Bibelvers der Woche 18/2022

So schwöre mir nun bei Gott, dass du mir und meinen Kindern und meinen Enkeln keine Untreue erzeigen wollest, sondern die Barmherzigkeit, die ich an dir getan habe, an mir auch tust und an dem Lande, darin du ein Fremdling bist.
Gen 21,23

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017. 

So wahr mir Gott helfe…

Im Bibelvers dieser Woche werden wir Zeugen, wie Abraham, der Stammvater des jüdischen Volks, einen Treueeid leistet, und zwar — man muss es zweimal lesen — einem Philisterkönig: Abimelech, dem König von Gerar. Die Bibel lässt uns dies tatsächlich zweimal lesen. Die Geschichte wird nämlich auch von Isaak erzählt, in Gen 26,26ff: derselbe Ort, derselbe König, derselbe Streit um Wasserquellen. 

In Gen 26 wird mehr über die Hintergründe erzählt. Abimeleches Knechte machen den halbnomadisch wirtschaftenden Einwanderern das Wasser streitig, das diese für ihr Vieh brauchen. Beerscheba, wo sich Abraham und Isaak niederlassen, liegt in der Wüste Negev, und Wasser ist die kostbarste Ressource dort. Der Widerstand der Eingesessenen gegen die Konkurrenz von aussen ist daher nicht erstaunlich. 

Abraham und Isaak gehen anders damit um, als es das Muster der Landnahmeerzählungen nahelegt. Sie fügen sich in die bestehenden Kräfteverhältnisse und bekunden dem lokalen Herrscher ihre Loyalität, gegen ein Schutzversprechen. Sie werden Gefolgsleute von Abimelech und erhalten Beerscheba und sein Wasser als Lehen. Beerscheba heisst daher „Schwurbrunnen“.

Unser Vers enthält den Wortlaut des Treueeids. Er ist bemerkenswert, lesen Sie ihn noch einmal. Es geht um Loyalität, aber nicht nur dem König und seinen Nachfahren gegenüber, sondern auch dem Land. Und es geht um Gegenseitigkeit. Es wird nicht bedingungslose Gefolgschaft gefordert, sondern „chesed“: Barmherzigkeit, oder besser: Wohlwollen, Zugewandtheit. 

In diesem Schwur liegt ein Skandal. In den Geschichtserzählungen der Bücher Samuel und Könige sind die Philister in ihren an der Küste gelegenen Städten schlicht die Erzfeinde. Ihr Land war den Israeliten als Erbe versprochen, doch konnten sie es nicht einnehmen. Im Gegenteil: die Philister brachten die Juda immer wieder in existenzielle Bedrängnis — zur Erinnerung: Goliath war Philister. Die Geschichte passt jedoch zu anderen Erzvätergeschichten, die von einer Koexistenz mit der lokalen Bevölkerung berichten: Abrahams Bündnis mit den bedrängten Fürsten in Gen 14, BdW 22/2019, die Ehrung des Priesters von Salem, BdW 8/2019, und der Erwerb des Erbbegräbnisses von den Hethitern in Gen 23. 

Mir fällt dazu auch Jeremias Appell an die gewaltsam nach Babylon verschleppte jüdische Gemeinde ein : „Suchet der Stadt Bestes!“ Eigentlich ist das fast absurd, und Jeremia weiss es. Wo immer aber wir sind, kann man hier lesen, sollen wir uns nicht ausschließen, sondern einbringen. 

Beerscheba ist heute eine mittelgroße Stadt, gelegen zwischen dem Gaza-Streifen und dem Toten Meer. Die Stadt war im vergangenen Monat Schauplatz eines Anschlags mit fünf Todesopfern, den Attentäter eingeschlossen. Was uns aus solchen Spiralen retten kann, ist letztlich die Bereitschaft beider Seiten, sich mit bestehenden Verhältnissen in positiver Weise auseinanderzusetzen. Manche Palästinenser fühlen sich als direkte Nachfahren der Philister. Der Vers beschwört die gegenseitige Zugewandtheit in fortbestehender Verschiedenheit. So könnte die Zukunft aussehen, nicht wahr? 

