Ein zänkisches Weib und stetiges Triefen, wenn’s sehr regnet, werden wohl miteinander verglichen.
Spr 27,15
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.
Abperlen lassen!
Es gibt für mich wenig schlimmeres als diese Streitereien, die aus dem blauen Nichts entstehen, ins blaue Nichts führen und in der Zeit dazwischen alle Beteiligten regelrecht aufreiben. Das Buch der Sprüche ist ein Schulbuch, und zwar ein besonderes. Es enthält Lehr- und Merksätze der Weisheitslehre zum Auswendiglernen, als Teil eines Curriculums, siehe den BdW 50/2020. Die Weisheitslehre war die Lehre der Lebenskunst. Die dazugehörigen Lektionen gab es mündlich, sie stehen uns nicht mehr zur Verfügung. Wir können aber versuchen, sie uns anhand der Merksätze zu erschließen. Hier ist zunächst die ganze Sinneinheit, zitiert aus der Lutherbibel 2017:
Ein zänkisches Weib und ein stetig tropfendes Dach, wenn’s sehr regnet, lassen sich miteinander vergleichen: Wer sie aufhalten will, der will den Wind aufhalten und will Öl mit der Hand fassen.
Der Vergleich mit dem tropfenden Dach findet sich auch in Sprüche 19,13: Ein törichter Sohn ist seines Vaters Herzeleid, und eine zänkische Frau wie ein stetig tropfendes Dach. Das Bild vom „Haschen nach Wind“ für vergebliches Tun kennen viele aus Prediger, einem eng verwandten und sehr eindrücklichen Text der Weisheitsliteratur.
Der Duden gibt ‚zänkisch‘ mit rechthaberisch, streitsüchtig und unverträglich wieder. Darüber hinaus hat das Wort im Deutschen eine Konnotation mit dem weiblichen Geschlecht. Als Anwendungsbeispiel gibt der Duden „zänkisches altes Weib“ an. Rechthaberische, streitsüchtige und unverträgliche alte Männer gibt es auch, aber einen zänkischen alten Mann würde man sich irgendwie weiblich vorstellen. So weit kann ich folgen, es gibt wohl wirklich eine weibliche Variante der Streitsucht. Aber die männliche ist nicht schöner, und auf sie würde der Vergleich mit dem Dach ebenso gut passen. Die geschlechtliche Konnotation ist somit überflüssig.
Im hebräischen Original steht ein Wort, das ‚zanken‘, ’sich streiten‘ bedeutet, aber auf eine Wurzel zurückgeht, die ‚richten‘, ‚Recht schaffen‘ bedeutet. Es geht also um Menschen, die sich zwanghaft im Recht wähnen, bzw. ihr Recht ständig durch andere verletzt sehen. Eigentlich sehr deutsch. Nicht einmalige Ausbrüche sind gemeint, sondern eine Verhaltenstendenz, die autonom und unveränderlich ist, eben wie ein stetig tropfendes Dach. Sichtbar wird das Tropfen nur bei Regen, undicht aber ist das Dach auch, wenn die Sonne scheint. Die Unfähigkeit, etwas ab- und von sich wegzuhalten ist gemeint. Und die Auseinandersetzung mit solchen Menschen, so der Vers, ist sinnlos und Zeitverschwendung
Aggressive Negativität hat etwas Sündhaftes. Sie trägt innere Unruhe und Unfrieden nach aussen und überträgt sie wie einen Virus auf Menschen der Umgebung. Diese sollten sich davon so frei wie nur möglich machen, die Ansteckung vermeiden — auch aus epidemiologischen Gründen: das Beziehungsgeflecht muß geschützt werden. Die Auseinandersetzung führt zu nichts.
Ich wünsche uns ein gesegnetes Pfingstfest, eine Woche in innerer Ruhe und Frieden, mit Gottes Hilfe,
Ulf von Kalckreuth