Bibelvers der Woche 47/2024

Da ging auch der andere Jünger hinein, der am ersten zum Grabe kam, und er sah und glaubte es.
Joh 20,8

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Er kam, sah und glaubte? 

Es ist Ostern und das Grab ist leer. Die Jünger hatten es leichter als andere, zu glauben, könnte man meinen. Sie waren dabei, in der ersten Reihe sozusagen, erlebten ihren Meister live in Tod und Leben. Kann Glaube da ein Problem sein?

„Glauben heißt ’nicht wissen'“, hört man gelegentlich. Das greift zu kurz. Glauben ist gelebte Interpretation von Wirklichkeit. oder vielleicht besser: subjektives Wissen um die Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit. Und da hatten die Jünger kein Vorbild, niemand, in dessen Evangelium sie nachlesen konnten, um das dort Geschriebene dann zu glauben oder auch nicht. Sie mußten sich ihr Bild selbst schaffen. Jesus hatte Andeutungen gemacht, aber die hatten sie vollständig ignoriert. Mit Auferstehung hatte niemand gerechnet. 

Die Geschichte, in der unser Vers steht, gibt einen Eindruck davon, dass es ein Prozess war, der mühevoll und in Stadien verlief. Er kam, sah und glaubte — der Wortlaut unseres Verses kann isoliert einen falschen Eindruck vermitteln. Was nämlich der Jünger schließlich „glaubte“, war nur die einfache Tatsache, dass Jesus nicht mehr im Grab lag.  

Maria Magdalena war früh am Morgen zum Grab gekommen und hatte gesehen, dass der Stein weggewälzt und der Leib des Gekreuzigten verschwunden war. Sie hatte sofort eine Interpretation: jemand mußte den Leib aus dem Grab genommen haben. Sie lief zu den Jüngern und berichtete. Petrus und ein anderer Jünger, der, ‚den Jesus lieb hatte‘ — war es Johannes? — machten sich auf, um zu sehen, was geschehen war. Das Grab war eine Höhle, verschlossen mit einem großen Stein. Der Eingang war nun aber frei und nachdem Petrus sich im Grab umgetan hatte, überzeugte sich auch der andere Jünger.  

Mitnichten aber von der Auferstehung, nur davon, dass etwas Ungewöhnliches geschehen war. Maria ist immer noch der Überzeugung, dass jemand den Leichnam herausgenommen habe. Sie sieht Engel und befragt sie. Dann sieht sie einen fremden Mann und wendet sich an ihn, sie hält ihn für einen Gärtner. Der Fremde spricht nur ein Wort, ihren Namen. Sie wendet sich ihm zu. Ein bittersüßer, unendlich kostbarer Augenblick. Und sie antwortet, nur ein Wort auch sie: Rabbuni — Meister. 

Die Jünger sind in diesem Moment noch weit entfernt von einem Glauben an so etwas Unerhörtes wie die Auferstehung des vor ihren Augen zu Tode geschundenen Menschen. Erst in den nächsten Tagen und Wochen wird sich ein neues Weltbild durchsetzen, immer wieder angezweifelt: im Erleben Einzelner und im Austausch in der Gemeinschaft. 

Herr, hilf uns sehen, was wir vor Augen haben!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 46/2024

Da aber Jakob sah Rahel, die Tochter Labans, des Bruders seiner Mutter, und die Schafe Labans, des Bruders seiner Mutter, trat er hinzu und wälzte den Stein von dem Loch des Brunnens und tränkte die Schafe Labans, des Bruders seiner Mutter.
Gen 29,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Die Frau, die Herde, der Brunnen

Hier kondensiert die ganze Geschichte — in einem einzigen Bild. Jakob, der Flüchtling, sieht Labans Tochter Rahel, und er begehrt sie sofort. Für sie wird er 14 Jahre lang dienen. Und Jakob sieht die Schafe Labans. An ihnen wird er sich abarbeiten müssen während dieser vielen Jahre. Aber Labans Tochter wird seine Frau sein, und sie wird ihm Söhne schenken, und Labans Schafe werden ihn reich machen. So wird es sein. Hier, mit diesem Vers, bricht Jakob in die Szene ein. Er kennt niemanden, und das Drehbuch hat er noch nicht verstanden. Er sieht die Frau und die Herde. Die Herde kommt auf ihn zu, die Frau sieht ihn an. Er bringt beides zusammen und greift ein: gegen die Regel und zu seinem Vorteil. 

Dabei ist die Regel wertvoll,. Das wenige Wasser soll gerecht geteilt werden zwischen allen, die ein Anrecht darauf haben, ohne gewalttätigen Streit, und ohne dass jeder früher dort sein muss als die anderen. Deshalb liegt ein Stein auf dem Brunnen, der erst entfernt wird, wenn alle Herden da sind. Jakob sieht, dass Rahels Schafe bis zum Abend noch einige Zeit weiden könnten, wenn man sie jetzt tränkt. Er will die junge Frau beeindrucken und sich dem Onkel zu empfehlen, den er noch gar nicht kennt. Die Regel drückt er beiseite: Er tritt zum Brunnen und deckt ihn auf. In der Bilderwelt des Alten Testaments hat das eine erotische Konnotation.  

