Ihr Narren, meinet ihr, dass es inwendig rein sei, wenn’s auswendig rein ist? Luk 11,40
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Sehen, worauf es ankommt
Für manche Menschen hat die Entwicklung ihrer Potentiale allergrößte Bedeutung — self development auf neudeutsch. Unsere Möglichkeiten haben wir mitbekommen, als Grundausstattung, sie gehören uns, unveräußerlich. Was wir daraus machen, ist im wesentlichen unsere Sache, und vielleicht ist es wirklich Sünde, die eigenen Möglichkeiten brachliegen und verkommen zu lassen. Die Hoch-zeit für „Self-Developer“ ist Neujahr und die Tage davor — Zeit, Bilanz zu ziehen und Orientierung für die Zukunft zu suchen.
Dabei gilt es zu sehen, worauf es im Kern ankommt, in der jeweiligen Zeit, der jeweiligen Situation. Unsere Ressourcen an Zeit, Kraft und Geistesgaben sind beschränkt und Erfolg können wir nur haben, wenn wir sie effektiv einsetzen. Womit wir bei Jesus sind. Von ihm stammt das Gleichnis mit den Talenten, und im gezogenen Vers mahnt er uns, auf den springenden Punkt zu schauen.
Weil der Vers in der Fassung von 1912 ungenau übersetzt ist, gebe ich ihn hier aus der Lutherbibel von 1984 wieder, mitsamt dem Kontext. Die anderen großen Übersetzungen bieten ähnliche Fassungen:
Als er noch redete, bat ihn ein Pharisäer, mit ihm zu essen. Und er ging hinein und setzte sich zu Tisch. Als das der Pharisäer sah, wunderte er sich, dass er sich nicht vor dem Essen gewaschen hatte. Der Herr aber sprach zu ihm: Ihr Pharisäer, ihr haltet die Becher und Schüsseln außen rein; aber euer Inneres ist voll Raub und Bosheit. Ihr Narren, hat nicht der, der das Äußere geschaffen hat, auch das Innere geschaffen? Doch gebt als Almosen von dem, was da ist; siehe, dann ist euch alles rein.
Jesus wirft dem Pharisäer vor, die Form streng zu achten und den Inhalt zu vernachlässigen. Dabei ist er ausgesprochen unhöflich; mit seinen harten Worten schmäht er den Gastgeber. Der Inhalt ist, worauf es in Wahrheit ankommt — von außen ist er nicht sichtbar. Sein statt Schein. Jesus deutet an, worum es geht: im zitierten Text spricht er von tätiger Nächstenliebe, weiter unten dann vom Recht und der Liebe Gottes. Das sind Umrisse, ausfüllen müssen wir sie selbst, mit unserem Leben.
Wir alle sind Self-Developer, ob wir es wollen oder nicht. Ich wünsche uns allen ein frohes und gesegnetes Neues Jahr 2024, in dem wir zur Sonne hin wachsen können und nicht aus dem Blick verlieren, worauf es ankommt.
