Bibelvers der Woche 28/2024

Ein Auge, das den Vater verspottet, und verachtet der Mutter zu gehorchen, das müssen die Raben am Bach aushacken und die jungen Adler fressen.
Spr 30,17

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Licht und Schatten

Oh! Wer seine Eltern nicht achtet, den fressen die Raben! Was ist hier gemeint? Wessen Auge die Vögel aushacken, der ist vorher gestorben. Vielleicht wurde er gesteinigt? Dtn 20,18-21 legt die Todesstrafe für mißratene Söhne fest, und im Bundesbuch, Ex 21,15+17, wird der Tod für erwachsene Kinder gefordert, die ihre Eltern schlagen oder verfluchen. 

Aber das Buch der Sprüche ist nicht die Torah, es ist ein Lehrbuch der Weisheit — oder besser: ein Übungsbuch, es sind Vorlagen zum Auswendiglernen. Der Vers sagt, dass die Raben das frevelnde Auge aushacken müssen (=werden), nicht, dass sie es tun sollen. Die Verachtung der Eltern trägt ihre Strafe in sich.

Den Schatten des Urteils im Vers nämlich wirft ein blendend helles Licht. Der familiäre Zusammenhalt ist in der Welt der Bibel elementar wie das Leben selbst. Die Familie erfüllt alle Funktionen der Daseinsvorsorge. Sie ist Alters-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Sie ist Schule und Ausbildungsstätte in einem. In und von seiner Familie erhält ein junger Mensch alles: die Sprache, Kenntnisse und Fertigkeiten, Beziehungen, seinen Patz im Leben, siehe BdW 34/2023, Die Familie stiftet die Ehe und übernimmt die immensen Kosten der Hochzeit. Und sie ist es auch, die das Wissen über die Welt und den Glauben an Gott weitergibt — beides gehört ununterscheidbar zusammen, In den zehn Geboten findet sich kein Aufruf, gesetzestreu zu sein und die Obrigkeit zu achten, sondern das Gebot, die Eltern zu ehren. 

Das wirkt wie ferne Vergangenheit. Aber auch heute ist die Familie für die Chancen eines jungen Menschen von unschätzbarer Bedeutung. Ohne ihren Schutz und Hintergrund ist man schnell bei den Raben…

Wer seine Eltern nicht achtet, aus gutem Grund oder nicht, der steht vor einem schwierigen Leben. Und weil das so ist — was können Eltern tun, damit das nicht geschieht? Darüber denke ich immer wieder mal nach. Gestern gab mir meine Tochter eine Antwort. Als eine Auseinandersetzung fast aussichtslos wurde, hat sie mir geappt: „Heute habe ich gelernt, dass Liebe geduldig ist.“

Unser Vers oben steht in der Sammlung von Sprüchen eines Weisheitslehrers namens Agur. Zu Beginn des Kapitels gesteht er, dass er mit leeren Händen dasteht. Lesen Sie selbst, sein Bekenntnis rührt mich an: 

Ich habe mich gemüht, o Gott, ich habe mich gemüht, o Gott, und muss davon lassen. Denn ich bin der Allertörichtste, und Menschenverstand habe ich nicht. Weisheit hab ich nicht gelernt, und Erkenntnis des Heiligen habe ich nicht. Wer ist hinaufgefahren zum Himmel und wieder herab? Wer hat den Wind in seine Hände gefasst? Wer hat die Wasser in ein Kleid gebunden? Wer hat alle Enden der Welt bestimmt? Wie heißt er? Und wie heißt sein Sohn? Weißt du das?

Das schreibt er etwa zeitgleich mit Sokrates. Unser Vers gehört zu dem wenigen, das er der Nachwelt dennoch hinterlassen will. 

Gott segne unsere Familien! 
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 27/2024

Bewahre mich, HErr, vor der Hand der Gottlosen; behüte mich vor den freveln Leuten, die meinen Gang gedenken umzustoßen.
Ps 140,5

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Die freveln Leute…

Psalm 140, das ist ein ganzer Psalm zu den „Feinden“, diesen üblen Menschen, die ständig auf Verderben sinnen, jede Gelegenheit sofort ergreifen, den Betenden zu zerstören. Wir finden sie überall im Psalter, als Gegenbild zu Vertrauen und Hoffnung in der Beziehung mit Gott. Vor einiger Zeit habe ich zu diesen „Feinden“ einen ausführlichen Kommentar geschrieben, siehe den BdW 12/2023. Deshalb kann ich mich hier auf einen Aspekt beschränken.

