Bibelvers der Woche 39/2024

…denn es steht geschrieben: „Er wird befehlen seinen Engeln von dir, dass sie dich bewahren…
Luk 4,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Wenn zwei das gleiche sagen…

… so ist es nicht das gleiche, sagt das Sprichwort. Im vorliegenden Fall ist einer der Psalmist, der andere der Teufel höchstpersönlich. In der Wüste trifft er auf Jesus, der vom Fasten geschwächt ist, und versucht ihn. Dabei bezieht er sich auf die überlieferten heiligen Gebete. Es ist Psalm 91, 11+12, den der Teufel zitiert:

Denn er hat seinen Engeln befohlen,
dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen,
dass sie dich auf den Händen tragen
und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest

Das sind beliebte Taufverse — Eltern wünschen das ihren Kindern. Der Teufel interpretiert die Verse messianisch: der Psalm richte sich an den Sohn Gottes. Er kann tun, was er will, er kann vom Turm springen, Gott wird ihn schützen. Damit will der Teufel Jesus versuchen. 

Hat er vielleicht recht? Ist der Sohn Gottes gemeint, oder wenigstens der König? Im Psalm geht es weiter: „Auch wenn tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten: es wird dich nicht treffen“. Wer sind die Tausende, die es erwischt? Wer ist der Angesprochene, den es nicht trifft — bin das ich? Wer unter uns wird von Engeln getragen, wer stößt seinen Fuß nicht an einen Stein? Vor einigen Jahren habe ich zu Psalm 91 ein Lied geschrieben. Aber es lässt mir keine Ruhe: wer fällt, wen wird es nicht treffen? 

Es ist Freitagmorgen. In einer Stunde muß ich aufbrechen zu einer Beisetzung. Ein Bruder unserer Gemeinde ist gestorben. Nach einem Herzinfarkt und vor einer Operation, die ihn hätte retten sollen, fiel er in ein Koma und erwachte nicht mehr. N. war 59 Jahre alt. Er hinterlässt eine Frau und vier Söhne.

Im Sommer dieses Jahres ist auch L. ins Koma gefallen, ein anderer Bruder unserer Gemeinde. Nach einem Herzstillstand war sein Gehirn wohl etwa zehn Minuten ohne Versorgung. Aber nach mehreren Wochen erwachte er. Er hat sich sehr weitgehend erholt und alles spricht dafür, dass keine wesentlichen Beeinträchtigungen verbleiben werden. L. ist etwa gleich alt wie N., auch er hat vier Kinder. Beide gehörten zur Kerngemeinde, gingen ihren Weg mit Gott, für beide wurde viel gebetet, intensiv, und auch verzweifelt. Warum L., warum nicht N.? 

Das wirkt beinahe erfunden, nicht wahr, fast wie ein Gleichnis. Aber es ist die reine Wahrheit. Mich erinnert es an den Bibelvers der Woche 04/2024. Im Gefängnis, dem Vorhof des Todes, trifft Josef auf den Mundschenk und den Bäcker des Pharao. Der Mundschenk wird begnadigt, der Bäcker aber gehängt. Der Ratschluss Gottes und des Pharao, und Josef erfährt ihn im Traum. Von Gründen erfährt er nichts. 

Jesus gibt dem Teufel eine Antwort. Es stehe auch geschrieben, so Jesus, dass wir den Herrn, unseren Gott, nicht versuchen dürfen. Vom Turm zu springen, hieße Gott zwingen zu wollen. Gott ist unverfügbar. Am Anfang und am Ende. Für Martin Luther war es die Frage seines Lebens: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Unter den Antworten, auf die er im Laufe seines Lebens stieß, ist sola gratia vielleicht die wichtigste: Allein durch Gnade. Das ist in machtvoller Weise zirkulär. Wir können uns die Gnade nicht verdienen. Oder mit Gebeten erzwingen. 

Der Teufel ist der Verwirrer. Wenn er Psalmen wörtlich zitiert, so dürfen wir davon ausgehen, dass seine Interpretation in die Irre leiten will. Nein, es ist nicht nur der Sohn Gottes gemeint. Und noch einmal nein, die Zusage kann nicht eingefordert werden. Sie gilt dem, der ‚unter dem Schirm des Höchsten sitzt‘, dem Gott gnädig ist, den er in dieser Welt behalten will. Wer das ist, entscheidet Er. Der HERR spricht: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich (2. Mose 33,19).

Das ist schwer zu akzeptieren, schwer zu tragen. Juden beten Psalm 91 auf Beerdigungen. Darin steckt eine Interpretation. Zum Ende seiner Traueransprache für N. sagte unser Pfarrer, dass der Herr unseren Ausgang und unseren Eingang behüten möge — unseren Ausgang aus dieser Welt und unseren Eingang in eine neue Welt, in der Gott all unsere Tränen abwischt…! 

So sei es.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 31/2024

…und waren alle vier eines wie das andere, als wäre ein Rad im andern.
Hes 10,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Ich bin, der ich sein werde

Jahrhundertelang war seine Wohnung der Tempel, den Salomo ihm gebaut hatte. Ihm, dem eigentlich ort- und zeitlosen Gott, den niemand sehen konnte, ohne zu sterben. So glaubten die Judäer. Alles, was Gott betraf, sollte ausschließlich im Tempel stattfinden, und eine gewaltige Priesterkaste wachte über die Einhaltung der immer komplexer werdenden Regeln. Und — so war die Vermutung — wenn und solange der allmächtige Gott in Jerusalem residierte, könne der Stadt nichts geschehen.  

Nun aber hatte Gott den Untergang Jerusalems und des judäischen Staats beschlossen. Und wenn es sie je gegeben hat: jetzt löste sich die räumliche Klammer. Hesekiel war nach Babylon verschleppt worden, und er hatte eine gewaltige Vision.

Er sieht einenThronwagen, begleitet von vier Cherubim. Ein Thron mit vier Rädern. Jedes dieser Räder ist frei drehbar aufgehängt und kann in jede Richtung gestellt werden. Änderungen der Richtung machen die Räder stets gemeinsam, wie bei einem Einkaufswagen. Und die Räder sind geistbegabt: jedem ‚Rad‘ ist ein Cherub beigestellt, der vier Gesichter hat und in jede Richtung schauen kann, ohne den Kopf zu drehen, selbst ganz den Rädern vergleichbar.

Hesekiel sieht diesen Thronwagen zweimal: in Hes 1 bei seiner Berufung am Fluß Keba und noch einmal (Hes 10 und 11), als er aus weiter Ferne geistig sieht, wie Gottes Gegenwart den Tempel und Jerusalem verlässt und der Untergang der Stadt bevorsteht.

Diese beiden Texte haben im Judentum sehr große Bedeutung — sie sind Referenzpunkt einer eigenen Mystik, die nach dem Thronwagen (Merkaba) benannt ist. Anderen sind die detaillierten Beschreibungen Beleg für einen Besuch Außerirdischer. 

Eine tiefgehende Erörterung mute ich mir nicht zu. Aber das Bildelement unseres Verses lässt sich gut deuten. Die Räder des Thronwagens spielen eine überrschend große Rolle in den Beschreibungen. Sie stehen für vollkommene Mobilität — ja, überirdische Mobilität, denn frei aufgehängte und beliebig auszurichtende Räder gab es seinerzeit gar nicht. Der „Thronwagen“ ist eine Art Kreuzung zwischen einem Thron, der Macht in statischer Weise repräsentiert und einem Streitwagen. Auch Streitwagen symbolisieren Macht, mobile Macht, die wie ein Blitz über die feindliche Armee kommt. Nun hatten Streitwagen typischerweise zwei Räder, vierrädrige Gefährte waren schwer zu lenken. Hier liegt der springende Punkt der Vision: Der Prophet sieht den Herrn in einem Gefährt, dass sich aus der Luft auf die Erde senken kann und dort uneingeschränkt frei beweglich ist, dennoch aber der Gegenwart Gottes breiten Raum geben kann.

Gott ist, der er sein wird. Er ist, wo er sein will. Das ist der Hintergrund für Hesekiels Berufung weit im Innern Babyloniens. Und Gottes Geschichte mit den Menschen ist nicht zu Ende, als Jerusalem fällt und vernichtet wird. 

Der Herr sei immer mit uns, auch wenn wir weit reisen!
Ulf von Kalckreuth 

Bibelvers der Woche 41/2023

The LORD said that he would dwell in the thick darkness

So habe ich nun ein Haus gebaut dir zur Wohnung, einen Sitz, dass du ewiglich da wohnest.
1 Kö 8,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Unverfügbar

Salomo spricht. Vor versammeltem Volk eröffnet er den Tempel des Herrn. Im Zusammenhang lautet der Vers: Da sprach Salomo: Die Sonne hat der HERR an den Himmel gestellt; er hat aber gesagt, er wolle im Dunkel wohnen. So habe ich nun ein Haus gebaut dir zur Wohnung, eine Stätte, dass du ewiglich da wohnest.

Salomo verweist auf die Vergangenheit, als früher schon das ganze Volk vor Gott stand. Das war am Horeb, als Gott die zehn Gebote gab. Mose musste Mittler sein, weil das Volk Gottes Gegenwart nicht ertrug — So stand das Volk von ferne, aber Mose nahte sich dem Dunkel, darinnen Gott war (2. Mose 20,21).

