einer Flasche

Der Vers bringt uns zu Jakob, einem der Stammväter Israels. Über einen erheblichen Teil seines Lebens kreisen er und sein Onkel Laban umeinander, betrügen sich, machen einander doppelbödige Versprechungen und kommen doch nicht los voneinander. In dem Abschnitt, in dem der Vers steht, wird berichtet, wie Laban und Jakob den Gewinn teilen, den sie durch Labans Herde (Kapital) und Jakobs Know How und seinen Arbeitseinsatz erwirtschaften. Labans Vorschlag ist im Grunde fair: die Gewinne werden nach einem festen Schlüssel geteilt. Konkret soll Jakob die scheckigen, gefleckten und bunten Tiere erhalten, die nach dem Stichtag zur Welt kommen, Laban aber die weißen (Laban heißt auf Hebräisch „weiß“). Laban teilt die Herden vorher und bringt alle gefleckten, scheckigen und bunten Tiere zu seinen Söhnen. Vielleicht will er damit die Gewinnteilung sauber machen — nach diesem Stichtag gehört so klar alles Gefleckte, Scheckige und Bunte dem Jakob. Vielleicht glaubt er aber auch, dass gefleckte Lämmer von gefleckten Mutterschafen kommen, dann wäre es ein Betrugsversuch an Jakob.

Jakob aber hat überlegenes tierzüchterisches Wissen (das sich uns im einzelnen nicht erschließt) und manipuliert die Gewinnteilungsregel. Er sorgt dafür, dass die Schafe und Ziegen bei der Begattung scheckige und gefleckte Hölzer zu sehen bekommen — und daraufhin bringen sie scheckige und gefleckte Lämmer zur Welt. Davon wird im Vers berichtet. Darüber hinaus behandelt er nur die starken Tiere so — die schwachen lässt er weiße Lämmer bekommen. Die gehören dann dem Laban.

Der gezogene Vers berichtet von einer verlockenden Gewinnerzielungsmöglichkeit, die Jakob auch nutzt. Die Bibel verliert explizit kein Wort darüber, ob dies eine gute Idee ist.

Jakob wird mit dieser Technik schnell sehr reich, auf Kosten Labans. Die Kinder Labans verstehen irgendwann, dass eine Manipulation vorliegt, und Jakob muss fliehen. Er flieht in Richtung seiner alten Heimat, die er wegen seines Betrugs an Esau hatte verlassen müssen, mit seinen Herden, die er von Laban hat, und seinen beiden Frauen, die Labans Töchter sind. Rachel, die jüngere, hatte ihrem Vater Laban darüber hinaus seinen Hausgott gestohlen, wohl aus Rache. Laban ist todunglücklich. Er verfolgt Jakob und holt ihn ein, mit einer Schar schwerbewaffneter Kämpfer. Jakob hat ihm alles genommen, Laban ist der betrogene Betrüger, aber nun kann er das Spiel umdrehen und sich alles zurückholen. Die Familie wäre dann restlos zerstört. Jakob hatte geschworen, dass derjenige sterben muss, der in seiner Gruppe den Hausgott gestohlen hat. Alles wird durchsucht, ohne dass das Objekt gefunden wird. Aber es scheint möglich, dass Laban verstanden hat, dass Rachel die Diebin war. 

In einem unglaublichen Akt der Großzügigkeit verzichtet Laban. Er lässt Jakob und die seinen mit den Herden gehen und gibt obendrein seinen Töchtern den Segen mit. Auch dies lässt die Genesis völlig unkommentiert. Aber am Ende ist Laban derjenige, der aus dem jahrelangen Tanz der Familie um den Abgrund gelernt und verstanden hat, worauf es wirklich ankommt — nicht Jakob. Noch nicht.

Ich wünsche Euch eine schöne Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 10/2018

Am zehnten Tage des fünften Monats, welches ist das neunzehnte Jahr Nebukadnezars, des Königs zu Babel, kam Nebusaradan, der Hauptmann der Trabanten, der stets um den König zu Babel war gen Jerusalem…
Jer 52, 12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Over and out

Der gezogen Vers ist ein Fragment, der Satz schließt im nächsten Vers: …und verbrannte des HERRN Haus und des Königs Haus und alle Häuser zu Jerusalem; alle großen Häuser verbrannte er mit Feuer. 

