Bibelvers der Woche 37/2027

Und Mose redete mit ihnen samt Eleasar, dem Priester, in dem Gefilde der Moabiter, an dem Jordan gegenüber Jericho,…
Num 26,3

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984

601.730 + 23.000

Wer war der erste Volkszähler? Moses, denn er zählte gleich zweimal das Volk: zum ersten Mal nach dem Auszug aus Ägypten, und dann 38 Jahre später nochmals, in Vorbereitung auf den Einfall in das Gelobte Land Kanaan. Von der ersten Volkszählung hat das Buch ‚Numeri‘ seinen Namen, und um die zweite Volkszählung geht es in unserem Vers. 

Die neueren Lutherbibeln übersetzen „Und Moses und Eleasar zählten sie…“ aber ich habe nachgeschaut; im hebräischen Original steht „redete mit ihnen„. Die alte Übersetzung ist genauer und informativer. Mose hat das Volk nicht selbst gezählt, sondern er sprach mit den Stammesfürsten, die sich wiederum an die Clanhäupter wandten, die Familien unter sich hatten, usw. 

Gab es denn ein Problem? Ja! Man muss sich die Gespräche mit den Stammesfürsten eher als Verhandlungen denken. Denn wer bei der Musterung viele Männer meldete, mußte in den bevorstehenden Kriegen entsprechend viele Kämpfer stellen. Da war es besser, wenn die Familie, der Clan, der Stamm nicht gar so groß war… Mose mußte mit einer erheblichen Untererfassung rechnen. Aber unterstützt vom Herrn sorgte er für Anreize. Bei der bevorstehenden Landverteilung sollten die Stämme entsprechend ihrer Größe berücksichtigt werden. Engagement will eben belohnt sein.

Volkszählung vor der Überquerung des Jordan
Volkszählung vor der Überquerung des Jordan

Am Ende stehen zwei Zahlen: 601.730 männliche Israeliten im Alter von 20 Jahren und darüber, außerdem 23.000 Leviten, die kein Land erhielten und sich am Kriegsdienst nicht beteiligten. „Wer das Volk zählt, bereitet den Krieg vor.“ Das war ein Schlachtruf im Kampf um die Volkszählung 1987, in dem ich selbst aktiv war — als Zähler. Hier, am Anfang der Geschichte Israels, ist der Satz buchstäblich wahr.

Beim Nachdenken fallen mir zwei Bilder aus unseren Tagen ein: 

  • Angesichts der äußeren Bedrohung sollen in Deutschland die jungen Männer befragt werden, ob sie gegebenenfalls bereit sind, freiwillig das Land mit der Waffe zu verteidigen. Auf das Ergebnis bin ich gespannt, und das ist keine Ironie. Engagement will belohnt sein — wenn nicht materiell, so doch wenigstens ideell. Wird jemand mit ‚ja‘ antworten, wenn er dafür von seinen Freunden, Bekannten und Verwandten für dumm gehalten wird? Und wenn alle ’nein‘ sagen, was will unsere Regierung tun? Der Chef des DIW denkt laut über das reiche, rüstige und schnell wachsende Potential nach, das unser Land in Gestalt seiner Rentnerinnen und Rentner hat… 

  • Josua lebt, und heute heißt er Netanjahu. Der israelische Präsident hat weitere 60.000 Reservisten eingezogen und lässt seine Armee in diesen Tagen und Stunden Gaza-Stadt erobern, gegen den nachdrücklichen Rat seines Armeechefs Eyal Zami. Die Bevölkerung in Gaza hungert. Im Westen weist die Regierung große neue Siedlungsgebiete aus und zerschneidet das Westjordanland. Das Center for European Policy Studies (CEPS), ein angesehener Think Tank, hat einen offenen Brief einer großen Gruppe ehemaliger Diplomaten aus mehreren europäischen Staaten veröffentlicht. Darin werden harte Sanktionen gegen Israel gefordert. Mit großem Erstaunen beobachte ich mich selbst und stelle fest, dass ich die Forderung für berechtigt halte und sie unterstütze. 

Wie bringt man diese Bilder zusammen? Rechts und Links, konservativ und progressiv, sind untauglich geworden als Kategorien für die Orientierung, wenn sie denn jemals getaugt haben. Was kann helfen, in Deutschland und in Israel? Klare Ziele, ein breit verankertes Wertfundament und eine nüchterne Bestandsaufnahme der Notwendigkeiten und Möglichkeiten — und dabei auf Gott vertrauen. Von Moses lernen… 

Der Herr behüte uns alle!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 19/2025

Und Josua tat, wie Mose ihm sagte, dass er wider Amalek stritte. Mose aber und Aaron und Hur gingen auf die Spitze des Hügels.
Ex 17,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Kampf und Kampf und Kampf und Kampf

Den Titel dieser Betrachtung muß ich erklären. Es gibt eine Schlacht, in der die Israeliten gegen die Amalekiter kämpfen, die erste Schlacht in der neugewonnenen Freiheit. Die Israeliten sind am Horeb, dem Gottesberg angelangt, nicht weit vom Schilfmeer, über das sich die Israeliten vor den Wagen des Pharao gerettet haben. 