Er half dem Elenden und Armen zum Recht, und es ging ihm wohl. Ist’s nicht also, dass solches heißt, mich recht erkennen? spricht der HErr. Jer 22,16
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Das Recht des Schwachen achten
Worauf kommt es Gott bei Macht und Herrschaft an?.Mit einer ungeschminkten und sehr provokativen Warnung wendet Jeremia sich an Zedekia, den letzten König von Juda, um das über dem Reich hängende Unheil noch abzuwenden. Jeremias Botschaft wertet auch die drei schwachen Vorgänger: Joahas (Schallum), der nur drei Monate regierte, als der ägyptische Pharao ihn wieder absetzte, Jojakim, sein Bruder, der sich erfolglos gegen die Babylonier auflehnte, und sein Sohn Jojakin,(Chonja), der mit achtzehn Jahren König wurde und sofort die Politik seines Vaters büßen musste: er wurde weggeführt nach Babylon. Zum Verständnis von Abschnitt 22 siehe die BdW 41/2019 und BdW 41/2019
Der gezogene Vers nimmt den Vers 22,3 wieder auf, der wie eine Art Klammer und Überschrift den kardinalen Fehler der letzten Könige von Juda beschreibt: Die Mächtigen Judas haben sich nicht um Recht und Gerechtigkeit gekümmert, sondern waren vor allem darauf aus, Schwächere auszubeuten:
So spricht der Herr:Schafft Recht und Gerechtigkeit und errettet den Beraubten von des Frevlers Hand und bedrängt nicht die Fremdlinge, Waisen und Witwen und tut niemand Gewalt an und vergießt kein unschuldiges Blut an dieser Stätte. Werdet ihr das tun, sosollen durch die Tore dieses Hauses einziehen Könige, die auf Davids Thron sitzen, und fahren mit Wagen und Rossen samt ihren Großen und ihrem Volk. Werdet ihr aber diesen Worten nicht gehorchen, so habe ich bei mir selbst geschworen, spricht der Herr:Dies Haus soll zur Trümmerstätte werden. (22,3-5)
Herrschaft des Rechts — wie im BdW 17/2023 aus diesem Jahr. Der gezogene Vers oben richtet sich spezifisch an Jojakim: Jeremia fragt, ob sein Vater, der große Reformkönig Josia, denn „nicht auch gegessen und getrunken“ habe. Dabei habe er aber das Recht der Elenden und Armen geachtet und geschützt. Für Gott und Jeremia müssen gute Könige keine heiligen Asketen sein. Aber sie müssen die Basics hochhalten, und die liegen im Recht des Schwachen.
Und im Nachsatz verstärkt der Vers die Botschaft auf eine Weise, die ich zuvor noch nie gesehen habe. Das Recht des Schwachen achten heisst den Herrn achten. Gott identifiziert sich hier geradezu mit dem Recht des Schwachen. Nicht nur von fern erinnert das an Mat 25,40: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Herrschaft des Rechts. Zeitlos und aktuell. Man wünscht sich mehr davon. Auch in diesem Land.
Ich wünsche uns allen eine gesegnete Woche! Ulf von Kalckreuth
Im Reich dieses Königs hat man das Recht lieb. Du gibst Frömmigkeit, du schaffest Gericht und Gerechtigkeit in Jakob. Ps 99,4
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Macht und Recht
Wir haben Vers 4 von Psalm 99 gezogen, eines recht kurzen Lobpreispsalms. Aber der Vers ist widerständig. Die Lutherübersetzungen bieten eine Fülle von Übersetzungsangeboten für den ersten Versteil. In der Fassung der Lutherbibel 1912, aus der ich ziehe, lautet der Halbvers: Im Reich dieses Königs hat man das Recht lieb. Die Lutherbibel 1984, oft recht eng am Original, gibt: … und die Macht des Königs, der das Recht lieb hat. Die Fassung von 2017, übersetzt: Die Stärke des Königs ist, dass er das Recht liebt.
Also müssen wir ins Original schauen. Unten ist die Interlinearünbersetzung von Rita Maria Steurer abgebildet. Sie gibt den hebräischen Text Wort für Wort in Aussprache und Übersetzung wieder, der hebräischen Schreibung folgend von rechts nach links. Was man sieht, ist eine Art Puzzle, und ich hätte es so zusammengesetzt: Die Macht eines Königs ist das Recht, das er liebt. Das ist nun allerdings, wie ich feststelle, wörtlich der Vorschlag der katholischen Einheitsübersetzung. Deshalb habe ich dieses Mal oben zur Einheitsübersetzung verlinkt 🙂
Im Vers wird Macht und Recht gleichgesetzt. Aber nicht nach dem Muster „Wer die Macht hat, hat das Recht“. Es wird auch nicht gesagt, dass die Macht aus dem Recht folgt, wie es dem modernen Verfassungsverständnis entspricht. Die Macht eines Königs, so sagt der Vers, entspringt vielmehr der Liebe zum Recht. Man muß darüber nachdenken, der Psalm gibt weiter keine Erläuterung.