Psalm 140 ist in seiner Sprache vergleichsweise gemäßigt, die gewaltsüchtigen Bilder fehlen hier weitgehend, bei den Handlungen der Feinde und auch beim Schicksal, das sie erleiden sollen. Der Haß dieses Psalms ist aufgeklärt, wenn man so will. 

Ich bin im zweiten Teil des gezogenen Verses hängen geblieben, 

... den freveln Leuten, die meinen Gang gedenken umzustoßen.

Ich habe in der hebräischen Bibel nachgeschaut. Statt des altertümlichen „freveln“ könnte man „gewalttätig“ übersetzen, und wo in der Lutherbibel 1912 „meinen Gang umstoßen“ steht, wäre „meine Schritte zu Fall bringen“ wörtlicher. 

Aber die alte Übersetzung hat ein sehr schönes Bild. Der Betende weiß, wo es hingeht. Er weiss es nicht nur, er ist auch schon unterwegs. Und diesen Gang vorwärts stoßen die Feinde um. Wie oft ist es so, genau so! Und ganz ehrlich, schuld sind dann in der Regel keine Menschen aus Fleisch und Blut, sondern die Feinde im Innern. 

Denken Sie an Ihre eigenen inneren Feinde. Ja, der Herr möge feurige Kohlen über sie schütten und sie in eine Grube stürzen, dass sie nicht mehr aufstehen…! 

Und noch ein Ausrufezeichen..!

Gottes Segen sei mit uns in dieser Woche,
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 26/2024

…so doch, wo wir bekleidet und nicht bloß erfunden werden.
2 Kor 5,3

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Mittsommerlicht

Mittsommer. Das ganze Jahr lang sehne ich mich nach diesen magischen Tagen mit ihrem übernatürlichen Licht, das die Zeit transzendiert, in dem Ewigkeit aufscheint.

Paulus glaubt an eine leibliche Auferstehung. Darum geht es im Vers, und weil der Text von 1912 recht mißverständlich ist, sind hier die ersten drei Verse des Abschnitts aus der Lutherbibel 1984: 

Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden. 

Paulus war nicht mehr jung und hatte schwerwiegende gesundheitliche Probleme. Er vergleicht seinen irdischen Leib mit einer Hütte, die dem Untergang geweiht ist und demnächst abgebrochen wird. Das Bild verstehe ich (leider) schon sehr gut. Statt der abbruchreifen Hütte wird er von Gott ein himmlisches Haus bekommen. Das ist ein Bild für den neuen Körper, den Auferstehungsleib, aber es steht auch für Geborgenheit im Vater. 

Die Perspektive eines neuen Körpers ist Paulus sehr wichtig. Die Vorstellung erschreckt ihn, nach seinem Tode körperloser Geist zu bleiben, also „nackt“, unbekleidet, ohne Haus. Das bringt unser Vers zum Ausdruck. Mich schreckt eher die Vorstellung einer Ewigkeit in einem materiellen und notwendigerweise auch zeitlichen Körper. Ewigkeit in der Zeit — dann ginge es ja weiter, und weiter, und weiter…

Ich hoffe auf Ewigkeit in einem Licht jenseits der Zeit. 

Einen gesegneten Johannistag wünsche ich uns allen!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 25/2024

Und Ahab sagte Isebel alles an, was Elia getan hatte und wie er hatte alle Propheten Baals mit dem Schwert erwürgt.
1 Kö 19,1

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Glaube und Unglauben

Das sag ich meiner Mama / meinem großen Bruder / der Frau Neuenberger. Im Kindergarten ist das die ultimative Antwort, wenn man selbst ohnmächtig ist. Die Supermacht soll es richten. 

Ahab „sagt es“ seiner Frau Isebel. Ahab ist der König von Israel. Er hatte gerade mitansehen müssen, wie Elia, der Prophet Gottes, in einem Opferwettstreit mit den Propheten Baals und Ascheras obsiegte und 450 Propheten Baals und 400 Propheten der Aschera eigenhändig tötete. Mit einem weithin sichtbaren Wunder brachte Elia das Volk dazu , sich der Männer Baals und Ascheras zu bemächtigen, und der Prophet selbst vollstreckte das Urteil mit dem Schwert.