Gott, der sich Mose offenbarte, ist überörtlich und überzeitlich, er war, der er sein wird, und er zeigt sich, wem er will, wo er will und wann. Unverfügbar. Salomos Werk war der Tempel, das große Interface zwischen Gott und Mensch. Ort des Opfers, des Gebets, des heiligen Gesangs. Einziger Ort für all dies, für die Verehrung Gottes. Um den Tempel herum gründete sich eine Bürokratie, die Zugang gewährte oder verwehrte, ein Steuersystem, eine beamtete Priesterkaste, die Verschränkung von Staat und Kult. 

Ist es recht, dem großen Gott, der im Dunkel wohnen will, ein Haus zu bauen? Zu zeigen, wo Gott wohnt, und damit auch, wo er nicht wohnt? 

Die Gnade unseres dunklen Gotts sei mit uns allen,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 11/2021

Seine Augen sind wie eine Feuerflamme, und auf seinem Haupt viele Kronen; und er hatte einen Namen geschrieben, den niemand wusste denn er selbst.
Off 19,12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Namen

Die Offenbarung des Johannes beschreibt den Untergang der alten Welt und die Heraufkunft einer neuen. In Kapitel 19 hat der Endkampf den Höhepunkt erreicht. Die Hure Babylon, sie steht für das römische Weltreich, ist untergegangen. Nun tritt Christus selbst auf. Er führt seine Heiligen und Engel in den Kampf gegen „das Tier“, den Antichrist. Jener führt ein mächtiges Bündnis der Könige der Welt, er steht vielleicht für die Macht der Welt an sich. Vor ziemlich genau einem Jahr, in Woche 13 /2020, hatten wir einen Vers aus demselben Kapitel gezogen.

Vor der Entscheidungsschlacht steht die Vorstellung des Protagonisten. Wir hatten ihn kennengelernt als Heiler, Prediger, Lehrer, Prophet und leidender Gottesknecht. In diesem Abschnitt aber ist er Kämpfer, Führer, König — ganz Messias. Er richtet und kämpft mit Gerechtigkeit, so heißt es. Im Endkampf von Gut und Böse ist von Liebe, Mitleid, Erbarmen und Gnade keine Rede. Hier ist der ganze Abschnitt: 

Und ich sah den Himmel aufgetan; und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hieß: Treu und Wahrhaftig, und er richtet und kämpft mit Gerechtigkeit. Und seine Augen sind wie eine Feuerflamme, und auf seinem Haupt sind viele Kronen; und er trug einen Namen geschrieben, den niemand kannte als er selbst. Und er war angetan mit einem Gewand, das in Blut getaucht war, und sein Name ist: Das Wort Gottes. Und ihm folgten die Heere im Himmel auf weißen Pferden, angetan mit weißer, reiner Seide. Und aus seinem Munde ging ein scharfes Schwert, dass er damit die Völker schlage; und er wird sie regieren mit eisernem Stabe; und er tritt die Kelter, voll vom Wein des grimmigen Zornes Gottes, des Allmächtigen, und trägt einen Namen geschrieben auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte: König aller Könige und Herr aller Herren. (Off 19, 11-16)

Dem Christus werden Namen beigegeben. Nach alter Tradition offenbaren Namen die Eigenschaften des Bezeichneten. Sie stehen für seine Identität, und machen ihn in gewisser Weise verfügbar. Die Nennung steht in Entsprechung, aber auch in gewissem Kontrast zu Jes 9,5: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst“. 

Die hier genannten Namen sind „Treu und Wahrhaftig“, „Wort Gottes“ und „König aller Könige, Herr aller Herren“. Im gezogenen Vers ist darüber hinaus von einem vierten Namen die Rede. Er wird nicht genannt, weil er nicht genannt werden kann, weil niemand ihn weiß denn er selbst. 

Gott hat viele Namen in der Bibel. Als er sich offenbaren, nahbar machen will, stellt er sich Mose mit seinem Eigennamen vor. Wir haben diesen Namen teilweise vergessen: Die Konsonanten kennen wir noch, nicht mehr die Vokale. Das setzt der Verfügbarkeit Grenzen. Mit der Gestalt des Christus ist es vergleichbar. Wir sind mit ihr vertraut — dafür stehen die bekannten Namen. Aber Wesentliches an ihr bleibt unverfügbar, bleibt ein Geheimnis.

Die Bilder des Abschnitts sind in mancherlei Hinsicht erschreckend. Aber ich denke an den Reiter auf dem weissen Pferd, dem die Heere des Himmels folgen, sie alle angetan mit weisser Seide, und ich empfinde in eigentümlicher Weise Trost dabei. Oh when the saints go marching in… Vielleicht kommt es am Ende auf das an, was wir nicht wissen.

