Bibelvers der Woche 42/2019

…und sprach zu ihnen: Ein jeglicher werfe weg die Greuel vor seinen Augen, und verunreinigt euch nicht an den Götzen Ägyptens! denn ich bin der HErr, euer Gott.
Hes 27,7

Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017

Nach Jeremia nun ein Vers von Hesekiel / Ezechiel. Die beiden Propheten haben gleichzeitig gewirkt, aber an verschiedenen Orten — Jeremia lebte bis zur Zerstörung der Stadt 587 in Jerusalem und musste dann nach Ägypten ziehen, während Hesekiel als junger Priester mit der ersten Gruppe der Exilanten im Jahr 597 nach Babylon kam und dort als Prophet wirkte. Ihre Perspektiven unterscheiden sich daher ein wenig — während Jeremias das Unheil kommen sieht und sich verzweifelt dagegenstemmt, ist Hesekiel zum selben Zeitpunkt bereits „überrollt“ — und er fragt sich, wie das geschehen konnte und wie es nun weitergeht. 

Seid rein vor mir, denn ich bin euer Gott!

Eine Delegation der Exilierten kommt zu Hesekiel, um den Herrn zu befragen. Der Herr lässt Hesekiel ausrichten, dass er nicht sprechen werde: „So wahr ich lebe, ich lasse mich nicht von Euch befragen“. Er fragt Hesekiel, ob dieser vielleicht Lust habe, das Volk zu richten, d.h. zu führen? Und dann erläutert Gott, warum er nicht mehr spricht.

Der Abschnitt unseres Verses ist beinahe wie ein Lied, mit dem gezogenen Vers oder Varianten davon als Refrain. Gott blickt auf die Geschichte des Volks zurück. Es wächst in Ägypten heran. Der Herr hatte den Vätern versprochen, es zu seinem Volk zu machen und ihm das Gelobte Land zu geben. Er stellt sich dem Volk in Ägypten vor und stellt nur diese eine Forderungen: seid rein vor mir, denn ich bin euer Gott. Es ist dies eine Form des ersten Gebots. Von anderen Geboten ist nicht die Rede, sie wurden noch nicht gegeben. 

Die Strophen des Liedes beschreiben, wie das Volk die Forderung nie erfüllt, und der Herr das Volk und sein Versprechen dennoch nicht verwirft, „um seines Namens willen“ — er hat sein Versprechen sichtbar für alle gegeben, er will es halten. Er versucht es immer neu: Er stellt sich Mose vor. Er führt das Volk in die Wüste, um es dort zu reinigen. Er gibt ihm Gebote, als Krücke, als Ausführungsbestimmung für die eine Grundforderung. Er gibt ihm das Land. 

Das Volk aber verehrt seine Götzen weiter. 

Gottes Gesprächsbereitschaft hat nun aufgehört — bis zu dem Punkt, wo die Gebote, die er gibt, nicht mehr alle gut sind und dem Leben dienen (Vers 25). Das erinnert ein wenig an den Vers der letzten Woche. Das Volk soll seinen Götzen dienen, wie es will. Und doch will Gott sein Versprechen, seine Vision von der Einheit von Mensch und Gott wahrmachen, das zerstreute Volk zusammenführen auf seinem heiligen Berg. Das steht am Ende des Abschnitts, und der Widerspruch könnte nicht krasser sein: an diesem Punkt ist kein Weg dorthin mehr sichtbar. 

Reinheit als Forderung, die vor allem anderen steht. Sonderbar. Das erinnert an 3. Mose 19,2: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott.“ Ich habe in dieser Woche eine eigenartige Erfahrung gemacht. In Luxemburg mache ich eine Fortbildung, die eigentlich eher eine statistische Grundausbildung ist. Als ich ankam, spät nachts, fand ich mich in einem Konvikt wieder. Es dauerte ein wenig bis ich verstanden hatte, wo ich bin: Die katholische Kirche hat auf ihrem großen, mehrere Gebäude umfassenden Ausbildungszentrum einen Hotelbetrieb errichtet, um Zimmer zu vermieten, die sie aktuell nicht braucht. Und alles in dieser Stadt ist so unglaublich teuer, dass selbst die Pizza unbezahlbar ist. Da ich neun bis zehn Stunden sitzen muss und mittags die Zeit und das Geld nicht fürs Essen reichen, laufe ich stattdessen im Luxemburger Festungsgraben. Sehr lange schon habe ich nicht mehr regelmäßig gejoggt, ich bin froh, dass ich die Laufsachen dabei habe. Abends esse ich einfach und vegetarisch. An den ersten Tagen regnet es pausenlos, so sehr, dass man das Grundstück — außer zum Joggen — kaum verlassen kann. Die Familie ist in den Ferien. Funkstille. Abends lese ich die Geschichte Jeremias von Franz Werfel. Ich bin unvorbereitet auf sehr eigenartige Weise reduziert, es ist beinahe wie im Kloster. Freude macht das nicht, aber es wirkt: der Wechsel aus Konzentration und Bewegung, wenig, aber gutes Essen und genügend Schlaf machen mich fokussiert und ruhig. 