Da war Elia unerschrocken, unbesiegbar, von Gott mit unbegrenzter Macht versehen. Wenn er in diesem Moment dazu aufgerufen hätte, Ahab zu töten, wäre dies geschehen. Aber Elia hilft Ahab beim aufkommenden Regensturm und beide ziehen gemeinsam nach Jesreel. 

Dort angekommen, sagte Ahab Isebel alles an, was Elia getan hatte. Isebel war des Königs Frau, eine Phönizierin, die den Baalskult nach Israel gebracht hatte. Sie hatte viele Propheten des Herrn töten lassen. Und nun bekommt sie vom König das Heft in die Hand gelegt. Sie tut nicht viel. Sie wendet sich an Elia und sagt ihm, dass es ihm sehr übel ergehen werde, wenn er morgen noch da sei. 

Und Elia, der eben noch auf dem Karmel den König und achthundertfünfzig Propheten fremder Götter besiegt hatte, fällt in sich zusammen. Er rennt um sein Leben, flieht aus Jesreel, verfällt in eine tiefe Depression und flieht immer weiter, bis zum Berg Horeb im Sinai. Dort hat er eine Begegnung mit Gott. 

Wenn man es liest, versteht man kaum, was hier geschieht. Wie kann das sein? Elia mit Isebel in Jesreel scheint ein anderer Mensch als Elia mit Ahab auf dem Karmel. 

Es liegt nicht am Gegenüber. Ahab war kein schwacher König — wenig später gewinnt er mit hohem persönlichen Einsatz einen großen und eigentlich aussichtslosen Krieg gegen die Aramäer. Man kann es psychologisch deuten. Dann trägt Elia Merkmale einer bipolaren Störung: Phasen von Hochgefühl und Tatendrang wechseln sich ab mit tiefer Depression. Ähnliches lässt sich auch bei anderen großen Propheten beobachten, Jeremia und Hesekiel. Vielleicht spielt auch die Topographie eine Rolle. Der Karmel ist ein Berg und Jesreel liegt in der Ebene. Der Herr galt in dieser frühen Zeit als Berggott und seine Macht in der Ebene war nicht selbstverständlich, vgl. 1 Kö 20,23-28. 

Für mich ist dieser Kontrast Gelegenheit, die Macht von Unglauben zu betrachten. Wenn Glaube Vertrauen ist und Berge versetzen kann, dann ist Unglauben fehlendes Vertrauen, in sich selbst, in andere und in Gott. Das macht handlungsunfähig, es bedeutet Hilf- und Wehrlosigkeit. 

Mit unserem Glauben schaffen wir die Welt, unsere und die der anderen. Das ist ein Topos der Bibel — im „Bibelvers der Woche“ hat er seinen eigenen Hashtag, #Glauben und Vertrauen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Stellen Sie sich vor, Sie hätten es mit einer schweren Herzerkrankung oder einem Krebs zu tun. Welche Aussichten haben Sie, wenn Sie schon zu wissen glauben, dass alles sinnlos und verloren ist? Welche Chance hat im Krieg ein Kämpfer, der sich schon besiegt glaubt? Glaube kann Berge versetzen. Unglaube lässt sie über uns zusammenstürzen. 

Inmitten eines Bergs, dem Horeb, findet Elia seinen Glauben wieder, als er Gott einfach zuhört. Er trifft Gott in einem Windhauch.

Ich wünsche uns eine Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 24/2024

Da geschah des HErrn Wort zu mir und sprach:…
Hes 14,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Kein Wort

Eine auffallende und ungewöhnliche Formulierung. Ich habe nachgeguckt — im hebräischen Originaltext steht es in der Tat fast wörtlich so: „Da war ein Wort des Herrn zu mir und sprach…“. Nicht der Herr spricht, sondern sein Wort. 

Aber was sagt das Wort? Dass es kein Wort geben soll für diejenige, die Götzen anhängen und mit Freuden dasjenige betrachten, womit sie sich besudeln. 

Propheten sind Mittler Gottes zu den Menschen. Zu Ezechiels Zeiten war dies recht umstandslos: Menschen kamen zum Propheten, setzten sich vor ihm nieder und befragten ihn. Sie erwarteten eine von Gott inspirierte Antwort. Ezechiel erfährt nun, dass er gottlosen Menschen nicht antworten soll. Der Herr selbst werde die Antwort geben, indem er diese Menschen aus dem Volk tilgt — wortlos. Antwortet der Prophet den Fragenden, macht er sich mitschuldig und es geschieht ihm das Gleiche. 

