Bibelvers der Woche 04/2024

Es ist kein Gott wie der Gott Jesuruns. Der im Himmel sitzt, der sei deine Hilfe, und des Herrlichkeit in Wolken ist.
Dtn 33,26

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Wenn nichts bleibt als ein Segen…

Ein Segensspruch. Mose weiss, dass er sterben muss. Nachdem er Josua als seinen Nachfolger in der militärischen und politischen Führung eingesetzt hat — dazu hatten wir vor wenigen Wochen den BdW 50/2023 gezogen — und mit dem „Lied des Mose“ den Israeliten sein geistliches Testament übergeben hat, ist es nun Zeit, Abschied zu nehmen. Die Söhne Jakobs sind zu Stämmen eines Volks geworden. Und genau wie Jakob am Ende des Buchs Genesis sterbend seine Söhne segnet, ist es nun an Mose, die Stämme Israels zu segnen, jeden einzeln, Stamm für Stamm. Der Segen, den wir gezogen haben, lautet im Ganzen wie folgt (Lutherbibel 1984, Dtn 33,26f):

Es ist kein Gott wie der Gott Jeschuruns, der am Himmel daherfährt dir zur Hilfe und in seiner Hoheit auf den Wolken. Zuflucht ist bei dem alten Gott und unter den ewigen Armen. Er hat vor dir her deinen Feind vertrieben und geboten: Vertilge! 

Wer aber ist Jeschurun, dem dieser Segen gilt? Hier ist der Eintrag im Bibellexikon. Der Name tritt im Alten Testament nur viermal auf. In dreien dieser Fälle verweist er auf das Volk Israel als Ganzes. Hier aber, an dieser Stelle, würde man eigentlich den Namen eines Stammes erwarten. Aber keiner der Söhne Jakobs heißt Jeschurun. Es gibt die Vermutung, dass hier vielleicht ein Segen für eine nicht ursprünglich israelitische Bevölkerungsgruppe eingefügt wurde.

Es ist spannend, die Segnungen am Ende des ersten und des fünften Buchs Mose zu vergleichen, Gen 49 vs. Dtn 33. Es sind im fast dieselben Namen und es ist derselbe Duktus, oft geheimnisvoll und mit Bezügen, die wir nicht mehr verstehen. Manche Segenssprüche in den beiden Texten entsprechen einander, wie die für Asser und Sebulon, andere sind sehr unterschiedlich, am auffälligsten die Sprüche für Levi. Einige Stämme werden von Mose sehr kursorisch behandelt, als seien sie nurmehr eine ferne Erinnerung. Simeon taucht in Moses Abschied gar nicht mehr auf. Der Stamm scheint nur vorübergehende Existenz besessen zu haben, siehe die etwas schwermütige Betrachtung zu BdW 51/2020

Kann es sein, dass der Segen für Jeschurun ursprünglich dem Stamm Simeon galt und nun in der Bibel fortlebt als Segen für Gottes Volk als Ganzes? Was für eine Vorstellung: wenn von Menschen am Ende nichts bleibt als — ein Segen? 

Und der Gott, der im Himmel sitzt, sei unsere Hilfe!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 50/2023

Der HERR aber, der selber vor euch her geht, der wird mit dir sein und wird die Hand nicht abtun noch dich verlassen. Fürchte dich nicht und erschrick nicht.
Deut 31,8

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Fürchte dich nicht! 

Wenn man Verse zufällig zieht, kann man echte Überraschungen erleben, echte Begegnungen. Vom Vers dieser Woche bin ich wie betrunken.

Mose fühlt sein Ende nahen und übergibt die Führung an seinen Nachfolger, Josua. Er selbst darf das Heilige Land nicht betreten, so hat es Gott lang vorher bestimmt. Hundertzwanzig Jahre ist er alt, bald wird das Volk den Jordan überschreiten und er wird nicht dabei sein. Dein eigenen Tod vor Augen spricht Mose seinem Nachfolger Mut zu. Alleine schafft es Josua nicht, das wissen alle, aber der Herr selbst wird für ihn streiten! 

Es geht um Landnahme und einen Eroberungskrieg, der manches Mal zum Vernichtungskrieg gerät. Ich will hier etwas politisch Unkorrektes tun, das zudem gegen meine eigenen Prinzipien verstößt. Ich will den Kontext ignorieren und nur den Satz selbst betrachten. Hier wird jemanden, der bis weit über seine Grenzen hinaus mit Aufgaben beladen ist, Mut und Gewissheit zugesprochen, Gewissheit, dass des Herrn Kraft ihn tragen wird. 

