…und will die Städte deines Landes ausrotten und alle deine Festen zerbrechen.
Micha 5,10
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Dunkel im Licht, Kamel und Nadelöhr
Erschrecken Sie nicht — in der Wochenzählung hat 2026 bereits begonnen. Im Netz steht unser Vers im alten Jahr, aber die dazugehörige Woche gilt schon als die erste des neuen. „Zwischen den Jahren“ nennt man diese Zeit, die unbestimmte Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Und da habe ich den richtigen Vers für Sie gezogen.
Das Buch Micha ist sehr alt, Micha ist Zeitgenosse Jesajas und gehört zu den ‚kleinen Propheten‘. Das bezieht sich auf den Umfang der Schrift, der Abschnitt, aus dem wir gezogen haben, ist ausgesprochen prominent. Micha macht konkrete Aussagen über den Messias, den erwarteten Heilsbringer, und auch darüber, wo er zur Welt kommen wird: Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. (Micha 5,1)
Erinnern Sie sich an die Weisen aus dem Morgenland? Matthäus 2 berichtet, wie sie achthundert Jahre nach Micha von fern in die judäische Hauptstadt Jerusalem kommen, um dem neuen großen König zu huldigen, dessen Stern sie weit im Osten hatten aufgehen sehen. In Jerusalem wusste man nichts von einem neuen großen König der Juden. Herodes der Ältere, der Machthaber, befragt sehr besorgt seine Schriftgelehrten, wo denn dieser Heilsbringer zur Welt kommen solle. Mit Verweis auf Micha 5 antworten sie: in Bethlehem!
Etwas ist sonderbar. Nicht nur Herodes ist besorgt, das ist unmittelbar einsichtig, sondern seine ganze Umgebung: Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, (Mt 2,3). Warum das? Warum erschrecken die Menschen und freuen sich nicht, wie Maria sich freut, und Simeon, und die Hirten auf dem Feld?
Ich denke, es hat mit unserem Vers zu tun, und mit der Natur der Herrschaft des Messias und des Reichs Gottes. In Micha 5 steht viel Wunderbares zu lesen über die neue Zeit. Aber man liest dort ebenso deutlich, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. Das Umfeld unseres Verses lautet, bezogen auf die Zeit der Heraufkunft des Messias (Micha 9-13):
Zur selben Zeit, spricht der HERR, will ich deine Rosse ausrotten und deine Wagen zunichtemachen und will die Städte deines Landes vernichten und alle deine Festungen zerbrechen. Und ich will die Zauberei bei dir ausrotten, dass keine Zeichendeuter bei dir bleiben sollen. Ich will deine Götzenbilder und Steinmale aus deiner Mitte ausrotten, dass du nicht mehr anbeten sollst deiner Hände Werk, und will deine Ascherabilder ausreißen aus deiner Mitte und deine Städte vertilgen.
Keine neue Ordnung ohne den Untergang der alten. Irgendwie logisch. Das Muster ist uns in den vergangenen Wochen in den Versen 51/2025, 50/2025 und 47/2025, 42/2025 bereits begegnet. Ganz allgemein gibt es in der Bibel die Tendenz, als Voraussetzung für echten Wandel die Umkehrung der bestehenden Ordnung zu verlangen.
Welcher Begünstigte der bestehenden Ordnung wird ihren Umsturz wollen? Wenn es einem gut geht im Ancien Régime, warum sollte man sich eine Katastrophe wünschen, die der alten Ordnung den Garaus macht?
Ich verstehe das gut. Ich arbeite für den Staat, und ich bewege mich auf meine Pensionierung zu. Ich kenne kein Arbeitsplatzrisiko und kein nennenswertes Armutsrisiko mehr. Ich bin gesund. Ich habe allen Grund zur Dankbarkeit. Bin ich reich? Der Reichtum liegt nicht so sehr in bezifferbarem Vermögen als vielmehr in der Lebenslage. Sie zu ändern, würde alles gefährden…!
Aber dann — wie würde ich reagieren, wenn ich die Tür zum Reich Gottes einen Spalt offen stehen sähe? Wie würde ich auf die alte Welt blicken? Könnte ich den Schritt tun? Die Frage macht mir Sorge. Jesus sagte einmal, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gelange als ein Reicher in den Himmel. Über den Ausspruch wird viel gestritten, aber denke, ich weiß, was er meint und wen er meint. Und wenn das so ist, was soll man sich eigentlich wünschen, für sich selbst und für seine Kinder?
Die Aussicht aufs Reich Gottes: Dieser Tage steht es vor uns, schön und furchtbar zugleich, Sehnsuchtsort und Schreckensszenario. Wenn die Bibel von der neuen Welt erzählt, spricht sie immer auch vom Untergang der alten. Weihnachten hat seinen Platz als Licht in der Finsternis gerade in der dunkelsten Zeit. Kaum ein Prediger vergisst, das zu betonen. Aber da gibt es ein Gegenstück — das Dunkel im Licht. Den Menschen zu Jesu Zeit war das sehr bewußt.
Das ist er also, unser Vers zum Jahreswechsel und zur Woche zwischen den Jahren. Ich wünsche uns allen ein gesegnetes Neues Jahr. Im Vaterunser beten wir, dass der Herr uns nicht in Versuchung führe. So sei es. Amen, Gott sei mit uns.
Ulf von Kalckreuth