Wie zwischen Menschen: solange man miteinander spricht, ist es noch nicht zum Äußersten gekommen. 

Was macht Gott aus? Dass er antwortet! Würde er nicht antworten, wäre eine Welt mit Gott im Grunde nicht anders als eine Welt ohne — sie wäre durchwaltet von Kräften, zu denen wir keinen Kontakt herstellen können, und ob wir diese Kräfte nun Gott nennen, Schicksal oder Chaos, es wäre nicht wirklich wichtig. 

Wer sich Gott entzieht, dem entzieht sich Gott. So einfach ist das. 

Am Sonntag wird meine Tochter konfirmiert. Sie hat sich als Spruch Ps 126,3 ausgesucht: „Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich“. Das könnte nicht besser zu ihr passen. In ihrem Leben sieht sie Gott ständig, es war eigentlich immer so.

Und so möge es bleiben, für die Länge ihrer Tage!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 23/2024

Wir können’s ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben.
Apg 4,20

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Bekenntnis, Freude und Mut

Man liest den Vers und weiß irgendwie schon, worum es geht. Wir sind in der Apostelgeschichte. Das Pfingstwunder, die große Explosion, liegt hinter uns. Petrus und Johannes haben den Tempel besucht und mit ihrem Gebet im Namen Jesu einen Menschen zum Gehen und Springen gebracht, der sein ganzes Leben lang gelähmt war. Ungeheures Aufsehen ist die Folge. Die beiden werden vor den Hohen Rat gebracht und sollen Rechenschaft ablegen: aus welcher Kraft und in welchem Namen haben sie das getan? 

Die beiden Apostel bekennen ihren Herrn, und der Hohe Rat weiss nicht recht damit umzugehen. Offenkundig ist ein Zeichen geschehen, aber das Volk soll nicht aufgewiegelt werden. Also versuchen sie es mit einem Redeverbot: die beiden Apostel sollen hinkünftig nicht mehr in Jesu Namen sprechen. Ihre Antwort ist der gezogene Vers: Wir können’s ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben! 

Diese Antwort hat zwei Seiten. Zu beiden habe ich tagesfrische Eindrücke.

Die Antwort klingt fröhlich und zuversichtlich, mit Kraft, die aus dem eben erst Erlebten kommt. Ein Gebet im Namen Jesu, und ein lebenslang Gelähmter steht auf und geht umher! Vor einigen Wochen erlitt in meiner Gemeinde ein Mann einen Herzstillstand. Er wurde zur Schonung in ein künstliches Koma versetzt, und als er aus diesem Koma auftauchen sollte, erwies sich das als unmöglich. Das Gehirn schien irreparablen Schaden genommen zu haben. Der Mann hat eine Frau und vier Kinder, die von ihm abhängen. In der Gemeinde kennt jeder die ganze Familie. Es war furchtbar. Viele beteten für ihn. Und vor zwei Wochen geschah es, dass er aus dem Koma erwachte. Mittlerweile ist er operiert und durchläuft eine Rehabilitation. Körperlich und geistig erholt er sich schnell. Uns fiel ein Stein vom Herzen. Wir waren fröhlich und glücklich — ‚Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich‘, Psalm 126, 3. Gestern Abend hat mir eine Freundin per Sprachnachricht dazu einen Text ausgerechnet aus Apg 5 geschickt — ohne dass sie vom Bibelvers dieser Woche wusste!

In der Antwort stecken aber auch Todesmut und das Annehmen eines Kelchs. Zwei Kapitel weiter erzählt die Apostelgeschichte, wie ein anderer Apostel, Stephanus, vor demselben Hohen Rat steht. Auch er bekennt unverwandt. Das Ende ist blutig, siehe den BdW 03/2019

Jede Gesellschaft macht kurzen Prozess, wenn die Falschen aufstehen und das falsche sagen. Für die gute und gemeinsame Sache geht manches einfach und schnell, man kann ja auf den Applaus der anderen zählen. Jüngst gab es dieses Video mit ausländerfeindlichem Gesang vor einer Disko in Sylt. Ein Dokument staunenswerter Dummheit. Im Nu war es unverpixelt auf vielen großen Kanälen zu sehen. Eine große Boulevardzeitung veröffentlichte die Namen der jungen Leute und auch, wo sie arbeiten. Wenige Tage später waren alle gekündigt. Ohne Kläger, ohne Richter, ohne Urteil. Ein früherer Kanzlerkandidat der Union jubelt: „In kürzester Zeit waren alle Namen öffentlich. Sie alle haben ihren Job verloren“. Er wünsche sich, „dass man genau so jeden einzelnen versucht zu bestrafen, der antisemitisch, rassistisch und der anders ist.“ (Zitat nach FAZ, 28.05.24, S.1).