In dieser Lage sind wir alle, wenn wir unser Leben verstehen. Es gibt kein leichtes Leben — wem seines so vorkommt, der sieht die Herausforderungen nicht. Am Ende muß die Gegenwehr erlahmen, am Ende überwältigen die wachsenden Widernisse die schwächer werdenden Kräfte, in den Strudel eines Zusammenbruchs hinein.  

Und doch! Und doch wird des Herrn Kraft uns tragen. Das ist es, was die Bibel uns im Kern sagt. Auch im Zusammenbruch, in der Überforderung, der Schwäche und der endlichen Vernichtung, dem Tod: 

Des Herrn Kraft wird dich tragen. Fürchte dich nicht!

Das ist eine ungeheure Vorstellung. Wer kann sie annehmen? Der es tut, wird gänzlich anders leben.

Der Herr sei mit uns!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 48/2023

Und da sie ihm zu trinken gegeben hatte, sprach sie: Ich will deinen Kamelen auch schöpfen, bis sie alle getrunken haben.
Gen 24,19

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Verborgene Botschaften

Oben sehen Sie das Wappen meiner Familie. Im Schild sind zwei gekreuzte Werkzeuge, Kalkreuten genannt. Vielleicht sind es Kalkofengabeln, genau weiss man es nicht. Zu Wappen und Namen gibt es eine Sage, an die der Vers mich erinnert. Weiter unten will ich sie erzählen.

Zuerst aber der Vers. Abraham war schon hochbetagt, als seine gleichfalls alte Frau Sarah den gemeinsamen Sohn Isaak zur Welt brachte. Nun sollte Isaak verheiratet werden. Ehen wurden in dieser Zeit von den Vätern oder den Clanchefs der Brautleute gestiftet. Abraham war in Kanaan reich und mächtig geworden, aber er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass seine Schwiegertochter auf keinen Fall aus Kanaan kommen dürfe, sie solle vielmehr aus dem aramäischen Heimatland stammen. Harran, die Stadt, in die Abrahams Vater gezogen war und wo noch sein Neffe Betuel lebte, lag fast 1000 km nördlich von Machpela in Kanaan — er selbst konnte nicht dort hin. Was also tun? 

Abraham schickt einen Diener in die weit entfernte Stadt mit dem Auftrag, eine Frau für seinen Sohn zu finden. Keinesfalls dürfe der Diener Isaak mitnehmen. Der Diener schwört es und macht sich auf den Weg. Schließlich erreicht er Harran. Nun müsste er eigentlich mit der Verwandtschaft Abrahams Kontakt aufnehmen, um in den Großfamilien nach einer Braut zu suchen oder nach Informationen, bei welchen anderen Clans die Werbung sinnvoll wäre. Aber er hat große Angst, nicht fündig zu werden oder auf eine Braut zu stoßen, die ihm nicht nach Kanaan folgen will.  

Er bittet Gott um Hilfe, und mit großem Gottvertrauen und erstaunlichem Selbstbewusstsein zugleich nennt er Gott ein Zeichen. Die „rechte“ Braut solle mit einem Krug auf ihn zukommen, und wenn er sie um Wasser bitte, so solle sie antworten: Trinke, und deine Kamele will ich auch tränken. Der zweite Teil der Antwort ist so unwahrscheinlich, dass sie in der Tat ein Zeichen ist: Wer würde für einen Fremden solche Mengen Wassers aus der Quelle schöpfen und nach oben tragen? Kamele sind berühmt für ihren ungeheuren Durst! 

Und das Wunder geschieht: kaum hat der Diener sein Gebet gesprochen, sieht er ein zartes und unberührtes junges Mädchen, mit einem gefüllten Krug auf ihrer Schulter, und als er sie um Wasser bittet, gibt sie nicht nur ihm zu trinken, sondern will auch seine Kamele tränken. Sie spricht also die magischen Worte, das ist der gezogene Vers. Der Diener hat Rebekka gefunden, Isaaks künftige Frau, Mutter Jakobs, Stammmutter damit  aller Israeliten und Juden! Der Himmel öffnet sich ein Stück. Die Sippe — nahe Verwandte Abrahams übrigens — nimmt des Dieners Werbung und die Brautgeschenke gern an. Und Rebekka ist ohne weiteres bereit, ins weit entfernte Kanaan zu gehen, um dort einen Mann zu heiraten, den sie nicht kennt. Schließlich aber sind die beiden Brautleute, als sie sich schließlich sehen, einander herzlich zugetan. 

