Bibelvers der Woche 36/2024

…aber der HErr nahm mich von der Herde und sprach zu mir: Geh hin und weissage meinem Volk Israel!
Amos 7,15

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Vom Umgang mit dem Untergang

Zunächst einmal der vollständige Satz (Vers 14+15), nach der Lutherbibel 1984:  

Amos antwortete und sprach zu Amazja: Ich bin kein Prophet noch ein Prophetenjünger, sondern ich bin ein Hirt, der Maulbeeren züchtet. Aber der HERR nahm mich von der Herde und sprach zu mir: Geh hin und weissage meinem Volk Israel!

Die Geschichte, in die wir hier hineinplatzen, spielt im Nordreich Israel, während der Regierungszeit von König Jerobeam, einige Jahrzehnte vor der Vernichtung des Reichs durch die Assyrer. Der Herr hatte Amos berufen, prophetisch zu sprechen. Er war Viehzüchter und zog Maulbeeren. Zu den beamteten und bestallten Propheten an Hof und Tempel gehörte er nicht. Er kam aus Juda, predigte jedoch in Beth-El, dem Tempel des Nordreichs. 

Und er predigt den Untergang — des Nordreichs, aber auch der umliegenden Länder und Regionen. Unheilbare moralische Verderbtheit, vor allem der Oberschicht und des Königshauses, ist der Hintergrund. Der Herr, so spricht Amos, hat die Geduld verloren. Die Erwählung schützt nicht mehr, sie ist im Gegenteil für Gott jetzt Anlass, besonders genau hinzusehen.  

Entsetzt und erbost wendet sich Amazja, der Hohepriester von Beth-El, an König Jerobeam. Wohl mit dessen Rückendeckung verweist er dann Amos des Landes und verbietet ihm alles prophetische Reden im Nordreich. Amos antwortet sinngemäß: ‚Was ich tue, ist mir nicht in die Wiege gelegt, ich bin mitnichten ein „echter“ Prophet. Aber was ich euch gebe, ist nicht mein Wort, sondern das des Herrn‘. Und dann, bevor er geht, fasst er vor Amazja seine Vision zu Israel zusammen und sagt dessen persönlichen Untergang voraus. 

Filmreif eigentlich. Amos gibt das Wort des Herrn weiter, verliert alles und wird ausser Landes gejagt. Immer wieder erzählt die Bibel von den traumatischen Erfahrungen ihrer Propheten. Wie geht man um mit dem Wort, wenn man es bekommt, wie eine heiße Kartoffel? Ein kleines Echo davon habe ich gerade kennengelernt. Ich zog diesen Vers, las nach und sah, dass er von Israels Untergang handelt. Da fiel mir Netanjahu ein, Gaza, die Hamas, der Vers der vergangenen Woche, die Bomben, die Hisbollah, die Raketen, die militanten Siedler, und meine erster Gedanke war: Nein, zu diesem Vers schreibe ich nichts! Aber das wäre gegen alle Regeln, und ausserdem sah ich sofort, dass der Vers selbst es ausdrücklich verbietet. 

Wie in der letzten Woche also: lasst uns beten für Juden und Palästinenser und ihr gemeinsames Heiliges Land!
Ulf von Kalckreuth

P.S. Hier ist eine Illustration zum Vers von ChatGPT. Ich habe die KI gebeten, das Gespräch aus der Perspektive von Amos‘ Innenwelt zu illustrieren, den Untergang Israels vor Augen. Es ist keine ganz große Kunst, aber für jemanden, der selbst keine Innenwelt hat, macht sie das gut. Amos klammert sich an seinen Maulbeeren regelrecht fest. Auf diese Idee wäre ich nicht gekommen. Auch der Hintergrund ist interessant — Amos hat ein warmes Weiß, Amazja ein kaltes. Amos erinnert mich an David.

Amos wird von Amazja verbannt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert