Interludium: Betrachtung zu Palmsonntag

Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es: ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. Spricht Pilatus: Was ist Wahrheit?
Joh 18,37

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Königtum

Dies ist kein „Bibelvers der Woche“, zufällig gezogen, sondern meine Betrachtung zum Palmsonntag im Gottesdienst des vergangenen Sonntags. Sie schließt sich aber sehr unmittelbar an den Bibelvers dieser Woche an und hat mir geholfen, den Sinn der Karwoche besser zu verstehen. Sie können diesen Text also als Nachtrag betrachten.


Königtum, Tod, Fasten

Liebe Gemeinde, es ist Palmsonntag. Palmsonntag steht für ein großes Ereignis. Jesus zieht ein in Jerusalem, ins Zentrum der Macht – dort wo die Könige residierte und der Tempel stand. Es ist aber auch das Zentrum der Macht seiner Gegner. In Jerusalem wird sich alles entscheiden.

Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« 
Joh 12, 12-15

Palmsonntag hat etwas sehr Irritierendes – dieser Tag im funkelt und blitzt in allen Farben des Regenbogens und dazu auch in weiß, blendend hell. Eine große Wahrheit scheint auf: zu sehen für jedermann. In alptraumhafter Weise verkehrt aber diese Wahrheit sich dann in ihr Gegenteil, wird zur fetten, feisten Lüge. Um nochmals später doch wahr zu sein, auf gänzlich unerwartete Weise, in einer anderen Welt eigentlich.

Als Jesus später vor Pilatus steht, fragt dieser ihn: „Bist Du der Juden König?“ Und Jesus antwortet (Joh, 18):

Mein Reich ist nicht von dieser Welt… Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es: Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit?

Wahrheit zeigt uns manchmal ständig ein anderes Gesicht. Und manchmal ist sie gar nicht wiederzuerkennen.

Palmsonntag: Jesus gibt sich als Messias zu erkennen – endlich! Es muss eine unglaublich dichte Atmosphäre gewesen sein, damals. Heilserwartung lag in der Luft. Die Menschen jubelten: sie hatten von Jesus gehört und von seinen Wundertaten und nun kam er tatsächlich nach Jerusalem, die Hochgebaute, wo sich das Schicksal Israels und der Welt wenden würde. Alle vier Evangelien berichten von dem Einzug, in leicht unterschiedlicher Weise. Auf einem Füllen sitzend kam Jesus, die Menschen haben ihre Kleider — die seinerzeit lange Tücher waren — auf das Füllen und über den Boden gelegt, für den König. Palmzweige wurden gestreut. Alles war möglich, alles konnte nun geschehen. Die Welt war weit offen. Das Reich Gottes und die Welt der Menschen waren verschränkt wie niemals vorher und niemals nachher. Die Menschen sangen den Messiaspsalm, Psalm 118. Ich will ihn nachher mit euch beten. Dieses Lied ist an vielen Stellen geradezu ekstatisch, es besingt den Einzug in die Heilige Stadt und den Anbruch des Reichs Gottes. In der Zukunft. Doch die war ja gerade Gegenwart geworden…!

Jesus durchschreitet das Tor. Was aber dort auf ihn wartet, ist nicht Königtum, sondern der Tod. Er wird verfolgt – versteckt feiert er mit seinen Jüngern das Pessachmahl, wird dann verraten, verhaftet, verurteilt und verspottet. Eine Dornenkrone setzen sie ihm auf, dem „König der Juden“, und einen Purpurmantel. Dann wird er gefoltert bis zum Tod. Die Welt bleibt stehen, der große Schabbat, einen ganzen Tag lang!

Und dann ist alles GANZ anders. Dann ist Jesus wirklich König, dann steht er auf von den Toten, ist Christus, der Gesalbte, der zur Rechten des Vaters sitzt.

Das ist eine unglaubliche Geschichte, nicht wahr? Als ich darüber nachdachte, merkte ich, dass sie aber auch etwas hat, das uns alle betrifft, etwas fast Alltägliches. Wir sind Kinder Gottes, sind als Kinder Gottes geboren und als Christen dazu bestimmt, die Krone zu empfangen. Das ist Palmsonntag, nicht wahr? Was aber dann mit uns geschieht, ist nicht schön. Bei vielen dauert es lange, bei manchen geht es schneller – wir desintegrieren, lösen uns auf. Im Alter verlieren wir alles: Kraft, Geist, Schnelligkeit, oft auch den Verstand und die Erinnerungen, am Ende sogar die grundlegendsten Fähigkeiten. Das Leben ist sehr gut darin, uns die Dornenkrone aufzusetzen. Ich denke an einen Menschen, der mir sehr nahe steht. Er wird neunzig und hat fast alles verloren, ausser seinem Verstand und seinem Gehör und seiner Familie. Diese drei sind ihm geblieben. Dornenkrone, nicht wahr? Karfreitag

Gottes großes Versprechen ist, dass dies nicht das Ende ist. Das wir zu Recht Gottes Söhne und Töchter heißen, dass wir Könige sind und Königinnen. In dieser Welt und in der nächsten. In Ostern liegt die eigentliche, die letzte Wahrheit.

Auf dem Weg dorthin aber verlieren wir alles. So ist es, unausweichlich, die Bibel sagt das deutlich, im Buch Kohelet wie auch in den Psalmen. Gott nimmt uns das nicht ab. Der Weg ist nicht schön, oft ist er gar entwürdigend, so wie die Dornenkrone. Und wir sollen lernen, damit umzugehen. Ich sehe darin den eigentlichen Sinn des Fastens. Lernen, frei zu bleiben.

Palmsonntag ist der Einstieg in die Karwoche. Mich hat die Fastenzeit in diesem Jahr überfallen und eingefangen, fast wie ein Räuber. Ich wollte eigentlich lediglich auf Alkohol und Videos verzichten. Fleisch esse ich ohnehin nicht. Meine jüngere Tochter hat dann beschlossen, tagsüber nicht zu essen, nur noch abends nach acht Uhr. Ich fand das überzeugend und habe mich angeschlossen. Jeden Abend haben wir um acht Uhr gemeinsam gegessen.

