Bibelvers der Woche 20/2018

… denn du sollst keinen andern Gott anbeten. Denn der HErr heißt ein Eiferer; ein eifriger Gott ist er. 
Ex 34,14

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Der Vers steht im Buch Exodus und sein erster Teil gehört zum ersten Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ (Ex 20, 2f).

Das Gebot wird hier wiederholt, und der Grund dafür ist kein günstiger. Während Moses auf dem Berg Sinai die zehn Gebote und viele weitere Weisungen empfängt, bedrängen die Israeliten seinen Bruder Aaron. Sie sind verunsichert wegen der langen Abwesenheit Moses, ihres einzigen Mittlers zum Herrn und wollen etwas Handgreifliches für die Kommunikation mit ihrem Gott. Aaron lässt sie ein goldenes Kalb gießen. Auf dem Berggipfel berichtet Gott dem Mose von den Geschehnissen. Er will das Volk verstoßen und stattdessen Moses zu einem großen Volk machen. Moses nutzt – wie vor ihm schon einmal Abraham – seine besonderen Beziehungen zum Herrn und erinnert ihn an seine Versprechungen. 

Als Moses mit Josua vom Berg Sinai herunterkommt, tanzen sie gerade um das Kalb. Moses zerschlägt die Tafeln. In einem Zornesausbruch lässt er die Leviten 3000 Volksangehörige töten. Es kommt dann zu einem Moment der großen Intimität zwischen ihm und Gott – dieser lässt Moses seine Herrlichkeit schauen. Mose kehrt zurück zum Berggipfel, um den Herrn dazu zu bewegen, wie versprochen den Zug der Israeliten ins Heilige Land anzuführen. 

Wieder hat er zwei steinerne Tafeln dabei. Gott erneuert die Bundeszusage und gibt auch die Gebote aufs Neue. Aber er macht dabei eine Reihe von Feststellungen und Forderungen, die Grundlage sind für diese Erneuerung des Bundes. In dieser Reihung findet sich der Vers. Der erste Teil ist eine Wiederholung. Der zweite Teil ist eine Bekräftigung der besonderen Art. Es gibt einen alten hebräischen Namen für Gott – „El  Qana‘ “ אֵל קַנָּא  –  dessen wörtliche Bedeutung „eifernder Gott“ ist. Auf diesen seinen Namen beruft sich Gott hier. Eifer ist Teil der in seinem Namen festgelegten Identität Gottes.

Man könnte den Vers so schreiben: „Nach allem, was passiert ist, wiederhole ich: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Ihr seid mein Volk und ich bin euer Gott. Wenn ihr etwas anderes wollt – den Preis dafür werdet ihr nicht zahlen wollen. Ich stehe für mein Wort. Anders kann es nicht sein  – ich bin, der ich bin.“

Gott lässt sein Volk nicht fallen. Er erneuert den Bund, aber er verbindet es mit einer Drohung. 

Für Menschen der zweiten Jahrtausendwende hat diese Drohung etwas eigentümlich Tröstliches. Wir haben ja gar keine Furcht vor dem strafenden Gott. Unser Gott hat ein mildes, alles verzeihendes Gesicht. Unsere Angst gilt seit dem neunzehnten Jahrhundert dem gleichgültigen, dem abwesenden, dem nicht existenten Gott. Denn die alles verzeihende Milde sieht der Belanglosigkeit erschreckend ähnlich. Dass nun Gott zu seinem Wort steht und für sein Wort eifert, kann eine gute Nachricht sein.

Nur ein Gott, der sein Wort ernst nimmt, ist ernst zu nehmen. Das ist evident – es gilt sogar für Menschen. Aber wir sind mit diesem Vers auf dünnem Eis. Die beiläufig erzählte Ermordung von dreitausend Volksgenossen erinnert daran, worum es hier auch gehen kann.

Ich wünsche Euch eine gute Woche,
Ulf

Bibelvers der Woche 19/2018

Da hörten die drei Männer auf, Hiob zu antworten, weil er sich für gerecht hielt.
Hiob 32,1 

Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017.

Die Bäume und der Wald

Das Buch Hiob handelt vom menschlichen Leid und der Gerechtigkeit vor Gott. In einem Prolog wird eine Laborsituation hergestellt: Hiob ist ein gottesfürchtiger und gerechter Mann, auf dem das Wohlwollen des Herrn ruht. Der Teufel, hier als Angehöriger Gottes Entourage, äußert die Überzeugung, mit Hiobs Gottesfürchtigkeit wäre es nicht weit her, wenn der Herr ihn nicht in allem beschützen und bewahren würde. Der Herr lässt sich auf eine Wette ein: der Teufel darf alles an und um Hiob vernichten, nur sein Leben muss er ihm lassen. So geschieht es — Gott lässt ihn damit in eine unerträgliche und entwürdigende Situation fallen, in Krankheit und Schmach. Er behält nur das nackte Leben. 

