Wohl dem, den du, HErr, züchtigst und lehrst ihn durch dein Gesetz,…
Ps 94,12
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Wohl dem, den du züchtigst…?
Ich habe es ungewöhnlich lange vor mir hergeschoben, mich um diesen Vers zu kümmern. Jetzt ist Freitagabend, es muß sein. Der Psalm beginnt so:
HERR, du Gott der Vergeltung,
du Gott der Vergeltung, erscheine!
Erhebe dich, du Richter der Welt;
vergilt den Hoffärtigen, was sie verdienen!
Damit ist der Ton gesetzt. Und hier ist der unmittelbare Kontext unseres Verses:
Wohl dem, den du, HERR, in Zucht nimmst
und lehrst ihn durch dein Gesetz,
ihm Ruhe zu schaffen vor bösen Tagen,
bis dem Gottlosen die Grube gegraben ist.
Hier geht es jemandem sehr schlecht. Er ist an seine Grenzen gelangt, die Fundamente wanken, und im Gespräch mit Gott sucht er, was ihm hilft. Im Satz oben gibt es zwei Gedanken. Zum einen dieser: Schwierige Zeiten schaffen Zucht. Sie lenken den Blick aufs Wesentliche und erziehen zur Ruhe. ‚Zucht‘ ist mit „züchtigen“ konnotiert, aber auch mit dem ruhigen Ertragen von Beschränkungen.
Ausserdem gibt es einen Blick auf das verhasste Gegenbild: den Gottlosen, der sich um Beschränkungen nicht kümmert, dem alles gelingt und dessen Erfolg ihn sehr leicht zum Vorbild machen könnte für den Gottesfürchtigen. Wir alle wollen ein schönes Leben haben, und nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Wie an vielen anderen Stellen im Psalter wird dieser Erfolg als Trugbild denunziert. Den Gottlosen erwartet ein furchtbares Ende.
Brauche ich die Vorstellung, dass es den Superreichen schlecht ergehen wird, die alles haben: Frauen, Geld, Macht, Frauen, Bestätigung, Gesundheit, Frauen, die Angst in den Augen der anderen, das Wissen, Wichtiges bewegen zu können? Jenen Menschen, die sich als so offensichtlich wertvoll erweisen in dem was sie sind und können und tun? Merkwürdig, ich hatte diesen Satz zunächst als verneinte Aussage begonnen — „Ich brauche nicht…“ und mußte dann ein Fragezeichen anhängen. Vielleicht brauche ich diese Vorstellung nicht, aber tatsächlich habe ich sie. Und vielleicht ist sie falsch.
Die Vorstellung von Not, die Zucht schafft und einen Blick für das Wesentliche, ist mir persönlich viel näher. Das habe ich von meinem Vater gelernt, und ich versuche, es meinen Kindern weiterzugeben. Du bist reich, wenn du nichts brauchst. Auch das ist bemerkenswert: Not kann ja Zusammenbruch bedeuten, Leib und Seele zerrütten, menschliche Beziehungen zerstören und das Grundvertrauen, mit dem unser Gottvertrauen so viel zu tun hat.
Es hat viel mit Gott und mit uns selbst zu tun, was wir aus unserer Not machen können. Wem bin ich selbst ähnlicher? Dem Gottesfürchtigen in Not oder dem Gottlosen, der alles hat? Passe ich noch durchs Nadelöhr?
Schwierig, nicht wahr? Aber jetzt habe ich es zu Papier gebracht. Wenn ich nun den Vers nochmals lese, fällt mir ein anderer Psalmvers ein, den ich sehr liebe: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Vielleicht haben beide denselben Verfasser.
Der Herr sei mit uns in der Woche, die vor uns liegt.
Ulf von Kalckreuth