Maßnahmen und Verordnungen, die aus der Liebe zum Recht geboren werden, haben ihre eigene Dynamik — sie sind nicht interessengeleitet und auch nicht willkürlich. Das verschafft ihnen einen entscheidenden Überlebensvorteil in der politischen Auseinandersetzung. Ein Herrscher, der für seine Liebe zum Recht bekannt ist, wird mit der Zeit unangreifbar, seine Ordnungsvorstellungen kann er ohne Reibungsverluste und faule Kompromisse durchsetzen, mühelos fast. Das ist wirkliche Macht, nicht die Inhaberschaft des Amts. Nelson Mandela fällt mir ein, und Michail Gorbatschow, in den entscheidenden Jahren ihrer politischen Laufbahn.
Ein König dieser Art ist Gott, sagt der Vers. Aber es dürfte in der Welt ruhig noch mehr solche Herrscher geben. Liebe zum Recht muß kein göttliches Monopol sein. Wir aber, heute, geben diesen Kredit keinem Politiker, sei er noch so demokratisch gewählt. Das halten wir für klug. Aber wie klug ist es? Was bekommen wir denn statt dessen?
Ich wünsche uns allen gesegnete Tage, besonders aber unseren Politikern, Ulf von Kalckreuth
Ihr sollt nicht unrecht handeln im Gericht, mit der Elle, mit Gewicht, mit Maß. Lev 19,35
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Von der Heiligung des täglichen Lebens
Mit diesen Worten ist in meiner Lutherbibel der Abschnitt überschrieben, aus dem wir gezogen haben. Es ist eine Reihe von Imperativen für das rechte Leben. Einige der zehn Gebote werden wiederholt, Opfer-und Speisevorschriften, es gibt eine vielleicht aus dem Zusammenhang gefallene Strafbestimmung über Männer, die bei leibeigenen Frauen liegen, und dann immer wieder eines: Integrität, in vielen Variationen: Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit, Gastfreundschaft, Verzicht auf Nutzung einer Machtposition, Großzügigkeit.
Sich an die Regeln halten, auch wenn es niemand sieht…
Heiligung. Wie sonderbar. Es wird nicht verlangt, dass wir uns aufopfern, unser Leben der Sinnsuche widmen, oder der Rettung des Planeten. Es sind einfache Dinge. Ehrlich sein, die Wahrheit sagen, rechtes Maß verwenden. Unmodern, beinahe uncool.
Aber wie anders wäre es um den Planeten bestellt, wenn jeder es so hielte!
Und in Vers 18 findet sich, wie eingestreut, die wunderbare Maxime: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Im Kontext ist klar, was das bedeutet. Behandle ihn, wie du selbst behandelt werden willst. Hintergehe ihn nicht, betrüge ihn nicht, übervorteile ihn nicht, auch wenn du es könntest und das Lob deiner Familie dir gewiss wäre, auch wenn er ein Fremder ist. Sei gutwillig, nicht zornig, lass ihm, was er zum Leben braucht, und wenn er es nicht hat, hilf ihm, es sich zu verschaffen.
Geheiligt werde dein Name! Ja, vielleicht so. Ulf von Kalckreuth
…dass sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gern geben, behilflich seien,… 1 Ti 6,18
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
It’s a kind of magic
Die Bibel ist voller Warnungen vor dem Reichtum. Am bekanntesten ist das Diktum Jesu, leichter komme ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel (Mk 10,23-27). Es gibt hier zwar große Diskussionen über die Semantik, aber der Satz lässt Reichen wenig Raum für Hoffnung — auch wenn Jesus explizit hinzufügt, dass bei Gott nichts unmöglich sei.
Wer ist reich? Wer ist hier gemeint? Im Vergleich zu Jesus und seiner Umgebung sind die Leser dieses Blogs wohl alle reich — superreich sogar. Gebildet, mit hoher Lebenserwartung versehen und einem staunenerregenden ökologischen Fußabdruck, der unseren Ressourcenverzehr kennzeichnet. Ich will den Abstand hinsichtlich der Lebensvollzüge nicht ausbuchstabieren, es ist nicht schwer. Reich im Vergleich zur Mitte der jeweiligen Gesellschaft, zum Beispiel der Bundesrepublik in den ersten Jahrzehnten des einundzwanzigsten Jahrhunderts, sind natürlich immer nur wenige. Was ist gemeint — hoher Lebensstandard und die Abwesenheit grundlegender materieller Probleme oder eine herausgehobene Stellung in der Gesellschaft? Was ist das Problem, und was lässt sich tun? Ich bin Ökonom, ich habe mir die Frage erst einmal selbst vorgelegt. Vielleicht tun Sie das gleiche?
