Bibelvers der Woche 48/2023

Und da sie ihm zu trinken gegeben hatte, sprach sie: Ich will deinen Kamelen auch schöpfen, bis sie alle getrunken haben.
Gen 24,19

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Verborgene Botschaften

Oben sehen Sie das Wappen meiner Familie. Im Schild sind zwei gekreuzte Werkzeuge, Kalkreuten genannt. Vielleicht sind es Kalkofengabeln, genau weiss man es nicht. Zu Wappen und Namen gibt es eine Sage, an die der Vers mich erinnert. Weiter unten will ich sie erzählen.

Zuerst aber der Vers. Abraham war schon hochbetagt, als seine gleichfalls alte Frau Sarah den gemeinsamen Sohn Isaak zur Welt brachte. Nun sollte Isaak verheiratet werden. Ehen wurden in dieser Zeit von den Vätern oder den Clanchefs der Brautleute gestiftet. Abraham war in Kanaan reich und mächtig geworden, aber er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass seine Schwiegertochter auf keinen Fall aus Kanaan kommen dürfe, sie solle vielmehr aus dem aramäischen Heimatland stammen. Harran, die Stadt, in die Abrahams Vater gezogen war und wo noch sein Neffe Betuel lebte, lag fast 1000 km nördlich von Machpela in Kanaan — er selbst konnte nicht dort hin. Was also tun? 

Abraham schickt einen Diener in die weit entfernte Stadt mit dem Auftrag, eine Frau für seinen Sohn zu finden. Keinesfalls dürfe der Diener Isaak mitnehmen. Der Diener schwört es und macht sich auf den Weg. Schließlich erreicht er Harran. Nun müsste er eigentlich mit der Verwandtschaft Abrahams Kontakt aufnehmen, um in den Großfamilien nach einer Braut zu suchen oder nach Informationen, bei welchen anderen Clans die Werbung sinnvoll wäre. Aber er hat große Angst, nicht fündig zu werden oder auf eine Braut zu stoßen, die ihm nicht nach Kanaan folgen will.  

Er bittet Gott um Hilfe, und mit großem Gottvertrauen und erstaunlichem Selbstbewusstsein zugleich nennt er Gott ein Zeichen. Die „rechte“ Braut solle mit einem Krug auf ihn zukommen, und wenn er sie um Wasser bitte, so solle sie antworten: Trinke, und deine Kamele will ich auch tränken. Der zweite Teil der Antwort ist so unwahrscheinlich, dass sie in der Tat ein Zeichen ist: Wer würde für einen Fremden solche Mengen Wassers aus der Quelle schöpfen und nach oben tragen? Kamele sind berühmt für ihren ungeheuren Durst! 

Und das Wunder geschieht: kaum hat der Diener sein Gebet gesprochen, sieht er ein zartes und unberührtes junges Mädchen, mit einem gefüllten Krug auf ihrer Schulter, und als er sie um Wasser bittet, gibt sie nicht nur ihm zu trinken, sondern will auch seine Kamele tränken. Sie spricht also die magischen Worte, das ist der gezogene Vers. Der Diener hat Rebekka gefunden, Isaaks künftige Frau, Mutter Jakobs, Stammmutter damit  aller Israeliten und Juden! Der Himmel öffnet sich ein Stück. Die Sippe — nahe Verwandte Abrahams übrigens — nimmt des Dieners Werbung und die Brautgeschenke gern an. Und Rebekka ist ohne weiteres bereit, ins weit entfernte Kanaan zu gehen, um dort einen Mann zu heiraten, den sie nicht kennt. Schließlich aber sind die beiden Brautleute, als sie sich schließlich sehen, einander herzlich zugetan. 

Der Diener bittet, dass Gott ihm die Braut zeige, und er legt fest, wie die Gesuchte sich als rechte Braut ausweisen soll. Wie Soldaten, die sich anhand einer Parole zu erkennen geben: der eine sagt ein Wort, der andere ein anderes. Aber die Verabredung über die Parole besteht mit Gott. Rebekka, als sie spricht, kennt ihre eigentliche Bedeutung ihrer Worte nicht. 