Und die kommende Woche, Montag bis Karsamstag, werde ich in einem kleinen Zimmerchen in der Mitte eines Kirchturms verbringen. Weißfrauenkirche, Gutleutstraße. Ich will versuchen, ein Buch aus meinen Betrachtungen zum Bibelvers der Woche zu machen. Das war ein recht kurzfristiger Entschluss, aber irgendwie passt er zum ganzen Rest. Ich werde sehr reduziert sein da oben, und ich bin gespannt, was es mit mir macht. Später werde ich es vielleicht wiedererkennen, in einigen Jahren, wenn ich selbst neunzig bin.

Und dann wissen, dass ich König bin. Wie Jesus, wie wir alle!

Amen! So sei es, so soll es sein!

Bibelvers der Woche 13/2024

Da führten sie Jesum von Kaiphas vor das Richthaus. Und es war früh; und sie gingen nicht in das Richthaus, auf dass sie nicht unrein würden, sondern Ostern essen möchten.
Joh 18,28

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Radwechsel

Die Karwoche ist eine Höllenfahrt zum Tod. Sie beginnt mit einer Blüte aus dieser Welt: Jesus zieht in Jerusalem ein und die Menschen erkennen ihn als Messias. Und sie endet mit einer Blüte aus einer anderen Welt.

Unser Vers — zufällig gezogen ! — führt uns mitten hinein in die Karwoche. Jesus ist verraten und verhaftet worden, in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag. Der jüdische Hohe Rat verhört ihn und berät und befindet, dass dieser sterben müsse, damit das Volk sicher vor den Römern leben könne. Aber mit seinem Tod will man nichts zu tun haben. Die Wachen bringen Jesus zum Richthaus der Römer, ins Prätorium. Sehr früh am Morgen ist es. Auf der Höllenfahrt ist dies eine Art Radwechsel. Und ein wunderlicher Dialog entspinnt sich: 

TextSubtext
28 Da führten sie Jesus von Kaiphas zum Prätorium; es war früh am Morgen. Und sie gingen nicht hinein, damit sie nicht unrein würden, sondern das Passamahl essen könnten.Wir wollen uns nicht die Hände schmutzig machen!
29 Da kam Pilatus zu ihnen heraus und fragte: Was für eine Klage bringt ihr gegen diesen Menschen vor?Was wollt ihr von mir um diese Zeit? Was fällt euch ein, mich herauszurufen?
30 Sie antworteten und sprachen zu ihm: Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten ihn dir nicht überantwortet. Dein Job ist’s der dich ruft…!
31 Da sprach Pilatus zu ihnen: So nehmt ihr ihn hin und richtet ihn nach eurem Gesetz. Kümmert euch um eure Angelegenheiten selbst!
Da sprachen die Juden zu ihm: Wir dürfen niemand töten.Nein, großer Besatzer, es ist wirklich dein Job, hier geht es um ein Kapitalverbrechen!
Joh 18, 28-31

Schließlich nimmt Pilatus die heiße Kartoffel. Es ist der Tag vor Pessach, das Volk ist erregbar, und er will keinen Fehler machen. Der Hohe Rat bezichtigt Jesus, er gebe sich als König der Juden aus und das kann Kampfansage gegen die römischen Besatzer sein. 

Sehen Sie, wie tief Jesus gesunken ist? Von ihm gibt es hier keine Aktion, Reaktion oder Äußerung. Er wird zwischen zwei Gruppen hergeschoben, die nichts mit ihm zu tun haben wollen. Lukas berichtet, Pilatus habe gar versucht, ihn an Herodes Antipas, den Statthalter von Galiläa loszuwerden. Der aber schickte ihn postwendend zurück.

Jesus ist nun Objekt der Dispositionen anderer, bestimmt dazu, Schläge entgegenzunehmen und schließlich den Tod. Sein Königtum beginnt danach… 

Gott bleibe bei uns in unserer Karwoche!
Ulf von Kalckreuth


Ein P.S. zur Karwoche: Ich werde sie auf ganz eigene Weise verbringen — in einer Zelle im Turm der Frankfurter Weißfrauenkirche. Mitten in Frankfurt, vielleicht 800 m von meinem Arbeitsplatz entfernt. Die Gitarre nehme ich mit und den Computer. Ich will versuchen, aus den Bibelversen der Woche ein Buch zu machen — und mal sehen, was sonst noch geschieht…

Das Türmerzimmer in der Frankfurter Weißfrauenkirche

Bibelvers der Woche 12/2024

Absalom aber floh. Und der Diener auf der Warte hob seine Augen auf und sah; und siehe, ein großes Volk kam auf dem Wege nacheinander an der Seite des Berges.
2 Sam 13,34 

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Anatomie eines Falls

Es ist eine jener Erzählungen, die man nicht so oft hört in Gottesdienst oder Schule. Absalom, der dritte Sohn Davids, hatte alle seine Brüder auf ein großes Fest ausserhalb der Stadt Jerusalem geladen. David selbst hatte die Einladung abgelehnt. Nun erreicht den König in der Stadt die Botschaft, sein Sohn Absalom habe alle Brüder ermorden lassen. David glaubt es sofort, und er zerreißt seine Kleider — verrückt vor Schmerz windet er sich nackt auf der Erde. 

Davids Bruder Jonadab aber sagt: Nein! Absalom habe nur Amnon umgebracht, den ältesten Bruder. Den hasse er unsäglich, seitdem Amnon Absaloms Schwester Tamar vergewaltigt hat. 

