Wie viel, meint ihr, ärgere Strafe wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Testaments unrein achtet, durch welches er geheiligt ist, und den Geist der Gnade schmäht?
Heb 10,29
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Strafe Gottes
Unser Vers steht im Hebräerbrief und bereitet auf einen Abschnitt vor, der den Wert des Glaubens thematisiert. Ich stelle zunächst den umgebenden Text im Zusammenhang vor (28-31)
Wenn jemand das Gesetz des Mose bricht, muss er sterben ohne Erbarmen auf zwei oder drei Zeugen hin. Eine wie viel härtere Strafe, meint ihr, wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Bundes für unrein hält, durch das er doch geheiligt wurde, und den Geist der Gnade schmäht? Denn wir kennen den, der gesagt hat »Die Rache ist mein, ich will vergelten«, und wiederum: »Der Herr wird sein Volk richten.« Schrecklich ist’s, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.
Hier wird die Strafe benannt, die den trifft, der vom Glauben abfällt. Der Brief geht an eine Gemeinde, die auf dem Weg ist, zur Gesetzlichkeit des Judentums zurückzukehren und dabei Jesus Christus zu verlieren — so jedenfalls sieht es der unbekannte Verfasser.
In der jetzt vergangenen Woche war ich im Kino und habe „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ gesehen. Ein Film, der heimlich im Iran gedreht und nach der Flucht des Filmteams in Deutschland fertiggestellt wurde. Es zeigt, wie eine Familie zerbricht unter dem Druck, alles richtig machen zu müssen, alle Forderungen zu erfüllen. Am Ende stehen sich in einer Geisterstadt Vater und Tochter gegenüber, mit Pistolen in den Händen, und ein Schuss setzt der unerträglichen Spannung ein Ende. Es geht im Film nicht nur um Menschen und das Regime, es geht auch um den strafenden Gott — schrecklich ist’s, in die Hände es lebendigen Gottes zu fallen. Solche Worte fallen mehrfach.
Warum wird Abkehr vom Glauben bestraft?
Johannes sagt, dass wir im Glauben mit Jesus Christus eins werden und diese Einheit uns befähigt, wie er den Tod zu besiegen und zum Vater zu kommen. Jemand der diesen Weg ablehnt, und einen anderen Weg geht, muß ihn eben auch gehen.
Aber das ist nicht wirklich Strafe, es hat eher etwas kausal-mechanisches. Man kann nicht die Rettung ablehnen und ihrer dennoch teilhaftig werden. Wer sich mit Steinen beschwert in den See wirft, muß die Kleider ablegen, sonst stirbt er.
Der Text aber spricht klar von Strafe. Welchen Sinn hat Strafe? Sie kann den Bestraften an die Norm erinnern und darauf hinwirken, dass sie eingehalten wird. Oder sie kann diese Wirkung bei anderen entfalten. Eine Strafe in der anderen Welt kann nichts dergleichen bewirken. Wenn unser Hund sich daneben benimmt und eine Stunde später schilt ihn jemand, ist das völlig sinnlos, Das versuche ich der Familie zu erklären — der Hund hat die Begebenheit vergessen und weiss nicht, was los ist.
Ich kann mir einen liebenden Gott vorstellen, der nicht jeden retten kann. Aber einen liebenden Gott, der straft, wenn und wo es sinnlos geworden ist? Nicht aus Jähzorn, sondern aus Prinzip? Aus Gerechtigkeit? Wollen wir das vielleicht gerne so? In den Psalmen ist die Aussicht auf Bestrafung der Gottlosen, Frevler, Feinde oft kaum zu unterscheiden von der Hoffnung auf Erlösung.
Trägt Abkehr vom Glauben die Strafe in sich? Unter welchen Umständen?
Ich denke, Glauben bedeutet in erster Linie Vertrauen. Tröstend ist’s, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Aufgehoben zu sein.
Ulf von Kalckreuth
Die Art der Strafe, die sich auf die Abkehr vom Glauben bezieht, wird nicht beschrieben. Insofern scheint logisch, dass die Abkehr die Strafe schon in sich trägt bzw. unmittelbar nach sich zieht.
Das Fallen in die Hände des lebendigen Gottes oder das Sich-hinein-fallen-lassen kann kein Verderben bedeuten, da es ja eine Hinwendung zu Gott, also im weitesten Sinne Glauben, beschreibt.
Laut biblischem Befund ist die einzige Sünde, die nicht vergeben werden kann, die „Sünde wider den heiligen Geist“. So fasst die kirchliche Lehre eine Beschreibung aus dem Matthäusevangelium zusammen:
31 Darum sage ich euch: Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. 32 Und wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird’s nicht vergeben, weder in dieser noch in der künftigen Welt. (Mt. 12, 31+32)
Wer dies also absichtlich tut, kann nicht in Gottes Hände fallen, sondern nur ins Bodenlose…
Damit sind bestimmt nicht Fragen, Zweifel an einem vermeintlich abwesenden oder ungerechten Gott gemeint; die gehören nach Augustinus dazu.
Die Art der Strafe bleibt demnach in der Tat unerheblich; am Ende zählt, in wessen Hand wir fallen…
Gott möge uns behüten!