Als wir aber solches hörten, baten wir und die desselben Ortes waren, daß er nicht hinauf gen Jerusalem zöge.
Apg 21,12
Hier ist der Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.
Reise nach Jerusalem
Das ist eines unserer Cluster: Paulus auf der Reise nach Jerusalem, siehe auch die BdW 2018 KW 28 und 2018 KW 30. Die Anbindung an den Mutterboden, die judenchristliche Gemeinschaft mit Zentrum in Jerusalem, war schwach geworden. Paulus lässt in den griechischen Gemeinden für die „Heiligen“ in Jerusalem sammeln und will das Geschenk nach Jerusalem bringen, auf Ausgleich bedacht.
Paulus und seine Gefährten haben Griechenland hinter sich gelassen, sind an Zypern vorbeigefahren und über Tyrus ins Heilige Land nach Caesarea gelangt. Im Hause von Philippus, eines Führers der Christengemeinschaft (der übrigens vier Töchter hatte, „Jungfrauen, die alle prophetisch redeten“) begegnet er einem Propheten. Dieser nimmt Paulus Gürtel, bindet sich die Hände und sagt: „Den Mann, dem der Gürtel gehört, werden die Juden binden und den Heiden überantworten“. Und Paulus’ Gefährten sagen ihm: „Tu‘s nicht!“ — das ist der Vers.
Eines Propheten hätte die Warnung freilich nicht bedurft: Paulus selbst sieht in Apg 20,22ff die Katastrophe kommen, und auch seine Anhänger wussten Bescheid. Es war mit Händen zu greifen: schon in Ephesus und auf der weiteren Schiffsreise ging es um sein Leben. Paulus hatte Nichtjuden zu Anhängern des Gottes der Juden gemacht, in großem Stil, und ihnen gesagt, dass die Torah für sie nicht gelte, weil es im Kern nicht auf das Gesetz ankomme, sondern auf seine Überwindung in Jesus Christus. Eine neue Religion war im Entstehen. Das war schon für Judenchristen sehr schwierig. Für die Ultraorthodoxen“ unter den Juden öffnete Paulus die Heilsgemeinschaft der Juden für Menschen, die nicht dazugehören und gleichzeitig wurde das Gesetz diskreditiert. Und dies durch einen pharisäischen Schriftgelehrten — das war unerträglich!
Hier war also die Verabredung — alles ist vorbereitet, er wird erwartet, führt Geld mit sich und ein wichtiges Anliegen. Aber auch die konkrete Vorahnung der Katastrophe. Treffpunkt Jerusalem: dorthin führte auch die letzte Wanderung Jesu, der ebenfalls wusste, was ihn dort erwartete. Auch an Stephanus mag Paulus gedacht haben, dessen Tod er selbst beigewohnt hatte. War Paulus frei? Hätte er sich zu diesem Zeitpunkt, angesichts der Prophezeiung und der Bitte der Gefährten, für einen Abbruch entscheiden können? Mehrmals vorher ist er Situationen ausgewichen, die lebensgefährlich zu werden drohten.
Paulus setzt seine Reise nach Jerusalem fort, hinein in ein ungewisses Feld aus Dunkel und Licht; er hält seine Verabredung ein.
Mir hat der Vers ein wenig geholfen, mit dem BdW der letzten Woche umzugehen. Den Vers zu Paulus zog ich nämlich versehentlich beim Abspeichern des Verses zum Genozid an den Midianitern. Ich dachte kurz daran, Apg 21,12 als alternativen BdW für die KW 19 gelten zu lassen. Als ich mir diesen aber näher betrachtete, verstand ich, dass ich das nicht durfte.
Ich wünsche uns eine Woche, in der wir die Kraft haben, wichtige Verabredungen einzuhalten.
Ulf von Kalckreuth
Eine Antwort auf „Bibelvers der Woche 20/2019“