Die Schlacht kämpfen auf der ersten Ebene die Krieger. Befehligt werden sie von Josua, auch er kämpft. Mose selbst steht mit seinem Bruder Aaron und einem Gefährten namens Hur auf „dem Hügel“ (dem Horeb?) und hält die Hände zum Gebet erhoben. Israel siegt, solange er das tut, aber sobald er den Arm sinken lässt, gewinnen die Amalekiter die Oberhand. So geht es viele Stunden. Auch Mose kämpft also, unter Einsatz all seiner Kräfte. Seine Gefährten stützen ihn. Und eigentlich und in vierter und letzter Instanz kämpft Gott der Herr selbst. 

Das ist ein wichtiges Bild und es soll nach dem Willen Gottes erhalten bleiben. Mose soll die Geschichte aufschreiben, damit Josua und das Volk sich erinnern. Das ist sehr interessant, richtig spannend: der Text selbst gibt späteren Redaktoren eine klare Anweisung. Was immer ihr auch tut; diese Geschichte muß bewahrt bleiben. 

Es gibt ein eigentümliches Moment der Ungleichzeitigkeit. Josua ist Oberbefehlshaber der Israeliten. Erst zwei Jahre später tritt er wieder in Erscheinung, und zwar als Späher, der im Auftrag Mose das Heilige Land erkundet, siehe Num 13 und 14, und BdW 40/2018. Die Amalekiter, so berichten die ausgesandten Späher, wohnen im Süden des Gelobten Landes. Dann dauert es noch einmal fast vierzig Jahre, bis die Invasion tatsächlich beginnen kann, und zwar unter Josua. Mose hatte ihn vor seinem Tod zum Oberbefehlshaber ernannt. Zu dieser Zeit haben nur zwei Menschen — Josua und Kaleb — die Flucht aus Ägypten selbst erlebt. Kann Josua damals schon General gewesen sein? Und wenn die Amalekiter im Süden Kanaans wohnen, wie kommt es zu einer Schlacht unweit des Schilfmeers? Passt die Beschreibung der Schlacht zu einer großen Zahl entlaufener Bausklaven, waffenlos und militärisch völlig unerfahren?

Die Geschichte würde viel besser in die Zeit der Landnahme passen, mit Josua als Führer eines kampferprobten Heeres und den Amalekitern als militärische Gegner im Süden des Heiligen Lands. Aber da lebte Mose nicht mehr, so erzählt es die Torah.

Ich habe eine Freundin, die Religion grundsätzlich ablehnt. Sie fragte mich einmal, wie ich mit solchen Inkonsistenzen umgehe. Ich habe geantwortet, dass ich Widersprüche genau betrachte, weil man dabei über die Entstehung eines Texts und seiner Tiefendimension lernt. Und dann wende ich den Blick ab vom Widerspruch und hin zur Botschaft der Geschichte.  

Trotz der Spannung mit dem Kontext blieb die Geschichte in der Torah — weil ihre Botschaft wichtig ist: Wer betet, tut mitnichten nichts, er handelt. Gegebenenfalls kämpft er sogar. Beten verändert unsere Realität, mit Gottes Hilfe. Und manchmal brauchen wir dabei Unterstützung. 

Der Herr segne uns in der Woche, die vor uns liegt. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 10/2025

…und hießen die Stätte Bochim und opferten daselbst dem HErrn.
Ri 2,5

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Siehe, ich sende einen Engel vor dir her…

Heute morgen habe ich sehen können, wie der amerikanische Präsident Donald Trump im Oval Office vor laufenden Fernsehkameras seinen Verbündeten, den Präsidenten der Ukraine, heftig beschimpfte und der Undankbarkeit bezichtigte. Dann brach er den Pressetermin ab und warf wenig später Präsident Selenski aus dem Weißen Haus. 

Das war wie ein sehr unangenehmes Zerrbild der Szene, von der unser Vers berichtet.  

Am Anfang des Buchs Richter ist die Landnahme in Kanaan / Palästina nicht etwa abgeschlossen, sie ist zum Stillstand gekommen. Längst nicht alle Gebiete, die Gott den Israeliten versprochen hatte, konnten eingenommen werden., siehe hierzu den Bibelvers der Woche 03/2020. In der Wüste, während der langen Wanderung des Volks, hatte Gott Mose und Israel ein Beistandsversprechen gegeben: 

Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe. Hüte dich vor ihm und gehorche seiner Stimme und erbittere ihn nicht, denn er wird euer Übertreten nicht vergeben, weil mein Name in ihm ist. Wirst du aber auf seine Stimme hören und alles tun, was ich dir sage, so will ich deiner Feinde Feind und deiner Widersacher Widersacher sein. Ja, mein Engel wird vor dir hergehen und dich bringen zu den Amoritern, Hetitern, Perisitern, Kanaanitern, Hiwitern und Jebusitern, und ich will sie vertilgen. Du sollst ihre Götter nicht anbeten noch ihnen dienen noch tun, wie sie tun, sondern du sollst sie umreißen und ihre Steinmale zerbrechen. Aber dem HERRN, eurem Gott, sollt ihr dienen, so wird er dein Brot und dein Wasser segnen, und ich will alle Krankheit von dir wenden. (Ex 23,20-33) 