Ich denke, der Vers hat etwas mit dieser Erfahrung zu tun. Reinheit hat den Charakter eines Meta-Gebots — über aller Drangsal von richtig und falsch steht die Forderung, sich nicht mit unnützem Ballast zu füllen, sondern sein Leben einfach zu führen. Mit dem Herrn, nicht gegen ihn. Die Gräuel vor unseren Augen sollen wir wegwerfen. Ägyptische Götzen sind dabei heute nicht mehr im Spiel, es ist all dasjenige, was uns hindert, die Wirklichkeit zu sehen. 

Heute ist Sonntag. Ich sitze draußen vor dem Stadtgraben, dem Val de Petrusse, und blicke – mit leichtem, aber merklichen Hungergefühl – in einen herrlichen, lichten und goldenen Herbst. Ein Gottesdienst nach anglikanischem Ritus liegt hinter mir, eine Jazz-Matinee und ein langer Spaziergang. Im Gottesdienst gab es ein Sündenbekenntnis und die Verkündung der Vergebung der Sünden.

Und ich wünsche uns die ganze nächste Woche so, in Reinheit.
Ulf von Kalckreuth

Luxembourg, Val de Petrusse, Frühherbst

Bibelvers der Woche 41/2019

Denn ich habe den Verderber über dich bestellt, einen jeglichen mit seinen Waffen; die sollen deine auserwählten Zedern umhauen und ins Feuer werfen.
Jer 22,7

Hier ist ein Link zur Lutherbibel 2017, für den Kontext des Verses.

Propheten und andere Werkzeuge Gottes

Wieder Jeremia, wie vor zwei Wochen. Dieser Vers mag exemplarisch für seine dunkle Seite stehen. Im vorhergehenden Abschnitt 21 wird erzählt, wie König Zedekia den Hohepriester Paschhur, den Erzfeind Jeremias, zu ihm entsendet um ihn zu fragen, welche Bewandtnis es mit dem Angriff des neubabylonischen König Nebukadnezars habe. Jeremia weiss, dass dies der Anfang vom Ende Judas und all dessen ist, was er gekannt hat. Der Herr hat den Untergang der Stadt beschlossen und ist ihr Feind geworden. Er wagt es, dies dem Hohenpriester und dem König mit deutlichen Worten zu sagen. Er empfiehlt die Kapitulation: nur derjenige, der die Stadt verlässt, wird Nebukadnezars Angriff überleben. Das ist nichts anderes als ein Aufruf zu Desertion und Fahnenflucht — mit dieser Antwort ist Jeremias Leben in unmittelbarer Gefahr. Mit seinem Leben hat er in Abschnitt 20 bereits abgeschlossen und es verflucht.

Jeremia ist nicht leicht zu lesen, und der Abschnitt um den Vers gehört zu den härteren. Abschnitt 22 ist ein Rückblick auf andere prophetische Botschaften, an und über die Könige Judas vor Zedekia. Das Buch Jeremia ist nicht chronologisch geordnet. Der Text ist vielmehr nach inhaltlichen Gesichtspunkten strukturiert, manchmal beinahe assoziativ. Ständig gibt es Rückblicke nach hinten und Verweise nach vorn. Vielleicht hat das mit seinen Entstehungsbedingungen aus mehreren Quellen zu tun, es ist aber im Grunde nicht unpassend für den Bericht über das Leben eines Propheten, für den die Worte Vergangenheit und Zukunft nicht dieselbe Bedeutung haben wie für uns. Wir wissen nicht, an welchen König sich die Botschaft um den gezogenen Vers herum eigentlich richtet. Bei den anderen Prophezeiungen des Abschnitts sind die Bezüge benannt, hier nicht. Sie mag also allen Königen gelten. Stimmung und Aussage ist in der Tat typisch für Jeremias Grundbotschaft, die sich im Lauf der Zeit wenig ändert, nur immer präziser wird. 