Der Diener bittet, dass Gott ihm die Braut zeige, und er legt fest, wie die Gesuchte sich als rechte Braut ausweisen soll. Wie Soldaten, die sich anhand einer Parole zu erkennen geben: der eine sagt ein Wort, der andere ein anderes. Aber die Verabredung über die Parole besteht mit Gott. Rebekka, als sie spricht, kennt ihre eigentliche Bedeutung ihrer Worte nicht. 

Der Diener Abrahams trifft auf Rebekka.
Ulf von Kalckreuth mit Dell-E, November 2023

In der Einleitung hatte ich Ihnen eine Sage versprochen. Es ist eine richtige Rittersage, ich gebe sie gekürzt wieder. Ein junger Mann zieht fort von seiner Heimat und kommt an den Hof eines fremden Königs. Er bewährt sich und macht sich beliebt, aber nicht bei allen. Es gibt Neider, und einer von ihnen beschließt, für des jungen Mannes vorzeitigen Tod zu sorgen. Er redet dem König ein, dass dessen Frau dem jungen Mann sehr — zu sehr — gewogen sei. Der König glaubt ihm und fragt, was zu tun sei. Der Verleumder sagt, der König solle nicht lang fackeln, sondern den jungen Liebhaber in einem Kalkofen verbrennen lassen. Dazu möge er den Jüngling zu einem Kalkofen schicken und dort fragen lassen, ob des Königs Befehl ausgerichtet sei. Wer immer sich mit diesen Worten an die Arbeiter wende, den sollten die Arbeiter packen und in den Ofen werfen. 

So geschieht es. Der Jüngling macht sich auf den Weg zum Kalkofen. Dabei wird er jedoch für einige Zeit aufgehalten. Dann macht auch der Verleumder sich auf den Weg, um zu sehen, ob alles gelungen sei. Er wendet sich an die Arbeiter und fragt, ob des Königs Befehl ausgerichtet sei. Diese packen ihn und wollten keine Ausflüchte und Begründungen hören, dass dies so doch gar nicht gemeint sei — sie werfen ihn in den Kalkofen und dort stirbt er, an des jungen Mannes Stelle. 

Als der Jüngling verspätet beim Kalkofen erscheint, und seinerseits fragt, ob der Befehl ausgerichtet sei, kommt alles ans Licht, und der König ist sehr zufrieden, dass es der Verleumder in die selbst gegrabene Grube gefallen ist und nicht sein unschuldiges Opfer. Den jungen Mann aber macht er zu seinem Gefolgsmann und Ritter. 

Wie bei der Brautschau im Vers haben die Worte, die der Jüngling an die Arbeiter richten soll, eine ganz eigene schwerwiegende Bedeutung, die der Überbringer selbst nicht kennt. Und in meiner Familie erzählt man sich, der junge Mann habe von den Kalkofengabeln das Wappen und seinen ritterlichen Namen bezogen, und niemand anders sei er als der Stammvater aller Kalckreuths…!

Verborgene Botschaften. Ja, wir überbringen Botschaften, und nicht immer kennen wir ihre Bedeutung für uns und für andere. Gebe der Herr, dass es Botschaften zum Heil sind, wie bei Rebekka, und nicht zum Unheil, wie in der Legende…!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 46/2023

Siehe, also wird gesegnet der Mann, der den HErrn fürchtet.
Ps 128,4

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Worauf es ankommt

Worin besteht Gottes Segen? Allen, die Religion für eine diffuse und wenig konkrete Angelegenheit halten, sei Psalm 128 empfohlen. Hier ist kurze Psalm vollständig, in der Lutherübersetzung von 1984:

Wohl dem, der den Herrn fürchtet und auf seinen Wegen geht!
Du wirst dich nähren von deiner Hände Arbeit;
wohl dir, du hast’s gut.
Deine Frau wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock drinnen in deinem Hause,
deine Kinder wie junge Ölbäume um deinen Tisch her.
Siehe, so wird gesegnet der Mann, der den Herrn fürchtet.
Der Herr wird dich segnen aus Zion, dass du siehst das Glück Jerusalems dein Leben lang
und siehst Kinder deiner Kinder. 
Friede sei über Israel!