Hierzu gibt es den Bibelvers der Woche 06/2019. Es war kein unbedingtes Versprechen. Treue verlangt Gott und die Bereitschaft, sich von den Bewohnern des Landes und ihren Göttern, ihren Frauen, ihren Bräuchen und Gewohnheiten fernzuhalten. Nun tritt der Engel persönlich auf, als Vertreter Gottes, und nimmt das Versprechen feierlich zurück:

Ich habe euch aus Ägypten heraufgeführt und ins Land gebracht, das ich euren Vätern zu geben geschworen habe, und gesprochen, ich wollte meinen Bund mit euch nicht brechen ewiglich. Ihr aber solltet keinen Bund schließen mit den Bewohnern dieses Landes und ihre Altäre zerbrechen. Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht. Warum habt ihr das getan?

Das Volk reagiert mit Trauer, die Menschen weinen, und der Ort der Erscheinung wird ‚Bochim‘, genannt, ‚die Weinenden‘. Und in der Tat ist es eine unendlich traurige Szene. Sie ist eine Vergegenständlichung, eine Art vorangestellte Zusammenfassung, für den nachfolgenden Bericht darüber, wie die Israeliten in der Richterzeit den Bund mit ihrem Gott vergaßen.

Ein Bund verlangt Treue von beiden Seiten, das ist die Kernbotschaft des Deuteronomiums und der davon abhängigen Geschichtserzählung. Moderne Theologen sehen großen Grund zur Klage über das Deuteronomium und seine Darstellung der Wirklichkeit Gottes und der Menschen. Diese Kernbotschaft aber steht und trägt weiter. 

Erhalte uns Deine Treue, Herr — wie auch wir sie erhalten wollen. Und vergib uns, wo wir untreu werden.
Ulf von Kalckreuth

Bibvelvers der Woche 51/2024

…und sah Ephraims Kinder bis ins dritte Glied. Auch wurden dem Machir, Manasses Sohn, Kinder geboren auf den Schoß Josephs.
Gen 50,23

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Pluribus ex unum

Ich muß Sie heute um etwas Geduld bitten — von den Vätergeschichten geht es über die Stämme zu einer Wahrheit, die uns alle angeht. 

Wir haben hier einen der letzten Verse des Buchs Genesis. Josef wird in Ägypten hundertzehn Jahre alt, reich und mächtig. Seine Familie ist wiedervereint. Unser Vers folgt unmittelbar auf die Segenswünsche und Schutzzusagen an seine Brüder. Joseph hat zwei Söhne, Ephraim und Manasse. Im Vers wird außerdem Machir genannt, ein Sohn Manasses. 

Der Bibel ist sehr wichtig, dass sich die Stämme Israels auf einen gemeinsamen Vater zurückführen lassen — Jakob. Ihm wurde von Gott der Beiname Israel verliehen. Die Zahl zwölf steht für Vollkommenheit. Zwölf Söhne, zwölf Stämme, im Grunde aber eins. Pluribus ex unum — viele aus einem.

In der editorischen Durchführung ist das gar nicht so einfach. Es gab zwölf Stammesterritorien, ja. Aber es gab auch die landlosen Leviten, eine Kaste von Tempeldienern, die sich als eigenen Stamm verstanden und ebenfalls auf Jakob zurückführten. Also führt man zwei der Territorien — Manasse und Ephraim — auf Joseph zurück, einen der Söhne Jakobs. Also: zwölf Territorien, zwölf Söhne, davon einer auf ewige Zeiten landlos, und ein anderer mit zwei Söhnen begabt, die ihrerseits  Stammväter eigener Stämme wurden.  

Stimmt jetzt alles? Nein, da ist noch Machir. Machir wird in dem sehr alten Deborahlied (Ri 5) als eigenständiger Stamm genannt. In unserem Vers ist Machir als Person Sohn Manasses. Er ist „auf dem Schoß Josephs“ geboren, wird also als Kind Josephs angesehen. Betrachtet man die Siedlungskarte Israels, so sieht man, dass der Stamm Manasse ungefähr zu gleichen Teilen östlich und westlich des Jordan siedelt. Die östliche Hälfte wird auch Machir genannt. In den Erzählungen zur Landnahme wird diese östliche Hälfte früher erobert als die westliche, nämlich noch von Mose selbst, vor Josuas Invasion im Kernland Kanaans. Der „halbe Stamm Manasse“ ließ, so wird erzählt, Frauen und Kinder im eroberten Land, während die Männer sich dem übrigen Heerhaufen Israels anschlossen und den Stammesbrüdern bei der weiteren Landnahme halfen. 

Online-today CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons — Link

Es gibt in der Forschung die Vorstellung, dass Machir und Manasse in alter Zeit zwei separate Stämme waren und Manasse den östlichen Nachbarn mit Expansion und Durchdringung in sich aufnahm. Unser Vers reflektiert dies in recht eigentümlicher und bezeichnender Weise. Machir ist Sohn Manasses, aber doch irgendwie auch sein Bruder. 

