Bibelvers der Woche 28/2025

Ich achte es für billig, solange ich in dieser Hütte bin, euch zu erinnern und zu erwecken;…
2 Petr 1,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Bunt und spannend

Simon Petrus fühlt sein Ende nahen und vergleicht sein Leben mit einer Hütte, von der er weiss, das sie bald abgebrochen wird. Das schärft den Blick dafür, was wirklich wichtig ist. Es fordert eine persönliche Antwort. Und es könnte sein, dass es diese Antwort ist, an der wir gemessen werden. Die irdische Existenz als zeitweilige Behausung mit Verfallsdatum: dasselbe Bild verwendet auch Paulus in 2 Kor 5.

Ich habe diesen Vers verstanden, ohne einen einzigen Blick auf den Kontext werfen zu müssen. In diesem Sommer ist mein Vater gestorben. Das bedeutet mir sehr viel. Unter anderem gab es mir ein Bild: eine Klippe ist weggebrochen. Es gibt nun eine neue, vom Meer unterspült, auf der ich stehe. Was bleibt? Und was bleibt zu tun? 

Mein Vater war fast dreißig Jahre älter als ich — das entspricht der Hälfte des Lebens, das ich nun hinter mir habe. Dann lägen zwei Drittel hinter mit, ein Drittel stünde noch bevor. Aber Zeit ist relativ auf dem Lebensweg. Sie vergeht immer schneller. Ein Tag in meiner Jugend fühlt sich an wie drei Tage heute, und das gefühlte Tempo nimmt zu, — wie in ‚Circle Game‘ von Joni Mitchell. In zwanzig Jahren sind es vielleicht sechs? Gefühlte Zeit bemisst sich nach der Information, die man neu aufnimmt und verarbeitet, und die Fähigkeit dazu nimmt immer weiter ab. Ausserdem hat ein älterer Mensch vieles schon gesehen, was für einen jungen Menschen neu und faszinierend ist, ihn fesselt.  

Was also vor mir liegt, ist deutlich weniger als ein Drittel — vielleicht ein Zehntel noch? Unbedeutend jedenfalls im Vergleich zum Ganzen. Wertvoll zu wissen. Es liegen darin zwei unterschiedliche Erkenntnisse. Erstens: Was bleibt, ist kostbar, ich sollte es klug einsetzen. Zweitens aber darf ich endlich absehen von mir selbst. Mit diesem Zehntel ist es nicht mehr sehr wichtig, was mit mir geschieht, wenn es das denn jemals war. Ich kann die Augen öffnen und aufschauen. 

Was ist wichtig? Im Vers erachtet Petrus es für angezeigt (billig), die verbleibende Zeit darauf zu verwenden, die Schwestern und Brüder zu erinnern und zu erwecken. Das ist die Antwort eines Apostels, gewiss nicht das, was jeder von uns antworten kann. 

Was ist meine Antwort? Ich kann sie noch nicht charakterisieren, aber ich sehe Umrisse. Es mag merkwürdig klingen, aber das Leben kann bunt und spannend sein mit dieser Perspektive. Am Samstag vor Pfingsten saß ich am Kaisersack in Frankfurt auf einem Klappstuhl und machte mit Gesang und Westerngitarre Lobpreismusik. Nur ein paar hundert Meter entfernt von meinem Arbeitsplatz. In der kommenden Woche beginne ich mit meiner jüngeren Tochter eine Interrail-Tour durch Italien, nach Sizilien und zurück. Durchaus fordernd in meinem Alter. Wichtig ist in beiden Fällen, dass ich hier und heute fast alle Möglichkeiten jüngerer Menschen habe und noch einige andere dazu — aber nicht mehr die Illusion, dass es immer so bliebe.

Was ist Ihre Antwort? Gleichwie — der Blick auf die Hütte und die Klippe hilft bei der Orientierung. Er gibt die Perspektive vor: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“, sagt Psalm 91.  

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche unter dem Schutz des Herrn,
Ulf von Kalckreuth

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