Gottes Segen sei mit uns in dieser Woche und immer
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 40/2019

Es möchten vielleicht fünf weniger denn fünfzig Gerechte darin sein; wolltest du denn die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben.
Gen 18, 28

Hier ist der Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Eine Disputation — um die Existenz einer großen Stadt

Wenn man genau liest, ist in dem Vers die ganze Geschichte schon enthalten. Zwei Sprecher gibt es, Abraham und den Herrn, und es geht um die Existenz einer Stadt: Sodom. Der Herr enthüllt seinem erwählten Gegenüber, Abraham, gesprächsweise seinen Ratschluss: er will die Stadt vernichten, ihrer Sünden wegen. Für Abraham ist das katastrophal, nicht nur allgemein menschlich, sondern auch persönlich. In der Stadt lebt sein Bruder Lot, von dem er sich kürzlich erst getrennt hat, mit seiner Familie.

Abraham bleibt geradezu unheimlich ruhig. Er beschließt, seine Stellung als Gegenüber des Herrn zu nutzen und verwickelt ihn in ein moralphilosophisches Streitgespräch — Mensch gegen Gott –, das er mit vollem Einsatz führt. Er wächst dabei über sich selbst und die Möglichkeiten seiner Zeit weit hinaus. 

Abraham macht eine Prämisse über das Wesen von Gerechtigkeit: Gerechtigkeit behandelt Gleiches gleich, Ungleiches aber ungleich. „Das sei ferne von Dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, so dass der Gerechte gleich wäre wie der Gottlose. Das sei ferne von Dir. Soll der Richter dieser Welt nicht gerecht richten?“  Der Rest von Abrahams Argument ist induktiv:

Induktionsanfang: Du bist gerecht. Nimm an, es gebe 50 Gerechte in der Stadt. Dann kannst du nicht fünfzig Gerechten mit den Ungerechten töten.

Der Herr akzeptiert den Induktionsanfang mit k = 50. Damit akzeptiert er auch Abrahams Prämisse zum Wesen der Gerechtigkeit. 

Dann folgt der gezogene Bibelvers. Wenn es fünf weniger sind als fünfzig, dann ist es mit der Prämisse vom Wesen der Gerechtigkeit nicht vereinbar, die Stadt zu vernichten, weil dann mit den fünf Ungerechten die fünfundvierzig Gerechten sterben. Man beachte, dass Abraham nunmehr die große Gesamtheit der ungerechten Bewohner Sodoms außer Betracht lässt und nur auf die kleine Zahl der fünfzig möglicherweise Gerechten abhebt. 

Induktionsschritt: Wenn unter k Personen einer ungerecht ist, die anderen k-1 aber gerecht, so wäre es ungerecht, die k-1 Gerechten umkommen zu lassen wegen eines Ungerechten.

Der Herr akzeptiert auch den Induktionsschritt. Abraham ist jetzt in einer sehr starken Position. Die Induktion endet bei k=1. Erst, wenn es gar keinen Gerechten mehr gibt, führt der Induktionsschritt ins Leere. Sehr verbindlich, aber in der Sache absolut kompromisslos, führt Abraham die Induktion durch: 50, 45, 40, 30, 20, 10. Der Herr bestätigt jedes Mal. 

Aber nach der 10 bricht er das Gespräch ab und lässt Abraham stehen. Ist der Induktionsschritt falsch? Oder gar die Prämisse? 

Nein. Der Herr schlägt einen anderen Weg ein. Mit Hilfe seiner Engel betrachtet und prüft er die Stadt. In einer alptraumhaften Szene stellt sich dabei heraus, dass es in Sodom nur einen einzigen (halbwegs) gerechten Einwohner gibt: Abrahams Bruder Lot — dessen Entscheidung, das Gastrecht über das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner beiden Töchter zu stellen, sich durchaus angreifen ließe. Der Herr geleitet ihn und seine Töchter aus der Stadt, er lässt also nicht die Gerechten sterben mit den Ungerechten. 

Für mich ist es atemberaubend, wie leicht Abrahams Argument in eine anspruchsvolle formal-logische Gestalt gebracht werden kann. Die Vätergeschichten in der Genesis gehören zu den ältesten Teilen der Bibel. Als sie aufgezeichnet wurden, gab es noch keine Philosophie und keine Logik.  Aber die Szene hat auch etwas Gruseliges. Hier führen zwei einen Diskurs, der in eine Jeschiva oder eine philosophische Akademie zu gehören scheint — dabei geht es um das Leben einer Vielzahl von Menschen. 

In dieser Geschichte akzeptiert der Herr der Welt die Forderungen und Beschränkungen, die das Wesen von Gerechtigkeit ausmachen. Nicht notwendigerweise aber in der Weise, die wir für die richtige halten. Abrahams Argument ist mächtig, noch mächtiger ist Gott, der einen anderen Weg geht, seine Gerechtigkeit zu wahren. In dieser Geschichte sieht man sogar, wie dies geschieht. In unserer Lebenswirklichkeit können wir es oft nicht sehen.

            Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.

