… und auch von den Kindern der Gäste, die Fremdlinge unter euch sind, und von ihren Nachkommen, die sie bei euch in eurem Lande zeugen; dieselben mögt ihr zu eigen haben.
Lev 25,45
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.
Sklave sein und frei
Hier ist zunächst einmal der erste Satzteil für den gezogenen Vers: „Willst du aber leibeigene Knechte und Mägde haben, so sollst du sie kaufen von den Heiden, die um euch her sind,…„
Es geht in dem gezogenen Vers also um Sklavenhaltung, was erlaubt ist und was nicht. Der erste Teil der Botschaft ist: Angehörige des eigenen Volks dürfen keine Sklaven sein. Lev 25 entwirft eine gleichzeitig konservative und freiheitsbetonte Gesellschaftsordnung. Aller Reichtum, aller Grund und auch die Menschen gehören eigentlich Gott. Gott hat das Land den Israeliten, den Stämmen, den Sippen und einzelnen Familien darin gegeben, und diese Ordnung muss respektiert werden. Land kann ge- und verkauft werden, aber nach fünfzig Jahren kommt es zu seinem alten Besitzer zurück. Das muss sich auch im Kaufpreis spiegeln: Er muss niedrig liegen, wenn das Erlassjahr nahe ist, und kann hoch sein, wenn es noch weit weg ist, „… denn die Zahl der Ernten verkauft er dir“. Ökonomen ist diese Methode der Bewertung als rental price of capital vertraut.
Gerät jemand in Not, so haben enge Verwandte auch vorher schon das Recht (und die Pflicht), den verkauften Grundbesitz wieder auszulösen. Volksgenossen dürfen gar nicht ge- und verkauft werden. Gerät ein Israelit in Not, so mag er sich als Knecht verdingen, aber nicht als Sklave, und zum Erlassjahr kommt er wieder frei und erhält seinen Besitz zurück. Der Herr hat das Volk nicht aus der Sklaverei geführt und in Besitz gebracht, damit sich die Hebräer gegenseitig versklaven und sich das Eigentum — die Lebensgrundlage — nehmen. Punkt.
Diese Forderung, dieses Gebot dürfte in den altorientalischen Gesellschaften ziemlich einzigartig gewesen sein. Es liegt ein wichtiges Prinzip der jüdischen Religion darin: jeder ist zugleich Sklave (Gottes) und frei (zu entscheiden).
Die andere Seite der Medaille scheint im gezogenen Vers auf: die Forderung bezieht sich nur auf Volksgenossen, nicht aber auf Angehöriger anderer Ethnien. Wer Sklaven halten möchte, kann dies tun: er muss sie eben aus den Völkern der „Heiden“ kaufen oder auch unter ihren Nachkommen, die im Land wohnen. Denn auch wer lange im Land wohnt, unterliegt nicht denselben Schutzstandards. Die altisraelitische Gesellschaftsordnung trug durchaus gewisse Züge, die man heute als rassistisch bezeichnen würde. Die Schutznormen in Lev 25 sind auf die Angehörigen der eigenen Ethnie beschränkt. Aber selbst das deutsche Grundgesetz von heute unterscheidet Menschenrechte und Rechte deutscher Staatsbürger.
Ich wünsche uns eine gute Woche!
Ulf von Kalckreuth