Was macht Verfügung über materielle Ressourcen aus einem Menschen? Geld und Güter sind Mittel zum Zweck, sollen Ermöglicher sein, Motor. Aber das Maß, in dem Geld und Einkünfte vorhanden, sind oder auch nur möglich, erreichbar, vielleicht gefährdet oder endgültig verloren, kann sehr intensiv auf einen Menschen zurückwirken. Geld, die Sorge darum und das Begehren danach, kann einem Menschen den Verstand rauben. Es kann ihn isolieren, in eine Scheinwelt versetzen, kann ihn kalt machen den Bedürfnissen anderer gegenüber, und auch blind hinsichtlich der eigenen Bedürfnissen. Mit Geld können wir an Gestaltungsmacht gewinnen und Sklave werden zugleich.
Geld verschafft Sicherheit. Es gibt kaum eine Hilfeleistung, die sich nicht kaufen ließe, kaum ein Problem, bei dem Geld nicht einen wichtigen Lösungsbeitrag liefern könnte, oder — wenn nichts mehr geht — wenigstens Linderung. Geld lässt sich in alles andere verwandeln, es hat etwas magisches. Aber die Sorge, diese magische Sicherheit für das Leben wieder verlieren zu können, schafft Angst, Todesangst sogar. Gegen diese Angst hilft nur mehr Geld. Geld verschafft Status, Partizipationsmöglichkeiten, lässt uns dazugehören. Ohne Geld sind wir draussen, stehen wir allein. Was will der Ehepartner dann noch wissen von uns, die Familie, die Freunde, die Kollegen? Auch dies wieder Grund genug für Angst, eingeschränkte Wahrnehmung, ein Röhrengesichtsfeld.
Armut ist nicht schön, beraubt uns vieler Entwicklungsmöglichkeiten, macht krank. Nur für wenige Menschen ist Armut erstrebenswert. Die Bibel spiegelt dies oft und oft. Aber Geld kann korrumpieren. Der springende Punkt ist, dass es kein bestimmtes Einkommens- oder Vermögensniveau gibt, oberhalb dessen wir in Gefahr sind, unterhalb dessen aber frei — persönlichkeitszersetzende Wirkungen können auch von geringeren Einkünften ausgehen, oder von der Aussicht darauf. Ein extremer Fall wäre ein Räuber, der einen Menschen wegen zweier Fünfzigeuroscheine tot schlägt. In Abwandlung einer bekannten Werbung könnte man sagen: Geld — es kommt darauf an, was es aus uns macht.
Das ist ein riesiges Thema. Filme und Romane kreisen darum, von der romantischen Liebe abgesehen gibt es kaum ein Thema, das die Phantasie so anregt wie Geld und Geldgier. Wie wirkt Entzug? Wie ich dies schreibe, stecke ich in einem ungeplanten Selbstversuch. Ich verbringe einige Tage in einer Jugendherberge „alten Stils“ im Allgäu. Mit meiner Frau, einer Tochter und ihrer Freundin wohne ich in einem kleinen Zimmer mit drei Etagenbetten, einem Tisch und zwei Stühlen. Keine Leselampe, nur ein einziger Netzstecker. Das gibt Stoff für Diskussionen zwischen den Besitzern von vier Handys und drei Tablets. Einfaches Frühstück, Lunchpaket, minimalistisches Abendessen. Kein Fernseher, Musik oder andere Ablenkung, noch nicht einmal ein Aufenthaltsraum. Um zehn erlischt das Licht im Haus. Anfangs fehlt allen etwas, Unzufriedenheit wallt auf, Nörgeleien, Streitereien. Dann wird die Beschränkung allmählich zur Erholung, auch für die Kiddies. Gerade haben sie sich zu einem Spaziergang von uns verabschiedet, das habe ich noch nie erlebt…
Der rechte Umgang mit Reichtum könnte eine Herausforderung für Timotheus bedeutet haben. Paulus jedenfalls redet in dem persönlich gehaltenen Mahnschreiben an seinen früheren Mitarbeiter mehrmals über Geld und seine Fallstricke, siehe 1 Ti 6, 8-10 sowie 17-19. Die erste der beiden Stellen spricht davon, was Geld mit Menschen macht:
Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so wollen wir uns daran genügen lassen. Denn die reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Verstrickung und in viele törichte und schädliche Begierden, welche die Menschen versinken lassen in Verderben und Verdammnis. Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen.