Zwei Geschichten treffen hier aufeinander. Eine, die Geschichte Jonadabs, entspringt der Vergangenheit. Der anderen, Davids Interpretation, gehört die nahe Zukunft:

Blutrache (2 Samuel 13)
Ein jeder der sechs Söhne, die David in Hebron zeugte, hatte eine andere Mutter. Das Mädchen Tamar war Absaloms Schwester in vollem Sinne, mit Amnon war sie nur über den Vater verwandt. Amnon aber begehrte seine Halbschwester. Mit einem Vorwand lockte er sie in seine Gemächer und vergewaltigte sie. Dabei kam auf die sexuelle Gewalt noch Blutschande. Amnon entehrte seine Schwester noch weiter. Der Ekel packte ihn, er stieß sie von sich und ließ sie von den Dienern aus dem Haus jagen. Es wäre nun an König David gewesen, die Tat zu sühnen. Er war Vater des Mädchens und zudem oberster Richter. Aber Amnon war sein erster Sohn, und so hielt der König still. Damit ist es jetzt an ihrem Bruder Absalom, die Blutschuld zu rächen…

Aufruhr (2 Samuel 15)
Absalom wiegelt das Volk auf gegen seinen Vater David. Er sammelt ein großes Heer und lässt sich zum König ausrufen. Mit seinen Getreuen flieht David aus der Stadt und beginnt einen Guerillakrieg gegen seinen Sohn. Absalom vergewaltigt demonstrativ, vor den Augen aller, die zehn Nebenfrauen Davids auf dem Dach des Königspalasts. Aber David gibt den Kampf nicht auf. Schließlich nimmt der Krieg eine überraschende Wende…

Als die Katastrophennachricht in Davids Palast eintrifft, halten die Interpretationen einander in magischer Weise die Waage. Blutrache — Aufruhr — was ist hier Wirklichkeit? Beides? Der Vers beendet den Schwebezustand, so wie eine Messung in der Quantenphysik es tut. Von ihren Türmen aus sehen die Wachen eine große Menge Volks kommen. Bald erkennt man die Königssöhne. Sie leben, und nur Amnon ist tot, wie es Jonadab gesagt hat, der es vielleicht vorher wusste… Absalom aber flieht. 

Im Film Anatomie eines Falls stirbt ein Mann, er fällt vom dritten Stock. Er könnte das Opfer seiner Ehefrau geworden sein. Ebenso aber ist Selbstmord möglich. Bis zuletzt bleibt es offen, auf sonderbare Weise ist beides wahr. Das Gerichtsurteil beruht schließlich auf der Aussage des zehnjährigen, fast blinden Sohns, der sich für eine der beiden Interpretationen entscheidet. Ich habe den Film vor ein paar Tagen gesehen, in der vergangenen Woche bekam er den Oskar 2024 für das beste Originaldrehbuch. 

Diesen Oskar hätten die Autoren der uralten Samuelbücher auch verdient! Davids Interpretation trägt gerade so viel Wirklichkeit in sich wie die Jonadabs. An welchem Punkt hat Absalom sich eigentlich gegen Aufruhr entscheiden? Als David die Einladung ausschlug und in der stark befestigten Stadt blieb? Was ist Wirklichkeit? Ist beides nicht am Ende dasselbe, der spätere Aufruhr die Folge der Gewalttat des Bruders, gedeckt durch den Vater?

Die Begründungszusammenhänge verschränken sich. Die Bibel kann das… Rund tausend Jahre nach Absalom kommt Jesus nach Jerusalem, auch er ein Sohn Davids. Auf dem Weg in die Stadt wird er verehrt wie ein König. Die Menschen streuen Palmzweige für ihn, den sie als ihren Messias erkennen, und lassen seinen Esel über ihre Kleidern gehen. In der Stadt aber erwartet ihn der Foltertod und eine Krone aus Dornen.

König? Delinquent? Was ist wahr? Beides verschränkt sich.

Der Herr segne unsere Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 11/2024

Das Wort gefiel Abraham sehr übel um seines Sohnes willen.
Gen 21,11

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Explosion in Zeitlupe

Hier bahnt sich eine Scheidung an, die beinahe einen tödlichen Verlauf nimmt: Sarah verlangt von Abraham, dass er Hagar und Ismael, seinen Sohn, verstößt und in die Wüste schickt. Die Geschichte wurde beim BdW 20/2020 ausführlich angesprochen. Hier will ich Ihnen von einem Gespräch erzählen, das einen überraschenden Verlauf nimmt.  

Ich wollte für den Blog ein Bild von dieser Szene mit Dall-E erstellen. Man muß dazu ChatGPT erklären, was man haben möchte. Ich habe folgendes probiert: 

ChatGPT, ich benötige wieder eine Illustration für einen Bibelvers. Ich werde dir zuerst die Geschichte erzählen. Abraham hatte zwei Söhne, Ismael und Isaak. Lange Zeit konnte Sarah, seine Frau, selbst keine Kinder bekommen. Sie bat daher Abraham, Kinder mit ihrer Sklavin Hagar zu zeugen, an ihrer Stelle. Abraham folgte ihrem Vorschlag und zeugte seinen ersten Sohn, Ismael, mit Hagar, Sarahs Sklavin. Viele Jahre später bekommt Sarah selbst ein Kind — Isaak. Sie wird eifersüchtig und wütend auf Hagar und fordert von Abraham, Hagar mit ihrem Sohn Ismael zu vertreiben, sie auszustoßen. Der Bibelvers, den ich illustrieren möchte, lautet wie folgt: „Das betrübte Abraham sehr, denn Ismael war sein Sohn.“, Genesis 21,11. Verstehst du die Situation?

ChatGPT verstand gut, gab eine korrekte Zusammenfassung und machte einen Vorschlag für eine visuelle Umsetzung. Ich hatte aber etwas Bestimmtes im Kopf:

Ich dachte eher an Folgendes: Sarah spricht sehr eindringlich zu Abraham, packt seine Kleidung und zeigt auf Hagar und Ismael, die im Hintergrund zu sehen sind. Abraham versucht, sie abzuwehren, und zeigt dabei Abscheu. Bitte lass uns das zuerst versuchen.

ChatGPT machte zwei Entwürfe, die zeichnerisch gelungen, inhaltlich aber falsch waren. Nach weiteren Konkretisierungen weigerte sich die KI und verwies auf Richtlinien:  

Ich kann die spezifische Illustration, die du angefragt hast, aufgrund unserer Richtlinien für Inhalte nicht erstellen. Die Darstellung von emotionalem Leid und Konflikten, insbesondere im Zusammenhang mit familiären Dynamiken, wie beschrieben, ist nicht in Einklang mit diesen Richtlinien zu bringen.

Eine zeitaufwendige Reihe weiterer Versuche schloß sich an, unter anderem mit kubistischen Formen. Unten sehen Sie eines der Bilder. Ästhetisch beachtlich, aber der Konflikt ist nur angedeutet, und von der Explosion in Zeitlupe, die sich hier vollzieht, ist nichts zu sehen. Ich beendete die Sitzung: „Wenn du keine Konflikte darstellen kannst, dann kannst du die Welt nicht darstellen.“ Die KI pflichtete bei: das sei in der Tat ein grundsätzliches Problem. Sie verwies aber ein weiteres Mal auf die Richtlinien. 