Vor genau vier Jahren, zum dritten Advent, hatten wir einen Vers, der an Simeon erinnert. In der Karte oben ist er als Enklave zu sehen. Auch dieser Stamm verschwand mit der Zeit, er ging in Juda auf, siehe Vers 51/2020.

Aber immer blieben es zwölf. Wir sehen hier etwas Bedeutungsvolles, wie ich finde. Es gibt eine Wirklichkeit, die ständig neue Formen annimmt, und daneben und darüber die Vorstellung, dass hinter diesem Wandel unveränderliche Urgründe stehen — ewig gleich, projiziert in eine Zeit, als die Territorien mit ihren vielen Menschen einzelnen Personen entsprachen. Das hat etwas mit dem Wesen von Glauben an sich zu tun. Ist die Botschaft falsch, wenn die Geschichte, mit der sie transportiert wird, nicht den geschichtlichen Realitäten entspricht? 

Pluribus ex unum — in unserer Vielfalt sind wir eins!

Ich wünsche uns allen einen gesegneten dritten Advent, 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 49/2024

Und Juda zog hin mit seinem Bruder Simeon, und schlugen die Kanaaniter zu Zephath und verbannten sie und nannten die Stadt Horma.
Ri 1,17

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Gelobtes Land

In den ersten Abschnitten des Buchs Richter wird die Landnahme der Stämme Juda und Simeon beschrieben, und zwar nach dem Tod Josuas, also konkurrierend zu Jos 10. Die Kämpfer erobern das Hügelland und das Südland, den Negev. Auch Jerusalem wird genommen (1,8), bleibt aber offenbar den Judäern nicht — viel später wird es von David noch einmal erobert (2 Sam 5,6-10).

Unser Vers spricht von der Eroberung einer Stadt Zefat, die danach Horma genannt wurde. In diesem Namen steckt die hebräische Wurzel hrm, „den Bann vollstrecken“ — restlos töten und vernichten, zum Opfer weihen. So ist im Vers auch das Wort „verbannt“ gemeint. Unser Vers leitet den Namen der Stadt davon ab, dass bei ihrer Eroberung niemand am Leben blieb. Über die Vernichtungsweihe wurde in den BdW 06/2023, 07/2023 und 23/2023 gesprochen: Dtn 20 1-20 gebot den Stämmen, im Gelobten Land alle Einwohner der eroberten Städte zu töten. Im darauf folgenden Vers 1,18 wird berichtet, dass die Judäer drei weitere wichtige Städte einnehmen: Dazu eroberte Juda Gaza mit seinem Gebiet und Aschkelon mit seinem Gebiet und Ekron mit seinem Gebiet. Der Stadt Gaza waren wir vor kurzem im BdW 35/2024 begegnet —  zu Zeiten Abrahams konnte man Differenzen noch gütlich beilegen. 

Man darf von diesem Text keine historische Präzision verlangen. Er ist kein zusammenhängender Kriegsbericht, sondern eine Sammlung von Notizen, wohl aus unterschiedlichen Quellen. Wo die Stadt Horma gelegen hat, ist ungeklärt. Was es mit der berichteten Eroberung der drei Philisterstädte Gaza, Aschkelon und Ekron auf sich hat, ist auch nicht klar: in späteren Erzählungen sind diese Städte Hochburgen der Feinde im Rahmen bittererer kriegerischer Auseinandersetzungen. 

Anmerkung: Die Lutherbibel 1984 weicht deshalb vom hebräischen Text ab und fügt ein vermeintlich fehlendes „nicht“ in den Text ein. Die Lutherbibel 2017 hält sich, ebenso wie die Fassung von 1912, an den Wortlaut der hebräischen Urfassung. Ich habe daher oben ausnahmsweise auf die Übersetzung von 2017 verlinkt. 

Aber die historische Wahrheit ist vielleicht nicht die wichtigste. Die Erzählung von der Landnahme, unfassbar blutig und dabei gänzlich von Gott geführt, ist Dreh- und Angelpunkt des jüdischen und des christlichen Narrativs von der Verheissung Gottes. Die Idee vom „Gelobten Land“ hat viele Formen, aber hier ist die nackte Wurzel: Land, das anderen gehört. Sie müssen vertrieben, notfalls auch getötet werden, um es in Besitz zu nehmen. Man kann das sehr wörtlich nehmen. Die Nordamerikaner taten es in der Vergangenheit und die Deutschen auch, auf der Suche nach ihrem „Lebensraum im Osten“. Heute ist die Vorstellung in Teilen der israelischen Gesellschaft fest verankert. Und ein Ministerpräsident steht unter Anklage wegen Kriegsverbrechen. 

Ich bin traurig. Vor einigen Tagen sprach ich mit meiner Tochter darüber, ob und wie die in der Bibel erzählte Landnahme zum Heilsplan Gottes gehören kann. Ich sagte ihr, dass der archäologische Befund durchaus im Widerspruch zu den Erzählungen in den Büchern Josua und Richter steht. Es gibt keine Spuren großer Vernichtungswellen. Aber sie bestand darauf, dass die biblische Erzählung in allen Punkten wahr sei. Gott habe sich geändert. Er hat seinen Sohn für uns gegeben — die Sintflut, Sodom, Jericho und Horma sind Vergangenheit. Sein Heiliger Geist ist Gegenwart.

