Da rief sie Mose; und sie wandten sich zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde; und er redete mit ihnen.
Ex 34,31
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Allein mit Gott
Niemand vermag Gott, den Herrn, ins Angesicht zu sehen, ohne zu sterben. Die Bibel wiederholt das mehrfach. Der Unterschied zwischen der menschlichen und der göttlichen Sphäre ist so abgrundtief, dass Menschen ihn nicht überbrücken können.
Selbst Mose nicht. Mose bittet den Herrn, ihn schauen zu dürfen und dieser weist die Bitte zurück. Dabei kommt er ihm entgegen, soweit es möglich ist. Er lässt Mose seine Herrlichkeit spüren, indem er an ihm vorbei geht. Dabei ist Mose getragen und geschützt von Gott und er darf hinter ihm herschauen — aber nicht in sein Angesicht, nicht in seine Totalität.
Die Offenbarung am Horeb war in eine Katastrophe gemündet. Nun aber geht Mose auf den Berg, die zehn Gebote erneut zu empfangen und den Bund zwischen seinem Volk und Gott wieder zu schließen. Er wird zum Grenzgänger zwischen Gottes Welt und der Welt der Menschen. Mehr als jeder andere Mensch vor und nach Jesus lebt er in beiden Welten. Gott beruft ein ganzes Volk, aber der Austausch vollzieht sich in einer Zweierbeziehung mit Mose.
Wie kann Mose damit leben? Und Mensch bleiben, Angehöriger des Volks, das er führt? Er gehörte nie richtig dazu, seine ägyptische Erziehung am Hof des Königs hat ihn den Bausklaven früh entfremdet, Schließlich musste er in die Wüste fliehen, wo er Gott kennenlernte. Nun sind beide am Horeb, Gott und sein Volk, Und Mose dazwischen.
Die Bibel findet ein wunderbares Bild für diese Lage. Das Angesicht des Herrn durfte Mose nicht sehen, aber sein eigenes Angesicht verändert sich jetzt: es geht ein goldener Schein von ihm aus. Vierzig Tage war er bei Gott, und von seiner Herrlichkeit, in deren Nähe er weilte, hat Mose Gesicht einen goldenen Glanz gewonnen, der so intensiv ist, dass die Israeliten nicht hinschauen mögen und fürchten, was sie sehen.
In diesem Augenblick ist Mose völlig isoliert, allein mit Gott, wenn man so will. Der goldene Glanz, die Zweisamkeit mit Gott, trennt ihn von allen anderen. Wirken kann er so nicht mehr. Das hätte das Ende der Geschichte sein können. Und es wäre ein natürliches, ein zu erwartendes Ende gewesen.
Aber es gelingt. Das ist der gezogene Vers. Mose ruft die Menschen und gewinnt ihre Zuwendung zurück. Er kann weitergeben, was er empfangen hat. Er verhüllt sein Gesicht mit einer Decke, um seine Mitmenschen zu schonen, gerade so, wie es am Anfang des Kapitels der Herr mit ihm selbst getan hat. Die Decke legt er nur ab, wenn er weiter Zwiesprache hält mit dem Herrn.
Im Grunde ist dies — überspitzt und ins Maßlose gesteigert — die Situation, in der sich jeder befindet, der seinen Auftrag in der Verkündigung sieht. Je ausschließlicher auf Gott gewandt er diesen Auftrag erfüllt, umso schwerer wird es, die Mitmenschen zu erreichen, und er wird einsam. So muß die Lösung wohl irgendwie aussehen — eine Decke, die man überzieht und ablegt, je nachdem, ob es um den Kontakt mit Gott oder mit den Menschen geht. Eine Art Schutzmaske…
Die Katholiken schließen in ihre Fürbitten stets die Diener der Kirche ein. Das hat gute Gründe. Ich wünsche uns allen und besonders den Dienern der Kirche eine gute Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth