Bibelvers der Woche 50/2025

Zacharias sieht den Engel Gabriel neben dem Opferaltar, riesenhaft und außerweltlich

…nach Gewohnheit des Priestertums, und an ihm war, dass er räuchern sollte, ging er in den Tempel des Herrn.
Lk 1,9

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984. 

Und alles ändert sich…

Hier ist Advent, und zwar so sehr, dass der Empfänger der Botschaft völlig überfordert ist. 

Stellen Sie sich folgendes vor: Sie bereiten sich auf eine wichtige Videokonferenz vor. Konzentriert auf Ihre Aufgabe betreten Sie den Arbeitsraum, um die Verbindung aufzubauen. Der Raum ist dunkel. Als Sie das Licht einschalten, steht am Tisch, auf der rechten Seite, eine Gestalt, riesig groß, schwer bewaffnet und in militärischer Kleidung, von innen heraus leuchtend. 

Sie würden die Tür wieder zuschlagen und laut um Hilfe rufen. Oder Sie würden stumm dastehen, in Angst — Sie haben den Verstand verloren, glauben Sie, hoffentlich hört es wieder auf. Ein schreckliches Erlebnis. Es ist, was dem alten Priester Zacharias geschieht, als er den Tempel betritt, um das Rauchopfer zu vollziehen. Fliehen kann er nicht, draussen in den Vorhöfen des Tempels steht das Volk und wartet. Er erkennt in der Gestalt einen Engel Gottes. Das machte es durchaus nicht leichter, Zacharias dürfte an den Todesengel gedacht haben.

Und dann spricht die furchtbare Gestalt und verkündet — Freude. Der alte Priester und seine sehr betagte Frau Elisabeth werden einen Sohn haben: Johannes, den Propheten, der zum Wegbereiter Jesu werden sollte. Zacharias kann es nicht fassen. Da lässt der Engel ihn verstummen, so lange, bis der angekündigte Sohn geboren ist. Als der Priester den Tempel verlässt und das wartende Volk sieht, kann er nur noch winken. 

Es gibt eine enge Parallele zur Geburtsgeschichte Jesu siehe die BdWs 17/2020 und 20/2024. Der Engel erscheint auch Maria, und auch sie hat sehr gute Gründe für Unglauben — nie hatte sie Verkehr mit einem Mann. Ihr Schicksal und das von Elisabeth bleiben danach verschränkt, wie auch das Leben und Sterben ihrer Söhne, Johannes und Jesus.

Die Erzählung birgt zwei starke, zeichenhafte Verweise. Vorzeiten war der Engel auch Abraham und Sarah erschienen, den Erzeltern des jüdischen Volks. Auch sie hatten ihre Hoffnung auf Kinder längst aufgegeben. Und das Verstummen des Priesters erinnert an Ezechiel.

Eine Adventsgeschichte zur zweiten Adventswoche…! Unwahrscheinlich genug. Was kann sie uns sagen?

Wissen Sie, ich habe den Vers der letzten Woche noch im Ohr, aus Jesu Gespräch mit der Samariterin. Die ‚wahren Anbeter‘ werden den Herrn „im Geist und in der Wahrheit“ anbeten, nicht in Liturgie, festgelegter Routine und institutionalisierter Rollenverteilung. Als er den Tempel betritt, ist Zacharias fester Teil der überkommenen Anbetungsmaschine. Nach einem bestimmten Schema ist seine ‚Ordnung‘ an der Reihe, eine Teilmenge der Priesterschaft, und innerhalb dieser Ordnung trifft es per Losentscheid ihn, das Rauchopfer zu vollziehen. Das ist, was unser Vers beschreibt. Opfer ist Kommunikation mit Gott. Aber dann vollzieht die Kommunikation sich unvermittelt ganz anders — direkt, ausserhalb von Reihe und Regel, machtvoll und opferfrei. Alles ändert sich. Der Tempelpriester verstummt. Seinen Dienst kann er nicht mehr tun, vielleicht nie wieder. Aber er wird Vater, Vater eines großen Propheten. 

Advent. Unser Weltwissen gilt nicht mehr. Und unsere Routinen laufen leer. Mit extremen Szenarien können wir nicht umgehen. wir sind darauf angewiesen, dass die Welt heute ungefähr so ist wie gestern, als wir eingeschlafen sind. Deshalb Plätzchen, betriebliche Weihnachtsfeiern, Adventslieder, Nikolaus und Weihnachtsgeld. Wir wollen die Welt so. Aber Gott und die Welt können auch ganz anders.

Alles ändert sich… Im Geist und in der Wahrheit mag das geschehen. Darf ich darum bitten, dass der Herr mit uns rede wie mit Zacharias? Dass alles sich ändert? Oder wollen wir es so direkt dann lieber doch nicht…? 