Diese Miniatur charakterisiert Jakob perfekt. Auf dem Weg zu dem, was er will, wird Jakob immer wieder Regeln brechen. Der Showdown mit Laban, viele Jahre später, ist ein zweites Bild, in dem alles zusammenläuft, siehe BdW 15/2921.

Jakob sieht. Er kann gar nicht erkennen, was er sieht. Träume sind mächtig. Sie prägen unser Schicksal. Und sie tragen die Tendenz in sich, Wirklichkeit zu werden. Der Herr lasse uns sehen. Und er gebe uns das Gespür für die rechten Mittel. 
Ulf von Kalckreuth 

P.S. Das Bild steht ja eigentlich schon. Deshalb habe ich mit GhatGPT an einer Illustration gearbeitet. Es hat ein wenig gedauert, aber ich finde, wir haben es recht gut gemacht. 

Bibelvers der Woche 45/2024

Das tat Benaja, der Sohn Jojadas, und war berühmt unter drei Helden
1 Chr 11,24

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Held, Superheld, Auftragsmörder

Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein ?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?

So dichtet Brecht in den „Fragen eines lesenden Arbeiters“. Die große Herrscherfigur im Alten Testament ist David, und die Bibel nennt, die mit ihm waren, jedenfalls die Großen unter ihnen. 1 Chr 11 unterscheidet zwei Klassen von Mitstreitern: die „drei Helden“ und — den drei Helden nicht gleich — weitere „dreissig Helden“. Wenn man den gezogenen Vers liest, sollten man glauben, dass Benaja, der Sohn Jojadas, zu den drei Superhelden gehört. Zu Unrecht.  

Zu Beginn des Kapitels werden zwei der drei Superhelden mit Namen genannt, und ihre Taten aufgezählt. Der Name des dritten bleibt offen. Aber Benaja ist es nicht. Nach dem gezogenen Vers geht der Satz weiter (Lutherbibel 1912) …und war der herrlichste unter den dreißig; aber an jene drei kam er nicht. Die Helden werden auch in 2. Sam 23 genannt, dort hält den Platz des dritten Superhelden ausdrücklich ein anderer inne. Im hebräischen Original steht „berühmt unter drei Helden“, wie oben in der Übersetzung von 1912, aber neuere Bibelübersetzungen geben es mit „berühmt unter den dreissig Helden“ wieder. Ein Schreibfehler im Original womöglich: Als Held ist Benaja Klasse 2. 

Vielleicht, weil er auch Auftragsmörder war? So würde man es heute nennen. Benaja zieht eine Blutspur durch das Reich. Auf Geheiß Salomos tötet er Adonja, einen älteren Sohn Davids, der sich zwischen Salomo und den Thron zu schieben drohte. Er bringt Joab um, einen General Davids, der Adonja unterstützte. Mit Joab trifft es allerdings jemanden, dem es wahrlich gut anstand, durch das Schwert zu sterben, siehe den BdW 21/2023 für eine grausige Geschichte. Schließlich tötet Benaja auch Schimi, den letzten Vertreter der Dynastie Sauls, wiederum im Auftrag Salomos. Dabei macht er steile Karriere. Von David wird er zum Chef der Leibwache ernannt, von Salomo zum Heerführer befördert. Man kann sich gut vorstellen, wie gefürchtet er war in seiner Umgebung. Vielleicht ist das die verborgene Bedeutung des gezogenen Verses.

Wie ich hier sitze und schreibe, kann ich die frohe Botschaft nicht recht sehen. Die Fähigkeit dazu ist bei anderen Kommentatoren stärker ausgeprägt… Ja, mag man sagen, so war sie eben, die Eisenzeit. Viele hundert Jahre später aber begannen Juden davon zu träumen, dass das Reich Davids wiedererstehen möge. Ein Messias wurde erwartet, ein Sohn Davids. Und immer wohl hatte man auch die Hoffnung, dass Menschen wie Joab und Benaja in diesem Reich nicht gebraucht würden. 

Der Herr sei mit uns in der Woche, die vor uns liegt!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 44/2024

Wohl dem, den du, HErr, züchtigst und lehrst ihn durch dein Gesetz,
Ps 94,12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Wohl dem, den du züchtigst…?

Ich habe es ungewöhnlich lange vor mir hergeschoben, mich um diesen Vers zu kümmern. Jetzt ist Freitagabend, es muß sein. Der Psalm beginnt so: 

HERR, du Gott der Vergeltung,
du Gott der Vergeltung, erscheine!
Erhebe dich, du Richter der Welt;
vergilt den Hoffärtigen, was sie verdienen!

Damit ist der Ton gesetzt. Und hier ist der unmittelbare Kontext unseres Verses: 

Wohl dem, den du, HERR, in Zucht nimmst
und lehrst ihn durch dein Gesetz,
ihm Ruhe zu schaffen vor bösen Tagen,
bis dem Gottlosen die Grube gegraben ist.

