Bibelvers der Woche 19/2018

Da hörten die drei Männer auf, Hiob zu antworten, weil er sich für gerecht hielt.
Hiob 32,1 

Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017.

Die Bäume und der Wald

Das Buch Hiob handelt vom menschlichen Leid und der Gerechtigkeit vor Gott. In einem Prolog wird eine Laborsituation hergestellt: Hiob ist ein gottesfürchtiger und gerechter Mann, auf dem das Wohlwollen des Herrn ruht. Der Teufel, hier als Angehöriger Gottes Entourage, äußert die Überzeugung, mit Hiobs Gottesfürchtigkeit wäre es nicht weit her, wenn der Herr ihn nicht in allem beschützen und bewahren würde. Der Herr lässt sich auf eine Wette ein: der Teufel darf alles an und um Hiob vernichten, nur sein Leben muss er ihm lassen. So geschieht es — Gott lässt ihn damit in eine unerträgliche und entwürdigende Situation fallen, in Krankheit und Schmach. Er behält nur das nackte Leben. 

Drei Freunde suchen ihn auf, ihn seelisch zu stützen. Zum ihrem großen Verdruss beharrt Hiob darauf, gerecht zu sein. Im Verhältnis zu Gott fordert er seinerseits Gerechtigkeit ein, andererseits und gleichzeitig äußert er aber auch die feste Überzeugung, dass Gott ihm diese Hilfe am Ende geben wird („Ich weiß, dass mein Erlöser lebt…“). Hiob behält seinen Glauben, auch noch in der tiefsten Verwundung. 

Hier ist ein theologisches Problem. Im damaligen Judentum war die Sache klar: wer die Bundeszusage hatte und sich an die Gebote hielt, konnte der Unterstützung des Herrn sicher sein. Wem es schlecht ging, der hatte dies entweder durch Übertretungen selbst verschuldet, oder aber war das Opfer von Übertretungen seiner unmittelbaren Vorfahren (siehe hierzu BdW, KW 7). Insofern können die Freunde nicht anders, sie müssen Hiobs Anspruch zurückweisen. Er solle sich erforschen, er werde Übertretungen finden.

Schließlich, nach langen Diskussionen, ist Hiobs Antwort harsch. In einem kurzen Abschnitt stellt er fest, dass er sein ganzes Leben lang in Gottes Gebot gelebt hat. Er nennt die Gebote und die wichtigsten Regeln einzeln und kann auch darlegen, dass er Gottes Gebote nicht nur dem Buchstaben, sondern auch dem Geiste nach befolgt hat: immer war er für den Nächsten, den Schwachen da. Er ist sogar zur Feindesliebe gelangt, damals beileibe noch keine explizite Forderung.

Und dann kommt ein Satz, der den Freunden Blasphemie sein muss: 

35 O hätte ich einen, der mich anhört – hier meine Unterschrift! Der Allmächtige antworte mir! –, oder die Schrift, die mein Verkläger geschrieben! 36 Wahrlich, dann wollte ich sie auf meine Schulter nehmen und wie eine Krone tragen. 37 Ich wollte alle meine Schritte ihm ansagen und wie ein Fürst ihm nahen.

Hiobs Vertrauen in die eigene Gerechtigkeit ist dergestalt, dass er Gott und seiner Anklage wie ein Fürst gegenübertreten zu können glaubt!

An diese Stelle gehört der gezogene Vers: die drei Männer schweigen, weil Hiob sich für gerecht hält! Auf dieses Schweigen nun folgen die Rede eines vierten Freundes (der bis dahin nicht erwähnt wurde), und dann die Antwort Gottes selbst aus dem Sturm. Durch die Laborsituation weiß der Leser, dass Hiob tatsächlich gerecht ist: in der Rahmenerzählung stellt Gott selbst das unzweideutig fest. Auch seinen Glauben und die Gottesfurcht behält er. Hiobs Beharren auf die eigene Gerechtigkeit aber lässt alle anderen verstummen und es zieht die sehr nachdrückliche Zurechtweisung Gottes nach sich. 

Das Bestehen auf der eigenen Gerechtigkeit wird im Buch Hiob verurteilt. Es isoliert uns von den anderen Menschen — das zeigt der Vers –, es entfremdet uns aber auch von Gott. Seine Gerechtigkeit, das sagt seine Rede aus dem Sturm, ist nicht mit menschlichen Maßstäben zu messen. Wir können uns mit einem Wesen, das so hoch über uns steht, nicht mit Kategorien auseinandersetzen, die für das Verhalten von Menschen gemacht sind. Vor lauter Totholz sehen wir dann den Wald nicht mehr: Gottes Macht und Größe. 