Unsere Woche sei gesegnet, 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 49/2025

Die Samariterin und der Brunnen -- als Quell von Geist und Wahrheit Gottes

Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Joh 4,24

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984. 

Geist und Wahrheit

Jesus ist auf der Durchreise, von Judäa in sein Heimatland Galiläa im Norden. Dabei durchquert er Samarien, das Herzland des alten Nordstaats Israel. Dieser Staat wurde vor Zeiten zerstört, die Einwohner großenteils verschleppt. Aber immer noch wird in Samarien Gott der Herr angebetet. Für die Juden ist der Kult der Samariter auf dem Berg Garizim illegitim. Nur der Tempel in Jerusalem ist Anbetungs- und Opferstätte. Siehe hierzu den BdW 14/2021

Am Brunnen trifft Jesus auf eine samaritische Frau. Sie sind allein, die Jünger sind ins Dorf gegangen, Brot zu holen. Sie reden. 

Die Frau spricht an, dass die Juden Glauben und Anbetung der Samariter nicht für rechtens halten. Nicht, etwa, weil Jesus das nicht wüsste, sondern weil es zwischen ihnen steht, mehr noch als der Umstand, dass er Mann ist und sie Frau.

Jesus antwortet: ja, so ist es. Das Heil wird von den Juden kommen, sie kennen Gott, und die Samariter nicht. Aber es kommt die Zeit und sie ist schon da, sagt er, dass die Samariter weder auf dem Garizim noch in Jerusalem den Herrn anbeten werden. Die wahren Anbeter nämlich werden Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten. Und das wird wiederholt, in unserem Vers, weil es so wichtig ist: Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.  

Jesus hält dabei die Schrift hoch, die den Kult der Samariter verdammt. Zwischen den Zeilen sagt er aber, dass auch Samariter wahre Anbeter sein können und sein werden. Der institutionalisierte Opferkult der Juden in Jerusalem ist nicht wahre Anbetung. Wahre Anbetung vollzieht sich im Geist und in der Wahrheit. 

Der Satz ist schön. Ich habe aber Mühe damit, denn ich weiss nicht genau, was er bedeutet. Der Kontext macht deutlich, dass wahre Anbetung nicht an einem bestimmten Ort und durch bestimmte, dazu ausgebildete und legitimierte Personen nach festen Regeln vollzogen wird. Gott ist Geist, und der Geist ist überall. Was aber bedeutet es positiv? 

In der Wahrheit anbeten, im Geist anbeten… Aus unserem Geist heraus, aus unserer Wahrheit? Es gibt acht Milliarden mal den menschlichen Geist und acht Milliarden Wahrheiten, die sich ständig ändern. Die eine Wahrheit, den einen Geist gibt es nur in Gott. Jesus meint, dass wir Gott aus Gottes Geist heraus anbeten sollen. Dazu muß er in uns sein, dazu muß er in uns wirken.  

Wie geht das? Ich bin Lobpreismusiker, und eigentlich sollte ich es ganz genau wissen… In dieser Woche habe ich es immer wieder versucht — Gott aus Gottes Geist heraus anzubeten. Was ich dann finde, ist vor allem mein eigener Geist, meine unerfüllten Bedürfnisse und mein Versagen.

Aber ich habe doch etwas entdeckt. Als ihn seine Jünger bitten, sie das Beten zu lehren, gibt ihnen Jesus das Vaterunser. Gehen Sie es im Kopf einmal durch. Die ersten drei Bitten nach der Anrufung beschreiben Gottes vollkommene Präsenz in der Welt: „Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe“. Man kann das in sich selbst nachvollziehen, ganz langsam. Erst dann wechselt die Perspektive hin zum Betenden und das Gebet kulminiert in der Bitte, dass die Verbindung zu Gott erhalten bleiben möge, trotz aller Sünde, durch Vergebung und Erlösung. Am Ende kehrt das Gebet zurück zu Gott: „Denn dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Amen“

Das hilft sehr. Vielleicht ist der Vers eine Aufforderung, sich ins Unsagbare vorzutasten und eigene Wege zu finden. Wenn es den einen, allgemeinen Weg gäbe, hätten wir eine Liturgie, und die soll es ja nicht sein.