Hier geht es jemandem sehr schlecht. Er ist an seine Grenzen gelangt, die Fundamente wanken, und im Gespräch mit Gott sucht er, was ihm hilft. Im Satz oben gibt es zwei Gedanken. Zum einen dieser: Schwierige Zeiten schaffen Zucht. Sie lenken den Blick aufs Wesentliche und erziehen zur Ruhe. ‚Zucht‘ ist mit „züchtigen“ konnotiert, aber auch mit dem ruhigen Ertragen von Beschränkungen. 

Ausserdem gibt es einen Blick auf das verhasste Gegenbild: den Gottlosen, der sich um Beschränkungen nicht kümmert, dem alles gelingt und dessen Erfolg ihn sehr leicht zum Vorbild machen könnte für den Gottesfürchtigen. Wir alle wollen ein schönes Leben haben, und nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Wie an vielen anderen Stellen im Psalter wird dieser Erfolg als Trugbild denunziert. Den Gottlosen erwartet ein furchtbares Ende.

Brauche ich die Vorstellung, dass es den Superreichen schlecht ergehen wird, die alles haben: Frauen, Geld, Macht, Frauen, Bestätigung, Gesundheit, Frauen, die Angst in den Augen der anderen, das Wissen, Wichtiges bewegen zu können? Jenen Menschen, die sich als so offensichtlich wertvoll erweisen in dem was sie sind und können und tun? Merkwürdig, ich hatte diesen Satz zunächst als verneinte Aussage begonnen — „Ich brauche nicht…“ und mußte dann ein Fragezeichen anhängen. Vielleicht brauche ich diese Vorstellung nicht, aber tatsächlich habe ich sie. Und vielleicht ist sie falsch.

Die Vorstellung von Not, die Zucht schafft und einen Blick für das Wesentliche, ist mir persönlich viel näher. Das habe ich von meinem Vater gelernt, und ich versuche, es meinen Kindern weiterzugeben. Du bist reich, wenn du nichts brauchst. Auch das ist bemerkenswert: Not kann ja Zusammenbruch bedeuten, Leib und Seele zerrütten, menschliche Beziehungen zerstören und das Grundvertrauen, mit dem unser Gottvertrauen so viel zu tun hat.

Es hat viel mit Gott und mit uns selbst zu tun, was wir aus unserer Not machen können. Wem bin ich selbst ähnlicher? Dem Gottesfürchtigen in Not oder dem Gottlosen, der alles hat? Passe ich noch durchs Nadelöhr?

Schwierig, nicht wahr? Aber jetzt habe ich es zu Papier gebracht. Wenn ich nun den Vers nochmals lese, fällt mir ein anderer Psalmvers ein, den ich sehr liebe: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Vielleicht haben beide denselben Verfasser.

Der Herr sei mit uns in der Woche, die vor uns liegt.
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 43/ 2024

Und der HErr redete mit Mose und sprach:…
Num 3,11

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Was will Gott von mir?

Diesen Vers hatten wir schon einmal, als BdW 51/2018. Naja, nicht wirklich, wenn man darüber nachdenkt, wir hatten Num 5,1, und dort standen dieselben Worte in einem anderen Kontext, will sagen: der HErr spricht anschließend etwas anderes. Ich habe mir damals Gedanken über den Wortlaut des Verses gemacht, losgelöst vom Kontext, und über die drei sprachlichen Perspektiven, die in diesem Satz zusammenlaufen. Gucken Sie gern einmal darauf. Auch eine Variante gab es: BdW 48/2021 zum Aussatz von Häusern: „Und der HErr redete mit Mose und Aaron und sprach…“ 

Ich darf also hier über den Inhalt dessen nachdenken, was Gott zu Mose sagt. Es geht um den Dienst der Leviten. Die Nachkommen Levis, des dritten der Söhne Jakobs, waren dem Tempeldienst geweiht, siehe Dtn 18,1ff.  Sie besaßen kein Land, statt dessen hatten sie Rechte auf die Opfer, die die Israeliten brachten. 

Dieser Dienst wird hier begründet, und zwar auf spezielle Weise. Gott erhebt grundsätzlich Anspruch auf alle männliche Erstgeburt, siehe Ex 13,2ff und Num 3,3ff. Bei Tieren geschieht dies durch ein Opfer. Wertvolle Tiere können ausgelöst werden. Die Erstgeburt wird dann durch ein geringerwertiges Tier ersetzt. Beim Menschen muß die Erstgeburt immer ausgelöst werden. In älterer Zeit geschah dies durch Zahlung von 5 Schekel Silber. Zur Zeit Jesu war die Opferung zweier Tauben üblich — siehe den Bericht in Lk 2,22ff zur Darstellung Jesu im Tempel. Mit dem auf unseren Vers folgenden Satz begründet Gott den Dienst der Leviten, indem er sie als Ersatz für die eigentlich geschuldete Erstgeburt in Anspruch nimmt: „Siehe, ich habe die Leviten genommen aus den Israeliten statt aller Erstgeburt, die den Mutterschoß durchbricht in Israel, sodass die Leviten mir gehören sollen“. In den Versen 40ff. wird die Auslösung detailliert nachvollzogen. 