Da mag man hoffen, dass alles, was man singt und sagt, stets gut zum Zeitgeist passt. Gläubige Menschen brauchen diese Hoffnung in besonderem Maße. Und fast überall geht für die „Falschen“ viel weniger als hier und jetzt bei uns. Man möchte nicht Kurde sein in der Türkei, Christ im Iran, Palästinenser in Israel oder Jude in Nordafrika. 

Wir können’s ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben! Wie mag sich das angefühlt haben, als einer der ersten Christen immer „falsch“ zu sein — in Jerusalem, oder bei den Verfolgungen in Rom? Und doch zu wissen, dass man richtig liegt mit Jesus? Wie auf einer Abschussrampe, vielleicht: Zuversicht, Hoffnung, Angst, Not, Verzweiflung, Vertrauen, das Wissen um die klare Sonne, die große Kraft, die Ewigkeit. Jesu Liebe, die Liebe der Brüder und Schwestern.

Ja, versuchen wir, uns das vorzustellen!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 22/2024

Dann aber wirst du Glück haben, wenn du dich hältst, dass du tust nach den Geboten und Rechten, die der HErr dem Mose geboten hat an Israel. Sei getrost und unverzagt, fürchte dich nicht und zage nicht!
1 Chr 22,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Viel Glück und viel Segen…!

Ein Kommentar ist nicht unbedingt nötig. Sie können den Vers dreimal lesen und damit getrost in die nächste Woche gehen!

Aber vielleicht etwas zum Hintergrund. Der ist nämlich interessant, und er sagt uns, worum es geht. Der Vers und sein Text schließen an die Geschichte von Davids Volkszählung an. Erinnern Sie sich? Vor kurzem, in Woche 19/2024, haben wir einen Vers gezogen, der David den Ort für einen Altar nannte: Araunas, des Jebusiters Tenne. Platz für ein Sühneopfer, nachdem der Todesengel des Herrn Jerusalem beinahe vernichtet hätte. Dies sollte nun auch der Platz für den Tempel in Jerusalem werden. David selbst soll ihn nicht bauen, sagt ihm der Herr, zu viel Blut klebt an seinen Händen. Salomon, sein Sohn, ist ausersehen, er soll König des Friedens sein. David will das seine tun, für den Tempelbau legt er riesige Vorräte an und führt Kriege darum — siehe die BdWs 08/2022 und 27/2021. Er hat eben seinen eigenen Modus…

Und nun gibt David seinem Sohn den Segen. Hier der ganze Wortlaut (1 Chr 22,11-13)

So wird nun, mein Sohn, der HERR mit dir sein und es wird dir gelingen, dass du dem HERRN, deinem Gott, ein Haus baust, wie er von dir gesagt hat. Auch wird der HERR dir geben Klugheit und Verstand und wird dich bestellen über Israel, dass du haltest das Gesetz des HERRN, deines Gottes. Dann aber wird es dir gelingen, wenn du die Gebote und Rechte befolgst, die der HERR dem Mose für Israel geboten hat. Sei getrost und unverzagt, fürchte dich nicht und lass dich nicht erschrecken! 

Der Tempelbau möge gelingen, mit Glück und Segen! Jedem von uns. In diesem Sinne wünsche ich uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 21/2024

Mohren und Ägypten war ihre unzählige Macht, Put und Libyen waren ihre Hilfe.
Nah 3,9

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Biblische Dialektik 

Zufällig Verse ziehen führt irgendwann überall hin, auch zu den sogenannten kleinen Propheten. Diese heißen so wegen des Umfangs ihrer Schriften. Das ‚Buch‘ Nahum ist in meiner Bibelausgabe zwei Seiten stark. Zwischen Micha und Habakuk findet man es kaum. Noch kürzer ist das Buch Obadja, mit 25 Versen…

Nahum hat ein einziges Thema: der herbeigesehnte, herbeigeflehte, klar und immer klarer gesehene Untergang des verhassten Assyrerreiches, während vieler Jahrhunderte die dominierende Macht in der Levante. Die Assyrerkönige waren von beispielloser Grausamkeit. Sie beuteten ihre Vasallenstaaten und Territorien aus, bis sie blutleer waren und durch neue Eroberungen ersetzt werden mussten. Getrieben von institutionalisierter Gier, mechanisch fast, dehnte sich das Riesenreich immer weiter aus und implodierte schließlich geradezu.