Im Geist und in der Wahrheit. Jesu Gespräch mit der Frau am Brunnen steht jenseits von Zeit und Raum. Ich wünsche uns in dieser Woche Berührung: unserer Wahrheit mit Gottes Wahrheit, unseres Geistes mit Gottes Geist. Was wird dann geschehen? 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 29/2025

Aber den Namen Aarons sollst du schreiben auf den Stecken Levis. Denn je für ein Haupt ihrer Vaterhäuser soll ein Stecken sein.
Num 17,18

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Auftrag

Es ist ein Gottesurteil aus der Zeit der Wüstenwanderung und zunächst einmal geht es darum, welcher Stamm Gott besonders nahe stehen soll. Jeder Stamm der Israeliten gibt Mose einen Stab. Die Stäbe der Stämme werden vor die Stiftshütte gelegt. Am nächsten Morgen geht Mose hin und findet, dass der Stab des Stammes Levi ergrünt ist, blüht, und Mandeln trägt. Ein klares Zeichen Gottes.

Das Zeichen würde gut passen in den Kontext der Berufung der Leviten zum Dienst am Tempel, siehe den BdW 16/2025.  Aber in solch einem Kontext steht die Geschichte nicht, im Gegenteil. Vorher wurde nämlich erzählt, wie sich die Elite der Leviten auflehnt gegen den Anspruch Aarons, des Bruders Mose, das Priestertum allein zu verwalten, er und seine Söhne, so dass den Leviten nur die nichtpriesterlichen Dienste bleiben. Die Revolte einer Gruppe um Korach, eines levitischen Fürsten, wird von Gott persönlich niedergeschlagen, der Boden tut sich auf und verschlingt Korachs Gefolgsleute, die „Rotte Korachs“. Ein furchtbares Feuer tut ein Übriges. Als sich Unmut im ganzen Volk ausbreitet, beginnt eine Epidemie zu wüten, die nur der Eingriff Moses noch aufhalten kann. 

Die Kohaniter, die Nachkommen Aarons, sind Leviten. Aber sie sind besonders: Nur Kohaniter durften Priester und Hohepriester sein. Andere Leviten taten Dienst im Tempel, ohne aber Priester sein zu können. Wie die Frauen in der katholischen Kirche. Im BdW 34/2023 geht es um die Berufung von Leviten zu einem nicht-priesterlichen Dienst. Mit dem Wunder vom grünenden Stab soll die besondere Rolle Aarons und seiner Söhne abgesichert werden, sein Priestertum. Hier ist unser Vers absolut entscheidend — auf den Stab des Stammes Levi nämlich wird der Name Aarons geschrieben, seines obersten Repräsentanten. Der Stab wird daher Aaronsstab genannt, und man kann das Ergebnis so interpretieren, dass Gott das Priestertum Aarons bestätigt. Wenn aber der Stamm Levi mit dem Namen Aarons identifiziert wird —  wie lassen sich durch dieses Gottesurteil die Ansprüche der Leviten im allgemeinen und der Kohaniter im besonderen trennen? 

Ohne unseren Vers würde die Geschichte vom grünenden Stab eine komplett andere Botschaft überbringen! Wenn ich Theologe wäre, würde ich jetzt weiterfragen. Aber das bin ich nicht. Ich fahre in einem Regionalzug durch die Toskana, mit einem Interrail-Ticket in der Tasche, und bewege mich langsam auf Siena zu. Und wie ich nach draussen schaue, interessiert mich etwas anderes. Im Kontext des gezogenen Verses greift Gott selbst an mehreren Stellen massiv ein und tut seinen Willen kund. Im Leben ist das die Ausnahme. Wie äußert sich Berufung, was sind die Zeichen — gibt es welche? Und wenn jemand meint, die Zeichen lesen zu können, wie geht er damit um?

Blick aus dem Zugfenster, in der Toskana

Blick aus dem Zugfenster, in der Toskana

Berufungen haben etwas finales. Typischerweise gibt es nicht einmal Rente oder Pension. Einige Propheten, von denen das erste Testament berichtet, haben sich verzweifelt gegen ihre Berufung gewehrt, aus gutem Grund. Wer berufen wird, ist herausgenommen in ein Leben auf dem Präsentierteller, von der Umwelt ständig in Frage gestellt. Und es geschieht nicht oft, dass die Widersacher von der Erde verschluckt werden. 

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche unter dem Schutz des Herrn,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 22/2025

…welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut, damit er die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete in dem, dass er Sünde vergibt, welche bisher geblieben war unter göttlicher Geduld;…
Röm 3,25

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gnadenstuhl

Jede Woche ziehe ich zufällig einen Vers und versuche mich in einer Betrachtung. Nie habe ich versprochen, dass der Versuch immer glückt. Heute kann er nicht glücken, aus zwei Gründen. 