Trotz aller dummen politischen Korrektheit — in der Weigerung der KI ist Wahrheit. Die Richtlinien sollen verhindern, dass Bilder entstehen, die als anstößig empfunden werden können. Und ist das nicht anstößig? Eine Patchwork-Familie löst sich auf, zerfleischt sich geradezu. Hagar hat ein Kind von Abraham empfangen, an der Stelle ihrer Herrin, als Leihmutter eigentlich, und sie wird von dieser mit ihrem Kind vertrieben, in die Wüste geschickt, in den Tod. Und Abraham, dem es leid tut — um den Sohn! — willigt ein, als Gott ihm sagt, er solle seiner Frau gehorchen, auch aus Ismael werde ein großes Volk.  

Vielleicht können Sie ein Bild davon in Ihrem Kopf entstehen lassen, so anstößig wie Sie es wollen und ertragen. Am Ende rettet der Herr selbst Hagar und ihren Sohn Ismael,. Eine andere Rettung gibt es nicht mehr. 

Hagar. Stammutter der Araber. Sarah. Stammutter der Juden. Da fällt mir Gaza ein. Was für ein Gleichnis!

Der Herr rette die Menschen dort,
Ulf von Kalckreuth

Abraham, Sarah und Hagar
Abraham, Sarah und Hagar. Ulf von Kalckreuth mit Dall-E und ChatGPT, 4. März 2024

Bibelvers der Woche 10/2024

Die Wege des HErrn sind eitel Güte und Wahrheit denen, die seinen Bund und seine Zeugnisse halten.
Ps 25,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Eine Zusammenfassung der Bibel…

Wenn ich eine Zusammenfassung der Bibel in einem einzigen Satz geben müsste — es wäre vielleicht dieser Vers. Wenn wir ihn lesen und nochmals lesen, steht dort folgendes: 

  1. Der Herr und die Seinen haben einen Bund
  2. Gott hält den Bund.
  3. Wer den Bund seinerseits hält, dem ist Gott treu. Er erfährt Güte und Wahrheit — für Wahrheit (‚emet) kann hier auch ‚Treue‘ übersetzt werden. 
  4. Den Bund halten bedeutet Gottes Wort achten. 

Gott ist mit uns, wenn wir uns in ihm bergen. Ja, darauf kann man ein Leben bauen. Was indes geschieht mit jenen, die Gottes Wort nicht achten? Verlieren sie (nur) Gottes Schutz oder werden sie aktiv bestraft? Ist beides ein und dasselbe?

Da ist noch etwas. Die einfache und tröstende Zusicherung, dass Gott denen treu ist, die ihm treu sind, kann man auch umdrehen: wem es schlecht geht, der hat sich ausserhalb Gottes Bund gestellt. Man nennt dies den Zusammenhang von Tun und Ergehen. 

Es ist lieblos, fast grausam, in dieser Weise auf das Leid anderer Menschen zu blicken. Das ganze Buch Hiob setzt sich damit auseinander. Aber selbst das Erlösungswerk Jesu nimmt diese Spannung nicht aus der Welt, denn auch den „neuen Bund“ müssen wir halten, wenn wir darin geborgen sein wollen. 

Was bedeutet Leid? Ich weiß die Antwort nicht. Persönlich bin ich überzeugt, dass die Wege Gottes auch durch Leid führen. Sie führen hindurch, das ist es vielleicht. Was mich selbst betrifft, so sehe ich immer wieder, dass Gott mit mir ist, auf wunderbare Weise manchmal, auch und manchmal sogar gerade wenn meine eigene Treue recht eingeschränkt ist. Das Leid anderer kann ich mit dieser Brille nicht lesen. Es steht mir nicht zu. Meine Aufgabe ist, in Liebe zu tun, was ich tue.

Lesen Sie den Vers noch einmal. Gott ist mit uns, wenn wir uns in ihm bergen.

Der Herr segne und behüte uns
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 09/2024

Und Saul rief und alles Volk, das mit ihm war, und sie kamen zum Streit; und siehe, da ging eines jeglichen Schwert wider den andern und war ein sehr großes Getümmel.
1 Sam 14,20

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Pflugscharen zu Schwertern

Wenn man Josua liest, bekommt man den Eindruck, die Landnahme sei ein einziger Siegeszug gewesen und am Ende habe Israel das Gelobte Land vollständig eingenommen — bis auf kleine und unbedeutende Taschen, in denen Kanaaniter und Philister sich halten konnten.

Im Buch Samuel sehen wir, dass es eher umgekehrt war. Im judäischen Land, gab es Eigenständigkeit für die Israeliten nur in kleinen Taschen. Im Großen herrschten die Philister. Sie hatten mächtige Städte an der Mittelmeerküste gegründet, trieben Handel mit der bekannten Welt und — das ist sehr wichtig — beherrschten die Gewinnung und Verarbeitung von Eisen. Dieses Metall und die Waffen, die man daraus erstellen konnte, waren die Atombombe des ausgehenden zweiten Jahrtausends. Die Zeit heißt Eisenzeit aus dem selben Grund, warum wir die Zeit nach 1945 als Atomzeitalter bezeichnen. 

Der Text um unseren Vers herum weicht Brüche auf und er ist nicht leicht zu lesen. Wir sehen die folgende Grundsituation. 

  1. Auf Seiten der Israeliten besteht eine große demographische Überlegenheit — sie können potentiell 600000 kriegstaugliche Männer ins Feld schicken.  
  2. Sauls Armee ist völlig unbedeutend und besteht aus 600 Mann. Saul ist zwar König, aber sein Königtum ist noch eher ein Versprechen. 
  3. Lokal dominieren überall die Bereitschaftskräfte der Philister. Im Text sind sie als „Wachen“ bezeichnet, Sie sind stationiert in festungsartigen, strategisch wichtigen Positionen. Ihre Anwesenheit und Bewaffnung verhinderte, dass sich militärisch relevante gegnerische Konzentrationen überhaupt formieren konnten. 