Die Sätze stehen ganz am Ende des Buchs Jeremia. Der Abschnitt ist den Prophetien und der Lebensgeschichte Jeremias nachgeschoben und fast wortgleich mit dem Ende des Buchs der Könige. Er zeigt, wie der erste Teil der Prophetien Jeremias eintrifft. Im gezogenen Vers ist die Hand erhoben, für eine logische Sekunde ist alles in der Schwebe. Im nächsten Vers fällt der Stich. Jerusalem ist von den Truppen Nebukadnezars erobert, bereits am 9. Tag des vierten Monats war die Stadt gefallen. Die militärische Arbeit ist getan. Vier Wochen später nun kommt ein Administrator aus dem inneren Kreis um König Nebukadnezar und führt das Zerstörungswerk planmäßig aus. Im Detail wird dann beschrieben, wie die kostbare Tempelausstattung nach draußen getragen und ökonomisch verwertet wird, beinahe wie eine Rückabwicklung des Tempelbaus in 1. Könige 6 und 7.

Passionszeit. Der Tempel, das Interface zwischen Gott und seinem Volk, ist nicht mehr. Gott hat nicht nur seine Gnade vom Volk genommen, sondern auch den Kontakt abgebrochen. Fast wie bei Harry Mulisch „Die Entdeckung des Himmels“ — in diesem Roman bricht Gott die Beziehung mit der modernen Menschheit ab, indem er die Tafeln mit den zehn Geboten wieder zurücknimmt. Die Elite des Volks wird nach Babylon verschleppt. In der jüdischen Bibel ist dieser Moment herausgehoben traumatisch, er ist die Scheide, um die herum die Schriften sich in ein „Vorher“ und ein „Nachher“ gruppieren. Eine Analogie für den gezogenen Vers im Neuen Testament wäre die Stelle, in der Jesus, der Mittler zwischen Mensch und Gott, die Dornenkrone trägt, aber noch nicht am Kreuz hängt. 

Der Vers erinnert daran, dass Gott uns seine Gnade gibt und er sie wieder von uns nehmen kann. Wem nicht ein Bauwerk, sondern die eigene Person der Ort der Begegnung mit Gott ist, den erinnert er an die Endlichkeit des Lebens. Und ganz entfernt scheint eine neue Perspektive auf: mit der Erfüllung des ersten Teils der Prophetie Jeremias wird nun der zweite Teil relevant, in dem es Sätze gibt wie: „So spricht der Herr: Das Volk, das dem Schwert entronnen ist, hat Gnade gefunden in der Wüste; Israel zieht hin zu seiner Ruhe. Der Herr ist mir erschienen von ferne: ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Ich will dich wiederum bauen, dass du gebaut sein sollst, du Jungfrau Israel, du sollst dich wieder schmücken und mit Pauken ausziehen im fröhlichen Tanz.“ (Jer 31, 2-4)

Ich wünsche Euch eine schöne Woche
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 09/2018

Ich gedenke an die vorigen Zeiten; ich rede von allen deinen Taten und sage von den Werken deiner Hände.
Ps 143,5

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Anker im Sturm

Psalm 143 ist der siebente Bußpsalm, die Überschrift in der Lutherbibel (nicht Teil des eigentlichen Bibeltexts) lautet „Bitte um Verschonung und Hilfe“. Der Betende ist geängstigt, vor Furcht erstarrt; er will sich geistig und seelisch des Schutzes Gottes versichern. Eine der beiden Strategien — die im gezogenen Vers genannte — besteht darin, sich in dasjenige zu versenken, was er von Gott weiß und gehört hat, als Anker für das Schiff im Sturm. Die andere, im Psalm gleich anschließend bezeichnet, liegt in der direkten Zuwendung zu Gott, in der Anrede. 

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 08/2018

Denn siehe, ich will ein Neues machen; jetzt soll es aufwachsen, und ihr werdet’s erfahren, dass ich Weg in der Wüste mache und Wasserströme in der Einöde,
Jes 43,19

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Wirklich Neues bleibt lang unsichtbar

Bei diesem wunderbaren Vers kann ich kurz bleiben: Er stammt aus dem zweiten Teil der Jesaja-Schrift, der vermutlich zumindest teilweise einen andere, späteren Autor hat als der erste. Er steht in einem Kontext, in welchem dem versklavten und entführten Volk Israel ein „Gottesknecht“ als Erlöser angekündigt wird (Abschnitt 42) und Gott Gnade und Vergebung, Schutz und Leben zusagt (Abschnitt 43 und 44). 