Gottes Segen sei mit dem jüdischen Volk und den Palästinensern — und mit uns allen!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 11/2022

… soll man königliche Kleider bringen, die der König pflegt zu tragen, und ein Ross, darauf der König reitet, und soll eine königliche Krone auf sein Haupt setzen;
Est 6,8

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017. 

Über sich selbst richten

Es ist ein wiederkehrendes Thema in der Bibel, dass wir mit dem, was wir sagen und tun, über uns selbst richten. Hier trifft es Haman, den Schurken im Buch Esther: der König verlangt, dass Haman ihm sage, wie er einen verdienten Mann ehren könne. Haman denkt, der König meine ihn . Der König aber weiss, was er tut: die Ehrung gilt seinem Feind Mordechai, und Haman selbst muss sie vornehmen. Das weist auf das — für Haman tödliche — Ende voraus. 

Purim, das Fest zu Ehren der Königin Esther und ihres Siegs gegen den Schurken Haman, das Fest, auf dem alles sich wendet und sonderbar ins Gegenteil verkehrt, fällt in diese Woche. Was für ein Zufall. Chag sameach purim!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 07/2022

Jesus aber sprach zu ihm: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte.”
Mat 22,37

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Das ganze Gesetz und die Propheten

Der Vers ist eine Antwort. Die Frage lautet „Was ist das höchste Gebot im Gesetz“. Jesus fügt hinzu: „Dies ist das höchste und erste Gebot“,. und fährt dann fort: „Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. In diesen beiden Geboten, sagt er, hängt das ganze Gesetz und die Propheten.

Die Antwort besteht aus zwei Kernsätzen der Thora. Die erste Forderung, Gott unbedingt zu lieben, ist aus 5.Mo 6,5 und steht am Beginn des „Schma‘ Israel“, mit dem Juden den Herrn bekennen. Die Forderung, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, steht in 3.Mo 19,18 geschrieben. Jesus fasst das Gesetz zusammen und er tut es für Christentum und Judentum gleichermaßen:

»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt«

»Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«

Es sind zwei Gebote, die innig zusammengehören. Wir können Gott im Menschen lieben und den Menschen in Gott. Manchmal mag das eine im Vordergrund stehen, manchmal das andere.

Wie sie so vor uns stehen, beschreiben die Gebote einen Heiligen. Möge aber die kommende Woche einen Tag haben, an dem uns beides gleichermaßen gelingt.
Ulf von Kalckreuth

—————— In eigener Sache ———————————

Dieser Vers ist ein guter Abschluss. Ich fühle mich mit der Kommentierung überfordert. Der Bibelvers der Woche begleitet mich seit über vier Jahren durch die Woche — meist habe ich sonntags angefangen, Material, Ideen und Assoziationen zu sammeln, und am Freitagabend sollte es druckreif im Netz stehen. Jetzt gibt es 216 solcher Kommentare. Mit vielleicht anderthalb Seiten je Kommentar ist das ein stattliches Buch. 245 Bibelverse habe ich insgesamt gezogen, das sind fast 0,8% der ganzen Bibel!

Ich werde vielleicht einmal darüber schreiben, was ich dabei gelernt habe. Es ist viel. Als ich anfing, kannte ich die Bibel kaum, heute liegt sie wie eine Höhle voller Schätze vor mir, und ich halte ein Öllämpchen in der Hand, mit dem ich diese Schätze sehen kann — manches davon funkelt leuchtend, anderes schimmert schemenhaft im Hintergrund.

Die Website steht, und ich werde sie erhalten. Ich will auch vorerst weiter Verse ziehen. Vielleicht findet sich jemand, der einen Kommentar abgeben will, vielleicht sind Sie es? Technisch ist es ganz leicht, am Ende eines jeden Beitrags steht ein Kommentarfeld, Was Sie dort schreiben, steht unter dem Bibelvers, nach einer Freigabe durch mich.

Ich wünsche uns eine gute Reise durchs Leben,
Ulf von Kalckreuth