Gott hat sich geändert? Oder unser Blick auf ihn, den ewig gleichen? Welcher Blick gilt? Beide?

Sein Segen sei mit uns und führe uns in ein besseres Land, das wir errichten und niemandem wegnehmen. Mit seiner Kraft und seiner Hilfe. Ich wünsche uns allen einen gesegneten ersten Advent!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 35/2024

Und also machten sie den Bund zu Beer-Seba. Da machten sich auf Abimelech und Phichol, sein Feldhauptmann, und zogen wieder in der Philister Land.
Gen 21,32

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gaza und Be’er Sheva

Der Vers bezeichnet den Abschluß einer wichtigen Begebenheit in der „ersten“, der friedlichen Erzählung zur Einwanderung ins Gelobte Land. Diese Erzählung lautet kurz gefasst wie folgt: Abraham kommt als halbnomadisch lebender Viehzüchter von Norden aus Haran nach Kanaan. Er erwirbt Güter, Gefolgschaft und Einfluss. In hohem Alter wird er Vater zweier Söhne, die als Stammväter der Araber (Ismael) und der Israeliten (Isaak) gelten. Er schwört dem Philisterkönig Abimelech einen Lehenseid und erwirbt von dem Hethiter Efron ein Erbbegräbnis. Er ordnet er sich in die bestehenden Strukturen des Landes ein, bleibt dabei aber stets eigenständig. Am Ende ihres Lebens gehören seine Frau und er zu den Großen des Landes.  

Im Vers geht es um den Eid, den er dem Philisterkönig Abimelech schwört. Abraham wohnt zu dieser Zeit in der Halbwüste westlich des Toten Meers, an der Peripherie des Herrschaftsgebiets der Philister. Deren Städte liegen an der Küste. Abraham ist zu einer lokalen Macht herangewachsen, er ist in der Lage, kleinere Kriege zu führen (Gen 14). Das Verhältnis zur politischen Herrschaft ist ungeklärt. Abimelech, ein König der Hethiter, erscheint bei Abraham mit einer bewaffneten Streitmacht und fordert ihn auf, seine Treue zu bekunden — sehr freundlich, unter Lobesbekundungen. Ihm wäre es am liebsten, am unruhigen Rand seines Herrschaftsgebiets einen loyalen Vasallen zu haben. Abraham ist dazu grundsätzlich bereit, fordert aber seinerseits Garantien hinsichtlich der Wasserstellen, die er für sein Vieh braucht. Abimelech und Abraham schwören einander die Treue. Dies geschieht bei Beerscheba, einem Ort, der deshalb „Schwurbrunnen“ heißt. Abimelech gibt den Ort und die Wasserstellen Abraham als Lehen. Die Peripherie ist befriedet. Unser Vers erzählt, wie Abimelech und sein General in seine Stadt zurückkehren.

Be’er Sheva gibt es noch heute, es ist eine größere israelische Stadt am Rand der Negev. Der Name von Abimelechs Stadt wird nicht genant. Ist es Gaza, die nächstgelegene und größte der alten Philisterstädte?

Die Begebenheit habe ich früher bereits kommentiert, siehe den BdW 18/2022. Es ist spannend, heute wieder darauf zu schauen. Die Palästinenser leiten sich und den Namen ihres Volks von den Philistern ab. Die Israelis wiederum sehen sich als Nachkommen Abrahams und Isaaks. Vor zwei Jahren konnte ich hoffnungsvoll schreiben. Heute gibt es einen blutigen Krieg, der nicht aufhören will. In diesen Tagen sind die Vermittlungsbemühungen der USA, Ägyptens und Katars im Krieg um Gaza erneut gescheitert, vielleicht endgültig. Ein größerer Krieg steht nun vor der Tür. Was muss denn noch geschehen? In der frühen Eisenzeit fanden Abimelech und Abraham eine Lösung, die beiden Seiten nutzte. Mit Händen lässt sich greifen, dass dies auch heute möglich wäre.

Guter Wille ist wohl zu viel verlangt. So gebe der Herr, Gott Israels und der Völker, den Menschen wenigstens Einsicht und einen Blick fürs Wesentliche! Lasst uns darum beten.

Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 28/2023

…und Eljasaph, der Sohn Deguels, über das Heer des Stammes der Kinder Gad.
Num 10,20

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gott in der Bewegung

Wieder und immer noch ist das Thema die große Verheissung, das Gelobte Land. In der vergangenen Woche waren wir Zeuge, wie diese Verheissung an Abraham ging, verbunden mit einem geradezu unglaublichen Zeithorizont für die Erfüllung. Und in der Woche davor konnten wir erleben, wie diese Verheissung scheinbar endgültig zerschellte. 