Die Wurzel allen Übels…! Ja, Angst und Begehren bringen uns in Abhängigkeiten — „Verstrickungen“, wie Paulus es nennt — und erzwingen vieles, das wir eigentlich, a priori, ablehnen würden. Die andere Stelle, das direkte Umfeld unseres Verses, gibt Rat, wie ein Mensch mit seinem Reichtum umgehen kann, wie man die Fallstricke vermeidet; und ich behaupte, es geht dabei um jedes Einkommens und Vermögensniveau, nicht nur um das der oberen Zehntausend:
Den Reichen in dieser Welt gebiete, dass sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den unsicheren Reichtum, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet, es zu genießen; dass sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behilflich seien, sich selbst einen Schatz sammeln als guten Grund für die Zukunft, damit sie das wahre Leben ergreifen.
Nicht stolz sein. Nicht auf die Sicherheit des Reichtums setzen, statt dessen auf Gott, der uns gibt, was wir brauchen. Psalm 23, der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln… Der Angst entgehen, dabei frei sein, gerne geben, behilflich sein. Das wahre Leben, von dem Paulus spricht, liegt bereits im Diesseits!
Der Herr helfe uns, Freiheit und Integrität zu bewahren. Dann geht auch ein Kamel durch ein Nadelöhr! Ulf von Kalckreuth
Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Mat 7,21
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
An den Früchten erkennen
Worauf kommt es an?
Es gibt im protestantischen Christentum eine alte und starke Strömung, die sich gegen die sogenannte „Werkgerechtigkeit“ wendet. Damit ist der Versuch gemeint, sich des Heils durch sichtbare, gottgefällige Taten zu versichern. Es komme nämlich im Grunde nur auf den Glauben an, er verbinde den Menschen mit Gott, verwandele ihn und führe ihn zum Heil. Taten seien dann Ausfluss einer gelungenen Gottesbeziehung, Symptom sozusagen, aber ohne eigene Bedeutung. Nur der Glaube, nur die Gnade, nur die Schrift, sagt Luther…!
Wie ist das gemeint? Jesus jedenfalls sagt in diesem Textabschnitt, dass es nicht getan ist mit Bekenntnissen, inneren Einstellungen und religiösen Gefühlen, selbst solchen intensivster Art, die zu Wundern befähigen. Wenn sie nicht mit sichtbaren Früchten einhergehen, sind sie am Ende irrelevant. Dies ist das Bild, das Jesus hier gebraucht: einen Baum erkennt man an seinen Früchten.
Welcher Art Früchte es sind, sagt Jesus nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es dabei durchaus auch um die innere Welt geht, um das Maß, in dem jemand mit sich, mit Gott und den Mitmenschen in Frieden lebt. Aber auch darum, ob jemand die eigenen Gaben auszuschöpfen vermag, zur Ehre Gottes und dem Wohl seiner Mitmenschen. Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten ist ein anderes wichtiges Bild von Jesus.
Im Vers spricht Jesus sehr kondensiert und konzentriert davon, dass es im Ergebnis darauf ankommt, den Willen Gottes zu tun. Vielleicht nicht als ersten Schritt zum Heil, aber wohl als wichtigsten Begleiter auf dem Weg dorthin.
Aber was will Gott von mir? Ich weiss es nicht. Wow! Wie wäre mein Leben, wenn ich es wüsste? Um das herauszufinden, sind sie in der Tat unabdingbar: Glaube, Gnade und die Schrift…!
Ich wünsche uns allen Gottes besonderen Segen in der zweiten Adventswoche! Ulf von Kalckreuth
So gehorchet mir nun, meine Kinder. Wohl denen, die meine Wege halten! Spr 8,32
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Weisheit suchen und finden!