Das sagt der Herr hinsichtlich der Stadt, bevor er Abraham verlässt. Im Judentum leitet sich daraus die Vorstellung ab, es müsse zu jedem Zeitpunkt auf der Welt zehn Gerechte geben, damit die Welt fortbestehen kann, zehn Gerechte, irgendwo. 

Abrahams Vernunft hat nicht genügt, Sodom zu retten. Ich wünsche uns eine Woche in Gottes Frieden, der höher ist als alle Vernunft. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 29/2019

Da sie aber dieselbe dahin getragen hatten, ward durch die Hand des HErrn in der Stadt ein sehr großer Schrecken, und er schlug die Leute in der Stadt, beide, klein und groß, also daß an ihnen Beulen ausbrachen.
1 Sa 5,9

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Unverfügbarkeit

Diese Geschichte trägt archaisch-magische Züge. Im Kampf gegen die Philister, die mächtigen Erzfeinde an der Küste, erinnern sich die Israeliten an die Bundeslade. Sie soll ihnen zusätzliche Kraft verleihen und die Israeliten bringen sie aus dem Heiligtum in Silo an die Front. Die Schlacht nimmt für die Israeliten einen verheerenden Ausgang mit hohen Verlusten und die Philister erobern die Bundeslade. Aber wo auch immer sie die Lade dann hinführen, folgen Schrecken, Krankheit und Tod, namentlich in Aschdod und der Stadt Gat, auf die unser Vers sich bezieht. Schließlich geben die Philister auf. Auf einem führerlosen Wagen, gezogen von zwei säugenden Kühen ohne Kälber, deren Euter prallvoll ist und die daher unentwegt brüllen, bewegt sich die Lade „von selbst“ zurück auf israelitische Gefilde. 

Die Lade gewinnt hier ein unheimliches Eigenleben. Man kann sagen, dass es mit den Philistern die Feinde Israels trifft — so weit, „so gut“. Aber im hebräischen Lager ändert sie ihr Verhalten nicht. Als sie nach Bet Schemesch zurückkehrt, und die Menschen dort „ihre Augen aufhoben, sahen sie die Lade und freuten sich, sie zu sehen“. Aber dann sterben 70 Menschen gerade deshalb, weil sie die Lade gesehen haben, und die Bewohner geben sie in Panik an die Ortschaft Kirjat-Jearim weiter. Später, bei der Überführung nach Jerusalem durch David, wird sein Knecht Usa getötet bei dem Versuch, einen Sturz der Lade vom Wagen aufzufangen: der Verstoß gegen das Verbot, die Lade zu berühren, wird sofort geahndet. David ist entsetzt und lässt die Lade im Hause eines Nicht-Israeliten aus Gat abstellen. Diesem aber gereicht die Lade sichtbar zum Segen. David fasst Mut und lässt sie schließlich doch nach Jerusalem bringen. 

Die Lade steht für den Bund der Israeliten mit ihrem Gott und gleichzeitig für seine Gegenwart. Sie enthält die Tafeln mit den zehn Geboten, dem Kern der Weisungen Gottes an sein Volk, darüber hinaus zeitweise auch den Aaronsstab und einen goldenen Krug mit Manna. Während der Wüstenwanderung war Gottes Gegenwart für die Israeliten in besonderer Weise in der Nähe der Lade wahrnehmbar. Der Gott der Israeliten war nicht an ein bestimmtes Territorium gebunden, er war mit den Menschen, wo immer auch diese hinzogen. Nicht unähnlich den Sippengöttern im Vorderen Orient, die von nomadisch lebenden Großfamilien herumgeführt wurden (BdW 2018/26 berichtet, wie Rahel seinem Vater Laban den Sippengott stiehlt.) Spätestens mit der Offenbarung am Sinai aber erklärt sich der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs zum Gott eines ganzen Volks. In der Zeit der Wüstenwanderung ist dies kein Widerspruch: Gott begleitet und schützt sein Volk, wo auch immer es sich hinbewegt, und die mobile Lade markiert gleichzeitig seine Präsenz und seine Ortslosigkeit. Ein König war nicht nötig. Gott war König.          

Was wir nun sehen, mehrere Jahrhunderte später, ist nun aber beinahe ein Zerrbild der Wüstenwanderung: die Lade vollzieht ständige Ortswechsel, im Land der Philister und dem der Hebräer, begleitet von Schrecken und tödlichen Vorfällen. „A lose cannon“ könnte man auf Englisch sagen, eine aus ihrer Lafette gerissene Kanone, die im Schiffsrumpf Verwüstungen anrichtet, getrieben vom Wellengang des Schiffs. Was kann es damit auf sich haben?