Drei Freunde suchen ihn auf, ihn seelisch zu stützen. Zum ihrem großen Verdruss beharrt Hiob darauf, gerecht zu sein. Im Verhältnis zu Gott fordert er seinerseits Gerechtigkeit ein, andererseits und gleichzeitig äußert er aber auch die feste Überzeugung, dass Gott ihm diese Hilfe am Ende geben wird („Ich weiß, dass mein Erlöser lebt…“). Hiob behält seinen Glauben, auch noch in der tiefsten Verwundung. 

Hier ist ein theologisches Problem. Im damaligen Judentum war die Sache klar: wer die Bundeszusage hatte und sich an die Gebote hielt, konnte der Unterstützung des Herrn sicher sein. Wem es schlecht ging, der hatte dies entweder durch Übertretungen selbst verschuldet, oder aber war das Opfer von Übertretungen seiner unmittelbaren Vorfahren (siehe hierzu BdW, KW 7). Insofern können die Freunde nicht anders, sie müssen Hiobs Anspruch zurückweisen. Er solle sich erforschen, er werde Übertretungen finden.

Schließlich, nach langen Diskussionen, ist Hiobs Antwort harsch. In einem kurzen Abschnitt stellt er fest, dass er sein ganzes Leben lang in Gottes Gebot gelebt hat. Er nennt die Gebote und die wichtigsten Regeln einzeln und kann auch darlegen, dass er Gottes Gebote nicht nur dem Buchstaben, sondern auch dem Geiste nach befolgt hat: immer war er für den Nächsten, den Schwachen da. Er ist sogar zur Feindesliebe gelangt, damals beileibe noch keine explizite Forderung.

Und dann kommt ein Satz, der den Freunden Blasphemie sein muss: 

35 O hätte ich einen, der mich anhört – hier meine Unterschrift! Der Allmächtige antworte mir! –, oder die Schrift, die mein Verkläger geschrieben! 36 Wahrlich, dann wollte ich sie auf meine Schulter nehmen und wie eine Krone tragen. 37 Ich wollte alle meine Schritte ihm ansagen und wie ein Fürst ihm nahen.

Hiobs Vertrauen in die eigene Gerechtigkeit ist dergestalt, dass er Gott und seiner Anklage wie ein Fürst gegenübertreten zu können glaubt!

An diese Stelle gehört der gezogene Vers: die drei Männer schweigen, weil Hiob sich für gerecht hält! Auf dieses Schweigen nun folgen die Rede eines vierten Freundes (der bis dahin nicht erwähnt wurde), und dann die Antwort Gottes selbst aus dem Sturm. Durch die Laborsituation weiß der Leser, dass Hiob tatsächlich gerecht ist: in der Rahmenerzählung stellt Gott selbst das unzweideutig fest. Auch seinen Glauben und die Gottesfurcht behält er. Hiobs Beharren auf die eigene Gerechtigkeit aber lässt alle anderen verstummen und es zieht die sehr nachdrückliche Zurechtweisung Gottes nach sich. 

Das Bestehen auf der eigenen Gerechtigkeit wird im Buch Hiob verurteilt. Es isoliert uns von den anderen Menschen — das zeigt der Vers –, es entfremdet uns aber auch von Gott. Seine Gerechtigkeit, das sagt seine Rede aus dem Sturm, ist nicht mit menschlichen Maßstäben zu messen. Wir können uns mit einem Wesen, das so hoch über uns steht, nicht mit Kategorien auseinandersetzen, die für das Verhalten von Menschen gemacht sind. Vor lauter Totholz sehen wir dann den Wald nicht mehr: Gottes Macht und Größe. 

Es ist gut, den Versuch zu machen, Gottes Geboten zu folgen. Soweit der Versuch (mit Gottes Hilfe) gelingt, ist dies noch besser. Und man soll keinen Gedanken an die Position verschwenden, die man sich dadurch möglicherweise erwirbt — der Gedanke selbst führt in die Irre. 

Was aber die anderen Menschen betrifft:  Mit dem Beharren auf die eigene Gerechtigkeit verwandelt man jede fruchtbare Auseinandersetzung in ein Schweigen.

Ich wünsche uns eine gute Woche,
Ulf von Kalckreuth