Die Aufzählung wird zweimal eingeleitet, danach stehen jeweils zwei Segensversprechen. Ich würde es gern in heutigem Deutsch schreiben. Also:

Wer den Wegen des Herrn folgt, dem wird zuteil:
1) wirtschaftliche Selbständigkeit und ein angemessenes Auskommen
2) ein glückliches Familienleben mit Partner und Kindern
3) ein geistlich erfülltes Leben mit wiederkehrenden, geglückten Pilgerfahrten
4) ein langes Leben mit Enkeln und Urenkeln

Nichts wird darüber gesagt, wie diese Gaben dem Gottesfürchtigen zuteil werden. Es muß durchaus nicht Belohnung sein, für das Einhalten der Gebote etwa, vielleicht sind es eher die Wege des Herrn selbst, die zu den Segensgaben führen.

Als ich anfing, über den Vers nachzudenken, mußte ich plötzlich verblüfft innehalten. Auf meinem Schreibtisch liegt seit vielen Jahren ein ziemlich großer glatter Flusskiesel, oben ist ein Bild. Er steht für drei Steine, mit denen ein Coach mir einst klargemacht hat, worum es geht — was Kraft kostet und woraus wir sie ziehen können. Er benannte drei Sphären:

  • Berufs und Erwerbsleben,
  • Familienleben, und
  • spirituelles Leben, worunter er neben Religion auch Kultur und Musik verstand, soweit sie zu gemeinschaftlichem Ereignis werden. 

Wenn alles in Ordnung ist, beziehen wir aus diesen Sphären Kraft, sagte er. Geraten wir auf einer der Schauplätze in Schieflage, so wird dort Kraft abgezogen, auch aus den anderen Bereichen. Das funktioniert wie bei kommunizierenden Röhren. Eine schwere Störung in einem der Bereiche wird negative Folgen auch in anderen Bereichen nach sich ziehen — eine Ehekrise kann etwas mit Schwierigkeiten im Job zu tun haben und umgekehrt. Andererseits hat Wachstum in einem der Bereiche positive Wirkungen auch in den anderen. 

Aber schauen Sie: die Bereiche, die er aufzählte, sind nichts anderes als die ersten drei Nennungen im Psalm! Die vierte Nennung fehlt in seiner Liste — langes Leben mit Kindeskindern. Sie steht für ein in der Zeit gegründetes Leben, das nicht ohne Folgen bleibt, sondern sich fortschreibt. Ganz kurz gefasst lautet also der Psalm: 

Wer den Wegen des Herrn folgt, erlangt dabei das, worauf es ankommt im Leben!

Nicht alles mögliche oder alles, was man will, sondern das, worauf es ankommt. Was sagen Sie? Fehlt etwas? ‚Gesundheit‘ kann man unter die vierte Nennung subsumieren. Mir fällt sonst nichts ein. Nehmen Sie sich ruhig fünf Minuten Zeit dafür, die Frage ist wichtig. Schreiben Sie in den Blog, wenn Sie möchten, klicken Sie dazu auf den Beitrag, unten gibt es ein Feld dafür

Gott segne unser Leben!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 39/2023

Die Gnade sei mit euch allen! Amen.
Heb 13,25

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Ein Segen

Den Vers muß ich nicht kommentieren, er spricht für sich selbst. Aber lesen Sie doch mal den Abschnitt, aus dem er kommt.

Die Gnade sei mit uns allen! Amen.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 33/2023

Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißest du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst.
Gen 32,20

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Abgrund

Eine dunkle Geschichte. Man könnte ein Buch dazu schreiben… Jakob kämpft mit Gott. Und behält die Oberhand. Wie kann das sein, wie kann er es überleben, wenn schon der Anblick Gottes tötet?

Für Jakob soll sich alles entscheiden. Sein ganzes Leben hat er gekämpft. — mit Esau um die Anerkennung des Vaters, mit Laban, seinem Onkel und Schwiegervater, um Herden, um Kinder, um Anerkennung. Was er gewonnen hat, will er nach Hause bringen, die Herden, die beiden Frauen und ihre Mägde, Mütter seiner Kinder, und die Söhne, aus denen ein Volk werden soll. Und nun steht ihm die Begegnung mit dem Bruder bevor. Der ist mächtig und kann gewalttätig sein, und Grund dazu hätte er allemal.