Vielleicht ist es hilfreich, die Geschichte in den geschichtlichen Kontext zu stellen. Die Landnahme ist erfolgt, und die Stämme Israels befinden sich in dauernden militärischen Auseinandersetzungen mit ihren Nachbarn. Die Richterzeit neigt sich dem Ende zu. Bald wird Samuel, der Richter und Prophet, im Auftrag Gottes den ersten König Israels benennen. In dieser Zwischenzeit der beginnenden Staatlichkeit steht die Lade für etwas altes und wichtiges, das es nun nicht mehr geben soll. Das Volk will ein Territorium, feste Grenzen, gesicherte Städte und einen König mit stehendem Heer, der all dies garantieren soll. Das passt nicht zu dem Urbild des Zugs Gottes mit seinem Volk durch eine ortslose Wüste, in der die Menschen mit Wachteln und Manna vom Himmel und Wasser aus dem Felsen überleben.

Hinter der Bundeslade steht Gottes Ortlosigkeit, seine Unverfügbarkeit. Sie verträgt sich nicht mit einem Staatskult, für den im Gegenteil Erwartbarkeit und Regelbindung konstitutiv und unverzichtbar ist. 

In 1 Sam 8 wird die Ambivalenz dieser Bewegung hin zur Staatlichkeit überdeutlich. Aber es soll geschehen, und es geschieht. Am Ende führt Salomo aus, was David selbst nicht mehr gelingt: er baut in Jerusalem den Tempel, ein großes Zentralheiligtum. In seinem Inneren, im Allerheiligsten, wird die Bundeslade fest einmauert, maximal unzugänglich: nur einmal im Jahr wird dieser Raum von einem Priester betreten. Der Widerspruch ist erst einmal beseitigt. Oder wenigstens für lange Zeit scheinbar sicher weggesperrt. Denn schließlich wird der Tempel zerstört, ein erstes Mal durch die Babylonier, ein zweites Mal durch die Römer. Bei der ersten Zerstörung geht die Lade verloren, bei der zweiten auch die noch vorhandenen staatlichen Strukturen und der feste Ort für das jüdische Volk. 

In gewisser Weise ist dies ja eine Rückkehr zu den Anfängen: Juden wie Christen siedeln überall, ihr Gott ist mit ihnen wo auch immer sie sind und dies in erster Linie durch sein Wort. Der Thoraschrein in den jüdischen Synagogen überall auf der Welt erinnert an die Bundeslade mit den Tafeln, und der Tabernakel tut dasselbe bei den Katholiken.  

Der Vers mag uns an Gottes Unverfügbarkeit erinnern, und an die Kraft und Unzerstörbarkeit, die darin liegt. Und daran vielleicht, dass diese Unverfügbarkeit auch ungemütlich werden kann. 

Ich wünsche Euch eine gute Woche auf dem sonderbaren Weg mit Gott,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 12/2019

Und man setzte sie ihm gegenüber, den Erstgeborenen nach seiner Erstgeburt und den Jüngsten nach seiner Jugend. Des verwunderten sie sich untereinander.
Gen 43,33

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Unverfügbar

Im September des vergangenen Jahrs hatten wir in Woche 36 einen Vers aus der Josephsgeschichte gezogen. Josephs Verwalter durchsucht das Gepäck der Brüder, bis er zuletzt den „gestohlenen“ Becher bei Benjamin findet. Zutiefst entehrt müssen die Brüder dem Verwalter folgen, als Gefangene. Die Betrachtung dazu enthält eine Einführung in die Josefsgeschichte.

Der jetzt gezogene Vers aus Genesis ist kurz vorher zu finden. Auf ihrer zweiten Fahrt nach Ägypten werden die elf Brüder an den Tisch Josephs mit den ägyptischen Würdenträgern geladen. Trennung und Machtgefälle werden deutlich. Joseph, die Ägypter und die Brüder erhalten je eigene Speisen, denn die Ägypter essen nicht mit den Hebräern, und Joseph als Vizekönig hat gesellschaftlich keine Gemeinsamkeit mit den Bittstellern aus Palästina. Aber Joseph tut etwas, das alle Anwesenden verblüfft. Den Ehrenplatz ihm gegenüber vergibt er doppelt: an den ältesten und den jüngsten der Söhne, Ruben und Benjamin. Ruben ist erstgeborener Sohn und Haupt der Sippe in Abwesenheit des Vaters. Benjamin ist der zweite Sohn von Rachel, er hat also als einziger nicht nur denselben Vater wie Joseph, sondern auch dieselbe Mutter. Und Joseph lässt den Brüdern von seinem Essen geben, Benjamin aber fünfmal mehr als den anderen. Mit der doppelten Besetzung des Ehrenplatzes achtet Joseph formal das Erstgeburtsrecht Rubens, gibt aber gleichzeitig seinen Präferenzen Raum.  