Jeremia sagt, Gott habe für das Königshaus Verderber bestellt, mit verschiedenen und je eigenen Waffen. Im hebräischen Text und in allen modernen Übersetzungen steht „Verderber“ im Plural — der Singular in der alten Lutherübersetzung 1912 soll vielleicht eine Assoziation mit dem Satan wecken. Das ist schwer zu verteidigen. Im hebräischen Text steht für „bestellt“ wörtlich „heiligen“. Man würde dieses Wort zum Beispiel für die Berufung eines Propheten oder die Bestimmung eines heiligen Bezirks verwenden. Das Königshaus wird also von Gott eben nicht „zum Teufel geschickt“, seine Vernichtung ist vielmehr ein sakraler Akt, eine Art Opferhandlung. Dazu passt, dass Jeremia König Nebukadnezar, den Herrscher des heidnischen Babylon, den Zerstörer Judas, immer wieder als Werkzeug des Herrn bezeichnet.

Während die dem König Zedekia in Abschnitt 21 angekündigte Vernichtung bereits ausweglos ist, ist das Ende des Königshauses in dem nachgeschobenen Rückblick um den gezogenen Vers herum noch bedingt — darauf, nämlich, dass das Königshaus nicht doch noch umkehrt. Der Absatz um den Vers sagt auch, worum es geht, was geändert werden muß: die moralische Verworfenheit der Elite, ihre Gleichgültigkeit gegenüber grundlegenden Prinzipien von Recht und Gerechtigkeit.

Mit seiner Sprache und seinen Botschaften ist Jeremia für fast alle Menschen seiner Umgebung unerträglich. Dabei ist er als Sprachrohr Gottes ohne rechte Wahl und er ist sich in dieser Rolle oft genug selbst unerträglich. Mir fällt bei dem Vers und dem Abschnitt ein Video ein, dass ich kürzlich gesehen habe. Greta Thunberg, sechzehnjährige Schülerin aus Schweden mit Asperger-Syndrom, spricht vor der Vollversammlung der Uno. Mit einem Gesicht verzerrt von Schmerz und Hass sagt sie, schreit sie fast, die Politiker auf den Bänken vor ihr hätten ihr das Leben gestohlen — sie sollte in ihrem Alter mit ihren Freundinnen unterwegs sein statt sich um Politik zu kümmern. Und sie und alle anderen würden immer nur belogen, von Leuten, die das eine sagen und das andere täten. „How can you dare“ fragt sie mehrmals, „How can you dare?“

Da ist sehr viel von Jeremia. Die (hier ebenfalls noch bedingt) angekündigte Vernichtung, der Vorwurf der moralischen Verkommenheit, und auch das Leiden desjenigen, der dies alles aussprechen und die Folgen tragen muß. Ich will nicht darüber reden, ob Greta Thunberg der vor ihr sitzenden Angela Merkel in jeder Weise gerecht geworden ist, obwohl es reizvoll wäre. Thunberg hat in New York als Prophetin, als Künderin, gesprochen. So wird sie auch gesehen. Sie füllt eine Rolle aus, die viel zu groß für sie ist, und sie wird das bezahlen müssen. 

Aber Thunberg ist keine Prophetin, nicht wahr? Sie spricht nicht im Namen Gottes wie Jeremia und die anderen, sondern im Namen der Wissenschaft — ungewöhnlich eigentlich für ein sechzehnjähriges Mädchen. Die Wissenschaft ist das höhere Wesen, das wir noch kennen, den Namen Gottes haben wir vergessen. Das verwirrt mich. Es gibt keine Propheten mehr, und doch ist da jemand, die so sehr Künderin ist. 

Prophetin ohne Gott? Spricht Gott auch durch Menschen, die sich nicht auf ihn beziehen? Auf diese Frage gibt unser Vers ja nebenbei einen Hinweis… Ich wünsche uns, nicht nur für die kommende Woche, dass wir die Zeichen an der Wand lesen lernen, die Gott uns schreibt. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 40/2019

Es möchten vielleicht fünf weniger denn fünfzig Gerechte darin sein; wolltest du denn die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben.
Gen 18, 28

Hier ist der Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Eine Disputation — um die Existenz einer großen Stadt

Wenn man genau liest, ist in dem Vers die ganze Geschichte schon enthalten. Zwei Sprecher gibt es, Abraham und den Herrn, und es geht um die Existenz einer Stadt: Sodom. Der Herr enthüllt seinem erwählten Gegenüber, Abraham, gesprächsweise seinen Ratschluss: er will die Stadt vernichten, ihrer Sünden wegen. Für Abraham ist das katastrophal, nicht nur allgemein menschlich, sondern auch persönlich. In der Stadt lebt sein Bruder Lot, von dem er sich kürzlich erst getrennt hat, mit seiner Familie.