Bei den Leviten besteht mithin eine besondere Dienstpflicht qua Geburt, die für ein älteres Eigentum steht, das Gott an allen männlichen Erstgeborenen hat. Ich erinnere mich noch, wie ich in der Bibel davon las, dass Erstgeborene im Grundsatz dem Herrn als Opfer zustehen. Ich war fünfzehn und bin erster Sohn. Von der Pflicht, die Erstgeburt auszulösen, las ich auch. Aber was bedeutet der originäre, uralte Anspruch? Und war ich wirklich ausgelöst? Die Erzählung von der Opferung Isaaks war mir gegenwärtig. 

Ich habe nie darüber gesprochen — erst hier und jetzt mit Ihnen. Mein Vater hat die 5 Schekel Silber gewiss bezahlt, auf seine eigene Weise. Und Christen dürfen getrost sein , mit dem Opfertod Jesu ausgelöst zu sein. Jesus war übrigens erstgeborener Sohn und Paulus nennt ihn den „Erstgeborenen der Schöpfung“, Kol 1,15. Hier geht es um eine Schuld, die nichts zu tun hat mit Verstrickung in Sünde. Sie besteht gewissermaßen a priori — bei den Leviten wie bei den Erstgeborenen, vielleicht bei allen Menschen. Verschwindet solche Schuld durch Auslösung oder wandelt sie sich nur? 

Was will Gott von mir? Ich hoffe, Sie halten mich nicht für verrückt. 

Der Herr sei mit uns in der Woche, die vor uns liegt.
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 42/2024

Das Salz ist ein gutes Ding; wo aber das Salz dumm wird, womit wird man’s würzen?
Lk 14,34

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Dummes Salz

Der Vers wirkt durchaus rätselhaft. In dem Abschnitt, aus dem er stammt, geht es um Nachfolge, und im Zusammenhang lautet er (in der Übersetzung von 1984):

Das Salz ist etwas Gutes; wenn aber das Salz nicht mehr salzt, womit soll man würzen? Es ist weder für den Acker noch für den Mist zu gebrauchen, sondern man wird’s wegwerfen. Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Auch in Matthäus 5,13 ist der Vers zu finden, in der Bergpredigt. Dort ist der bekannte Satz vorangestellt: „Ihr seid das Salz der Erde!“

Luther übersetzt, dass das Salz „dumm“ werden könne, andere übersetzen „töricht“. Ich bin des Griechischen nicht kundig, aber ich habe mir von meiner Frau sagen lassen, dass dies die Hauptbedeutung des zugrundeliegenden Verbs ‚morantä‘ ist — sich als töricht erweisen. Es gibt eine Nebenbedeutung: „fade werden, den Geschmack verlieren“. Die moderne Übersetzung oben greift darauf zurück.

Das ergibt Sinn, auf den ersten Blick jedenfalls, aber dann fragt man sich: Wie kann Salz denn aufhören, salzig zu sein? Im Internet ist zu lesen, dass in Judäa das Salz vom Toten Meer komme und die sonderbare Eigenschaft habe, nach einiger Zeit seinen Geschmack zu verlieren. Naturwissenschaftlich orientierte Menschen melden sich zu Wort und sagen, dass Salz seine chemischen Eigenschaften behalte, solange es Salz sei. Punkt,

Das ist wohl der Schlüssel. Jesus liebte Antinomien, Widersprüche. Salz kann gar nicht aufhören, salzig zu sein, sonst ist es kein Salz. Salz würzt Speisen nicht nur, sondern macht sie haltbar. Das war von überragender Bedeutung, als es zur Konservierung kaum andere Möglichkeiten gab. Salz hatte einen ungeheuren ökonomischen Wert. Die Nachfolger Jesu sollen präsent sein und erkennbar bleiben, bewahren und forttragen. Sie sollten den Unterschied machen, so lese ich es — und sie können auch gar nicht anders, sonst wären sie keine Nachfolger.

Ja. Vielleicht kann man das verallgemeinern. Wenn wir aufhören, in die Welt als das zu gehen, was wir sind, sind wir wie salzloses Salz, ein Widerspruch in sich, unnütz — dumm, töricht? — ein Ärgernis jedenfalls. 

Gottes Segen sei bei uns in dem, was wir sind — so sind wir gewollt,, etwas anderes können wir letztlich nicht sein, und wenn wir’s versuchen, sind wir nichts.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 41/2024

Denn gleichwie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein.
Mat 12,40

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Das Zeichen des Jona

In diesem Vers erläutert Jesus öffentlich eines seiner Bilder. Das tut er sonst nicht, Erläuterungen gibt er nur seinen engsten Gefährten.

Jesus wird von den Pharisäern mit der Forderung nach „Zeichen“ konfrontiert — wunderbaren Geschehnissen oder göttlichen Offenbarungen, welche die Wahrheit seiner Botschaft belegen.

Diese Forderung verstehe ich gut. Ich bin Wissenschaftler und habe gelernt, zu akzeptieren, was von mehreren unabhängig beobachtet werden kann oder aus solchen Beobachtungen logisch folgt, was denknotwendig ist, oder — und hier wird es bereits kritisch — eine plausible und von vielen geteilte Erklärung dessen ist, was beobachtet werden kann. Mit anderem mag man prüfend sich befassen, aber man wird es nicht zum Kernbestand dessen fügen, womit die Wissenschaft die Welt erklärt. 