Dem Erstgeburtsrecht kommt in der Kultur der Hebräer ein geradezu verfassungsmäßiger Rang zu. Der Erstgeborene erhält den doppelten Erbteil und auf ihm ruht ein besonderer Segen. Er gehört Gott dem Herrn selbst und mußte durch ein besonderes Opfer ausgelöst werden — hier werden archaische Abgründe sichtbar. Die Erstgeburt berechtigt zur Priesterschaft und zur Stellvertretung des Vaters, solange Geschwister zusammenleben. Einfache Regeln haben eine wichtige friedensstiftende Funktion. Für das Recht der ersten Geburt gilt dies in besonderer Weise. Die Erbfolgekriege der Geschichte zeigen, was geschieht, wenn die einfachen Regeln versagen.

Die Regel wird jedoch in den Vätergeschichten immer wieder durchbrochen. In Kap. 49, am Ende der Josephgeschichte, benennt Jakob auf dem Totenbett das Erstgeburtsrecht Rubens ausdrücklich: „Ruben, mein erster Sohn bist du, meine Kraft und der Erstling meiner Stärke, der Oberste in der Würde und der Oberste in der Macht“. Das ist fast wie eine Definition. Im nächsten Atemzug aber entzieht er Ruben ebendieses Recht: „Du sollst nicht der Oberste bleiben, denn du bist auf deines Vaters Lager gestiegen, daselbst hast du das Bett entweiht, das du bestiegst.“Jakob gibt das Erstgeburtsrecht an Joseph, den er mit seinen Söhnen Ephraim und Manasse doppelt erben lässt. Was Jakob tut, ist nur wegen einer schweren sittlichen Verfehlung möglich, grundsätzlich war es nach hebräischem Recht ausdrücklich verboten. 5. Mose 21,15-17 bestimmt, dass ein Vater, der einen Erstgeborenen von einer ungeliebten Frau hat, auf keinen Fall das Recht der Erstgeburt an ein Kind der von ihm geliebten Frau weitergeben darf. Vielleicht bereitet der gezogene Vers mit dem geteilten Ehrenplatz den Entzug von Rubens Erstgeburtsrechts symbolisch vor. 

Mehr solche Brüche gibt es noch. Jakob selbst hat das Erstgeburtsrecht Esaus betrügerisch an sich gebracht. Und für die Folgegeneration zieht er seinen Enkel Ephraim dem erstgeborenen Manasse vor, an Joseph vorbei, gegen dessen Einspruch gar. In der Generation vorher wurden Ismael und seine Mutter Hagar von Abraham und Sarah in die Wüste gejagt. Das Motiv blitzt schon bei Kain und Abel auf: Eigentlich hätte nur Kain das Opfer vollziehen dürfen — den drohenden Verlust seines Erstgeburtsrechts verhindert er auf seine eigene Weise. Auf der Geschichte der Erwählung lastet eine rätselhafte, geradezu unheimliche Spannung, wie zwischen Kontinentalsockeln: ein wirkmächtiges und immer wieder bekräftigtes Prinzip wird immer wieder durchbrochen, in einem Kontext von Gewalt, Schande und Betrug.

Man kann versuchen, in dieser Dialektik von Regel und Verstoß einen in den ältesten Geschichten fortdauernden Rest einer archaischen Ultimogenitur zu finden. Dafür scheint es jedoch keine Belege zu geben. Richtiger ist es vielleicht, in der Bevorzugung der Jüngeren eine ausdrückliche Hervorhebung des Ausnahmecharakters zu sehen. Die Regel und ihre normative Kraft wird genutzt, um das Außergewöhnliche des Vorgangs besonders hervorzuheben. Es mag zwar das Erbe und sogar der väterliche Segen einer einfachen und akzeptierten Regel folgen —für Gott, für Seine Erwählung und für Seine Wege gilt dies aber gerade nicht. Hier gibt es keine Regel, auch nicht die Ultimogenitur, nur Sein Wille; hier gibt es nur Ausnahmen.  

Wie mögen Ruben und Benjamin sich gefühlt haben, als sie unvermittelt nebeneinandersaßen, dem fremden Herrscher gegenüber? Wie kamen sie mit den Extraportionen zurecht, die dem Jüngsten vor den Augen seiner Brüder aufgetischt bekam? Der Herr verleihe uns Abstand in dieser Woche, von uns selbst und von unseren Wertungen.
Ulf von Kalckreuth  

Bibelvers der Woche 09/2019

Meine Zeit ist dahin und von mir weggetan wie eines Hirten Hütte. Ich reiße mein Leben ab wie ein Weber; er bricht mich ab wie einen dünnen Faden; du machst’s mit mir ein Ende den Tag vor Abend.
Jes 38,12

Hier ist der Link für den Kontext des Verses, in der Lutherbibel 2017.

Und sie dreht sich doch… rückwärts!

Als ich ihn zog, hat der Vers mich sofort beeindruckt und erschreckt, ohne dass ich schon etwas über seinen Kontext wusste. Das ist sehr expressive Sprache: hier schreit jemand in höchster Todesnot. Ich glaubte zunächst, es sei Jesaja selbst. 

