So gehorchet mir nun, meine Kinder. Wohl denen, die meine Wege halten!
Spr 8,32
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.
Weisheit suchen und finden!
Schauen Sie sich erst einmal den wundervollen Abschnitt an, dem unser Vers entstammt. Hier spricht die Weisheit selbst:
Der HERR hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war. Als die Meere noch nicht waren, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen. Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren, als er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des Erdbodens. Als er die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über den Fluten der Tiefe, als er die Wolken droben mächtig machte, als er stark machte die Quellen der Tiefe, als er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, dass sie nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte, da war ich als sein Liebling bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.
So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten! Hört die Mahnung und werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind! Wohl dem Menschen, der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür täglich, dass er hüte die Pfosten meiner Tore! Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom HERRN. Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.
(Sprüche 8, 22-36, Lutherbibel 1984)
Das Buch der Sprüche ist ein Lehrbuch der Weisheit — im wortwörtlichen Sinne. In seinem Kern ist es eine Sammlung von Merksätzen zum Auwendiglernen, die den Lehrstoff begreif- und erinnerbar machen sollen. Ich freue mich jedesmal, wenn ich auf einen Vers aus dem Buch der Sprüche ziehe. Was dabei zum Vorschein kommt, ist neu und vertraut zugleich. Und es ist 2300 Jahre alt, gut abgehangen, nicht immer garantiert tagesaktuell. Aber wenn ich das brauche, kann ich den Deutschlandfunk einschalten.
Die morgenländische Weisheit ist mit der griechischen Philosophie verwandt. Es geht um Regeln für gelungenes Leben. Diese Regeln stehen in Zusammenhang mit Gott. Sie sind aber nicht Theologie, sondern Kunst der Lebenspraxis. Man findet im Buch der Sprüche kaum Verweise auf die Torah oder die Schriften.
Die Regeln der Weisheit tragen sich selbst — wer sie befolgt, hat Erfolg, wer sie mißachtet, trägt den Schaden selbst. Wohl denen, die meine Wege halten! Jeder Lebensratgeber behauptet das von sich. Entscheidend aber ist, dass das Buch der Sprüche (auch) von Ethik handelt. Das „Wie soll ich leben“ bemißt sich nicht nur am individuellen Wohlergehen, sondern gleichermaßen am Wohlergehen der Gemeinschaft. Wir sehen hier üblicherweise einen Konflikt. Die Bonbons, die ein Kind sich vom Tisch nimmt, stehen für die anderen nicht mehr zur Verfügung. Die Weisheitsliteratur besteht darauf, dass es, wenn wir richtig leben, zwischen diesen Forderungen keinen Widerspruch gibt. Wer das für die Gemeinschaft richtige tut, bringt und hält sein eigenes Leben in Ordnung. Und umgekehrt: Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.
Wie soll man das verstehen? Als Ökonom fühle ich mich an Adam Smith erinnert. Er war Moralphilosoph und wurde zum Gründungsvater der Nationalökonomie. Er steht für die durchaus erstaunliche Botschaft, dass man längerfristig keinen Wohlstand erzielen kann, ohne dabei das Richtige für die Gemeinschaft zu tun. Wer reich werden oder auch nur am Markt bestehen will, reagiert auf Preissignale und kann gar nicht anders, er muß bestehende Knappheiten lindern. Er wird zum Beispiel Arzt — nicht um der Menscheit zu helfen, sondern weil Ärzte knapp und Behandlungen teuer sind. Der Porsche, den die Medizinstudentin während ihrer Vorlesungen vor Augen hat, lenkt sie und ihre Möglichkeiten sehr gezielt auf den rechten Weg. Auf ihren Altruismus müssen wir uns nicht verlassen… Andererseits: wen Preissignale nicht interessieren, muss dies teuer bezahlen — und zwar selbst.
Jeder weiss, dass es viele Situationen gibt, in denen der Markt nicht das Wohl aller garantiert. Aber das Preissystem als grundlegende soziale Institution ist erstaunlich robust, und es wäre schön, lebensnotwendig gar, wenn mehr Felder sich so entwickeln ließen, dass es keinen Widerspruch gibt zwischen unserem Eigeninteresse und dem Wohl aller. Solche Wege sind dauerhaft und belastbar. Das Buch der Weisheit steht für die Überzeugung, dass es sie gibt.
Und so verstehe ich den Vers dieser Woche: Lasst uns diese Wege suchen und sie gehen! Es ist das Beste, das wir für uns selbst tun können. Ich selbst denke an die Klimakrise, es ist das, was mich zunehmend beruflich beschäftigt. Widersprüche zwischen Eigeninteresse und dem Interesse der Menschheit sind hier der Kern des Problems.
Jesus sagt uns, dass dieser Widerspruch Illusion ist, dass wir ihn überwinden müssen, dass wir bei Gott sind, wenn wir den Nächsten lieben wie uns selbst.
Der Herr gebe uns Weisheit, in der kommenden Woche und in unserem Leben.
Ulf von Kalckreuth