Eine Freundin aus alten Tagen, promovierte Naturwissenschaftlerin, ist engagierte Atheistin. In ihrer Realität gibt es keine Anker für die Existenz eines persönlichen Gottes.

Jesu Antwort auf die Bitte um ein Zeichen ist schroff. Dieses Geschlecht — damit meint er seine Zuhörer — ist in seiner Bosheit und Arroganz unerträglich und nun fordern sie auch noch Zeichen. Sie werden keines bekommen, „es sei denn das Zeichen des Propheten Jona“. 

Was ist hier gemeint? In unserem Bibelvers wird eine Erklärung hinterhergeschoben: so wie Jona drei Tage im Walfisch verbrachte, um dann wieder ans Land zurückzukehren, wird er, der Menschensohn, drei Tage unter der Erde sein, bevor er zur Welt zurückkehrt. 

Diese Erklärung können die Pharisäer unmöglich verstehen, denn Tod und Auferstehung haben ja noch gar nicht stattgefunden. Antwortet Jesus mit dem Ziel, nicht verstanden zu werden? Der Text ergibt mehr Sinn, wenn man die Erklärung wegläßt. Denn die drei Tage und Nächte im Walfisch waren ein Zeichen für Jona, der vor seiner Aufgabe fliehen wollte, siehe den BdW 01/2023. Niemand sonst war dabei und konnte es erleben.

Das Zeichen des Jona, das Zeichen, das dieser selbst gab, war etwas anderes: mit Gottes Hilfe war er imstande, eine ganze, denkbar gottesferne, zynisch und brutal handelnde altorientalische Großdespotie zu bekehren. Er ging mitten hinein in die assyrische Hauptstadt Ninive, ein antiker urbaner Moloch, und begann zu predigen, den raschen Tod vor Augen. Und er hatte umwerfenden, wirklich wunderbaren Erfolg. Erfolg, den jeder sehen konnte. Diese Leute aus Ninive, so spricht Jesus weiter, würden am Jüngsten Tag zu Anklägern der Pharisäer, denn jene hätten es um so vieles leichter, ihre Wege zu ändern. 

Und genau so — ohne den eingeschobenen Verweis auf Tod und Auferstehung — steht die Geschichte in Lk 11,29-32

Das Zeichen, das Gott uns Fragenden gibt, wäre dann also überzeugende, zu Herzen gehende vom Geist inspirierte Predigt. Auf manche Menschen wird sie wirken. Es mögen gar hartgesottene Assyrer darunter sein. An anderen wird sie vorbei gehen. Gott spricht, sagte ich meiner Freundin. In der Bibel und in unserem Leben. Ich gab ihr eine Einzelausgabe des Buch Genesis. Einige Leser mögen nun wissen, was ich ihr statt dessen hätte geben sollen, aber dieses Buch und diese Ausgabe hatte mich selbst einst zu Gott geführt, vor 18 Jahren, in einem Flugzeug, und davon hatte ich ihr erzählt. Sie las also das Buch, die Sache war ihr wichtig und sie ging den Dingen gern auf den Grund. Aber sie konnte nichts damit anfangen. Ich sagte ihr, dass Gott wirklich zu uns spreche: persönlich, unmissverständlich manchmal. Das sei zwar nicht „intersubjektiv nachprüfbar“, wie es bei Wissenschaftlern heißt, aber für mich und meinem Glauben ist es so fundamental wie die Bibel. Das hat sie durchaus akzeptiert, was mich betrifft. aber zu ihr spreche Gott eben nicht, sagte sie. Wir waren in verschiedenen Welten, konnten nicht wirklich miteinander reden und waren beide etwas traurig. 

Das liegt wieder sehr in der Nähe der am Ende etwas fatalistische Betrachtung zum BdW 39/2024 vor zwei Wochen. Christen sagen, dass das Heil nur jenen zuteil wird, die es glaubend ergreifen. Das wirkt etwas willkürlich und auch zirkulär —  wer es nicht sieht, für den ist es nicht da. Irgendwie haben in ihrer jeweiligen Welt beide recht, meine Freundin und ich. Ist das nicht wie Gefangenschaft in einer Todeszelle? Biblisch ist das gut verankert, z.B. in Römer 9, 14ff oder Mat 25,29, und ich leide unter dieser Vorstellung, ich komme nicht zurecht damit. Ich bitte den Herrn inständig, nicht auf das zu sehen, was seine dummen Kinder mit ihrem Kopf denken und für wahr oder falsch halten, sondern auf das, was in ihren Herzen ist.

Bei aller Schroffheit: Jesus verspricht uns etwas, hören Sie es? Das Zeichen des Jona — das ist machtvolle Predigt, Verkündigung, die die Herzen selbst der Assyrer erreicht. Mögen wir solche Predigt hören, bald. Möge sie nach Gaza dringen, nach Tel Aviv, nach Beirut, nach Teheran, nach Moskau und nach Washington. Und auch zu meiner Freundin, einer guten Frau.