Hier schwebt ein großes und nicht realisiertes Potential. Wie kann — unter den Bedingungen von 2) und 3) — die mit 1) gegebene Überlegenheit zur Geltung kommen? In der Kolonialzeit standen viele Völker vor demselben Problem 

Zu Beginn der Handlung herrscht eine Art Frieden zwischen Philistern und Israeliten, auf der Basis gefestigter Hegemonie. Um ihre Überlegenheit abzusichern, hatten die Philister den Israeliten verboten, selbst Eisen herzustellen oder zu bearbeiten. Selbst Pflugscharen mussten bei den Philistern gekauft werden. Waffen aus Eisen waren verboten. Im ganzen kleinen Heer Sauls verfügte nur sein Sohn, Jonathan, über solche Waffen.

Das vierzehnte Kapitel im ersten Samuelbuch beschreibt etwas, das man heute als Kaskade bezeichnet. Mit einem eigentlich unmöglichen Ereignis hebt Jonathan die durch 3) gegebene Überlegenheit lokal auf. Nur von einem Schwertträger begleitet klettert Jonathan eine Felswand hoch, mit Händen und Füßen, unter Hohn und Spott der Bereitschaftskräfte der Philister. Sie erwarten ihn oben, um ihn dort niederzumachen,. Sie wollen einen Schaukampf zum Vergnügen. Aber es kommt anders. Jonathan und sein Schwertträger greifen die Garnison an und machen viele der Soldaten nieder. Die kleine Streitmacht von Saul wird dieses Vorgangs gewahr — sehr spät, aber noch rechtzeitig genug, um in das Getümmel einzugreifen und den Kampf in einen Sieg für die Israeliten zu verwandeln.

Diesen Augenblick greift unser der Vers der Woche ab. Fast aus dem Nichts heraus nimmt von hier aus die Geschichte einen neuen Lauf. Denn nun sind auf einmal viele Israeliten da, die sich Saul und seiner kleinen Kerntruppe anschließen, darunter auch solche, die es vorher mit den Philistern gehalten haben. Saul nutzt die Gelegenheit, fordert von seinen Männern das Letzte und bringt schnell ein großes Gebiet unter seine Kontrolle. Auf dieser Basis kann er nun für sein Volk einen richtigen Krieg gegen die Philister führen.

Eine Kaskade, fast wie der Urknall. Nach Auffassung von Kosmologen könnte der Ausgangspunkt dieses Urknalls eine Quantenfluktuation im Nichts gewesen sein. In einem Nichts freilich, das nicht wirklich „nichts“ war, sondern ein unermesslich großes Potential. 

Wie passt das in unsere Welt? Die ukrainischen Männer fallen mir ein, die sich vor zwei Jahren ohne jede erkennbare Erfolgsaussichten Putins hochgerüsteten Invasionstruppen entgegenstellten. Und es weiterhin tun. Und Nawalnyj! Vielleicht war dies Nawalnyjs Traum, der Grund, warum er sich freiwillig in die Gewalt seiner mörderischen Häscher begab. Kristallisationskern wollte er sein, wie Jonathan. Wir werden sehen, ob es gelingt. 

Ich schreibe dies im Zug von Frankfurt nach Hamburg. Und da fällt mir plötzlich etwas drittes ein: die Konferenz, zu der ich fahre, und die ich mit anderen gemeinsam organisiert habe. Eine Konferenz, die Menschen aus ganz verschiedenen Umfeldern dazu bringen soll, eine gemeinsame Sprache zu sprechen und ein wichtiges gemeinsames Ziel zu erreichen. 

Ob wir nun religiös sind oder nicht, eins wissen wir ja alle: Schöpfung aus dem Nichts ist möglich!

Der Herr segne und behüte uns
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 08/2024

Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird…
Luk 2,34

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Ecce homo

Ich mußte meine Betrachtung zu diesem Vers heute neu schreiben. Während des Tags erreichte mich gestern die Nachricht, dass Alexej Nawalnyj in einem russischen Straflager gestorben ist. Alexej Nawalnyj, der fest an ein besseres Russland glaubte und die Menschen seines Landes aufrief, gegen Putins Terror aufzustehen und an diesem Russland zu arbeiten, ist tot.  

So weit sollte es eigentlich schon vor dreieinhalb Jahren sein. Im August 2020 brach er auf einem Flug von Sibirien nach Moskau zusammen. Nach einer Notlandung und einer ersten Behandlung in Omsk gelangte er in die Berliner Charité. Dort wurde eine Vergiftung mit einem Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe diagnostiziert. Statt im einigermaßen sicheren Westen zu bleiben — wirklich sicher war er nicht, der FSB mordet auch im Ausland — kehrte er nach Russland zurück, nach Moskau. Am Flughafen schon wurde er verhaftet. Seither, bis zu seinem Tod gestern, lebte er in Gefängnissen und Straflagern, oft in Isolation und Folter. Aber vergessen ist er nicht, und auch nach seinem Tod noch weckt er Mut.

Dabei war er sicherlich kein Mann nach dem Bild des bundesdeutschen Zeitgeists. Sich selbst bezeichnete er als „nationalistischen Demokraten“, und das trifft es, in beiden Teilen des Ausdrucks. 

Was hat dies mit dem Bibelvers der Woche zu tun?

Jesu Eltern brachten ihr Kind kurz nach der Geburt in den Tempel. Nach jüdischer Vorstellung waren erstgeborene Knaben in besonderer Weise Eigentum des Herrn. Das Leben dieser Kinder gehörte Gott und wurde mit einem Opfer im Tempel ausgelöst. Simeon, ein frommer Mann, wird an der Schwelle des Todes Seher: er erkennt Jesus, dankt Gott, dass er ihn diese Stunde erleben läßt, und gibt eine eigentümliche, visionäre Zusammenfassung von Jesu Leben. Dabei spricht er Maria an. Hier ist der Vers im Zusammenhang: 

Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wirdauch durch deine Seele wird ein Schwert dringen –, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.

An Jesus werden sich die Geister scheiden — er ist ein Zeichen, dem widersprochen wird. Die einen fallen, andere stehen auf, ein Schwert wird ins Herz Mariens dringen. Und am Streit um Jesus wird das Innere der Menschen offenbar. Wie eine Art Lackmustest für das, was sonst unsichtbar bliebe. 