Jakob hat Angst. Er bleibt nachts allein am Fluß, dem Jabbok. Dort greift jemand ihn an, stumm und bestimmt. Wer? 

Die beiden Gegner sind verräterisch gleichwertig. Sie kämpfen viele Stunden, die ganze Nacht, ohne Entscheidung. Schließlich fügt Jakobs Gegner diesem eine schwere Verletzung zu, und gleichzeitig — gleichzeitig! — gewinnt Jakob die Oberhand. 

Der Angreifer trägt dämonische Züge. Er will fort, weil die Sonne aufgeht. Aber Jakob lässt ihn nicht gehen. Er verlangt zwei Dinge: den Namen seines Gegners und dessen Segen. Das Wissen um den Namen eines anderen verleiht Macht, und der Unbekannte lehnt ab. Die Forderung  nach dem Segen hingegen ist absurd, nach einem viele Stunden lang auf Leben und Tod geführten Kampf. Doch ja: der Fremde segnet Jakob. Und er gibt ihm einen neuen Namen: Israel — „der mit Gott kämpft“, so jedenfalls kann man diesen Namen lesen. Es wird der Name eines Volks.

Hier wird die Bibel deutlich: Der geheimnisvolle Gegner ist Gott oder ein Werkzeug Gottes. Mir will scheinen, dass Jakob ebenso auch mit sich selbst kämpft. Ein Widerspruch ist das nicht — wo wollen wir den mächtigen und unbekannten Gott finden, wenn nicht im Dunkel der Nacht in uns? 

Mich erinnert die Geschichte an den Kampf Ahabs mit dem weissen Wal in Melvilles ‚Moby Dick‘, dem „großen weissen Gott“, wie es an einer Stelle heißt. Ahab kämpft ebenso mit dem Abgrund in sich selbst wie mit der abgründigen Gottheit. Aber statt der gegenseitigen Vernichtung steht bei Jakobs Kampf am Jabbok am Ende ein Segen.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 08/2019

Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein hervor. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten.
Gen 14,18

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Eine Begegnung

Abraham, sonst halbnomadischer Viehzüchter, begegnet uns hier als Feldherr. Sein Bruder Lot war in einem Krieg zwischen zwei verfeindeter Bündnissen gefangen genommen worden. An der Spitze von 318 Knechten und den Männern befreundeter Clans erzwingt Abraham die Entscheidung, befreit seinen Bruder und rettet die Könige von Sodom und Gomorrha. 

Was dann kommt, beschäftigt Juden wie Christen bis heute. Hier die Zeilen, die unseren Vers umgeben: 

Als er nun zurückkam von dem Sieg über Kedor-Laomer und die Könige mit ihm, ging ihm entgegen der König von Sodom in das Tal Schawe, das ist das Königstal. Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein heraus. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten und segnete ihn und sprach: Gesegnet seist du, Abram, vom höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; und gelobt sei Gott der Höchste, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat. Und Abram gab ihm den Zehnten von allem.

Melchisedek ist hier nicht nur König, sondern auch Priester des Herrn. Er segnet Abraham und dieser gibt ihm den Zehnten. Der Stammvater des auserwählten Volks erkennt damit Melchisedeks Hoheit als Priester an! Die Priester der Hebräer stammen von Aaron ab, dem Bruder Moses, ein Levit und damit Nachkomme Abrahams. Melchisedek gehört also einer anderen, ursprünglichen und höheren Ordnung des Priestertums Gottes an. So sieht es der Hebräerbrief im Neuen Testament, und nennt Jesus Christus einen „Hohepriester der Ordnung Melchisedeks“. Auch das Alte Testament erkennt in Psalm 110 Melchisedek als Priester eigener Art und sieht ihn als Urbild eines Königs von Israel, vielleicht Davids, vielleicht des Messias.

Zwei Heilige begegnen sich! Es ist schwer zu entscheiden, ob der Vers in dieser sehr alten Textschicht wirklich messianisch gedeutet werden sollte. Aber etwas anderes tritt klar hervor. Abraham ist nicht der erste mit einer definierten Beziehung zu Gott. Es gab bereits Priester des Herrn in Kanaan. 