Machtvolle Predigt hin zu einer neuen Welt. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 40/2024

Er sprach: Ich will dir einen Ziegenbock von der Herde senden. Sie antwortete: So gib mir ein Pfand, bis dass du mir’s sendest.
Gen 38,17

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Wer es sagt, ist’s selber…!

Eine schmutzige Geschichte, keine, die unmittelbar das Herz erheben könnte. Aber unser Vers steht mitten darin und spielt dort eine Schlüsselrolle, und so muß ich sie ganz erzählen. Bitte bleiben Sie dran, ich glaube, es lohnt sich!

Juda, der Sohn Jakobs und Stammvater Davids, hat drei Söhne. Sein ältester Sohn, Er, heiratet Tamar. Aber bald darauf stirbt er, und Tamar ist Witwe. Juda gibt ihr seinen zweiten Sohn, Onan, zum Mann. Eine sogenannte Leviratsehe zur Sicherung der Witwe, der Erbfolge und der Verbindung zweier Familien: Starb ein verheirateter Mann kinderlos, so mußte sein Bruder die Witwe zur Frau nehmen und an seiner Stelle für Nachwuchs sorgen. Der erste Sohn galt als Kind des Bruders, siehe Dtn 25,5-10. 

Onan aber will seine Pflicht nicht erfüllen. Im ehelichen Verkehr mit Tamar läßt er seinen Samen „auf die Erde fallen und verderben“. Coitus interruptus — wenn wir heute von ‚Onanie‘ sprechen, benutzen wir eigentlich ein falsches Wort. 

Dem Herrn ‚mißfiel dies‘, schreibt die Bibel, und er läßt auch Onan sterben. Nun müsste Juda eigentlich Tamar seinen jüngsten Sohn Schela zum Mann geben. Aber er hat Sorge, dass auch sein dritter Sohn sterben könnte. Er sagt Tamar, sie könne Schela heiraten, wenn er groß geworden sei. Bis dahin möge sie bitte bei ihrem Vater bleiben. Viele Jahre gehen ins Land, Judas Frau stirbt und Tamar versteht, dass dieses Versprechen auf immer ein Versprechen bleiben soll. Juda verweigert Tamar „seinen Samen“, wie in Genesis die Nachkommenschaft eines Mannes genannt wird — im Grunde wie sein Sohn Onan.

Tamar ist in der Ecke, scheinbar ohne Handlungsmöglichkeiten, in völliger Passivität. Im Hause ihres Vaters soll sie warten, bis Schela kommt. Sie ist mit ihm verlobt und die Verpflichtungen aus ihren beiden Ehen gelten fort. Sie kann nicht einmal einen anderen Mann suchen. So geht es viele Jahre. Ihre Uhr tickt, immer lauter. Schließlich bricht sie aus und holt sich Judas Samen auf eigene Art.

Sie setzt sich an den Weg, auf dem Juda kommen muss, der einen Freund besuchen will. Tamar trägt einen Schleier und macht sich unkenntlich. Juda hält sie für eine Prostituierte und will sich ihr nähern. Er einigt sich mit ihr über den Preis, den er allerdings nicht an Ort und Stelle bezahlen kann. Sie bittet um ein Pfand — das ist unser Vers! — und er hinterlässt ihr seine Siegelkette, seine Schnur und seinen Stab. Die Insignien seiner Stellung als Patriarch. Es ist fast, als habe er seinen Personalausweis als Pfand gegeben. 

Sie verkehren miteinander und Juda geht seiner Wege. Tamar taucht ab. Als Judas Freund sie sucht, um den verabredeten Preis zu entrichten, weiß niemand von ihr — nie war an diesem Ort eine Prostituierte tätig. Tamar war ins Haus ihres Vaters zurückgekehrt, und sie ist schwanger. Bald sehen es die Leute, und sie hinterbringen es Juda: Deine Schwiegertochter hat gehurt und bekommt ein Kind. Sie soll sterben, sagt Juda, sie soll herausgeführt und hingerichtet werden. 

Tamar läßt ihm die drei Teile des Pfandes bringen: Der Vater des Kinds ist, wem diese Dinge gehören, sagt sie — erkennst du sie? Juda erkennt sie, und er erkennt auch, welchen Fehler er gemacht hat. Tamar bringt Zwillinge zur Welt und Juda akzeptiert sie als seine Söhne und Tamar als seine Frau. „Aber er ging nicht mehr zu ihr ein“, sagt die Bibel.

Wir können die Geschichte aus Genderperspektive betrachten. Das ist einfach, harte Worte wären wohlfeil, aber die Wertungen wären nutzlos, und ich will Ihnen und mir das ersparen. Die Geschichte ist eine Miniatur aus der frühen Eisenzeit. Sie steht isoliert mitten in der Josephsgeschichte, und ich denke, sie steht dort, weil sie eine interessante Botschaft hat. 

Es geht um das Wesen von Schuld. Onan und Juda verweigern sich und berauben damit Tamar der Grundlage ihres Lebens als Frau m alten Orient. Beide geben nicht, aber sie nehmen: Sex. Tamar wird schwanger. Juda sieht die Gelegenheit, die fortwährende Schuld endgültig aus der Welt zu schaffen und fordert ihren Tod. Die Bibel spricht es nicht aus, aber ich vermute, dass er sich auf das mit Todesdrohung bewehrte Verbot des Ehebruchs beruft (Lev 20,10). Wenn aber sie eine Ehebrecherin ist, dann ist er der Ehebrecher — er bricht die fortwirkende Ehe seiner Söhne und verstößt noch dazu gegen das explizite Verbot sexueller Beziehungen zu Schwiegertöchtern (Lev 18,12).

