Was gäbe mir Gott sonst als Teil von oben und was für ein Erbe der Allmächtige in der Höhe?
Hiob 31,2
Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.
Einmal Nihilismus und zurück
Warum interessiert es Sie, warum interessierte es überhaupt jemanden, was der Wille Gottes ist?
Die grundlegende Antwort des Alten Testaments gibt Deut 28-30. Mose legt dem Volk und jedem Einzelnen Segen und Fluch vor: durch seinen Umgang mit dem Gesetz Gottes entscheidet jeder selbst, was davon ihm zuteil wird. Auf zwei Wegen kann dies geschehen. Während in der Torah Gottes Handeln Lohn und Strafe schafft, ist dies im Buch der Sprüche und vielen Psalmen der Charakter des Gesetzes selbst. Das Gesetz ist gut und dient dem Leben, und Verstöße bestragen sich selbst, sie schaffen ein Umfeld, in dem der zugrundegeht, der das Gesetz mißachtet, siehe BdW 50/2020.
Man nennt dies den „Tun-Ergehen-Zusammenhang„. Theologen benennen so den roten Faden, der sich durchs Alte Testament in allen seinen Teilen zieht und der auch für das Neue Testament große Bedeutung hat. Unser Umgang mit dem Gesetz bedingt unser Schicksal. Wie man sich bettet, so liegt man.
Im Alten Testament bezieht sich die Entsprechung von Tun und Ergehen konkret auf das irdische Leben. An ein Jenseits war nicht gedacht. Wie dann aber umgehen damit, dass es auf der Welt oft so ganz und gar anders aussieht? Haben Sie sich das auch schon gefragt?
In der Bibel ist die Diskussion darüber bemerkenswert offen. Das Buch Prediger leugnet schlicht die Entsprechung von Tun und Ergehen, aus ebenjener Empirie heraus. Im Buch Hiob steht der Zusammenhang im Mittelpunkt einer Auseinandersetzung, die in den Nihilismus führt und darüber hinaus. Hiob ist gerecht, er hat die Gesetze Gottes treu befolgt. Daran gibt es keinen Zweifel, wir wissen es a priori aus den Aussagen Gottes und Satans im Prolog. Gott aber nimmt ihm alles: Güter, Familie und Gesundheit — Hiob liegt schließlich als übel zugerichtetes Wrack da und muß sich gegen die Vorstellungen seiner Freunde verteidigen. Wenn es ihm so schlecht gehe, müsse es einen Grund dafür geben, sagen sie. Der Tun-Ergehen-Zusammenhang lässt sich nämlich umdrehen: wem es schlecht geht, muß sich versündigt haben, er selbst oder vielleicht seine Vorfahren; sonst ginge es ihm besser.
Wir wissen, dass es nicht so ist, und Hiob weiss es auch. Unser Vers ist Teil eines Kapitels, in dem Hiob darlegt, wie umfassend er Gottes Gesetz befolgt hat — er gelangt dabei weit über den Buchstaben des Gesetzes hinaus zu einer Ethik der Barmherzigkeit. Und dabei bejaht und bestätigt er den Tun-Ergehens-Zusammenhang: er habe dies alles getan, ja gar nicht anders gekonnt, weil sonst sein Untergang sicher gewesen wäre, weil er sonst nichts von Gott hätte erwarten können. Seinen Augen hat er die lüsternen Blicke nach jungen Frauen verboten, „was gäbe mir Gott sonst als Teil von oben und was für ein Erbe der Allmächtige in der Höhe?“
Im Vers also ruft Hiob das Schlüsselargument der Freunde als Grundlage des eigenen Handelns auf!
Die Perspektive der Freunde teilt er also. Der Tun-Ergehen-Zusammenhang gilt — oder besser: er sollte gelten. Der Zusammenhang von Tun und Ergehen wird ihm zu einem Fundament für eine Anklage Gottes. Hiobs Gewissen ist rein. Wie ein Fürst wolle er sich dem Verkläger nahen. Dabei bleibt er Gott treu, denn Gott ist für ihn nicht nur Richter, sondern auch Anwalt und Erlöser. Hiob ruft Gott den Erlöser an, ihm bei Gott dem Richter Recht zu schaffen. Und sein Vertrauen in den Erlöser ist unerschöpflich: Aber ich weiss, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über den Staub sich erheben. Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen. Ich selbst werde ihn schauen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder (Hiob 19, 25-27).
Das klingt christlich, Hiob sucht bei seinem Erlöser aber nicht Gnade, sondern Gerechtigkeit. Die Vorstellung ist ihm fremd, dass der Mensch das Gesetz vielleicht gar nicht erfüllen könnte, anders als den Freunden übrigens.
Die Anklage Hiobs und seine Rechtfertigung schockieren die Freunde, und sie brechen das Gespräch ab. Nach der Intervention Elihus (siehe BdW 12/2020) antwortet Gott selbst. Er redet aus dem Sturm und eine neue Perspektive entsteht. Gottes Handeln als Schöpfer und seine Sicht der Dinge sind so groß, die Zusammenhänge, aus denen er agiert, so unerforschlich, dass der Tun-Ergehen-Zusammenhang kein einklagbares Recht sein kann — der Mensch versteht schlicht nicht, was er da fordert. Was uns bleibt, ist Gott zu loben und zu preisen, seine Gesetze zu achten, und unser Schicksal aus seiner Hand zu nehmen, auch wenn wir sein Handeln nicht verstehen, und dies alles im Wissen, dass Gott selbst über seiner Gerechtigkeit steht.
Gott verwirft Hiobs Anklage, aber er lobt seine Treue, und gibt ihm darin recht. Nicht in Hiobs Gerechtigkeit liegt der Schlüssel, sondern in seiner Bereitschaft, schließlich von ihr abzusehen. Am Ende wird Hiob in jeder Beziehung in den früheren Stand eingesetzt. „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“ — scheinbar gilt der Zusammenhang von Tun und Ergehen nun doch, der Leser aber ahnt, das dieses Ende willkürlich ist und die Geschichte einen anderen Ausgang hätte nehmen können. Was bleibt, ist der Imperativ, sich der Größe Gottes zu beugen und sie zu preisen, alles zu hoffen, aber nichts zu erwarten. Wir dürfen Gott nicht in die Kategorien des Rechts pressen, unseres eigenen nicht und auch nicht des göttlichen. Beide sind für uns gemacht, nicht für Ihn.
Und die eingangs gestellte Frage? Wenn Gott tut, was er will — was ist dann der Unterschied zu einer Welt, in der es Gott gar nicht gibt? Wenn Sie es bis hierher geschafft haben, wollen auch Sie das wissen.
Ich glaube, er liegt darin, dass Gott uns zugewandt ist. Wir haben einen persönlichen Gott, und wir können ihn erreichen — im Gebet, im Zuhören, im Reden auch mit anderen Menschen. Wie Hiob, ohne alles Recht. Was uns helfen kann, ist Gottes Liebe, und darin wieder hilft uns unsere eigene Liebe. Dies ist der Zusammenhang von Tun und Ergehen, den Jesus vertritt.
Einmal Nihilismus und zurück. Der Herr segne uns, in dieser Woche und immer,
Ulf von Kalckreuth