Abraham bleibt geradezu unheimlich ruhig. Er beschließt, seine Stellung als Gegenüber des Herrn zu nutzen und verwickelt ihn in ein moralphilosophisches Streitgespräch — Mensch gegen Gott –, das er mit vollem Einsatz führt. Er wächst dabei über sich selbst und die Möglichkeiten seiner Zeit weit hinaus. 

Abraham macht eine Prämisse über das Wesen von Gerechtigkeit: Gerechtigkeit behandelt Gleiches gleich, Ungleiches aber ungleich. „Das sei ferne von Dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, so dass der Gerechte gleich wäre wie der Gottlose. Das sei ferne von Dir. Soll der Richter dieser Welt nicht gerecht richten?“  Der Rest von Abrahams Argument ist induktiv:

Induktionsanfang: Du bist gerecht. Nimm an, es gebe 50 Gerechte in der Stadt. Dann kannst du nicht fünfzig Gerechten mit den Ungerechten töten.

Der Herr akzeptiert den Induktionsanfang mit k = 50. Damit akzeptiert er auch Abrahams Prämisse zum Wesen der Gerechtigkeit. 

Dann folgt der gezogene Bibelvers. Wenn es fünf weniger sind als fünfzig, dann ist es mit der Prämisse vom Wesen der Gerechtigkeit nicht vereinbar, die Stadt zu vernichten, weil dann mit den fünf Ungerechten die fünfundvierzig Gerechten sterben. Man beachte, dass Abraham nunmehr die große Gesamtheit der ungerechten Bewohner Sodoms außer Betracht lässt und nur auf die kleine Zahl der fünfzig möglicherweise Gerechten abhebt. 

Induktionsschritt: Wenn unter k Personen einer ungerecht ist, die anderen k-1 aber gerecht, so wäre es ungerecht, die k-1 Gerechten umkommen zu lassen wegen eines Ungerechten.

Der Herr akzeptiert auch den Induktionsschritt. Abraham ist jetzt in einer sehr starken Position. Die Induktion endet bei k=1. Erst, wenn es gar keinen Gerechten mehr gibt, führt der Induktionsschritt ins Leere. Sehr verbindlich, aber in der Sache absolut kompromisslos, führt Abraham die Induktion durch: 50, 45, 40, 30, 20, 10. Der Herr bestätigt jedes Mal. 

Aber nach der 10 bricht er das Gespräch ab und lässt Abraham stehen. Ist der Induktionsschritt falsch? Oder gar die Prämisse? 

Nein. Der Herr schlägt einen anderen Weg ein. Mit Hilfe seiner Engel betrachtet und prüft er die Stadt. In einer alptraumhaften Szene stellt sich dabei heraus, dass es in Sodom nur einen einzigen (halbwegs) gerechten Einwohner gibt: Abrahams Bruder Lot — dessen Entscheidung, das Gastrecht über das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner beiden Töchter zu stellen, sich durchaus angreifen ließe. Der Herr geleitet ihn und seine Töchter aus der Stadt, er lässt also nicht die Gerechten sterben mit den Ungerechten. 

Für mich ist es atemberaubend, wie leicht Abrahams Argument in eine anspruchsvolle formal-logische Gestalt gebracht werden kann. Die Vätergeschichten in der Genesis gehören zu den ältesten Teilen der Bibel. Als sie aufgezeichnet wurden, gab es noch keine Philosophie und keine Logik.  Aber die Szene hat auch etwas Gruseliges. Hier führen zwei einen Diskurs, der in eine Jeschiva oder eine philosophische Akademie zu gehören scheint — dabei geht es um das Leben einer Vielzahl von Menschen. 

In dieser Geschichte akzeptiert der Herr der Welt die Forderungen und Beschränkungen, die das Wesen von Gerechtigkeit ausmachen. Nicht notwendigerweise aber in der Weise, die wir für die richtige halten. Abrahams Argument ist mächtig, noch mächtiger ist Gott, der einen anderen Weg geht, seine Gerechtigkeit zu wahren. In dieser Geschichte sieht man sogar, wie dies geschieht. In unserer Lebenswirklichkeit können wir es oft nicht sehen.

            Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.

Das sagt der Herr hinsichtlich der Stadt, bevor er Abraham verlässt. Im Judentum leitet sich daraus die Vorstellung ab, es müsse zu jedem Zeitpunkt auf der Welt zehn Gerechte geben, damit die Welt fortbestehen kann, zehn Gerechte, irgendwo. 

Abrahams Vernunft hat nicht genügt, Sodom zu retten. Ich wünsche uns eine Woche in Gottes Frieden, der höher ist als alle Vernunft. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 39/2019

…kamen sie zu Gedalja gen Mizpa, nämlich Ismael, der Sohn Nethanjas, Johanan und Jonathan, die Söhne Kareahs, und Seraja, der Sohn Thanhumeths, und die Söhne Ephais von Netopha und Jesanja, der Sohn eines Maachathiters, samt ihren Männern.
Jer 40,8

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Trümmerblume

Viele Namen gibt es in diesem Vers… Die Geschichte Judas, die große Geschichte, die von Königen, Reichen, Armeen, Städten, Siegen und Niederlagen handelt, ist zu Ende. Jerusalem ist erobert und niedergebrannt, seine Mauern und Festungen geschleift, der König getötet, der Tempel beraubt und zerstört, ein Großteil der Einwohnerschaft hinweggeführt, soweit nicht vorher schon Hunger, Pest und Schwert das ihre getan hatten. All das, was Jeremia über lange Jahre hin immer deutlicher drohend über der Stadt hängen sieht und sagt, ist auf sie niedergefallen. 

Im Buch Jeremia gibt es zwei große, treibende Themen. Das eine ist die unabwendbar werdende Vernichtung, die sehr präzise geschildert wird, das andere die trotz allem weiterbestehende Heilszusage Gottes an sein Volk. Die beiden Motive schließen sich eigentlich aus, aber das Buch geht in einen akrobatisch anmutenden Spagat und hält sie gleichzeitig hoch. Das hat eine Menge mit unserem Leben zu tun, wenn man darüber nachdenkt.

Jeremia gelingt es nicht, die beiden Motive nachhaltig in eine Synthese zu führen. Die in aller Schärfe gestellte Frage wird eigentlich erst in den Evangelien beantwortet, in der Erzählung von Gottes Heil, das getötet wird und wieder aufersteht. Aber es gibt Andeutungen: Jeremia kauft einen Acker in seiner Heimatstadt Anatot, die ihn verstoßen hat und tut dies gefangen in einem Verlies in der Stadt Jerusalem, die ihrerseits ausweglos von Feinden umstellt ist. Er erhält von Gott die Zusage, dass die Zeit kommen wird, in der man wieder sät und erntet, in der geheiratet und vererbt wird. Und auch die Geschichte um unseren Vers spricht so. Die große Geschichte ist vorbei, aber die kleine Geschichte, die der Männer, Frauen und Kinder, kann weitergehen und sich vielleicht irgendwann wieder zu einer großen Erzählung zusammenfinden. 

Nebukadnezar hat Gedalja zum Statthalter ernannt. Gedalja kommt aus einer Familie von Ministerialen am judäischen Hof, die mit dem Königshaus nicht verwandt waren. Der Statthalter ist anfangs fast allein in Mizpa, das Land ist verwaist. Jeremia gesellt sich zu ihm, nachdem er seine Freiheit wieder erlangt hat. Aber auch andere kommen, einzelne Führer mit ihren Leuten. Der Satz, dessen zweiter Teil der gezogene Vers ist, lautet im Zusammenhang:

Als nun die Hauptleute, die samt ihren Leuten noch im Lande verstreut waren, erfuhren, dass der König von Babel Gedalja, den Sohn Ahikams, über das Land gesetzt hatte und über die Männer, Frauen und Kinder und über die Geringen im Lande, die nicht nach Babel weggeführt waren, kamen sie zu Gedalja nach Mizpa, nämlich Jischmael, der Sohn Netanjas, Johanan und Jonatan, die Söhne Kareachs, und Seraja, der Sohn Tanhumets, und die Söhne Efais von Netofa und Jaasanja, der Sohn eines Maachatiters, samt ihren Leuten

Gedalja beginnt mit dem Nächstliegenden. Es ist Erntezeit, und über allem Hauen, Stechen und Morden hat niemand mehr an das Korn auf dem Halm gedacht. Gedalja organisiert die Ernte. Das ist eine Saite, deren Schwingung Resonanz findet: nun kommen immer mehr Menschen zurück, die im ganz Juda und den angrenzenden Ländern verstreut sind, von überall her. Die Ernte fällt gut aus: sie „ernteten viel Wein und Sommerfrüchte“.