Schauen Sie sich erst einmal den wundervollen Abschnitt an, dem unser Vers entstammt. Hier spricht die Weisheit selbst:
Der HERR hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war. Als die Meere noch nicht waren, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen. Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren, als er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des Erdbodens. Als er die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über den Fluten der Tiefe, als er die Wolken droben mächtig machte, als er stark machte die Quellen der Tiefe, als erdem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, dass sie nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte, da war ich als sein Lieblingbei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.
So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten! Hört die Mahnung und werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind! Wohl dem Menschen, der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür täglich, dass er hüte die Pfosten meiner Tore! Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom HERRN. Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod. (Sprüche 8, 22-36, Lutherbibel 1984)
Das Buch der Sprüche ist ein Lehrbuch der Weisheit — im wortwörtlichen Sinne. In seinem Kern ist es eine Sammlung von Merksätzen zum Auwendiglernen, die den Lehrstoff begreif- und erinnerbar machen sollen. Ich freue mich jedesmal, wenn ich auf einen Vers aus dem Buch der Sprüche ziehe. Was dabei zum Vorschein kommt, ist neu und vertraut zugleich. Und es ist 2300 Jahre alt, gut abgehangen, nicht immer garantiert tagesaktuell. Aber wenn ich das brauche, kann ich den Deutschlandfunk einschalten.
Die morgenländische Weisheit ist mit der griechischen Philosophie verwandt. Es geht um Regeln für gelungenes Leben. Diese Regeln stehen in Zusammenhang mit Gott. Sie sind aber nicht Theologie, sondern Kunst der Lebenspraxis. Man findet im Buch der Sprüche kaum Verweise auf die Torah oder die Schriften.
Die Regeln der Weisheit tragen sich selbst — wer sie befolgt, hat Erfolg, wer sie mißachtet, trägt den Schaden selbst. Wohl denen, die meine Wege halten! Jeder Lebensratgeber behauptet das von sich. Entscheidend aber ist, dass das Buch der Sprüche (auch) von Ethik handelt. Das „Wie soll ich leben“ bemißt sich nicht nur am individuellen Wohlergehen, sondern gleichermaßen am Wohlergehen der Gemeinschaft. Wir sehen hier üblicherweise einen Konflikt. Die Bonbons, die ein Kind sich vom Tisch nimmt, stehen für die anderen nicht mehr zur Verfügung. Die Weisheitsliteratur besteht darauf, dass es, wenn wir richtig leben, zwischen diesen Forderungen keinen Widerspruch gibt. Wer das für die Gemeinschaft richtige tut, bringt und hält sein eigenes Leben in Ordnung. Und umgekehrt: Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.
Wie soll man das verstehen? Als Ökonom fühle ich mich an Adam Smith erinnert. Er war Moralphilosoph und wurde zum Gründungsvater der Nationalökonomie. Er steht für die durchaus erstaunliche Botschaft, dass man längerfristig keinen Wohlstand erzielen kann, ohne dabei das Richtige für die Gemeinschaft zu tun. Wer reich werden oder auch nur am Markt bestehen will, reagiert auf Preissignale und kann gar nicht anders, er muß bestehende Knappheiten lindern. Er wird zum Beispiel Arzt — nicht um der Menscheit zu helfen, sondern weil Ärzte knapp und Behandlungen teuer sind. Der Porsche, den die Medizinstudentin während ihrer Vorlesungen vor Augen hat, lenkt sie und ihre Möglichkeiten sehr gezielt auf den rechten Weg. Auf ihren Altruismus müssen wir uns nicht verlassen… Andererseits: wen Preissignale nicht interessieren, muss dies teuer bezahlen — und zwar selbst.
Jeder weiss, dass es viele Situationen gibt, in denen der Markt nicht das Wohl aller garantiert. Aber das Preissystem als grundlegende soziale Institution ist erstaunlich robust, und es wäre schön, lebensnotwendig gar, wenn mehr Felder sich so entwickeln ließen, dass es keinen Widerspruch gibt zwischen unserem Eigeninteresse und dem Wohl aller. Solche Wege sind dauerhaft und belastbar. Das Buch der Weisheit steht für die Überzeugung, dass es sie gibt.
Und so verstehe ich den Vers dieser Woche: Lasst uns diese Wege suchen und sie gehen! Es ist das Beste, das wir für uns selbst tun können. Ich selbst denke an die Klimakrise, es ist das, was mich zunehmend beruflich beschäftigt. Widersprüche zwischen Eigeninteresse und dem Interesse der Menschheit sind hier der Kern des Problems.