Was Lukas damit meint, wird elf Kapitel weiter hinten im Text klarer. Jesus spricht harte Worte (Luk 12,49-53): 

Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen; was wollte ich lieber, als dass es schon brennte! Aber ich muss mich taufen lassen mit einer Taufe, und wie ist mir so bange, bis sie vollbracht ist! Meint ihr, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf Erden? Ich sage: Nein, sondern Zwietracht. Denn von nun an werden fünf in einem Hause uneins sein, drei gegen zwei und zwei gegen drei. Es wird der Vater gegen den Sohn sein und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen die Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.

Man muss das zweimal lesen. Das ist nicht das herze Jesulein, das wir so gern sehen und gut zu kennen meinen. Hier geht es um elementare Wahrheiten, und da bleibt Streit nicht aus. Sie ist eben nicht zu haben, die Wahrheit, ohne Streit, und die letzte Wahrheit schon gar nicht. 

Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen um ihn und seine Lehre ging Jesus vom einigermaßen sicheren Norden des jüdischen Landes schutzlos nach Jerusalem, dem Zentrum der Macht seiner Gegner, geradewegs in den Tempel, um dort zu predigen. Nawalnyj war gläubiger Christ. Einen Vergleich mit Jesus hätte er abgelehnt. Aber auch er hat sich für seine Welt, seine Gemeinschaft und das Gute darin freiwillig in die Gewalt seiner Feinde gegeben. ‚If they decide to kill me, it means that we are incredibly strong‘ sagte er. Er wusste, was er tat, und er tat es, weil er es wusste.  

Ecce homo. 

Der Herr behüte uns in dieser Woche
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 07/2024

…und die Leviten und die Sänger alle, Asaph, Heman und Jedithun und ihre Kinder und Brüder, angezogen mit feiner Leinwand, standen gegen Morgen des Altars mit Zimbeln, Psaltern und Harfen, und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Drommeten bliesen;
2 Chr 5,12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gottesdienst

Der Tempel wird eröffnet. Jahrzehntelang wurde gebaut, und viel länger noch, schon unter David, wurde der Bau vorbereitet. Alles treibt seit langem auf diesen Höhepunkt zu. 

Zu mir spricht dieser Vers sehr direkt, fast wie eine Antwort. In der letzten Woche endete ich mit der Vorstellung, dass die vom Volk erbetene und von Gott gewährte Mittlerrolle Mose geteilte und kollektive Gotteserfahrungen nicht mehr vorsieht — der Austausch mit der Gottheit vollziehe sich nun über berufene Mittelsmänner. Große theokratische Strukturen sind die Folge. Als Beispiel für eine Wende, einen Ausbruch habe ich das Pfingstereignis erwähnt. 

Aber etwas anderes noch vermittelt seit viertausend Jahre Glaubenden geteilte Erfahrung mit Gott: der Gottesdienst, mit Gebeten und Gesängen. Auch dafür steht ja die Einweihung des Tempels: für regelmäßigen, d.h. Regeln folgenden Gottesdienst einer großen Vielzahl von Menschen. Jeder Mann sollte dreimal im Jahr zu den hohen Festen den Tempel besuchen und dort seinen Dienst an Gott verrichten. Dieser Dienst war vor allem Opfer, und es gab keine Predigten im heutigen Sinne. Aber da war schon vieles, was es heute noch gibt: Psalmgesänge, Gebete, Lobpreis. 

Und wie heute waren Gottesdienste Raumzeiten gemeinsamen Erlebens. Für mich selbst ist dies sehr oft mit Musik verbunden, Musik der verschiedensten Art. Und als ich las, wie Asaf, Heman, Jeditun und alle Tempelsänger zur Eröffnung des Tempels ihre Stimme erhoben, unterstützt von 120 Priestern, die Trompete bliesen wie ein Mann, alle angetan in feinstes Leinen — da sah ich es nicht nur vor mir, sondern ich hörte es auch ein wenig, und ich wusste, woran ich in der vergangenen Woche nicht gedacht hatte. 

Hier Psalm 150, der den Psalter beschließt: 

Hallelujah! Lobet Gott in seinem Heiligtum, lobet ihn in der Feste seiner Macht! 
Lobet ihn für seine Taten, lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit! 
Lobet ihn mit Posaunen, lobet ihn mit Psalter und Harfen! 
Lobet ihn mit Pauken und Reigen, lobet ihn mit Saiten und Pfeifen! 
Lobet ihn mit hellen Zimbeln, lobet ihn mit klingenden Zimbeln! 
Alles, was Odem hat, lobe den HERRN! Hallelujah!

Der Herr segne und behüte uns
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 06/2024

Da aber der HErr eure Worte hörte, die ihr mit mir redetet, sprach er zu mir: Ich habe gehört die Worte dieses Volks, die sie dir geredet haben; es ist alles gut, was sie geredet haben.
Dtn 5,28

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Trennung

Noch einmal Deuteronomium — zum vierten Mal hintereinander. Ich spare mir, Ihnen vorzurechnen, wie wahrscheinlich dies Ereignis a priori ist. Geübte Leser dieses Blogs wissen, wie es geht. Die Wahrscheinlichkeit ist ähnlich hoch wie diejenige, dass beim Roulette die Kugel viermal nacheinander auf dieselbe Zahl fällt…!

Diese Wiederkehr fordert mich indes auf, weiterzuerzählen, gibt mir die Gelegenheit dazu. In der vergangenen Woche lasen wir, dass die Israeliten dem Gesetz zwei Stelen bauten. Ich schlug vor, dass es sich dabei um die Zehn Gebote gehandelt haben könnte und stellte die Gebote ins Netz, in Deutsch und Hebräisch. Der hier gezogene Vers nun erzählt, wie es weiterging, unmittelbar nachdem das Volk die Zehn Gebote von Gott empfangen hatte.

