Bibelvers der Woche 42/2018

Denn ihr seid teuer erkauft; darum so preist Gott an eurem Leibe und in eurem Geiste, welche sind Gottes.
1 Kor 6,20

Hier ist ein Link für den Kontext, zur Übersetzung von 2017.

Von der Heiligkeit unseres Leibs

Gottes Schöpfung und Christi Tod machen uns wertvoll vor Gott, darum sollen wir uns, unseren Leib und unseren Geist, schützen und heilig halten, sie gar zu unserem Lobpreis machen. Im Vers scheint eine zentrale Stelle des Alten Testaments auf: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott! (3. Mose 19, 2b).  Achtlosigkeit uns selbst gegenüber ist verfehlt, stattdessen haben wir allen Grund zu Achtsamkeit — Achtsamkeit, diese moderne und doch alte Vokabel. 

Darüber hinaus aber steht der Vers in einem Kontext. Paulus spricht in den Abschnitten rund um den Vers von diversen Aspekten des „Lebens eines Christenmenschen“, und speziell von der „Hurerei“. Mit dem griechischen „porneia“ sind alle Formen sexuellen Fehlverhaltens gemeint. Aber was genau wird abgelehnt? Zu Beginn des Abschnitts werden einige Aspekte aufgezählt: „Unzucht“, Ehebruch, Homosexualität. Insgesamt handelte es sich wohl um alle Formen freiwilliger Sexualität außerhalb der Ehe — soweit sie denn nicht selbst zur Ehe führen: Hatten zwei junge Menschen sexuellen Umgang miteinander und heirateten dann, so galt dies im Nachhinein nicht als „porneia“.

Der uns so geläufige konsensuale sexuelle Umgang miteinander vor und außerhalb der Ehe verbot sich seinerzeit von selbst: Für Frauen bedeutete es den Verzicht auf Ehe und damit auf elementare soziale Absicherung. Für Mann und Frau also Verantwortungslosigkeit pur. Das mag auch beitragen, die große Bedeutung von Homosexualität in der griechischen Kultur zu erklären. 

Und heute? Was gibt uns der Vers mit seinem Kontext? Man kann sich entschließen, die Sexualmoral der Paulusbriefe wörtlich als Forderung an die heutige Zeit zu verstehen. Dann bleibt Sexualität legitim nur in der Ehe zwischen Mann und Frau, die im Übrigen unauflöslich ist. Das ist die Sicht vieler Christen, katholischen wie evangelischen, dort verstärkt aus dem freikirchlichen Bereich. Ein kurzer Streifzug im Internet ist sehr aufschlussreich.

Aber ist es so einfach? Und sind wirklich alle Formen des ehelichen Zusammenlebens gut? Man kann auch die Worte von Paulus im ersten Schritt auf die kontemporären Sitten im griechisch geprägten Kulturraum und deren gesellschaftliche Voraussetzungen beziehen. Aber was ist dann der zweite Schritt, was soll — im Lichte dieser Worte — heute gelten? 

Der Vers gibt uns eine wunderbare Richtschnur in die Hand, die zugleich abstrakt und ungeheuer trennscharf ist und fordernd: wir sind teuer erkauft, darum sollen wir den Herrn preisen mit Geist und Körper… 

Weisheit liegt im Unterscheidungsvermögen, an diesem möge es uns nicht fehlen in dieser Woche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 41/2018

Wirst du sie bedrängen, so werden sie zu mir schreien, und ich werde ihr Schreien erhören; …
Ex 22,22 

Hier ist ein Link für den Kontext, zur Übersetzung von 2017.

Chefsache

Hier geht es um den Schutz der Hilflosen, konkret: der Witwen und Waisen. Die komplette Bestimmung im zweiten Buch Mose lautet: 

Ihr sollt keine Witwen und Waisen bedrängen. Wirst du sie bedrängen, so werden sie zu mir schreien, und ich werde ihr Schreien erhören; so wird mein Zorn ergrimmen, daß ich euch mit dem Schwert töte und eure Weiber Witwen und eure Kinder Waisen werden. (Ex 22, 21-23).

Der Vers steht in einer Reihe von Regeln für das Verhalten der Menschen untereinander, einer Konkretisierung der zehn Gebote. Nach heutigen Maßstäben ist es eine Mischung aus Strafrecht, Sozialrecht, Familienrecht, Sachenrecht, und anderes, für das es in unserem System keinen Namen mehr gibt, wie etwa „Eine Zauberin sollst du nicht am Leben lassen“.