Es ist gut, den Versuch zu machen, Gottes Geboten zu folgen. Soweit der Versuch (mit Gottes Hilfe) gelingt, ist dies noch besser. Und man soll keinen Gedanken an die Position verschwenden, die man sich dadurch möglicherweise erwirbt — der Gedanke selbst führt in die Irre. 

Was aber die anderen Menschen betrifft:  Mit dem Beharren auf die eigene Gerechtigkeit verwandelt man jede fruchtbare Auseinandersetzung in ein Schweigen.

Ich wünsche uns eine gute Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 14/2018

Da sich nun der Philister aufmachte und daherging und nahte sich zu David, eilte David und lief auf das Heer zu, dem Philister entgegen.
1 Sa 17,48

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Patt — und ein Ausbruch

Das judäische Heer König Sauls und das Heer der Philister stehen sich gerüstet auf zwei Bergen gegenüber, dazwischen ein Tal. Man kann den Schauplatz noch heute besichtigen, ich bin dort gewesen, ein Freund hat mich an die Stelle geführt. Die Schlacht ist jederzeit möglich, ein Angriff aber — der Israeliten wie der Philister — wäre mit großen Verlusten verbunden. Der jeweilige Angreifer müsste hinab ins Tal und wäre dort Ziel für die Pfeile und Speere des Verteidigers; dann müsste er bergauf kämpfen. Die Philister fordern die Israeliten zu einem Stellvertreterkampf heraus: einer der ihren, Goliath, soll gegen einen ausgewählten Israeliten kämpfen und so den Krieg entscheiden. Recht eigentlich eine schöne Lösung. Ein solcher Stellvertreterkampf wird auch in der Ilias versucht, zwischen Paris und Menelaos. Aber die Parteien halten sich nicht an die vereinbarten Regeln. Vielleicht gäbe es ja Troja noch, wenn es gelungen wäre…

Keiner der Israeliten wagt es, gegen den gewaltigen Krieger anzutreten, viele Tage lang. Verzweiflung macht sich breit. David, ein Junge noch und ohne Ausbildung an den Waffen, erträgt es nicht länger und meldet sich. Saul akzeptiert das Angebot. David kann die Rüstung Sauls nicht tragen und geht ohne Rüstung in dem Kampf, bewaffnet nur mit einer Steinschleuder. So — jung, schnell und wendig, unerfahren, aber auch unterschätzt, mit großem Vertrauen in Gottes Hilfe und seine eigene Kraft, unglaublich präsent, schön — tritt er dem Goliath entgegen. Der Kampf beginnt.

Frohe Ostern,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 06/2018

Und der HErr sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor dem ganzen Israel, dass sie wissen, wie ich mit Mose gewesen bin, also sei ich auch mit dir.
Jos 3,7

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Autorität herstellen

Nach vierzigjähriger Wanderschaft in der Wüste macht sich das Volk Israel daran, das vom Herrn versprochene Land einzunehmen. Israel fällt von Osten her in Kanaan ein. Als Sperriegel sind die Stadt Jericho mit seiner Mauer und der vorgelagerte Fluß Jordan zu überwinden. Josua, der neue militärische Führer in der Nachfolge des gerade verstorbenen Mose, hat Späher nach Jericho geschickt, die berichten, dass die Stadt starr vor Angst sei. 

Der Jordan ist kein großer, reissender Fluß, eher ein großer Bach. Man könnte ihn mit Behelfsbrücken oder Flößen überwinden, oder eine Furt suchen. Aber an dieser Stelle geht es um etwas anderes. Josuas Autorität ist nicht gefestigt, das Volk konnte noch kein Vertrauen in seine Führung sammeln, und dieses Vertrauen ist die wichtigste Ressource im bevorstehenden Krieg.

Um Josua die Autorität Moses zu verleihen und um zu demonstrieren, dass er wie jener Gottes volle Unterstützung hat, spiegelt Gott das Wunder vom Schilfmeer und zitiert sich dabei selbst. Der Jordan staut sich oberhalb des Lagerplatzes der Israeliten auf, unterhalb fließt das Wasser ab — das Volk kann trockenen Fußes mit der Bundeslade über den Jordan gehen. Im Bibelvers der Woche kündigt Gott dem Josua sein Vorgehen an. 

Josua lässt zwölf Steine aus dem Jordan bringen und am Ufer aufstellen, und er richtet zwölf weitere Steine im Jordan auf, um die Stelle zu markieren und an das Wunder zu erinnern, das ihm für alle sichtbar die Autorität der Führerschaft verlieh und dem Volk den Sieg zugesagt: Gottes Hilfe sprengt alle Hindernisse. Nun liegt sie unmittelbar von den Israeliten: die Mauer von Jericho.

Viele Grüße und uns allen eine gute Woche,
Ulf von Kalckreuth