Juda lag im Herrschaftsbereich Assyriens und Nahums Schrift musste im Geheimen entstehen. Stellen Sie sich einen polnischen Autor in Warschau vor, der im Jahr 1941 seine Visionen vom Untergang Berlins zu Papier bringt und mit wenigen Freunden teilt. So etwa liest sich die Schrift Nahums: sarkastisch, hasserfüllt, verächtlich, ironisierend, poetisch gar an einigen Stellen. Im gezogenen Vers geht es konkret um den Untergang der assyrischen Hauptstadt, Ninive. Zum Verständnis hier das Textumfeld des Verses: 

Meinst du, du seist besser als die Stadt No-Amon, die da lag am Nil und vom Wasser umgeben war, deren Mauern und Bollwerk Wasserfluten waren? Kusch und Ägypten waren ihre unermessliche Macht, Put und Libyen waren ihre Hilfe. Dennoch wurde sie vertrieben und musste gefangen wegziehen. Ihre Kinder sind auf allen Gassen zerschmettert worden, und um ihre Edlen warf man das Los, und alle ihre Gewaltigen wurden in Ketten und Fesseln gelegt. Auch du musst trunken werden und von Sinnen kommen; auch du musst Zuflucht suchen vor dem Feinde!

No-Amon, so sagen die Alttestamentler, ist ein Name für Theben, die ägyptische Stadt des Gottes Amun. Der Vers, den wir gezogen haben, ist ihnen Schlüssel zur Datierung des Texts: er wurde geschrieben, als Theben bereits zerstört war, aber Ninive noch nicht. 

Ninive, so schreibt Nahum, du kannst auf gewaltige Ressourcen zurückgreifen. Aber das wird dir nichts helfen. Wie Theben wird es dir gehen. Ägypten, der Sudan und große Teile Nordafrikas dienten dieser Stadt und dennoch fiel sie und wurde von Grund auf zerstört. 

Er sollte recht behalten. Spannend und denkwürdig ist die Tatsache, dass es die Assyrer selbst waren, die das ägyptische Theben nahmen und völlig zerstörten. Nahum erinnert an einen großen assyrischen Sieg, um daraus ein Bild für die kommende Niederlage zu gewinnen! Es ist so, als ob unser polnischer Untergrundautor im Jahr 1941 prophetisch schriebe: „Berlin, Feste des Bösen, die große Macht deines Landes wird dir nichts helfen. Wie Paris wirst du deinen Feinden erliegen. Wie Warschau wirst du brennen!“ 

Ein großes Thema blitzt auf. Gott kehrt und stürzt um. Er tritt die Starken in den Staub und macht die Schwachen stark. Eine Art Dialektik zieht sich durch die Bibel, lang bevor es das Wort gab. Siehe zuletzt die Betrachtung zum BdW 09/2024, aber auch die BdW 51/2023, 11/2022 und 37/2020. Und ist es nicht so, dass bei unseren Stärken und Erfolgen, auf dem Schauplatz unserer Siege, gerade dort auch unsere Gefährdungen liegen?

Der historische Nahum lebte in Juda, vermutlich in Jerusalem. Wenn er heute in der Ukraine lebte, was würde er über Moskau schreiben? Und wenn er — darf ich das fragen? — in Rafah, in Gaza -Stadt oder im Westjordanland wohnte, was wären seine Worte über Jerusalem?

Gott schütze sein Heiliges Land!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 20/2024

Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen.
Luk 1,32

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Vom Himmel gefallen

Die Welt wird neu. die Regeln gelten nicht mehr. Sie sind über den Haufen geworfen. Zwei Frauen bekommen Kinder — unmögliche Kinder, im Wortsinn, vom Himmel gefallen…!

Elisabeth ist eine alte Frau, die sich ihr Leben lang Kinder gewünscht hat. Ihr Mann, Zacharias, ein Tempelpriester, hatte aufgegeben. Als es an ihm war, das Brandopfer vorzunehmen und er allein war mit seinem Gott am Altar, erschien ihm Gabriel. Du wirst Vater, sagt ihm der Engel, gegen alle Möglichkeiten. Und als Zacharias nach einem Zeichen fragt, weil er es nicht glauben kann, antwortet ihm Gabriel, dass er verstummen werde, weil er nicht glauben kann — solange, bis das Kind auf der Welt sei.