Ich verbinde eine persönliche Erinnerung an diesen Vers. Im Jahr 2007 war er Jahreslosung. Als meine Frau ihren Dienst an der Landeskirche unterbrechen musste, weil sie mit unserer ersten Tochter schwanger war, hielt ihr Dekan, Pfarrer Schlösser, die Predigt für ihren Verabschiedungsgottesdienst. Und er wählte die Jahreslosung als Predigttext. Er wusste, welchen Grund die Verabschiedung hatte, aber sonst keiner der Anwesenden, meine Frau und ich ausgenommen. Und er hatte eine diebische, sich ständig steigernde Freude daran, im Laufe seiner Predigt immer wieder auf den Vers in seiner neueren Übersetzung zurückzukommen und laut zu rufen: „Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“ Am Ende freute sich jeder, ohne genau zu wissen, warum.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 07/2018

So sprecht ihr: Warum soll denn ein Sohn nicht tragen seines Vaters Missetat? Darum daß er recht und wohl getan und alle meine Rechte gehalten und getan hat, soll er leben.
Hes 18,19 

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Schuld und Sühne

Hier geht es um die Gerechtigkeit Gottes. Ezechiel/Hesekiel wendet sich gegen Vorstellungen, nach denen Sünde einerseits  und andererseits Ehre vor Gott über Generationen weitergegeben werden. Das ist ein großes Thema in der Welt des Alten Testaments: Nicht immer wird der Sünder selbst bestraft, sondern die Strafe kann mit langer Verzögerung eintreten, auch für Könige und ganze Völkerschaften. Fest verankert ist die Vorstellung in einer der zentralen Stelle der Alten Schrift, die Gottes wesentliche Eigenschaften nennt: „Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde, aber ungestraft lässt er niemand, sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied“ (Ex 34,6f). 

Im Orient, wo die Familie eine Art erweiterte Identität darstellt, machte es im Grunde keinen großen Unterschied, ob der Sünder selbst bestraft wird oder sein Sohn. Wird jemand aber bestraft für die Sünden der Väter, steht diese Strafe in keiner direkten Beziehung zu seinem persönlichen Handeln. Obwohl dieser Gedanke im Einzelfall auch etwas Tröstliches haben mag, gerät man damit doch schnell in ein fatalistisches Fahrwasser. Das, was Christen „Erbsünde“ nennen, wäre für den Mathematiker eine Art Grenzwertbetrachtung dieser Vorstellung: die Strafe erfolgt für dasjenige, was die Menschen schon vor aller historischer Zeit an Bösem mit sich herumtragen…

Hesekiel wischt diese Vorstellung (und damit übrigens auch die Erbsünde!) vom Tisch. Jeder trägt die Last seiner Sünde selbst, jedem kommen die Früchte seiner Gerechtigkeit selbst zugute. Punkt. Für Ezechiel ist Gott in diesem „modernen“ Sinne gerecht. Heute haben wir Mühe, unter Gerechtigkeit etwas anderes zu verstehen. Es ist interessant zu sehen, dass die Zeitgenossen das durchaus nicht so empfunden haben. Warum soll es jemandem gutgehen, dessen Väter sich in gröbster Weise gegen das Gesetz vergangen haben? Und wenn es jemandem wegen seiner Übertretungen schlecht geht — warum sieht Gott die Verdienste der Väter nicht? Beides wird im Abschnitt als ungerecht empfunden. Zweimal kleidet Ezechiel diesen tiefverwurzelten Einwand in Worte, um ihn ausdrücklich als unbeachtlich zu charakterisieren. „Sollte ich unrecht handeln, Haus Israel? Ist es nicht vielmehr so, dass ihr unrecht handelt?“ (Hes 18,25, sowie 18,29). 

Der Vers drückt die Möglichkeit der Befreiung von schicksalhafter Verstrickung aus. Ein gutes und gewissenhaftes Leben, das sich nach zwar anspruchsvollen, letztlich aber einfachen ethischen Forderungen richtet, kann persönliches Glück bedeuten, und dies nicht erst in ferner Zukunft, sondern hier und heute. 

Wenn man etwas verweilt, kann man kann Hesekiels Mut nur bewundern. Seine Aussage steht nicht nur im Widerspruch zur Torah, sie ist auch deshalb „stark“, weil sie (wenigstens im Grundsatz) empirisch falsifizierbar ist. Wie gehen wir denn um mit Ereignissen in unserem Leben oder dem Leben anderer, in denen großes Unglück über einen Menschen hereinbricht – oder auch über viele gleichzeitig? Sind alle schuldig?

Die Frage nach Gottes Gerechtigkeit, nach der Theodizee,  stellt sich im Grunde erst mit Hesekiels Gerechtigkeitsbegriff in aller Schärfe – vorher konnte man stets auf unbekannte Sünden unbekannter Vorväter verweisen. Das Buch Hiob stellt hierzu einige Jahrhunderte nach Hesekiel eine ausführliche und über die Zeit gewachsene Betrachtung an, in einem Laborexperiment gewissermaßen. Und seine Antwort weist letztlich über die Frage hinaus. 