Sein Finger zeigt auf Tamar, aber indem er das tut, weisen drei Finger zurück auf ihn selbst: Bruch zweier Ehen und Sex mit einer nahen Verwandten. Dabei ist seine eigentliche Schuld eine andere. In diesem Augenblick steht er da als vollkommenes Monster — vor uns und wohl auch vor sich selbst. „Sie ist gerechter als ich“, stöhnt er.

Weit mehr als 1000 Jahre später steht ein direkter Nachkomme von Tamar und Juda auf einem Platz im Jerusalemer Tempel. Aufgebrachte Menschen zerren eine Frau zu ihm. Sie ist Ehebrecherin und von ihm, dem Gesetzeslehrer, verlangen die Leute ein Urteil. Es kann nur eines geben. Jesus spricht es nicht aus, sondern malt in den Sand. Schließlich sagt er, dass derjenige den ersten Stein werfen möge, der ohne Schuld sei. Keiner rührt sich, und die Menge verläuft sich schließlich. 

Hat Jesus an Tamar gedacht, als er im Sand malte? 

‚Wer es sagt, ist’s selber‘, sagen unsere Kinder, und es stimmt. Schuld ist Gift und in gewisser Weise wird es geschaffen durch den, der die Beschuldigung ausspricht. Etwas bleibt hängen. Manchmal ist es viel. Vielleicht kann nur Gott Schuld zuweisen, ohne schuldig zu werden? 

Gelobt sei, der unsere Schuld vergibt — so wie auch wir vergeben unseren Schuldigern…!
Ulf von Kalckreuth


Nachspiel: Richtig vergeben ist gar nicht so einfach. Ich habe diesen Text in den Pausen eines großen Musikfestivals geschrieben. Vielleicht merkt man das. Als ich aufstand, rempelte eine Frau, die rasch in den nächsten Saal wollte, mich hart von hinten. Wir sahen uns an und schließlich sagte sie genervt: „Entschuldigung!“ Ich erwiderte: „Ich habe darüber nachgedacht, wer von uns beiden sich entschuldigen muß, aber wenn Sie es nun tun, will auch ich Sie gern um Verzeihung bitten!“ Ihre etwas rätselhafte Antwort war: „Aber ich habe mich als erste entschuldigt…!!“ Mmh. Besser hätte ich gesagt: „Ist schon ok, ist die Musik nicht großartig? 

Bibelvers der Woche 39/2024

…denn es steht geschrieben: „Er wird befehlen seinen Engeln von dir, dass sie dich bewahren…
Luk 4,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Wenn zwei das gleiche sagen…

… so ist es nicht das gleiche, sagt das Sprichwort. Im vorliegenden Fall ist einer der Psalmist, der andere der Teufel höchstpersönlich. In der Wüste trifft er auf Jesus, der vom Fasten geschwächt ist, und versucht ihn. Dabei bezieht er sich auf die überlieferten heiligen Gebete. Es ist Psalm 91, 11+12, den der Teufel zitiert:

Denn er hat seinen Engeln befohlen,
dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen,
dass sie dich auf den Händen tragen
und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest

Das sind beliebte Taufverse — Eltern wünschen das ihren Kindern. Der Teufel interpretiert die Verse messianisch: der Psalm richte sich an den Sohn Gottes. Er kann tun, was er will, er kann vom Turm springen, Gott wird ihn schützen. Damit will der Teufel Jesus versuchen. 

Hat er vielleicht recht? Ist der Sohn Gottes gemeint, oder wenigstens der König? Im Psalm geht es weiter: „Auch wenn tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten: es wird dich nicht treffen“. Wer sind die Tausende, die es erwischt? Wer ist der Angesprochene, den es nicht trifft — bin das ich? Wer unter uns wird von Engeln getragen, wer stößt seinen Fuß nicht an einen Stein? Vor einigen Jahren habe ich zu Psalm 91 ein Lied geschrieben. Aber es lässt mir keine Ruhe: wer fällt, wen wird es nicht treffen? 

Es ist Freitagmorgen. In einer Stunde muß ich aufbrechen zu einer Beisetzung. Ein Bruder unserer Gemeinde ist gestorben. Nach einem Herzinfarkt und vor einer Operation, die ihn hätte retten sollen, fiel er in ein Koma und erwachte nicht mehr. N. war 59 Jahre alt. Er hinterlässt eine Frau und vier Söhne.

Im Sommer dieses Jahres ist auch L. ins Koma gefallen, ein anderer Bruder unserer Gemeinde. Nach einem Herzstillstand war sein Gehirn wohl etwa zehn Minuten ohne Versorgung. Aber nach mehreren Wochen erwachte er. Er hat sich sehr weitgehend erholt und alles spricht dafür, dass keine wesentlichen Beeinträchtigungen verbleiben werden. L. ist etwa gleich alt wie N., auch er hat vier Kinder. Beide gehörten zur Kerngemeinde, gingen ihren Weg mit Gott, für beide wurde viel gebetet, intensiv, und auch verzweifelt. Warum L., warum nicht N.? 