Der Vers gibt uns zweierlei. Zunächst die Versicherung, dass Gott persönlich sich für die Solidaritätsgebote den Schwachen gegenüber einsetzt und sie sanktioniert. Der Schutz der Schwachen ist Chefsache. Das spielt später in den Schriften der Propheten eine überragende Rolle. Zweitens finden wir in einer sehr ursprünglichen Form den Reziprozitätsgedanken, die vielleicht bemerkenswerteste Leistung des jüdischen Volks. In seiner abstrakten Form lautet er: „Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR“ (Lev 19,18). In dieser Form hat Jesus die Forderung übernommen als Teil des höchsten Gebots: Wir sollen Gott lieben mit all unserer Kraft und unseren Nächsten wie uns selbst. 

Unser Vers oben ist eine etwas brachiale Variante: Wer die Lage der Witwen und Waisen zu seinem Vorteil ausnutzt, muss den Zorn des Herrn erwarten: er kommt zu Tode, und seine Kinder sind dann Witwen und Waisen, sind also gerade in der Lage derer, die vom Übeltäter schlecht behandelt wurden. Der Empfänger der Botschaft soll sich in die Situation der Witwen und Waisen versetzen und soll sie so behandeln, wie er selbst behandelt werden möchte. Siehe hierzu auch sehr klar Lev 19, 33-34:

Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott. (Lev 19, 33-34)

Der Angesprochene wird hier aufgefordert, die Ich-Perspektive aufzugeben und die Perspektive des Gegenübers anzunehmen, mit dem er Umgang hat. Dieser Perspektivwechsel soll sein Handeln leiten. Für die Ökonomen unter uns: wenn sich daran jeder hält, sind Externalitäten kein Problem mehr, die Welt ist pareto-optimal!

Auch im Vaterunser ist diese Figur enthalten, als Bitte. Gott möge unsere Schulden vergeben, weil (und insoweit…!) wir das untereinander tun. Die Strukturgleichheit zum gezogenen Vers erkennt man, wenn man analog ein Gebot Gottes formuliert: etwa: „… und vergebt Euch untereinander, denn ich werde Euch mit demselben Maß messen, mit dem ihr einander gemessen habt!“

Für die kommende Woche habe ich zwei Wünsche: dass es uns gelinge, an entscheidender Stelle den lebenserhaltenden Perspektivwechsel vorzunehmen, und dass andere dies mit uns tun mögen. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 17/2018

Sprich zur Weisheit: „Du bist meine Schwester“, und nenne die Klugheit deine Freundin,…
Sprüche 7,4

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

…dass du behütet werdest vor dem fremden Weibe

Ein schöner Vers, der für sich selbst spricht. Und wem es gelingt, ihn eine Woche lang zu beherzigen, der kann dies wohl eine gute Woche nennen. Aber der gezogene Vers endet in der Mitte des Satzes, hier ist der zweite Teil: 

…dass du behütet werdest vor dem fremden Weibe, vor einer andern, die glatte Worte gibt.

Das Buch der Sprüche (Salomons) ist ein Teil der Weisheitsliteratur in der Bibel, zu denen auch das Buch Hiob, der Prediger (Kohelet), das Hohelied und einige Psalmen gehören. Es geht darin um die Orientierung im Leben, um den Kompass für „richtiges Verhalten“, wobei es in der Weisheitsliteratur keine Trennung gibt zwischen zweckrationalem, an Zielen und Nebenbedingungen orientiertem Verhalten einerseits und ethisch begründetem Verhalten andererseits — beides gehört zur „Chochmah“, zur Weisheit. Sie ist nicht bloß Intelligenz oder Klugheit, sie ist ein Ausfluss des Wesens Gottes selbst. Als die Welt geschaffen wurde, spielte die Weisheit bereits zu Seinen Füßen (Sprüche 8,22ff). Das Wort „Klugheit“ in der Übersetzung ist etwas irreführend, dem hebräischen „Binah“ entsprechen eher die Begriffe Erkenntnis, Einsicht, die Fähigkeit, Gutes von Bösem zu unterscheiden.

Konkret geht es hier um die Treue zu den selbst eingegangenen Bindungen und um den Respekt vor den Bindungen anderer. Im gezogenen Abschnitt und in denen davor wird eindringlich vor Ehebruch gewarnt — er kann das eigene Leben zerstören und sogar physisch in Gefahr bringen. Und es wird klar festgestellt, dass der Einbruch in die Ehe eines anderen Menschen ein fundamentaler Verstoß ist, nicht nur das regelwidrige Ausleben der Sexualität: „Denn eine Hure bringt einen nur ums Brot, aber eines andern Ehefrau um das kostbare Leben“ (Sprüche 6,26).

Wie bereits gesagt: einen Unterscheid zwischen Ethik und Zweckrationalität macht die Weisheitsliteratur nicht. Vielleicht liegt darin eine ihrer wichtigsten Aussagen. Ich wünsche uns eine Woche, in der uns die Weisheit als Schwester begleiten möge, und die Klugheit als Freundin,
Ulf von Kalckreuth