Jesus sagt uns, dass dieser Widerspruch Illusion ist, dass wir ihn überwinden müssen, dass wir bei Gott sind, wenn wir den Nächsten lieben wie uns selbst.
Der Herr gebe uns Weisheit, in der kommenden Woche und in unserem Leben. Ulf von Kalckreuth
Nicht, meine Kinder, das ist nicht ein gutes Gerücht, das ich höre. Ihr macht des HErrn Volk übertreten. 1.Sa 2,24
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.
Verantwortung übernehmen
Der Vers berichtet von der Vorgeschichte des Aufstiges von Samuel zum Richter Israels. Samuel war als kleines Kind schon dazu ausersehen, dem Herrn im Tempel zu dienen. Seine Mutter hatte ein Gelübde getan, ihren Sohn in den Tempeldienst zu stellen, wenn sie ein Kind bekommen könnte. Hoherpriester und Richter in Israel war Eli. Zu seinen Nachfolgern hatte er seine beiden Söhne auserkoren. Diese aber verhielten sich unwürdig: die jungen Männer mißbrauchten ihre Privilegien. Der gezogene Vers gibt die Worte wieder, mit denen Eli ihnen Vorhaltungen macht.
Es bleibt vergeblich. Der Herr flucht den Söhnen und dem ganzen Hause Elis, und Samuel wird Elis Nachfolger. Und eigentümlich: die Geschichte spiegelt sich inSamuels späteren Leben. Als er ein alter Mann ist, geschieht ihm dasselbe wie Eli. Seine beiden Söhne, an die er die Last der Verantwortung abgeben will, benehmen sich selbstherrlich und beugen das Recht; siehe 1.Sa, Kapitel 8 und den BdW 37/2021. Anders als Eli aber erfüllt Samuel seine Aufgabe. Er hört den Warnruf, schiebt seine Söhne beiseite und beginnt, einen König für Israel zu suchen.
Der Unterschied zwischen Samuel und Eli wird im gezogenen Vers sichtbar, wenn man gut hinsieht. Eli sieht durchaus, was vor sich geht. Die Verfehlungen seiner Söhne werden ihm zugetragen, und er erfasst ihre Bedeutung. Aber er lässt geschehen, was er sieht. Ich habe eine Weile gebraucht, um das zu verstehen, denn seine Worte klingen frappierend modern. Elis Beziehung zu seinen marodierenden Söhnen hat aber nicht viel zu tun mit der Stellung heutiger Eltern. Die Stellung des morgenländischen Vaters war absolut — Eli hatte alle Möglichkeiten, Recht und Gesetz gegen den Widerstand seiner Söhne durchzusetzen. Theoretisch hätte ihm sogar die Todesstrafe zu Gebot gestanden, siehe Deut 21,18-21. Er belässt es jedoch bei milden Warnungen in wertschätzender Sprache.
Ein Engel des Herrn sagt Eli das nahende Ende an. Eli bleibt passiv — er sieht zu und lässt sogar geschehen, dass Gott vor seinen Augen den jugendlichen Samuel beruft und auch ihm das Urteil gegen Eli und seine Söhne verkündet. Die Bundeslade wird geraubt, und die drei kommen fast gleichzeitig ums Leben. Als Samuel viel später mit ganz ähnlichen Entwicklungen in seinem eigenen Haus konfrontiert wird, weiss er Bescheid.
Manchmal kommt es aufs Ergebnis an und nicht darauf, irgendwann und irgendwie das richtige gesagt zu haben. Das gilt allgemein, speziell auch in der Familie.
Eltern haben ihren Kindern gegenüber eine Verantwortung. Nicht nur für Nahrung und Kleidung müssen sie sorgen — sie sollen auch das Verhalten der Kinder formen und diese befähigen, als integre Menschen in der Welt zu bestehen. Dabei müssen Eltern im Rahmen dessen bleiben, was sozial befürwortet und akzeptiert ist. Dieser Rahmen ist in der Zeit starken Veränderungen unterworfen. Unwandelbar bestehen aber bleibt die Verantwortung. Ihr nachzukommen, brauchen wir die Hilfe des Herrn. Auch das steht in dieser alten Geschichte.
