Bibelvers der Woche 15/2018

… und auch von den Kindern der Gäste, die Fremdlinge unter euch sind, und von ihren Nachkommen, die sie bei euch in eurem Lande zeugen; dieselben mögt ihr zu eigen haben.
Lev 25,45 

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Sklave sein und frei

Hier ist zunächst einmal der erste Satzteil für den gezogenen Vers: „Willst du aber leibeigene Knechte und Mägde haben, so sollst du sie kaufen von den Heiden, die um euch her sind,…

Es geht in dem gezogenen Vers also um Sklavenhaltung, was erlaubt ist und was nicht. Der erste Teil der Botschaft ist: Angehörige des eigenen Volks dürfen keine Sklaven sein. Lev 25 entwirft eine gleichzeitig konservative und freiheitsbetonte Gesellschaftsordnung. Aller Reichtum, aller Grund und auch die Menschen gehören eigentlich Gott. Gott hat das Land den Israeliten, den Stämmen, den Sippen und einzelnen Familien darin gegeben, und diese Ordnung muss respektiert werden. Land kann ge- und verkauft werden, aber nach fünfzig Jahren kommt es zu seinem alten Besitzer zurück.  Das muss sich auch im Kaufpreis spiegeln: Er muss niedrig liegen, wenn das Erlassjahr nahe ist, und kann hoch sein, wenn es noch weit weg ist, „… denn die Zahl der Ernten verkauft er dir“. Ökonomen ist diese Methode der Bewertung als rental price of capital vertraut.

Gerät jemand in Not, so haben enge Verwandte auch vorher schon das Recht (und die Pflicht), den verkauften Grundbesitz wieder auszulösen. Volksgenossen dürfen gar nicht ge- und verkauft werden. Gerät ein Israelit in Not, so mag er sich als Knecht verdingen, aber nicht als Sklave, und zum Erlassjahr kommt er wieder frei und erhält seinen Besitz zurück. Der Herr hat das Volk nicht aus der Sklaverei geführt und in Besitz gebracht, damit sich die Hebräer gegenseitig versklaven und sich das Eigentum — die Lebensgrundlage — nehmen. Punkt.

Diese Forderung, dieses Gebot dürfte in den altorientalischen Gesellschaften ziemlich einzigartig gewesen sein. Es liegt ein wichtiges Prinzip der jüdischen Religion darin: jeder ist zugleich Sklave (Gottes) und frei (zu entscheiden).

Die andere Seite der Medaille scheint im gezogenen Vers auf: die Forderung bezieht sich nur auf Volksgenossen, nicht aber auf Angehöriger anderer Ethnien. Wer Sklaven halten möchte, kann dies tun: er muss sie eben aus den Völkern der „Heiden“ kaufen oder auch unter ihren Nachkommen, die im Land wohnen. Denn auch wer lange im Land wohnt, unterliegt nicht denselben Schutzstandards. Die altisraelitische Gesellschaftsordnung trug durchaus gewisse Züge, die man heute als rassistisch bezeichnen würde. Die Schutznormen in Lev 25 sind auf die Angehörigen der eigenen Ethnie beschränkt. Aber selbst das deutsche Grundgesetz von heute unterscheidet Menschenrechte und Rechte deutscher Staatsbürger.  

Ich wünsche uns eine gute Woche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 02/2018

…unter den Sängern: Eljasib; unter den Torhütern: Sallum, Telem und Uri.
Esr 10,24

Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017.

EntSCHEIDUNG!

Nachdem ein größer Teil der jüdischen Elite aus der babylonischen Gefangenschaft nach Jerusalem und Juda zurückgekehrt ist, organisiert Esra die Wiedereinsetzung des Tempeldienstes und konstituiert dabei das Judentum neu. Es wird offenbar, dass viele Familien sich zwischenzeitlich oder schon vor dem Exil mit Angehörigen autochthoner Völker verbunden haben, indem sie ihre Frauen Männern anderer Völker gegeben haben oder sich Frauen dieser Völker als Ehefrauen genommen haben. Die Torah untersagt das strikt.

Esra setzt durch, dass die Juden sich von diesen Frauen trennen. Die Sippenältesten ermitteln, wer solche Ehen eingegangen ist und die betroffenen Männer  geloben, sich von ihren Frauen und den mit ihnen gezeugten Nachkommen zu scheiden. Unter ihnen sind auch Angehörige der Priesterschaft, und — in der Aufzählung des gezogenen Vers — ein Tempelsänger und drei Torhüter. 

Der Vers in seinem Kontext ist ein drastischer Appell, Reinheit, Prinzipien und den Bund mit Gott über persönliche Beziehungen auch allerengster Art zu stellen. Die Zuspitzung erschließt sich, wenn man sich die rechtliche Stellung geschiedener Frauen im Judentum vergegenwärtigt. In vielen Fällen wird eine Rückkehr der Frauen in ihre Familien nicht möglich gewesen sein. Die konsequente, aber wenig menschenfreundliche EntSCHEIDUNG erklärt sich aus der existenziellen Angst Esras und der Sippenältesten, die gerade wieder gefundene Gnade ihres Gottes aufs Neue zu verlieren. 

Eine Woche ohne Angst und in Gottes Segen wünscht uns allen
Ulf von Kalckreuth