Aber es ist Hiskia, der hier schreit, König des Südreichs, großer Reformer, der viel dazu beigetragen hat, aus dem JHWH-Kult ein Judentum zu formen. Hiskia ist todkrank. Er weiß, dass er stirbt, und auch Jesaja weiß es. Der Prophet kommt, dem König auszurichten, dass er seine Dinge ordnen möge, er werde sterben, es sei vorbei. Hiskia wendet sein Angesicht zur Wand und betet. Da lässt der Herr Jesaja sagen, er habe sein Gebet erhört, er werde ihn retten, seinen Tagen noch fünfzehn Jahre zulegen und ihm außerdem gegen die Assyrer beistehen. Als Zeichen werde er den Schatten, der bereits die Stufen des Palasts heruntergegangen ist, wieder hinaufgehen lassen. „Da ging die Sonne die zehn Stufen zurück, die sie hinabgestiegen war“.

Unser Vers ist aus dem sog. Lied des Hiskia, Hiskias Gebet. Es ist ein Psalm, die nicht Psalter steht. Hier stirbt jemand, und stirbt am Ende doch nicht. Die Sonne, die Zeit, läuft rückwärts. Im Buch Josua lässt Gott die Sonne stillstehen, um Josua mehr Zeit in einer Schlacht zu geben. Hier ist es Hiskia, der mehr Zeit bekommt, ganze fünfzehn Jahre. 

Ein Wunder ist geschehen. War also mein Erschrecken unberechtigt? Ein Wunder ist die große Ausnahme, sonst ist es keines, die Regel war und ist eine ganz andere. „Wenn auch tausend fallen zu deiner Seite, …  so wird es doch dich nicht treffen“ — die Zusage aus Psalm 91, wem gilt sie denn? Den tausenden offenbar nicht. Die Antwort in Psalm 91 ist hermetisch: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,…“ Das erinnert sehr an Exodus 33,19: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich“. Sind dies wenige, viele, alle? Das unterliegt Gottes unverfügbarem Ratschluss. Wie Hiob hätten wir lieber einen Rechtsanspruch, am besten einklagbar. Aber den gibt es nicht. Es gibt Gnade. So brutal es klingt: wir sind Gott schutzlos ausgeliefert. 

Das Lied des Hiskia ist Bestandteil der Laudes im Totenoffizium der katholischen Kirche und damit in jedem Stundenbuch enthalten. Vielleicht sollte man es beten, bevor es zu spät ist, so wie Hiskia es tat. Es ist ein sehr eindrücklicher Text, ich füge das Lied in voller Länge an. 

„Der HERR hat mir geholfen, darum wollen wir singen und spielen, solange wir leben, im Hause des HERRN!“ 

Ich wünsche uns eine Woche unter dem Schirm des Höchsten.
Ulf von Kalckreuth

Dies ist das Lied Hiskias, des Königs von Juda, als er krank gewesen und von seiner Krankheit gesund geworden war:

Ich sprach: In der Mitte meines Lebens muss ich dahinfahren,
zu des Totenreichs Pforten bin ich befohlen für den Rest meiner Jahre.
Ich sprach: Nun werde ich nicht mehr sehen den HERRN,
ja, den HERRN im Lande der Lebendigen,
nicht mehr schauen die Menschen,
mit denen, die auf der Welt sind.
Meine Hütte ist abgebrochen
und über mir weggenommen wie eines Hirten Zelt.
Zu Ende gewebt hab ich mein Leben wie ein Weber;
er schneidet mich ab vom Faden.
Tag und Nacht gibst du mich preis;
bis zum Morgen schreie ich um Hilfe;
aber er zerbricht mir alle meine Knochen wie ein Löwe;
Tag und Nacht gibst du mich preis.
Ich zwitschere wie eine Schwalbe
und gurre wie eine Taube.
Meine Augen sehen verlangend nach oben:
Herr, ich leide Not, tritt für mich ein!
Was soll ich reden und was ihm sagen?
Er hat’s getan!
Entflohen ist all mein Schlaf
bei solcher Betrübnis meiner Seele.
Herr, davon lebt man,
und allein darin liegt meines Lebens Kraft:
Du lässt mich genesen
und am Leben bleiben.
Siehe, um Trost war mir sehr bange.
Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen,
dass sie nicht verdürbe;
denn du wirfst alle meine Sünden hinter dich zurück.
Denn die Toten loben dich nicht,
und der Tod rühmt dich nicht,
und die in die Grube fahren,
warten nicht auf deine Treue;
sondern allein, die da leben, loben dich so wie ich heute.
Der Vater macht den Kindern deine Treue kund.
Der HERR hat mir geholfen,
darum wollen wir singen und spielen,
solange wir leben,
im Hause des HERRN!