Der Diener Abrahams trifft auf Rebekka.
Ulf von Kalckreuth mit Dell-E, November 2023

In der Einleitung hatte ich Ihnen eine Sage versprochen. Es ist eine richtige Rittersage, ich gebe sie gekürzt wieder. Ein junger Mann zieht fort von seiner Heimat und kommt an den Hof eines fremden Königs. Er bewährt sich und macht sich beliebt, aber nicht bei allen. Es gibt Neider, und einer von ihnen beschließt, für des jungen Mannes vorzeitigen Tod zu sorgen. Er redet dem König ein, dass dessen Frau dem jungen Mann sehr — zu sehr — gewogen sei. Der König glaubt ihm und fragt, was zu tun sei. Der Verleumder sagt, der König solle nicht lang fackeln, sondern den jungen Liebhaber in einem Kalkofen verbrennen lassen. Dazu möge er den Jüngling zu einem Kalkofen schicken und dort fragen lassen, ob des Königs Befehl ausgerichtet sei. Wer immer sich mit diesen Worten an die Arbeiter wende, den sollten die Arbeiter packen und in den Ofen werfen. 

So geschieht es. Der Jüngling macht sich auf den Weg zum Kalkofen. Dabei wird er jedoch für einige Zeit aufgehalten. Dann macht auch der Verleumder sich auf den Weg, um zu sehen, ob alles gelungen sei. Er wendet sich an die Arbeiter und fragt, ob des Königs Befehl ausgerichtet sei. Diese packen ihn und wollten keine Ausflüchte und Begründungen hören, dass dies so doch gar nicht gemeint sei — sie werfen ihn in den Kalkofen und dort stirbt er, an des jungen Mannes Stelle. 

Als der Jüngling verspätet beim Kalkofen erscheint, und seinerseits fragt, ob der Befehl ausgerichtet sei, kommt alles ans Licht, und der König ist sehr zufrieden, dass es der Verleumder in die selbst gegrabene Grube gefallen ist und nicht sein unschuldiges Opfer. Den jungen Mann aber macht er zu seinem Gefolgsmann und Ritter. 

Wie bei der Brautschau im Vers haben die Worte, die der Jüngling an die Arbeiter richten soll, eine ganz eigene schwerwiegende Bedeutung, die der Überbringer selbst nicht kennt. Und in meiner Familie erzählt man sich, der junge Mann habe von den Kalkofengabeln das Wappen und seinen ritterlichen Namen bezogen, und niemand anders sei er als der Stammvater aller Kalckreuths…!

Verborgene Botschaften. Ja, wir überbringen Botschaften, und nicht immer kennen wir ihre Bedeutung für uns und für andere. Gebe der Herr, dass es Botschaften zum Heil sind, wie bei Rebekka, und nicht zum Unheil, wie in der Legende…!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 46/2023

Siehe, also wird gesegnet der Mann, der den HErrn fürchtet.
Ps 128,4

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Worauf es ankommt

Worin besteht Gottes Segen? Allen, die Religion für eine diffuse und wenig konkrete Angelegenheit halten, sei Psalm 128 empfohlen. Hier ist kurze Psalm vollständig, in der Lutherübersetzung von 1984:

Wohl dem, der den Herrn fürchtet und auf seinen Wegen geht!
Du wirst dich nähren von deiner Hände Arbeit;
wohl dir, du hast’s gut.
Deine Frau wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock drinnen in deinem Hause,
deine Kinder wie junge Ölbäume um deinen Tisch her.
Siehe, so wird gesegnet der Mann, der den Herrn fürchtet.
Der Herr wird dich segnen aus Zion, dass du siehst das Glück Jerusalems dein Leben lang
und siehst Kinder deiner Kinder. 
Friede sei über Israel!

Die Aufzählung wird zweimal eingeleitet, danach stehen jeweils zwei Segensversprechen. Ich würde es gern in heutigem Deutsch schreiben. Also:

Wer den Wegen des Herrn folgt, dem wird zuteil:
1) wirtschaftliche Selbständigkeit und ein angemessenes Auskommen
2) ein glückliches Familienleben mit Partner und Kindern
3) ein geistlich erfülltes Leben mit wiederkehrenden, geglückten Pilgerfahrten
4) ein langes Leben mit Enkeln und Urenkeln

Nichts wird darüber gesagt, wie diese Gaben dem Gottesfürchtigen zuteil werden. Es muß durchaus nicht Belohnung sein, für das Einhalten der Gebote etwa, vielleicht sind es eher die Wege des Herrn selbst, die zu den Segensgaben führen.

Als ich anfing, über den Vers nachzudenken, mußte ich plötzlich verblüfft innehalten. Auf meinem Schreibtisch liegt seit vielen Jahren ein ziemlich großer glatter Flusskiesel, oben ist ein Bild. Er steht für drei Steine, mit denen ein Coach mir einst klargemacht hat, worum es geht — was Kraft kostet und woraus wir sie ziehen können. Er benannte drei Sphären:

  • Berufs und Erwerbsleben,
  • Familienleben, und
  • spirituelles Leben, worunter er neben Religion auch Kultur und Musik verstand, soweit sie zu gemeinschaftlichem Ereignis werden. 