Gottes Segen in dieser Woche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 06/2018

Und der HErr sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor dem ganzen Israel, dass sie wissen, wie ich mit Mose gewesen bin, also sei ich auch mit dir.
Jos 3,7

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Autorität herstellen

Nach vierzigjähriger Wanderschaft in der Wüste macht sich das Volk Israel daran, das vom Herrn versprochene Land einzunehmen. Israel fällt von Osten her in Kanaan ein. Als Sperriegel sind die Stadt Jericho mit seiner Mauer und der vorgelagerte Fluß Jordan zu überwinden. Josua, der neue militärische Führer in der Nachfolge des gerade verstorbenen Mose, hat Späher nach Jericho geschickt, die berichten, dass die Stadt starr vor Angst sei. 

Der Jordan ist kein großer, reissender Fluß, eher ein großer Bach. Man könnte ihn mit Behelfsbrücken oder Flößen überwinden, oder eine Furt suchen. Aber an dieser Stelle geht es um etwas anderes. Josuas Autorität ist nicht gefestigt, das Volk konnte noch kein Vertrauen in seine Führung sammeln, und dieses Vertrauen ist die wichtigste Ressource im bevorstehenden Krieg.

Um Josua die Autorität Moses zu verleihen und um zu demonstrieren, dass er wie jener Gottes volle Unterstützung hat, spiegelt Gott das Wunder vom Schilfmeer und zitiert sich dabei selbst. Der Jordan staut sich oberhalb des Lagerplatzes der Israeliten auf, unterhalb fließt das Wasser ab — das Volk kann trockenen Fußes mit der Bundeslade über den Jordan gehen. Im Bibelvers der Woche kündigt Gott dem Josua sein Vorgehen an. 

Josua lässt zwölf Steine aus dem Jordan bringen und am Ufer aufstellen, und er richtet zwölf weitere Steine im Jordan auf, um die Stelle zu markieren und an das Wunder zu erinnern, das ihm für alle sichtbar die Autorität der Führerschaft verlieh und dem Volk den Sieg zugesagt: Gottes Hilfe sprengt alle Hindernisse. Nun liegt sie unmittelbar von den Israeliten: die Mauer von Jericho.

Viele Grüße und uns allen eine gute Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 05/2018

Aber den Brandopferaltar setzte er vor die Tür der Wohnung der Hütte des Stifts und opferte darauf Brandopfer und Speisopfer, wie ihm der HErr geboten hatte.
Ex 40,29

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Mobiles Heiligtum

Der gezogene Vers ist aus der Beschreibung der Aufrichtung der Stiftshütte im zweiten Jahr der langen Wanderung der Israeliten durch die Wüste. Die Stiftshütte ist etwas sehr Spannendes: von der Funktion her ein Tempel, und in seiner Portabilität und Mobilität gerade eben kein Tempel. In wichtigen Teilen des AT wird großer Wert darauf gelegt, dass ein gottgefälliger Tempel als Ort des Austauschs mit Gott nur in Jerusalem stehen könne. Aber zur Anfangszeit des Weges mit Gott, in der Wüste, lag Jerusalem in einem mythischen, weit entfernten Land. Der fortdauernde Kontakt mit Gott, bei dem das Opfer einen hohen Stellenwert hatte, musste anders gewährleistet werden. 

Mose erhält den Befehl, eine mobile Anbetungsstätte einzurichten, die jeweils dort aufgebaut werden soll, wo die Israeliten sich temporär niederlassen. Sie beherbergt die Bundeslade, in der die Gebote Gottes vom Sinai enthalten sind. Während der Aufenthalte ruhte die Wolke mit der Herrlichkeit des Herrn auf der Stiftshütte und auf dem Weg zog sie dem Volke voran, nachts erfüllt von Feuerschein. Vor der Stiftshütte kann und soll geopfert werden — im gezogenen Vers geschieht dies zum ersten Male. Nicht der Ort ist dabei entscheidend, sondern die Bestimmung. Dies ist eigentlich eine sehr „moderne“ Vorstellung. Die Juden haben sie erst nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels gezwungenermaßen übernommen. Mystisch orientierte Juden oder Christen haben die Idee weiterentwickelt und weisen darauf hin, dass der eigentliche Tempel des Herrn in der Person des Betenden selbst liegt — wo auch immer dieser gerade sich befindet…

Ich wünsche uns allen eine gute Woche in Gottes Segen,  
Ulf von Kalckreuth