Maria ist eine junge Frau, und auch ihr erscheint Gabriel. Ein Kind soll sie gebären, sagt der Engel, und dies Kind wird den Thron Davids erben. Maria ist jung und unverheiratet. Auch sie kann nicht glauben, was sie hört: wie kann das sein, da ich von keinem Manne weiß, fragt sie. Gabriel antwortet Maria weniger harsch als Zacharias — sie möge doch ihre Base besuchen, Elisabeth, auch sie sei schwanger, seit fünf Monaten, gegen alle Möglichkeiten.

Diese beiden Kinder kommen zur Welt. Und sie bleiben eng verbunden, wie Zwillinge. Johannes, der Prophet, Wegbereiter, Rufer in der Wüste, und sein Schüler, Jesus, den Johannes tauft und in dem er den Retter der Welt erkennt. Der eine stirbt unter Herodes, der andere unter Pilatus. Wann eigentlich verstand Jesus, dass er der Messias ist? Wann wusste Johannes, dass er es nicht ist?

Ein Engel erscheint hintereinander zwei Menschen, einem alten Tempelpriester und einem Mädchen, das von keinem Manne weiß. Die Welt wird neu, die Regeln gelten nicht mehr… 

Hallelujah!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 19/2024

Und Gad kam zu David zur selben Zeit und sprach zu ihm: Gehe hinauf und richte dem HErrn einen Altar auf in der Tenne Aravnas, des Jebusiters!
2 Sa 24,18

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Pandemie

In der vergangenen Woche wurde Pessach gefeiert, das jüdische Fest des Auszugs der Kinder Israel aus Ägypten. In die Vorgeschichte gehört die Geschichte von den zehn Plagen. Jüdische Kinder lernen diese Plagen vor dem Fest auswendig und malen sie. Die Bibelverse der vergangenen Wochen erinnern mich daran: 16/2024: Blut und Gottes Gericht; 17/2024: Die Sterne und Gottes Gericht; 18/2024: Auf Gottes Weisung stirbt ein Volk. Und nun also 19/2024: Gott sendet eine tödliche Seuche. 

Es geht um eine sonderbare Geschichte. Ausführlicher und noch eindrucksvoller wird sie in 1 Chr 21 erzählt. Sie beginnt damit, dass der „Zorn Gottes abermals entbrannte gegen Israel“ (2 Sa 24,1). Gott „reizt David gegen sie“, und der König ordnet eine Volkszählung an. Diese Volkszählung aber stellte ein todeswürdiges Verbrechen dar, dazu unten mehr. 

Gad, ein Prophet, erscheint vor David. Der König soll zwischen drei Strafen wählen: 1) Das Land erleidet eine sieben Jahre währende Hungersnot, 2) David selbst muss drei Monate lang vor Widersachern fliehen, die ihn verfolgen, und 3) Während dreier Tage wütet eine Pest im Land. David entscheidet sich gegen die zweite Möglichkeit: er will lieber, so sagt er, in die Hand Gottes fallen als in die der Menschen. Und so bricht eine Pest aus, verschlingt in rasender Geschwindigkeit siebzigtausend Menschen im Norden des Landes. Als die Epidemie Jerusalem erreicht und der Todesengel turmhoch über der Stadt steht, gereut es den Herrn, und er gebietet Einhalt. David sieht den Todesengel und bittet darum, dass ihm selbst die Strafe zukommen möge und nicht dem Volk — „was haben diese Schafe getan?“ Gad, der Prophet, weist David an, dem Herrn an dieser Stelle einen Altar zu bauen. Das ist der gezogene Vers, und es war dies der Platz, auf dem später der Tempel entstehen sollte. 

Hat man den Mund wieder zubekommen, steht man vor Fragen.

Warum sollte die Volkszählung ein todeswürdiges Verbrechen sein? Das lässt sich nicht mehr klären. Volkszählungen waren an sich erlaubt. In Ex 30, 11-16 wird eine Kopfsteuer im Zusammenhang mit Zählungen beschrieben. Jeweils zu Beginn (Num 1) und zum Ende (Num 26) der Wüstenwanderung ordnete Gott eine Volkszählung an. Der Name des Buchs Numeri leitet sich von der ersten Volkszählung ab. Ich bin bei meiner Recherche auf eine Diskussion im „Wachturm“ der Zeugen Jehovas gestoßen. Dort gibt es sonst Sicherheit und keine offenen Fragen, aber zur Sündhaftigkeit der Volkszählung muss der Redakteur passen.