Die Bibel ist nicht Theologie, Theologie wird „über“ die Bibel gemacht. Das ermöglicht auch Nichttheologen einen vollgültigen Zugang, und nur so kann etwas wie der „Bibelvers der Woche“ gelingen. Es gibt eine Ausnahme — Paulus. Paulus sammelt nicht nur, er reflektiert, ordnet und systematisiert das, was er über Jesus gehört hat, weiss und selbst erfahren hat. Paulus ist Theologe — neben dem, was er sonst ist: Missionar, Kirchenpolitiker, Gründer vieler Gemeinden und bei Licht betrachtet der ganzen Weltkirche. Unser Vers ist reine Theologie, Wissenschaft von Gott. Viele Fäden nimmt er auf und verknüpft sie, sie laufen zusammen in diesem einen Vers. Die Botschaft des neuen Testaments in einer Nussschale. Der Vers und sein zentrales Bild, der Gnadenstuhl, haben eine eigene große Webseite in Wikipedia. Es kann mir nicht gelingen, die zentralen Aspekte leicht fasslich auf einer Seite zu reflektieren. Allein die Sprache ist eine Herausforderung…

Ich selbst stehe unter den Nachwirkungen eines seelischen Schlags und habe nicht die Kraft und Souveränität, einen Aspekt herauszugreifen und darin das Ganze aufscheinen zu lassen, vielleicht mit einem Lied oder einem Bild. Immerhin kann ich die Fäden benennen, die hier zusammenlaufen: 

  • Gottes Gerechtigkeit — sie verlangt Bestrafung von Sünde und Vergehen;
  • Gottes Gnade und Vergebung — sie beinhalten das Gegenteil, nicht wahr?
  • Gottes Geduld — Aufschub der Strafe, aber bis wann? 
  • das Blut Christi und sein Opfertod — wie kann das gerecht sein?
  • Glauben — den Weg gehen;
  • Versöhnung — von Mensch und Gott.

Alles dies kommt zusammen im Bild des „Gnadenstuhls“. Das ist Luthers Übersetzung des hebräischen Worts für eine goldene Platte, welche die Bundeslade im Allerheiligsten des Temples bedeckt, ohne selbst ein Teil von ihr zu sein. Das Wort „Stuhl“ steht hier für „Sitz, Örtlichkeit“, nicht für ein reales Sitzmobiliar. Gott selbst wird über dem Gnadenstuhl als anwesend gedacht. Beim Opfer am Versöhnungstag, Jom Kippur, spritzt der Priester das Blut des Opfertiers in Richtung des Gnadenstuhls. 

Bildlich findet dort die Versöhnung statt. Für Paulus ist Jesus Christus selbst dieser Gnadenstuhl: in ihm laufen die Fäden zusammen, findet die Versöhnung statt. Und nun kann ich ihnen doch eine Gemme geben: Wie dieser Gnadenstuhl ist irgendwie der Vers selbst: er nimmt all diese Fäden auf, in ihrer Widersprüchlichkeit, und verwebt sie zu einer festen Struktur. Der Vers kann also für den Gnadenstuhl stehen, dieser steht für Jesus Christus, und der wiederum steht für die Versöhnung von Mensch und Gott — er ist diese Versöhnung. 

Versöhnung — der Friede Gottes sei mit uns,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 08/2025

Und die Kinder Israel, die aus der Gefangenschaft waren wiedergekommen, und alle, die sich zu ihnen abgesondert hatten von der Unreinigkeit der Heiden im Lande, zu suchen den HErrn, den Gott Israels, aßen…
Esr 6,21

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Zirkuläre Zeit

…und hielten das Fest der ungesäuerten Brote sieben Tage mit Freuden; denn der Herr hatte sie fröhlich gemacht und das Herz des Königs von Assyrien zu ihnen gewandt, daß sie gestärkt würden im Werk am Hause Gottes, der der Gott Israels ist. (Vers 22, Lutherbibel 1912).

So die Fortsetzung des begonnenen Satzes. Er hat so viele Bestandteile, dass auch ein deutscher Muttersprachler leicht ins Schleudern kommen kann, aber sein Kern ist die schlichte Aussage: „Und die Kinder Israel aßen.“ Kann man Wohlbefinden gegenständlicher ausdrücken? Was aßen sie? Das Passamahl, das schon so lange nicht mehr regelrecht gefeiert worden war. Es gab jetzt wieder einen (notdürftigen) Tempel, es gab wieder Leviten für die Opferdienste. Das Leben Tür an Tür mit Gott hat wieder begonnen. Mit dabei waren Nichtjuden, die sich zum Gott dem Herrn bekannten, auch das sagt der Vers. Gültiges Recht: Ex 12,48 lässt die Teilnahme von beschnittenen Nichtjuden ausdrücklich zu.

Tür an Tür mit Gott: Der alte Tempel wurde als Seine Wohnstatt betrachtet. Und als immer größere Teile der nach Babylon verschleppten Elite wieder nach Jerusalem zurückkehrte, bauten die Juden einen neuen. 