Wir hatten früher schon Num 10,24 als BdW 49/2020, er sieht dem Vers dieser Woche zum Verwechseln ähnlich: : …und Abidan, der Sohn des Gideoni, über das Heer des Stammes der Kinder Benjamin. Der Kontext ist derselbe: Das Volk Israel hat am Sinai die Offenbarung empfangen und bricht nun auf — mit der Stiftshütte und unter Gottes Leitung –, das Gelobte Land einzunehmen, Stamm für Stamm, und ihre Führer werden einzeln aufgerufen. Was ich seinerzeit geschrieben habe, kann ich heute nicht besser sagen, bitte werfen Sie einen Blick auf diese Betrachtung: 

Der Herr ist Gott in der Bewegung…!

Der große Aufbruch führt zunächst ins Nichts: Viele Jahrzehnte lang ziehen die Israeliten in der Negev umher und reifen in dieser Zeit zum Volk. Erst die Nachkommen gelangen ins verheissene Land. Dann aber sind es in der Tat die Gaditer, die als erste ihr Land einnehmen, einen fruchtbaren Streifen östlich des Jordan. Das Land liegt an der Grenze des israelitischen Siedlungsgebiet, und die Gaditer gelten als kriegerisch. 

Chagall hat den Stämmen Israels zwölf Fenster gewidmet, deren jedes einen der Stämme ins Bild setzt, sie sind zu sehen im Hadassah Medical Center in Ein Kerem, near Jerusalem. Hier ist das Fenster für Gad:

https://www.hadassah.org.il/en/gad/r

Es spricht vom Tod und dem Leben, das den Tod überdauert. 

Der Herr ist Gott in der Bewegung…!

Ich wünsche uns allen eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 24/2023

Wenn dann die Fußsohlen der Priester, die des HErrn Lade, des Herrschers über alle Welt, tragen, in des Jordans Wasser sich lassen, so wird das Wasser, das von oben herabfließt im Jordan, abreißen, dass es auf einem Haufen stehen bleibt.
Jos 3,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Zeichen und Wunder

Vor einiger Zeit hatten wir mit BdW 06/2018 einen Vers in der unmittelbaren Nachbarschaft, dessen Betrachtung ich jetzt ein wenig fortspinnen kann.

Josua ist neuer Führer der Israeliten und bekommt von Gott Autorität geschenkt — beim Einzug der Kinder Israel ins Heilige Land wiederholt sich für ihn im Kleinen das Wunder, das unter Mose im Großen den Auszug, die Flucht aus Ägypten, ermöglicht hat. Wie damals im Schilfmeer teilen sich nun die Wasser des Jordan: oberhalb staut sich das Wasser auf wie durch eine unsichtbare Mauer, so dass Priester und Kämpfer den Fluß trockenen Fußes durchschreiten können. 

Die Kinder Israel durchschreiten trockenen Fußes den Jordan.
Ulf von Kalckreuth mit Dall-E, 6. Juni 2023

Es ist dies „nur“ eine Erinnerung, ein Zeichen — die Durchquerung des Jordan wäre auch ohne dies möglich gewesen. Später aber schenkt Gott dem Josua ein eigenes Wunder: auf sein Gebet hin bleiben Sonne und Mond fast einen Tag lang stehen und ermöglichen den Israeliten die Fortführung einer günstig verlaufenden Schlacht, siehe Jos 10,13-15. Auch dieses Wunder erhält ein fernes Echo. Auf Hiskias flehendes Gebet hin gibt Gott dem Todkranken fünfzehn weitere Jahre Lebenszeit, und um die Heilung zu bestätigen, lässt er die Sonnenuhr rückwärts gehen, siehe 2 Kö 20,8ff und BdW 09/2019. Auch hier hat die Wiederholung Zeichencharakter: die Heilung Hiskias selbst hat mit dem Wunder nichts zu tun. 

Da ist eine Art Handschrift, eine Semantik. Die Wunder setzen den klassisch physikalischen Gang der Dinge einfach aus. Eine Wassersäule steht, und statt mit der Schwerkraft zu fallen und im Fallen sich auszubreiten, bleibt sie einfach weiter stehen. Und Himmelskörper — scheinbar der Mond und die Sonne, in Wahrheit aber die Erde selbst — halten in ihrer Rotation inne. Eine äußere Kraft, die das Drehmoment der Erde in kurzer Zeit überwindet, und anschließend wieder herstellt, müsste die Erdoberfläche zerstören und alles Leben unmöglich machen. 

Es wird gesagt, dass Gott durch die Naturgesetze spricht — hier spricht er durch ihre Aufhebung, in denkbar machtvoller Weise. 

Aber noch ein Zeichen gibt Gott am Jordan, vielleicht an derselben Stelle, aber über tausend Jahre später. Es kommt ohne Eingriff in die Naturgesetze aus. Gott spricht selbst, in direkter Rede. In allen Evangelien wird berichtet, wie Jesus sich von Johannes taufen lässt: 

Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald heraus aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe (Mt 3,13f). 

Gott bestätigt Jesus in der Öffentlichkeit, wie er Josua bestätigt hat, ebenso eindrucksvoll, aber es geschieht mit einer ganz anderen Semantik. Warum? Ich weiss es nicht. 

