Und Juda zog hin mit seinem Bruder Simeon, und schlugen die Kanaaniter zu Zephath und verbannten sie und nannten die Stadt Horma.
Ri 1,17
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.
Gelobtes Land
In den ersten Abschnitten des Buchs Richter wird die Landnahme der Stämme Juda und Simeon beschrieben, und zwar nach dem Tod Josuas, also konkurrierend zu Jos 10. Die Kämpfer erobern das Hügelland und das Südland, den Negev. Auch Jerusalem wird genommen (1,8), bleibt aber offenbar den Judäern nicht — viel später wird es von David noch einmal erobert (2 Sam 5,6-10).
Unser Vers spricht von der Eroberung einer Stadt Zefat, die danach Horma genannt wurde. In diesem Namen steckt die hebräische Wurzel hrm, „den Bann vollstrecken“ — restlos töten und vernichten, zum Opfer weihen. So ist im Vers auch das Wort „verbannt“ gemeint. Unser Vers leitet den Namen der Stadt davon ab, dass bei ihrer Eroberung niemand am Leben blieb. Über die Vernichtungsweihe wurde in den BdW 06/2023, 07/2023 und 23/2023 gesprochen: Dtn 20 1-20 gebot den Stämmen, im Gelobten Land alle Einwohner der eroberten Städte zu töten. Im darauf folgenden Vers 1,18 wird berichtet, dass die Judäer drei weitere wichtige Städte einnehmen: Dazu eroberte Juda Gaza mit seinem Gebiet und Aschkelon mit seinem Gebiet und Ekron mit seinem Gebiet. Der Stadt Gaza waren wir vor kurzem im BdW 35/2024 begegnet — zu Zeiten Abrahams konnte man Differenzen noch gütlich beilegen.
Man darf von diesem Text keine historische Präzision verlangen. Er ist kein zusammenhängender Kriegsbericht, sondern eine Sammlung von Notizen, wohl aus unterschiedlichen Quellen. Wo die Stadt Horma gelegen hat, ist ungeklärt. Was es mit der berichteten Eroberung der drei Philisterstädte Gaza, Aschkelon und Ekron auf sich hat, ist auch nicht klar: in späteren Erzählungen sind diese Städte Hochburgen der Feinde im Rahmen bittererer kriegerischer Auseinandersetzungen.
Anmerkung: Die Lutherbibel 1984 weicht deshalb vom hebräischen Text ab und fügt ein vermeintlich fehlendes „nicht“ in den Text ein. Die Lutherbibel 2017 hält sich, ebenso wie die Fassung von 1912, an den Wortlaut der hebräischen Urfassung. Ich habe daher oben ausnahmsweise auf die Übersetzung von 2017 verlinkt.
Aber die historische Wahrheit ist vielleicht nicht die wichtigste. Die Erzählung von der Landnahme, unfassbar blutig und dabei gänzlich von Gott geführt, ist Dreh- und Angelpunkt des jüdischen und des christlichen Narrativs von der Verheissung Gottes. Die Idee vom „Gelobten Land“ hat viele Formen, aber hier ist die nackte Wurzel: Land, das anderen gehört. Sie müssen vertrieben, notfalls auch getötet werden, um es in Besitz zu nehmen. Man kann das sehr wörtlich nehmen. Die Nordamerikaner taten es in der Vergangenheit und die Deutschen auch, auf der Suche nach ihrem „Lebensraum im Osten“. Heute ist die Vorstellung in Teilen der israelischen Gesellschaft fest verankert. Und ein Ministerpräsident steht unter Anklage wegen Kriegsverbrechen.
Ich bin traurig. Vor einigen Tagen sprach ich mit meiner Tochter darüber, ob und wie die in der Bibel erzählte Landnahme zum Heilsplan Gottes gehören kann. Ich sagte ihr, dass der archäologische Befund durchaus im Widerspruch zu den Erzählungen in den Büchern Josua und Richter steht. Es gibt keine Spuren großer Vernichtungswellen. Aber sie bestand darauf, dass die biblische Erzählung in allen Punkten wahr sei. Gott habe sich geändert. Er hat seinen Sohn für uns gegeben — die Sintflut, Sodom, Jericho und Horma sind Vergangenheit. Sein Heiliger Geist ist Gegenwart.
Gott hat sich geändert? Oder unser Blick auf ihn, den ewig gleichen? Welcher Blick gilt? Beide?
Sein Segen sei mit uns und führe uns in ein besseres Land, das wir errichten und niemandem wegnehmen. Mit seiner Kraft und seiner Hilfe. Ich wünsche uns allen einen gesegneten ersten Advent!
Ulf von Kalckreuth