Wie einst die Stiftshütte, welche die Kinder Israels auf ihrer Wanderung begleitete, noch in der äußersten Entfremdung, als der Herr beschloss, dass die ganze Generation derer, die aus Ägypten geflohen war, in der Wüste sterben sollten. Erst ihre Kinder würden das gelobte Land sehen. Wie einst der salomonische Tempel, den dann die Babylonier in Flammen aufgehen ließen. Wiederum äußerste Entfremdung: die Juden verloren alles, nicht nur Gott und seinen Wohnsitz, sondern auch ihre Freiheit und ihre Heimat. 

Der Vers und sein Umfeld erzählen vom Ende dieser Phase. Gott und sein Volk waren wieder zusammengekommen. Nicht dauerhaft, wieder nicht: Im Jahr 70, auch an einem Passafest, begann Titus seinen Angriff auf Jerusalem. Er endete mit der völligen Zerstörung des Tempels und der Zerstreuung des jüdischen Volks im römischen Reich. Flavius Josephus berichtet, dass sich wegen des Passafests während der Belagerung etwa 3 Millionen Menschen in der Stadt befanden, von denen 1,1 Millionen ums Leben kamen.

Die alte hebräische Sprache kennt keine Zeitformen, nur Aspekte: Handlungen können entweder punktförmig und faktisch sein, oder sich auf einen Zeitraum beziehen, Möglichkeitscharakter haben oder Regelmäßigkeiten beschreiben. Vergangenheit und Zukunft sind dabei keine eigenständigen Kategorien. Im alten Judentum waren sie nicht wesentlich unterschieden: In der Wahrnehmung der Menschen vollzog Zeit sich in Zyklen, die sich nicht exakt wiederholten, sondern spiralförmig verliefen. Vergangenes blieb relevant für die Zukunft, die nahe und ferne Geschichte des Volks hat stets Bedeutung auch für das Leben des Einzelnen. 

Hier also, mit unserem Vers, treffen Gott und sein Volk sich wieder, und eine glückliche Phase der jüdischen Geschichte setzt ein. Wie die Bewegung eines Pendels, der Schlag eines gigantischen Herzens. Diese Bewegung, hin und her, bestimmt die ganze Bibel, bis hin zu den letzten Kapiteln der Offenbarung. Wer oder was treibt das Pendel? Wann kommt es zur Ruhe?

Der Herr sei mit uns in dieser Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 50/2024

Im vierhundertachtzigsten Jahr nach dem Ausgang der Kinder Israel aus Ägyptenland, im vierten Jahr des Königreichs Salomo über Israel, im Monat Siv, das ist der zweite Monat, ward das Haus des HErrn gebaut.
1 Kö 6,1

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Sieben Jahre Advent

Spatenstich für das Haus des Herrn. Jahrelang zuvor hat eine Armee von Fronarbeitern Bauholz und Steine zusammengetragen, und nun beginnt der Bau. Sieben Jahre wird es dauern, bis der Tempel eingeweiht werden kann. Die exakte Datumsangabe markiert die Bedeutung des Ereignisses. Am Ende des zweiten Buchs der Könige wird die Zerstörung des Tempels beschrieben, ihr Beginn wird gleichfalls genau datiert:, siehe auch den BdW 10/2018 für eine Parallelstelle:

Am siebenten Tage des fünften Monats, das ist das neunzehnte Jahr Nebukadnezars, des Königs von Babel, kam Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, als Feldhauptmann des Königs von Babel nach Jerusalem und verbrannte das Haus des HERRN und das Haus des Königs und alle Häuser in Jerusalem; alle großen Häuser verbrannte er mit Feuer. 
2 Kö 25, 8+9

Aber so weit sind wir hier längst nicht. Hier, heute, in unserem Vers, wird der Tempel gebaut — der ganze Text bebt geradezu vor Erwartung. Das Haus des Herrn entsteht, bald ist es so weit, er wird kommen, in Jerusalem zu wohnen. Das ist Advent, nicht wahr? Sieben Jahre lang.

Ich wünsche uns allen einen gesegneten zweiten Advent, 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 22/2024

Dann aber wirst du Glück haben, wenn du dich hältst, dass du tust nach den Geboten und Rechten, die der HErr dem Mose geboten hat an Israel. Sei getrost und unverzagt, fürchte dich nicht und zage nicht!
1 Chr 22,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Viel Glück und viel Segen…!

Ein Kommentar ist nicht unbedingt nötig. Sie können den Vers dreimal lesen und damit getrost in die nächste Woche gehen!