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth

P.S. Gestern konnte ich für ein paar Stunden den Kirchentag in Nürnberg besuchen — und als ich die Kirchentags-App öffnete, um sehen, was ich mit dieser Zeit anfangen kann, fand sich auf meinem Bildschirm meines Handys plötzlich eine jüdisch-christliche Diskussion zu 2. Kö 20, der Geschichte von Hiskias Heilung und der Sonnenuhr, die rückwärts läuft. Darüber hatte ich doch gerade erst geschrieben! Natürlich ging ich hin. Ein klitzekleines Zeichen vielleicht für mich…

Bibelvers der Woche 18/2023

Und welcher gefunden wird im Bann, den soll man mit Feuer verbrennen mit allem, was er hat, darum dass er den Bund des HErrn übertreten und eine Torheit in Israel begangen hat.
Jos 7,15

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Heilig und unantastbar!

Wieder haben wir einen Vers zur Vernichtungsweihe gezogen — zum dritten Mal seit Beginn des Jahres. In den Betrachtungen zu den BdW 06/2023 und 07/2023 wurde über diesen Modus der Kriegführung bereits gesprochen. In extremen, existenziellen Situationen sollte Gott selbst den Kampf für sein Volk führen. Die menschlichen Kampfer waren dann nur ausführende Organe. Insbesondere hatten sie keinerlei Recht an der Beute, die gesamte Beute stand als Opfer Gott selbst zu. Die besiegten Gegner, auch Frauen und Kinder, waren dem Tode geweiht, sie konnten nicht versklavt werden, wie dies sonst üblich war.

Ein solcher Fall war mit dem Überschreiten des Jordan und dem Einbruch ins Heilige Land gegeben. Die Eroberung Jerichos wurde von Josua als Bannkrieg geführt. Alle Einwohner der Stadt kamen um — bis auf die Hure Rahab, deren Verrat den Sieg ermöglicht hatte.

Einer der Kämpfer aber hatte sich unbemerkt Gold und Silber vom gebannten Gut genommen. Bald darauf ging die Schlacht um die in der Nähe gelegenen kleine Stadt Ai für die Israeliten schmählich verloren. Seitens der Israeliten war der Angriff mit halber Kraft geführt worden, gewissermaßen beiläufig. Nun war Josua ratlos. Der Frevler muss sterben, sagt Gott — das ist der gezogene Vers. Er befiehlt Josua, ihn mit dem Los zu suchen. Zunächst sollten die Stämme antreten, dann die Geschlechter, die Häuser und schließlich die Kernfamilien mit ihren Männern.

So geschieht es, und so auch wird der Schuldige gefunden. Er gesteht. Das gestohlene Beutegut wird geborgen und zusammen mit dem Frevler verbrannt. Mit einer Kriegslist gelingt darauf die Eroberung der Stadt Ai. Der Angriff wird diesmal mit vollem Einsatz geführt. Wie in Jericho müssen alle Einwohner sterben, die Beute aber geht diesmal an die menschlichen Kämpfer. Man meint, im Hintergrund ein Anreizproblem wahrzunehmen.

Bannkrieg, Vernichtungsweihe, das ist eine ungeheuerliche Idee. Alles ist Opfer für den Herrn, Leben und Gut der Feinde, und dieses Eigentum ist heilig und unantastbar! Das ist der Hintergrund, vor dem sich dann und danach über viele Jahrhunderte die Vorstellung von einem liebenden Gott gebildet hat. Christen glauben, dass dieser Gott so sehr liebt, dass er seinen erstgeborenen Sohn und sich selbst zum Opfer bringt… Auch das ist irgendwie ungeheuerlich. Wer ist unser Gott? Trägt er mehrere Personen in sich?

Wenn wir uns für einen Moment vom Bannkrieg lösen — und das fällt mir schwer — welche Botschaft hat der Vers? Was Gottes ist, muß Gottes bleiben, sagt er. Was Gott geweiht ist, dürfen wir nicht für unsere eigenen Zwecke einsetzen!

Wen betrifft das, und wie? Jeden vielleicht an anderer Stelle. Ich selbst habe einen konkreten Anlass, hier aufmerksam zu sein. Aus Anlass meines sechzigsten Geburtstags will ich nämlich bald mit meiner Gemeinde ein Dankopferfest feiern. Die ganze Gemeinde ist nach dem Gottesdienst eingeladen. Wir wollen mit Gott essen, trinken, singen und beten und uns aneinander und am Leben freuen — und gemeinsam für einen guten Zweck einstehen.

Vielleicht kann mich der Vers daran erinnern, dass ich nicht mich selbst feiern soll, sondern Gott?

Ich wünsche uns allen gesegnete Tage,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 07/2023

…so sollst du die Bürger derselben Stadt schlagen mit des Schwertes Schärfe und sie verbannen mit allem, was darin ist, und ihr Vieh mit der Schärfe des Schwerts.
Deut 13,16

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Ein Gebot Gottes…!