Die Israeliten hatten Gottes Worte selbst gehört, er hatte ihnen die Zehn Gebote mit eigener Stimme vom Berg Sinai herab verkündet und erst dann dem Mose Steintafeln gegeben, auf denen sie geschrieben standen. Gottes Wort dröhnte in den Ohren aller, die am Vulkan standen, jeder hatte dasselbe gehört. Epiphanie. Gott tritt in Erscheinung durch sein Gebot. Geteilte Wirklichkeit ist echte Wirklichkeit. Die Ältesten des Volks waren in tiefer Angst — sie wussten, dass sterben muss, wer Gott sieht, und sie meinten, dass auch Gottes furchtbare Stimme sie das Leben kosten könne. Sie verlangten von Mose, er solle stellvertretend für alle mit diesem schrecklichen Gott sprechen, sie würden dann tun, was Gott von ihnen verlange.

Und Gott ist einverstanden.

In dieser logischen Sekunde passiert es. Gerade vorher noch hatte das ganze Volk unmittelbaren Zugang zu Gottes Wort. Nie waren Gott und sein Volk einander näher; so wie Materie und Energie eins waren nach dem Urknall. Jetzt aber sind sie getrennt: nur Mose, der Erzprophet, besitzt den Zugang noch und die anderen sind darauf angewiesen, dass dieser sie unterweist und ihnen Gottes Willen auslegt. Die vom Volk geforderte Mittlerrolle Mose wird gewissermaßen zum Zusatzartikel des Bundes.

Geteilte unmittelbare Erfahrung mit Gott gibt es nun nicht mehr. Der direkte Austausch mit Gott obliegt den Propheten. Seinen Bruder Aaron macht Mose zum Priester — er und nach ihm seine Söhne versehen die Opferhandlungen. Wenig später gibt es die Stiftshütte als beweglicher Tempel, der die Gesetzestafeln beherbergt. Zur Zeit Jesus dann gibt es um den Tempel herum eine mächtige Hierarchie, mit dem Hohepriester und dem Sanhedrin an der Spitze einer streng gegliederten Struktur, und Schriftgelehrte umkreisen diesen Planeten wie Satelliten. Nicht ganz unähnlich der katholischen Kirche.

Im Neuen Testament finden wir einen anderen Moment geteilter, kollektiver Gotteserfahrung mit Gründungscharakter: das erste Pfingstfest, Schawu’ot nach Kreuzigung und Auferstehung. Dort tritt Gott ganz anders in Erscheinung, als Heiliger Geist, nicht als Gesetzgeber. Nicht dem ganzen Volk, aber den Hörern der Predigt.

Wieviel echten Austausch mit Gott verträgt der Mensch, wieviel Vermittlung braucht er, und wie hält man die Macht in Grenzen, die bei den Vermittlern zu liegen kommt? Seit der logischen Sekunde am Sinai sind die Fragen in der Welt.

Der Herr helfe uns zur rechten Mischung,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 05/2024

Und sollst Dankopfer opfern und daselbst essen und fröhlich sein vor dem HErrn, deinem Gott.
Dtn 27,7

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Party für das Gesetz

Noch einmal Deuteronomium, zum dritten Male hintereinander. Meine Tochter sagt, das sei ein Zeichen, ich solle das Buch nun ganz lesen. Das habe ich nicht geschafft in dieser Woche, aber vielleicht können wir ja das Buch als Ganzes ins Auge fassen. Es kreist um das (mosaische) Gesetz. Das Buch ist eine Art Zusammenfassung des zweiten, dritten und vierten Buchs Mose, einheitlich gefasst als drei Reden Mose, die er am Ufer des Jordan hält, kurz bevor das Volk den Sprung ins unbekannte verheissene Land wagt, kurz auch vor seinem eigenen Tod. 

Wie soll mit dem Gesetz umgegangen werden, nachdem es nun vorliegt? Die Abschnitte geben drei konkrete Anweisungen. Erstens: Nach der Landnahme sollen zwei Stelen aufgestellt werden, mit Kalk getüncht, auf denen das Gesetz zu lesen ist, Wort für Wort. Zweitens: Sechs Stämme stellen sich auf dem Berg Ebal (bei Sichem, heute Nablus) und sprechen Verfluchungen. Auf dem benachbarten Garizim stehen sechs andere Stämme und sprechen Segensworte. Ganz wie in Dtn 28: Fluch für das Volk, wenn es die Gebote mißachtet, Segen, wenn es sie einhält. Das Gesetz wird hier konkreter Ausdruck des Bundes zwischen Gott und den Menschen. Das ist die Botschaft des Deuteronomiums. Haltet den Bund fest, so hält Gott an euch fest — und das gelingt, indem ihr das Gesetz haltet, das Gott euch gibt zu diesem Zweck. 

Das ist die Theologie des Deuteronomiums. Dafür wird das Buch geschmäht von liberalen christlichen Theologen, aber ohne diese Theologie — und die vielen Antworten, die es darauf gibt — sind Christentum und Judentum schlicht unverständlich.

Die dritte Anweisung gibt unser Vers: Gottes Volk soll auf dem Ebal einen Altar bauen und Dankopfer bringen und essen und fröhlich sein. Das ist eine sehr merkwürdige Vorstellung für uns. Party für das Gesetz!? Wer empfindet Freude an der Straßenverkehrsordnung, an der Steuergesetzgebung oder am bürgerlichen Recht? 

So ist es aber gemeint. Gottes Gesetz wird Grund zur Freude und zur Feier. Es ist ein Anker, eine Landkarte für den Bund. Im Judentum gibt es ein Fest, Simchat Torah, das Fest der Torahfreude, wo große Freude nicht nur erlaubt ist, sondern den eigentlichen Kern ausmacht. Simchat Torah schließt die Reihe der hohen Feiertage im Herbst ab. 

Zurück zu den Stelen. Was soll darauf geschrieben werden, welches Gesetz ist gemeint? Das Deuterononomium als Ganzes ist gewiss zu voluminös. Die zwei Stelen erinnern sehr an die beiden Steinplatten, auf die Gott selbst die zehn Gebote schrieb, den Kern des mosaischen Gesetzes. Diese Tafeln wurden aufbewahrt in der Bundeslade, die später im Allerheiligsten des Tempels stand, als Ausdruck und physische Manifestation des Bundes zwischen Gott und der Menschen.