Aber vielleicht etwas zum Hintergrund. Der ist nämlich interessant, und er sagt uns, worum es geht. Der Vers und sein Text schließen an die Geschichte von Davids Volkszählung an. Erinnern Sie sich? Vor kurzem, in Woche 19/2024, haben wir einen Vers gezogen, der David den Ort für einen Altar nannte: Araunas, des Jebusiters Tenne. Platz für ein Sühneopfer, nachdem der Todesengel des Herrn Jerusalem beinahe vernichtet hätte. Dies sollte nun auch der Platz für den Tempel in Jerusalem werden. David selbst soll ihn nicht bauen, sagt ihm der Herr, zu viel Blut klebt an seinen Händen. Salomon, sein Sohn, ist ausersehen, er soll König des Friedens sein. David will das seine tun, für den Tempelbau legt er riesige Vorräte an und führt Kriege darum — siehe die BdWs 08/2022 und 27/2021. Er hat eben seinen eigenen Modus…

Und nun gibt David seinem Sohn den Segen. Hier der ganze Wortlaut (1 Chr 22,11-13)

So wird nun, mein Sohn, der HERR mit dir sein und es wird dir gelingen, dass du dem HERRN, deinem Gott, ein Haus baust, wie er von dir gesagt hat. Auch wird der HERR dir geben Klugheit und Verstand und wird dich bestellen über Israel, dass du haltest das Gesetz des HERRN, deines Gottes. Dann aber wird es dir gelingen, wenn du die Gebote und Rechte befolgst, die der HERR dem Mose für Israel geboten hat. Sei getrost und unverzagt, fürchte dich nicht und lass dich nicht erschrecken! 

Der Tempelbau möge gelingen, mit Glück und Segen! Jedem von uns. In diesem Sinne wünsche ich uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 19/2024

Und Gad kam zu David zur selben Zeit und sprach zu ihm: Gehe hinauf und richte dem HErrn einen Altar auf in der Tenne Aravnas, des Jebusiters!
2 Sa 24,18

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Pandemie

In der vergangenen Woche wurde Pessach gefeiert, das jüdische Fest des Auszugs der Kinder Israel aus Ägypten. In die Vorgeschichte gehört die Geschichte von den zehn Plagen. Jüdische Kinder lernen diese Plagen vor dem Fest auswendig und malen sie. Die Bibelverse der vergangenen Wochen erinnern mich daran: 16/2024: Blut und Gottes Gericht; 17/2024: Die Sterne und Gottes Gericht; 18/2024: Auf Gottes Weisung stirbt ein Volk. Und nun also 19/2024: Gott sendet eine tödliche Seuche. 

Es geht um eine sonderbare Geschichte. Ausführlicher und noch eindrucksvoller wird sie in 1 Chr 21 erzählt. Sie beginnt damit, dass der „Zorn Gottes abermals entbrannte gegen Israel“ (2 Sa 24,1). Gott „reizt David gegen sie“, und der König ordnet eine Volkszählung an. Diese Volkszählung aber stellte ein todeswürdiges Verbrechen dar, dazu unten mehr. 

Gad, ein Prophet, erscheint vor David. Der König soll zwischen drei Strafen wählen: 1) Das Land erleidet eine sieben Jahre währende Hungersnot, 2) David selbst muss drei Monate lang vor Widersachern fliehen, die ihn verfolgen, und 3) Während dreier Tage wütet eine Pest im Land. David entscheidet sich gegen die zweite Möglichkeit: er will lieber, so sagt er, in die Hand Gottes fallen als in die der Menschen. Und so bricht eine Pest aus, verschlingt in rasender Geschwindigkeit siebzigtausend Menschen im Norden des Landes. Als die Epidemie Jerusalem erreicht und der Todesengel turmhoch über der Stadt steht, gereut es den Herrn, und er gebietet Einhalt. David sieht den Todesengel und bittet darum, dass ihm selbst die Strafe zukommen möge und nicht dem Volk — „was haben diese Schafe getan?“ Gad, der Prophet, weist David an, dem Herrn an dieser Stelle einen Altar zu bauen. Das ist der gezogene Vers, und es war dies der Platz, auf dem später der Tempel entstehen sollte. 

Hat man den Mund wieder zubekommen, steht man vor Fragen.

Warum sollte die Volkszählung ein todeswürdiges Verbrechen sein? Das lässt sich nicht mehr klären. Volkszählungen waren an sich erlaubt. In Ex 30, 11-16 wird eine Kopfsteuer im Zusammenhang mit Zählungen beschrieben. Jeweils zu Beginn (Num 1) und zum Ende (Num 26) der Wüstenwanderung ordnete Gott eine Volkszählung an. Der Name des Buchs Numeri leitet sich von der ersten Volkszählung ab. Ich bin bei meiner Recherche auf eine Diskussion im „Wachturm“ der Zeugen Jehovas gestoßen. Dort gibt es sonst Sicherheit und keine offenen Fragen, aber zur Sündhaftigkeit der Volkszählung muss der Redakteur passen.