Ali Chamenei ist das politische und religiöse Oberhaupt des Iran — Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte und gleichzeitig höchste geistliche Instanz im Rang eines Ajatollah. Stellen wir uns vor, Ajatollah Chameini erließe eine Fatwa zu Städten und Dörfern des Landes, die sich vom schiitischen Islam abkehren, namentlich durch Hinwendung zu anderen Religionen. Gemäß dieser Fatwa müssten solche Städte dem Erdboden gleichgemacht werden, alle Einwohnerinnen und Einwohner müssten hingerichtet werden. Was würden wir davon halten?

Ein solche Bestimmung enthält die Bibel als Gesetz, und zwar in ihrem alten Kern, der Torah. Der Schrift nach wurde es im Namen Gottes verkündet von Mose, dessen Stellung der des Ali Chamenei glich. Hier ist es im Wortlaut, Deut 13,13-17. Der Bibelvers der Woche ist hervorgehoben:

Wenn du von irgendeiner Stadt, die dir der HERR, dein Gott, gegeben hat, darin zu wohnen, sagen hörst: Es sind etliche heillose Leute aufgetreten aus deiner Mitte und haben die Bürger ihrer Stadt verführt und gesagt: Lasst uns hingehen und andern Göttern dienen, die ihr nicht kennt, so sollst du gründlich suchen, forschen und fragen. Und wenn sich findet, dass es gewiss ist, dass solch ein Gräuel unter euch geschehen ist, so sollst du die Bürger dieser Stadt erschlagen mit der Schärfe des Schwerts und an ihr den Bann vollstrecken, an allem, was darin ist, auch an ihrem Vieh, mit der Schärfe des Schwerts. Und alles, was in ihr erbeutet wird, sollst du sammeln mitten auf dem Marktplatz und mit Feuer verbrennen die Stadt und alle ihre Beute als ein Ganzopfer für den HERRN, deinen Gott, dass sie in Trümmern liege für immer und nie wieder aufgebaut werde.

Die Bewohner der von Gott abgefallenen Stadt unterliegen der Vernichtungsweihe (Bann), hierzu siehe den Bibelvers der vergangenen Woche 06/2023. Das Wort „Ganzopfer“ bezeichnet ein Opfer, das der Gottheit als Ganzes dargebracht wird. Für eine große Anzahl Menschen wird es hier im übertragenen Sinne verwendet. Eine solche Übertragung wurde im Jahr 1944 übrigens ein weiteres Mal vorgenommen — das griechische Wort für Ganzopfer ist Holocaust… 

Die Bestimmung über die Vernichtung von Städten, die vom Herrn abgefallen sind, ist Teil der Torah und gilt daher im Judentum als Mitzwah, als Gebot Gottes. In der von Maimonides aufgestellten Liste der Ge- und Verbote Gottes ist sie als (positives) Gebot Nr. 186 sowie als Verbot Nr. 23 und 24 eingegangen. Sie kam wohl nie zur Anwendung — die Bücher Josua, Richter oder Könige hätten davon berichtet. So ist sie auch nicht gemeint, sie soll als Drohung und Wertung im Raum stehen. Gemeinsam mit den beiden vorangehenden Abschnitten sagt sie, was von Undankbarkeit und Verrat an der Gottheit zu halten ist, der die Israeliten alles verdanken. 

Der Text steht in meiner Bibel. Wenn ich diese Abschnitte lese, schaudert mich. Zustimmung und Ablehnung ist aber nicht wirklich gefragt. Die Bibel ist, was sie ist; ein in Teilen rätselhaftes Monument, dem wir uns betrachtend nähern können und das Anstoß sein kann in unserem Leben. Die Stimme Gottes hören wir darin dann, wenn wir sie bereits in uns tragen. Unsere Antwort wird individuell sein.

Als ein Ganzopfer für den Herrn… Am letzten Sonntag stand ich bei der Abendmahlsfeier im Kreis der Gemeinde. Es war die Rede vom Opfertod Jesu, und dass Jesus die Sünden von uns genommen habe. Oft habe ich Mühe, das zu verstehen: warum mußte Jesus diesen furchtbaren Foltertod sterben für meine Sünden und die anderer Menschen? Am vergangenen Sonntag hatte ich den Bibelvers dieser Woche bereits gezogen. und seine Worte im Kopf. Plötzlich befiel mich die Idee, dass er vielleicht sterben mußte, um genau diese Verse aus der Welt zu räumen und das, was damit zusammenhängt an Schuld, Sühne und Vernichtung, dass Gott zu uns kam, um zu sagen: „So nicht!“, und dabei Feuer mit Feuer bekämpfte, wie man einen Präriebrand löscht. Opfer gegen Opfer.

Ich spreche hier für mich selbst. Es war eine Idee, eine Vision, aber christliche Theologie ist es nicht, glaube ich. Was ist Ihre Antwort, wie geht es Ihnen mit dem Vers?

Wie in der letzten Woche, ich bleibe dabei: Der Segen Gottes, der heilt und Leben gibt, sei mit uns, 
Ulf von Kalckreuth


Für diejenigen unter Ihnen, die über einen JSTOR-Account verfügen: hier ist ein gut lesbarer Aufsatz zu Deut 13.