Stelen des 21. Jahrhunderts sind die Webseiten im Internet — dort wird geistige Realität geschaffen und auch vernichtet. Vielleicht ist es daher angebracht, wenn der Betreiber eines Blogs zur Bibel den zehn Geboten eine kleine Stele errichtet, oder besser: zwei. Am Ende eines langen Jahres hatte ich die zehn Gebote schon einmal ins Netz gestellt. siehe den BdW 53/2020. Hier sind sie wieder, diesmal gemeinsam mit dem hebräischen Original, in der Fassung Dtn 5,6-21.

Ein Schlüssel für den Bund mit Gott. Grund zur Freude! 

Der Segen des Herrn sei mit uns,
Ulf von Kalckreuth

Deutsch, Lutherbibel 1984, Dtn 5,6-21Hebräisch
6Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Knechtschaft. ו  אָנֹכִי יְהוָה אֱלֹהֶיךָ, אֲשֶׁר הוֹצֵאתִיךָ מֵאֶרֶץ מִצְרַיִם מִבֵּית עֲבָדִים: 
7Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.לֹא-יִהְיֶה לְךָ אֱלֹהִים אֲחֵרִים, עַל-פָּנָי.
8Du sollst dir kein Bildnis machen in irgendeiner Gestalt, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist.ז  לֹא-תַעֲשֶׂה לְךָ פֶסֶל, כָּל-תְּמוּנָה, אֲשֶׁר בַּשָּׁמַיִם מִמַּעַל, וַאֲשֶׁר בָּאָרֶץ מִתָּחַת–וַאֲשֶׁר בַּמַּיִם, מִתַּחַת לָאָרֶץ.
9Du sollst sie nicht anbeten noch ihnen dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, ח  לֹא-תִשְׁתַּחֲוֶה לָהֶם, וְלֹא תָעָבְדֵם:  כִּי אָנֹכִי יְהוָה אֱלֹהֶיךָ, אֵל קַנָּא–פֹּקֵד עֲוֺן אָבוֹת עַל-בָּנִים וְעַל-שִׁלֵּשִׁים וְעַל-רִבֵּעִים, לְשֹׂנְאָי.
10aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.ט  וְעֹשֶׂה חֶסֶד, לַאֲלָפִים–לְאֹהֲבַי, וּלְשֹׁמְרֵי מצותו מִצְוֺתָי.
11Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.י  לֹא תִשָּׂא אֶת-שֵׁם-יְהוָה אֱלֹהֶיךָ, לַשָּׁוְא:  כִּי לֹא יְנַקֶּה יְהוָה, אֵת אֲשֶׁר-יִשָּׂא אֶת-שְׁמוֹ לַשָּׁוְא.
12Den Sabbattag sollst du halten, dass du ihn heiligest, wie dir der Herr, dein Gott, geboten hat. יא  שָׁמוֹר אֶת-יוֹם הַשַּׁבָּת, לְקַדְּשׁוֹ, כַּאֲשֶׁר צִוְּךָ, יְהוָה אֱלֹהֶיךָ.
13Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun.יב  שֵׁשֶׁת יָמִים תַּעֲבֹד, וְעָשִׂיתָ כָּל-מְלַאכְתֶּךָ.
14Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Rind, dein Esel, all dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt, auf dass dein Knecht und deine Magd ruhen gleichwie du. יג  וְיוֹם, הַשְּׁבִיעִי–שַׁבָּת, לַיהוָה אֱלֹהֶיךָ:  לֹא תַעֲשֶׂה כָל-מְלָאכָה אַתָּה וּבִנְךָ-וּבִתֶּךָ וְעַבְדְּךָ-וַאֲמָתֶךָ וְשׁוֹרְךָ וַחֲמֹרְךָ וְכָל-בְּהֶמְתֶּךָ, וְגֵרְךָ אֲשֶׁר בִּשְׁעָרֶיךָ–לְמַעַן יָנוּחַ עַבְדְּךָ וַאֲמָתְךָ, כָּמוֹךָ.
15Denn du sollst daran denken, dass auch du Knecht in Ägyptenland warst und der Herr, dein Gott, dich von dort herausgeführt hat mit mächtiger Hand und ausgerecktem Arm. Darum hat dir der Herr, dein Gott, geboten, dass du den Sabbattag halten sollst.יד  וְזָכַרְתָּ, כִּי עֶבֶד הָיִיתָ בְּאֶרֶץ מִצְרַיִם, וַיֹּצִאֲךָ יְהוָה אֱלֹהֶיךָ מִשָּׁם, בְּיָד חֲזָקָה וּבִזְרֹעַ נְטוּיָה; עַל-כֵּן, צִוְּךָ יְהוָה אֱלֹהֶיךָ, לַעֲשׂוֹת, אֶת-יוֹם הַשַּׁבָּת. 
16Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, wie dir der Herr, dein Gott, geboten hat, auf dass du lange lebest und dir’s wohlgehe in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, geben wird.טו  כַּבֵּד אֶת-אָבִיךָ וְאֶת-אִמֶּךָ, כַּאֲשֶׁר צִוְּךָ יְהוָה אֱלֹהֶיךָ–לְמַעַן יַאֲרִיכֻן יָמֶיךָ, וּלְמַעַן יִיטַב לָךְ, עַל הָאֲדָמָה, אֲשֶׁר-יְהוָה אֱלֹהֶיךָ נֹתֵן לָךְ.
17Du sollst nicht töten.טז  לֹא תִרְצָח,
18Du sollst nicht ehebrechen.וְלֹא תִנְאָף; 
19Du sollst nicht stehlen.וְלֹא תִגְנֹב,
20Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.וְלֹא-תַעֲנֶה בְרֵעֲךָ עֵד שָׁוְא. 
21Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus, Acker, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was sein ist.וְלֹא תַחְמֹד, אֵשֶׁת רֵעֶךָ; וְלֹא תִתְאַוֶּה בֵּית רֵעֶךָ, שָׂדֵהוּ וְעַבְדּוֹ וַאֲמָתוֹ שׁוֹרוֹ וַחֲמֹרוֹ, וְכֹל, אֲשֶׁר לְרֵעֶךָ.
Der hebräische Text wurde entnommen von der Webseite von Mechon Mamre. Abweichend von der hebräischen Verszählung sind die Zeilen hier der Verszählung in der Lutherbibel angepasst.