Eigentlich aber ist die Sündhaftigkeit der Volkszählung gar nicht entscheidend. Das Urteil war schon früher gefallen. Gottes Zorn war entbrannt, er will das Volk und David strafen, und die Volkszählung sollte der äußere Anlass sein, eine Tat, zu der er selber David reizt. Im parallelen Text der Chronik übrigens ist es Satan, der David provoziert. Gott lässt David die Wahl, die Strafe selbst anzunehmen oder das Volk büßen zu lassen, und David entscheidet sich für die Seuche. 

Aus Sicht der Israeliten klingt die Geschichte etwa so: Gott, der Herr reizt unseren König zu einer schweren Sünde. Diese Sünde rechnet der Herr uns zu, weil unser König es so entscheidet, und wir müssen sterben. Siebzigtausend von uns tötet der Engel des Herrn. Gemeinsam strafen Gott und sein König David uns für etwas, an dem wir keine Schuld tragen. 

An dieser Stelle wird die dunkle Geschichte fast ein wenig kenntlich, nicht wahr? So können viele Opfer vieler Kriege klagen. Aber warum? 

Noch etwas anderes erkenne ich wieder — das Schlüsselmotiv hinter den ägyptischen Plagen. Wir haben sie oben schon angesprochen. Die Plagen trafen die Ägypter, weil ihr Pharao die Israeliten nicht ziehen lassen wollte. Aber der Herr selbst hatte den Pharao „halsstarrig“ gemacht, unfähig, auf neue Gegebenheiten zu reagieren. Er konnte den wiederkehrenden Forderungen Mose nicht nachkommen. Wie ein Automat musste er ablehnen, ein ums andere Mal, und ein ums andere Mal trafen die Plagen sein Volk, darunter auch eine Seuche. Siehe hierzu den Kommentar „Verblendung“ zu BdW 44/2019. Gott wollte den disruptiven Auszug, und der Pharao musste seinen Beitrag leisten.

Hier, in Sam 24, ist Gottes Volk selbst das Opfer. Das will nicht so recht passen zu unserem Bild von Gott: Gott tut so etwas nicht. Oder doch? Warum eigentlich nicht? Genau so sieht unsere Welt doch aus. Vielleicht liegt das Problem bei unserem Bild von Gott. Eigentlich sollten wir gar keines haben. Ein gnädiger Gott ist keine Selbstverständlichkeit, ein gütiger Gott auch nicht. Und wenn er nicht so ist, wie wir ihn gern hätten — nicht gütig, nicht gnädig, nicht zugewandt — dann können wir ihn nicht entlassen, abwählen, zurückgeben und umtauschen, wie wir es so gern tun. In seiner Allmacht steht er uns gegenüber…!

Vielleicht will uns die Geschichte daran erinnern. An ihrem Anfang steht der Zorn Gottes. Bezeichnenderweise endet sie damit, dass ein Platz für den Bau des Tempels gefunden wird. Der gewaltige Bau und der Opferbetrieb soll die Beziehungen zwischen Gott und seinem Volk auf eine regelbasierte und verlässliche Grundlage stellen. Ein Versuch, dem Ausgeliefertsein zu entkommen?

Ich wünsche uns allen eine Woche im Segen des Herrn, frei von Plagen — und mit dem Licht des Friedens in Rafah!

Ulf von Kalckreuth

P.S. Der Zufall oder etwas anderes wollte es, dass ich gestern in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Frankfurt Geld wechseln musste. Ich wartete in einer Schlange, und bemerkte, dass ich auf einer großen Metallplatte stand, auf der Sterne und ein Komet zu sehen war. Als ich mir die Platte näher betrachtet, konnte ich Worte entziffern: 

Du bist erschrecklich — Wer kan furdirstehen wen du zurnest Anno 1680

Die Platte war nach einer Münze aus dem 17. Jahrhundert gestaltet, mit den Worten aus Psalm 76,8: Furchtbar bist du! Wer kann vor dir bestehen, wenn du zürnest? Das prägten die Menschen sich auf ihr Geld, vor knapp 350 Jahren. Der Kuschelgott, den wir zu kennen glauben, ist jedenfalls nicht sehr alt.