Eigentlich aber ist die Sündhaftigkeit der Volkszählung gar nicht entscheidend. Das Urteil war schon früher gefallen. Gottes Zorn war entbrannt, er will das Volk und David strafen, und die Volkszählung sollte der äußere Anlass sein, eine Tat, zu der er selber David reizt. Im parallelen Text der Chronik übrigens ist es Satan, der David provoziert. Gott lässt David die Wahl, die Strafe selbst anzunehmen oder das Volk büßen zu lassen, und David entscheidet sich für die Seuche. 

Aus Sicht der Israeliten klingt die Geschichte etwa so: Gott, der Herr reizt unseren König zu einer schweren Sünde. Diese Sünde rechnet der Herr uns zu, weil unser König es so entscheidet, und wir müssen sterben. Siebzigtausend von uns tötet der Engel des Herrn. Gemeinsam strafen Gott und sein König David uns für etwas, an dem wir keine Schuld tragen. 

An dieser Stelle wird die dunkle Geschichte fast ein wenig kenntlich, nicht wahr? So können viele Opfer vieler Kriege klagen. Aber warum? 

Noch etwas anderes erkenne ich wieder — das Schlüsselmotiv hinter den ägyptischen Plagen. Wir haben sie oben schon angesprochen. Die Plagen trafen die Ägypter, weil ihr Pharao die Israeliten nicht ziehen lassen wollte. Aber der Herr selbst hatte den Pharao „halsstarrig“ gemacht, unfähig, auf neue Gegebenheiten zu reagieren. Er konnte den wiederkehrenden Forderungen Mose nicht nachkommen. Wie ein Automat musste er ablehnen, ein ums andere Mal, und ein ums andere Mal trafen die Plagen sein Volk, darunter auch eine Seuche. Siehe hierzu den Kommentar „Verblendung“ zu BdW 44/2019. Gott wollte den disruptiven Auszug, und der Pharao musste seinen Beitrag leisten.

Hier, in Sam 24, ist Gottes Volk selbst das Opfer. Das will nicht so recht passen zu unserem Bild von Gott: Gott tut so etwas nicht. Oder doch? Warum eigentlich nicht? Genau so sieht unsere Welt doch aus. Vielleicht liegt das Problem bei unserem Bild von Gott. Eigentlich sollten wir gar keines haben. Ein gnädiger Gott ist keine Selbstverständlichkeit, ein gütiger Gott auch nicht. Und wenn er nicht so ist, wie wir ihn gern hätten — nicht gütig, nicht gnädig, nicht zugewandt — dann können wir ihn nicht entlassen, abwählen, zurückgeben und umtauschen, wie wir es so gern tun. In seiner Allmacht steht er uns gegenüber…!

Vielleicht will uns die Geschichte daran erinnern. An ihrem Anfang steht der Zorn Gottes. Bezeichnenderweise endet sie damit, dass ein Platz für den Bau des Tempels gefunden wird. Der gewaltige Bau und der Opferbetrieb soll die Beziehungen zwischen Gott und seinem Volk auf eine regelbasierte und verlässliche Grundlage stellen. Ein Versuch, dem Ausgeliefertsein zu entkommen?

Ich wünsche uns allen eine Woche im Segen des Herrn, frei von Plagen — und mit dem Licht des Friedens in Rafah!

Ulf von Kalckreuth

P.S. Der Zufall oder etwas anderes wollte es, dass ich gestern in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Frankfurt Geld wechseln musste. Ich wartete in einer Schlange, und bemerkte, dass ich auf einer großen Metallplatte stand, auf der Sterne und ein Komet zu sehen war. Als ich mir die Platte näher betrachtet, konnte ich Worte entziffern: 

Du bist erschrecklich — Wer kan furdirstehen wen du zurnest Anno 1680

Die Platte war nach einer Münze aus dem 17. Jahrhundert gestaltet, mit den Worten aus Psalm 76,8: Furchtbar bist du! Wer kann vor dir bestehen, wenn du zürnest? Das prägten die Menschen sich auf ihr Geld, vor knapp 350 Jahren. Der Kuschelgott, den wir zu kennen glauben, ist jedenfalls nicht sehr alt. 