Es gibt in der Torah nicht nur ein auserwähltes Volk, es gibt auch besondere, heilige Orte. „Salem“ ist vermutlich Jerusalem. Auch Mose begegnet (am Beginn der Exoduserzählung) einem Priester des Herrn weit entfernt von den Hebräern. Auf der Flucht aus Ägypten wegen eines Mordes kommt er nach Midian, ein Land südlich von Kanaan und östlich der Halbinsel Sinai, wohl in der Landschaft um das heutige Eilat. Die Midianiter sind kriegerische Wüstenbewohner. Bei ihnen trifft er Zippora. Ihr Vater ist Priester beim Horeb, dem Gottesberg. Nach vielen Jahren, in denen er für seinen Schwiegervater die Schafe gehütet hat, begegnet Mose in der Wüste am Horeb dem Herrn, im brennenden Dornbusch. Dort eröffnet ihm dieser seinen heiligen Namen: JHWH. 

Wir treffen Gott dort, wo er sich zeigt. Nicht unbedingt dort, wo oder bei wem wir es erwarten. Seien wir offen für besondere Begegnungen – vielleicht in dieser Woche? 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 06/2019

Darum hüte dich vor seinem Angesicht und gehorche seiner Stimme und erbittere ihn nicht; denn er wird euer Übertreten nicht vergeben, und mein Name ist in ihm.
Ex 23,21

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Übersetzung von 2017.

Der Weg

Das Volk Israel hat sich auf den Weg ins Gelobte Land gemacht und lagert am Sinai. Dort werden die zehn Gebote verkündet und Mahnungen und Verheißungen ausgesprochen. Der Bundesschluss steht bevor. Hier der unmittelbare Kontext:

Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bereitet habe. Darum hüte dich vor seinem Angesicht und gehorche seiner Stimme und erbittere ihn nicht; denn er wird euer Übertreten nicht vergeben, und mein Name ist in ihm. Wirst du aber seiner Stimme hören und tun alles, was ich dir sagen werde, so will ich deiner Feinde Feind und deiner Widersacher Widersacher sein.

Über mehrere Jahre besuchten wir regelmäßig einen Kindergottesdienst, wo die größeren Kinder von den kleinen und ganz kleinen mit einem Lied verabschiedet wurden. „Siehe, ich sende einen Engel vor Dir her…“ Ich habe das ab und zu auf der Gitarre begleitet. Das Bild vom Engel als Begleiter unseres Wegs fühlte sich vertraut an und verlieh den Kindern Sicherheit.

Wie man sich denken kann, kam der darauf folgende Vers im Lied nicht vor. In der Bibel haben Engel so gar nichts Kuscheliges an sich: sie sind Diener Gottes, so das hebräische Wort, Werkzeuge seines Willens, seine Stellvertreter, oft genug als furchterregende Kämpfer. Auch hier: das Volk macht sich auf einen Weg, an dessen Ende eine Eroberung stehen soll. Der Engel unseres Verses ist wie Gott selbst. Wie die Israeliten Gott nicht schauen können ohne zu sterben, so sollen sie sich vor dem Antlitz dieses Engels hüten. Er wird sie bewahren und auf dem Weg führen, und sie sollen ihn nicht erbittern, denn er wird Übertretung nicht vergeben —der Name Gottes ist in ihm.

Schutz und Strafe, Fluch und Segen als Seiten derselben Medaille, dieses Motiv zieht sich durch die ganze Bibel. Wird unser Tun von Gott und den höheren Mächten argwöhnisch betrachtet und sanktioniert? Ist es gut, in ständiger Furcht vor Strafe zu leben? Sollen wir das?

Der Vers bietet eine Perspektive. Es geht ganz ausdrücklich um einen Weg, den Gott uns bestimmt hat, mit einem Ziel, das er bereitet hat. Wenn der Weg gut ist, dann ist Abweichen schlecht. In der Wüste ist das evident. Wer vom Weg abweicht, kann umkommen. Im besten Fall wird er das Ziel auf einem anderen, schwierigeren und gefährlicheren Weg erreichen. Das Abweichen vom Weg trägt die Strafe in sich. 

Das schafft die Drohung nicht aus der Welt. Aber ich habe keine Mühe, damit zu leben. Nie und nirgends ist es eine gute Idee, etwas Notwendiges nicht zu tun. 

Ich wünsche uns eine Woche mit dem Engel auf dem Weg,
Ulf Von Kalckreuth