Wenn alles in Ordnung ist, beziehen wir aus diesen Sphären Kraft, sagte er. Geraten wir auf einer der Schauplätze in Schieflage, so wird dort Kraft abgezogen, auch aus den anderen Bereichen. Das funktioniert wie bei kommunizierenden Röhren. Eine schwere Störung in einem der Bereiche wird negative Folgen auch in anderen Bereichen nach sich ziehen — eine Ehekrise kann etwas mit Schwierigkeiten im Job zu tun haben und umgekehrt. Andererseits hat Wachstum in einem der Bereiche positive Wirkungen auch in den anderen. 

Aber schauen Sie: die Bereiche, die er aufzählte, sind nichts anderes als die ersten drei Nennungen im Psalm! Die vierte Nennung fehlt in seiner Liste — langes Leben mit Kindeskindern. Sie steht für ein in der Zeit gegründetes Leben, das nicht ohne Folgen bleibt, sondern sich fortschreibt. Ganz kurz gefasst lautet also der Psalm: 

Wer den Wegen des Herrn folgt, erlangt dabei das, worauf es ankommt im Leben!

Nicht alles mögliche oder alles, was man will, sondern das, worauf es ankommt. Was sagen Sie? Fehlt etwas? ‚Gesundheit‘ kann man unter die vierte Nennung subsumieren. Mir fällt sonst nichts ein. Nehmen Sie sich ruhig fünf Minuten Zeit dafür, die Frage ist wichtig. Schreiben Sie in den Blog, wenn Sie möchten, klicken Sie dazu auf den Beitrag, unten gibt es ein Feld dafür

Gott segne unser Leben!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 33/2023

Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißest du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst.
Gen 32,20

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Abgrund

Eine dunkle Geschichte. Man könnte ein Buch dazu schreiben… Jakob kämpft mit Gott. Und behält die Oberhand. Wie kann das sein, wie kann er es überleben, wenn schon der Anblick Gottes tötet?

Für Jakob soll sich alles entscheiden. Sein ganzes Leben hat er gekämpft. — mit Esau um die Anerkennung des Vaters, mit Laban, seinem Onkel und Schwiegervater, um Herden, um Kinder, um Anerkennung. Was er gewonnen hat, will er nach Hause bringen, die Herden, die beiden Frauen und ihre Mägde, Mütter seiner Kinder, und die Söhne, aus denen ein Volk werden soll. Und nun steht ihm die Begegnung mit dem Bruder bevor. Der ist mächtig und kann gewalttätig sein, und Grund dazu hätte er allemal.

Jakob hat Angst. Er bleibt nachts allein am Fluß, dem Jabbok. Dort greift jemand ihn an, stumm und bestimmt. Wer? 

Die beiden Gegner sind verräterisch gleichwertig. Sie kämpfen viele Stunden, die ganze Nacht, ohne Entscheidung. Schließlich fügt Jakobs Gegner diesem eine schwere Verletzung zu, und gleichzeitig — gleichzeitig! — gewinnt Jakob die Oberhand. 

Der Angreifer trägt dämonische Züge. Er will fort, weil die Sonne aufgeht. Aber Jakob lässt ihn nicht gehen. Er verlangt zwei Dinge: den Namen seines Gegners und dessen Segen. Das Wissen um den Namen eines anderen verleiht Macht, und der Unbekannte lehnt ab. Die Forderung  nach dem Segen hingegen ist absurd, nach einem viele Stunden lang auf Leben und Tod geführten Kampf. Doch ja: der Fremde segnet Jakob. Und er gibt ihm einen neuen Namen: Israel — „der mit Gott kämpft“, so jedenfalls kann man diesen Namen lesen. Es wird der Name eines Volks.

Hier wird die Bibel deutlich: Der geheimnisvolle Gegner ist Gott oder ein Werkzeug Gottes. Mir will scheinen, dass Jakob ebenso auch mit sich selbst kämpft. Ein Widerspruch ist das nicht — wo wollen wir den mächtigen und unbekannten Gott finden, wenn nicht im Dunkel der Nacht in uns? 

Mich erinnert die Geschichte an den Kampf Ahabs mit dem weissen Wal in Melvilles ‚Moby Dick‘, dem „großen weissen Gott“, wie es an einer Stelle heißt. Ahab kämpft ebenso mit dem Abgrund in sich selbst wie mit der abgründigen Gottheit. Aber statt der gegenseitigen Vernichtung steht bei Jakobs Kampf am Jabbok am Ende ein Segen.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche!
Ulf von Kalckreuth