Das wirkt beinahe erfunden, nicht wahr, fast wie ein Gleichnis. Aber es ist die reine Wahrheit. Mich erinnert es an den Bibelvers der Woche 04/2024. Im Gefängnis, dem Vorhof des Todes, trifft Josef auf den Mundschenk und den Bäcker des Pharao. Der Mundschenk wird begnadigt, der Bäcker aber gehängt. Der Ratschluss Gottes und des Pharao, und Josef erfährt ihn im Traum. Von Gründen erfährt er nichts. 

Jesus gibt dem Teufel eine Antwort. Es stehe auch geschrieben, so Jesus, dass wir den Herrn, unseren Gott, nicht versuchen dürfen. Vom Turm zu springen, hieße Gott zwingen zu wollen. Gott ist unverfügbar. Am Anfang und am Ende. Für Martin Luther war es die Frage seines Lebens: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Unter den Antworten, auf die er im Laufe seines Lebens stieß, ist sola gratia vielleicht die wichtigste: Allein durch Gnade. Das ist in machtvoller Weise zirkulär. Wir können uns die Gnade nicht verdienen. Oder mit Gebeten erzwingen. 

Der Teufel ist der Verwirrer. Wenn er Psalmen wörtlich zitiert, so dürfen wir davon ausgehen, dass seine Interpretation in die Irre leiten will. Nein, es ist nicht nur der Sohn Gottes gemeint. Und noch einmal nein, die Zusage kann nicht eingefordert werden. Sie gilt dem, der ‚unter dem Schirm des Höchsten sitzt‘, dem Gott gnädig ist, den er in dieser Welt behalten will. Wer das ist, entscheidet Er. Der HERR spricht: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich (2. Mose 33,19).

Das ist schwer zu akzeptieren, schwer zu tragen. Juden beten Psalm 91 auf Beerdigungen. Darin steckt eine Interpretation. Zum Ende seiner Traueransprache für N. sagte unser Pfarrer, dass der Herr unseren Ausgang und unseren Eingang behüten möge — unseren Ausgang aus dieser Welt und unseren Eingang in eine neue Welt, in der Gott all unsere Tränen abwischt…! 

So sei es.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 38/2024

Bei unsrem Ruhm, den ich habe in Christo Jesu, unsrem Herrn, ich sterbe täglich.
1 Ko 15,31

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Noch einmal: worauf es ankommt

Nichts, so sagt Paulus, ist wichtiger als die Auferstehung der Toten. Paulus schreibt an die Korinther, Dort hielten einige die Auferstehung der Toten für einen frommen Wunsch. Auch im Judentum gab es zwei Fraktionen. Die eher progressiven Pharisäer, zu denen Paulus selbst einst gehörte, glaubten fest an die Auferstehung, die priesterlich-konservativen Sadduzäer dagegen nicht.  

Für Paulus aber st der Glaube nichtig, Schall und Rauch, wenn es die Auferstehung nicht gibt: 

Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. (V. 16-19)

Dann denkt er darüber nach, was die Qualen und Leiden wert sind, die er selbst des Glaubens wegen erduldet. Er sterbe jeden Tag für den Glauben, so unser Vers, aber welchen Sinn hätte das alles, wenn es die Auferstehung nicht gibt? Wäre es so, schreibt er,  dann „lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot“. Paulus steht die Auferstehung sehr konkret und physisch vor Augen, wie wir kürzlich im Bibelvers 25/2024 gesehen haben. Eine körperlose Ewigkeit mag er sich gar nicht vorstellen. 

In der Folge haben die Christen den Glauben an die Auferstehung der Toten zum Kernbestand erklärt. Er ist Teil beider großer Glaubensbekenntnisse. Aber es überrascht mich sehr, wie vollständig Paulus den Wert seines Glaubens an die Auferstehung knüpft. Wenn es keine Auferstehung gäbe — wäre denn das alles wirklich nichts wert? Gott kennen und lieben, seinen Schutz und seine Kraft spüren, ihm in seinem Sohn begegnen, mit Gott sprechen können, Gottes Vision einer heilen Welt sehen? Seinen heiligen Namen preisen? 

Anders herum: wie wichtig ist denn meine ewige Fortexistenz — wie wichtig bin ich? Sind Gott und die Welt nichts, wenn ich darin kein Beobachter bin? 

Wie wird der Herr dasjenige, was meine Persönlichkeit und mein Leben ausmacht, in eine Welt nach meinem Tode einbringen? Ich will und muss das ihm überlassen, vertrauensvoll, denn meine Vorstellungskraft versagt. Ich glaube fest daran, dass der Tod nicht alles wertlos macht. Und dass, was wir sind und tun, aufbewahrt bleibt in Gott, der uns liebt.

Der Herr bewahre uns vor Angst und Nihilismus und schenke uns Freude an ihm und dieser Welt!
Ulf von Kalckreuth