Gott schenke uns Weisheit im Umgang mit unseren Kindern, nicht nur in dieser Woche, Ulf von Kalckreuth
Also gehorchen wir der Stimme unsres Vater Jonadab, des Sohnes Rechabs, in allem, was er uns geboten hat, dass wir keinen Wein trinken unser Leben lang, weder wir noch unsre Weiber noch Söhne noch Töchter,… Jer 35,8
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.
Gehorsam über Jahrhunderte
Der Herr spricht hier mit Jeremia in einer Art Gleichnis. Er verweist auf die nomadisch lebenden Rechabiter, die sich vielem enthalten, was das Leben in den Augen der Zeitgenossen erst lebenswert macht. Obwohl das Lebensmodell ihres Stammvaters Jonadab höchst unbequem ist: die Rechabiter folgen ihm klaglos seit Jahrhunderten. Die Fortsetzung des Satzes lautet, in Jer 35, 9+10:
…und bauen auch keine Häuser, darin wir wohnten, und haben weder Weinberge noch Äcker noch Samen, sondern wohnen in Hütten und gehorchen und tun alles, wie unser Vater Jonadab geboten hat.
Wenn wir solche Menschen träfen, was würden wir wohl denken?
Jesus aber sprach zu ihm: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte.” Mat 22,37
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.
Das ganze Gesetz und die Propheten
Der Vers ist eine Antwort. Die Frage lautet „Was ist das höchste Gebot im Gesetz“. Jesus fügt hinzu: „Dies ist das höchste und erste Gebot“,. und fährt dann fort: „Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. In diesen beiden Geboten, sagt er, hängt das ganze Gesetz und die Propheten.
Die Antwort besteht aus zwei Kernsätzen der Thora. Die erste Forderung, Gott unbedingt zu lieben, ist aus 5.Mo 6,5 und steht am Beginn des „Schma‘ Israel“, mit dem Juden den Herrn bekennen. Die Forderung, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, steht in 3.Mo 19,18 geschrieben. Jesus fasst das Gesetz zusammen und er tut es für Christentum und Judentum gleichermaßen:
»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt«
»Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«
Es sind zwei Gebote, die innig zusammengehören. Wir können Gott im Menschen lieben und den Menschen in Gott. Manchmal mag das eine im Vordergrund stehen, manchmal das andere.
Wie sie so vor uns stehen, beschreiben die Gebote einen Heiligen. Möge aber die kommende Woche einen Tag haben, an dem uns beides gleichermaßen gelingt. Ulf von Kalckreuth
—————— In eigener Sache ———————————
Dieser Vers ist ein guter Abschluss. Ich fühle mich mit der Kommentierung überfordert. Der Bibelvers der Woche begleitet mich seit über vier Jahren durch die Woche — meist habe ich sonntags angefangen, Material, Ideen und Assoziationen zu sammeln, und am Freitagabend sollte es druckreif im Netz stehen. Jetzt gibt es 216 solcher Kommentare. Mit vielleicht anderthalb Seiten je Kommentar ist das ein stattliches Buch. 245 Bibelverse habe ich insgesamt gezogen, das sind fast 0,8% der ganzen Bibel!
Ich werde vielleicht einmal darüber schreiben, was ich dabei gelernt habe. Es ist viel. Als ich anfing, kannte ich die Bibel kaum, heute liegt sie wie eine Höhle voller Schätze vor mir, und ich halte ein Öllämpchen in der Hand, mit dem ich diese Schätze sehen kann — manches davon funkelt leuchtend, anderes schimmert schemenhaft im Hintergrund.
Die Website steht, und ich werde sie erhalten. Ich will auch vorerst weiter Verse ziehen. Vielleicht findet sich jemand, der einen Kommentar abgeben will, vielleicht sind Sie es? Technisch ist es ganz leicht, am Ende eines jeden Beitrags steht ein Kommentarfeld, Was Sie dort schreiben, steht unter dem Bibelvers, nach einer Freigabe durch mich.
Ich wünsche uns eine gute Reise durchs Leben, Ulf von Kalckreuth