Bibelvers der Woche 07/2024

…und die Leviten und die Sänger alle, Asaph, Heman und Jedithun und ihre Kinder und Brüder, angezogen mit feiner Leinwand, standen gegen Morgen des Altars mit Zimbeln, Psaltern und Harfen, und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Drommeten bliesen;
2 Chr 5,12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gottesdienst

Der Tempel wird eröffnet. Jahrzehntelang wurde gebaut, und viel länger noch, schon unter David, wurde der Bau vorbereitet. Alles treibt seit langem auf diesen Höhepunkt zu. 

Zu mir spricht dieser Vers sehr direkt, fast wie eine Antwort. In der letzten Woche endete ich mit der Vorstellung, dass die vom Volk erbetene und von Gott gewährte Mittlerrolle Mose geteilte und kollektive Gotteserfahrungen nicht mehr vorsieht — der Austausch mit der Gottheit vollziehe sich nun über berufene Mittelsmänner. Große theokratische Strukturen sind die Folge. Als Beispiel für eine Wende, einen Ausbruch habe ich das Pfingstereignis erwähnt. 

Aber etwas anderes noch vermittelt seit viertausend Jahre Glaubenden geteilte Erfahrung mit Gott: der Gottesdienst, mit Gebeten und Gesängen. Auch dafür steht ja die Einweihung des Tempels: für regelmäßigen, d.h. Regeln folgenden Gottesdienst einer großen Vielzahl von Menschen. Jeder Mann sollte dreimal im Jahr zu den hohen Festen den Tempel besuchen und dort seinen Dienst an Gott verrichten. Dieser Dienst war vor allem Opfer, und es gab keine Predigten im heutigen Sinne. Aber da war schon vieles, was es heute noch gibt: Psalmgesänge, Gebete, Lobpreis. 

Und wie heute waren Gottesdienste Raumzeiten gemeinsamen Erlebens. Für mich selbst ist dies sehr oft mit Musik verbunden, Musik der verschiedensten Art. Und als ich las, wie Asaf, Heman, Jeditun und alle Tempelsänger zur Eröffnung des Tempels ihre Stimme erhoben, unterstützt von 120 Priestern, die Trompete bliesen wie ein Mann, alle angetan in feinstes Leinen — da sah ich es nicht nur vor mir, sondern ich hörte es auch ein wenig, und ich wusste, woran ich in der vergangenen Woche nicht gedacht hatte. 

Hier Psalm 150, der den Psalter beschließt: 

Hallelujah! Lobet Gott in seinem Heiligtum, lobet ihn in der Feste seiner Macht! 
Lobet ihn für seine Taten, lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit! 
Lobet ihn mit Posaunen, lobet ihn mit Psalter und Harfen! 
Lobet ihn mit Pauken und Reigen, lobet ihn mit Saiten und Pfeifen! 
Lobet ihn mit hellen Zimbeln, lobet ihn mit klingenden Zimbeln! 
Alles, was Odem hat, lobe den HERRN! Hallelujah!

Der Herr segne und behüte uns
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 41/2023

The LORD said that he would dwell in the thick darkness

So habe ich nun ein Haus gebaut dir zur Wohnung, einen Sitz, dass du ewiglich da wohnest.
1 Kö 8,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Unverfügbar

Salomo spricht. Vor versammeltem Volk eröffnet er den Tempel des Herrn. Im Zusammenhang lautet der Vers: Da sprach Salomo: Die Sonne hat der HERR an den Himmel gestellt; er hat aber gesagt, er wolle im Dunkel wohnen. So habe ich nun ein Haus gebaut dir zur Wohnung, eine Stätte, dass du ewiglich da wohnest.

Salomo verweist auf die Vergangenheit, als früher schon das ganze Volk vor Gott stand. Das war am Horeb, als Gott die zehn Gebote gab. Mose musste Mittler sein, weil das Volk Gottes Gegenwart nicht ertrug — So stand das Volk von ferne, aber Mose nahte sich dem Dunkel, darinnen Gott war (2. Mose 20,21).

Gott, der sich Mose offenbarte, ist überörtlich und überzeitlich, er war, der er sein wird, und er zeigt sich, wem er will, wo er will und wann. Unverfügbar. Salomos Werk war der Tempel, das große Interface zwischen Gott und Mensch. Ort des Opfers, des Gebets, des heiligen Gesangs. Einziger Ort für all dies, für die Verehrung Gottes. Um den Tempel herum gründete sich eine Bürokratie, die Zugang gewährte oder verwehrte, ein Steuersystem, eine beamtete Priesterkaste, die Verschränkung von Staat und Kult. 

Ist es recht, dem großen Gott, der im Dunkel wohnen will, ein Haus zu bauen? Zu zeigen, wo Gott wohnt, und damit auch, wo er nicht wohnt? 

Die Gnade unseres dunklen Gotts sei mit uns allen,
Ulf von Kalckreuth