Gedalja sorgt ganz einfach dafür, dass das Leben weitergehen kann. Das ist machtvoll auf ganz eigene Art. Gedaljas Name bedeutet „Der Herr lässt wachsen“. Mir ist das Wort „Trümmerblume“ eingefallen. Von Blumen verstehe ich nichts, aber als ich sie im Internet fand, sah sie genau aus, wie ich sie mir vorstellte — die blaue Blume. Hier ist ein Link.

Leider endet die Geschichte traurig. Jischmael (Ismael im Vers), ein Davidianer aus der Königsdynastie, ist unter denjenigen, die zu Gedalja stoßen. Als so etwas wie eine nationale Wiedergeburt im Reich der Babylonier in der Luft zu liegen beginnt, tötet Jischmael mit zehn seiner Männer Gedalja und viele andere bei einem Mahl. Johanan, ein anderer der Hauptleute in unserem Vers, überwindet JiKernschmael im Kampf, aber die übrigen verlieren allen Mut. Sie fliehen nach Ägypten, wo sich später ihre Spur verliert. Jeremia zieht mit ihnen. Seinen Acker in Anatot sieht er vermutlich nie. Die Juden gedenken Gedaljas mit einem Fastentag zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur.

Gedalja bleibt Episode. Aber seine Geschichte zeigt, wie es hätte gehen können. Wie nach der Katastrophe ein Neuanfang möglich gewesen wäre. Das Potential wird nicht realisiert, die alten Träume von Ruhm und Ehre Davids sind zu mächtig. Aber in Umrissen ist eine andere, alternative biblische Geschichte zu erkennen. Bei Jesaja steht: 

Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde. (Jes 43, 18-19)

Der Gedanke an das Vorige, das Vergangene und Verlorene, birgt Gift und hält uns ab, in die Welt hineinzuwachsen, die vor uns liegen kann, mit Gottes Hilfe, wenn wir es denn zulassen. 

Ich wünsche uns eine Woche, in der das Vorige uns nicht den Blick verstellt für das Neue.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 38/2019

Ich sah Knechte auf Rossen, und Fürsten zu Fuß gehen wie Knechte.
Pred 10,7

Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017.

Verkehrte Welt

Ich liebe Kohelet, wie schön, dass wir noch einmal einen Vers daraus ziehen. Beinahe ist es, als käme der Vers aus einem anderen Werk. Während der größte Teil des Buchs eine dichte Argumentation bietet, sind die Abschnitte 9 und 10 lockere Spruchsammlungen. Der vollständige Absatz lautet:

Wenn des Herrschers Zorn wider dich ergeht, so verlass deine Stätte nicht; denn Gelassenheit wendet großes Unheil ab. Dies ist ein Unglück, das ich sah unter der Sonne, gleich einem Versehen, das vom Gewaltigen ausgeht: Ein Tor sitzt in großer Würde, und Reiche müssen in Niedrigkeit sitzen. Ich sah Knechte auf Rossen und Fürsten zu Fuß gehen wie Knechte.

Kohelet spricht von einem „Unglück“ und einem „Versehen“. Normalerweise sind Fürsten die ersten Diener des Königs, nicht Sklaven. Es ist für die Stabilität des Staats und den Mächtigen selbst wichtig, die Starken im Land in ein unmittelbares Loyalitätsverhältnis zu bewegen. Erhält der Starke eine herausgehobene Stellung, so wird er in der Regel die Herrschaft stützen, weil er viel zu verlieren hat. Bleiben die Starken „außen vor“, so werden sie stattdessen die erste Gelegenheit nutzen, sich gegen den Herrscher zu verbünden. Unter diesen Gesichtspunkten wurden Lehen vergeben: die Adelspyramiden sowohl im ersten deutschen Reich wie auch im englischen Königreich spiegeln das Prinzip.

Warum sollte man anders verfahren? Kohelet sagt, es sei dies ein häufiger Fehler: systematisch bekommen immer wieder Menschen mit Sklavenmentalität Macht im Staat. Den Starken zum Fürsten zu machen, birgt auch Gefahren: der mächtige Fürst kann zum politischen Rivalen werden, wenn es ihm gelingt, sich mit anderen Fürsten zu verbünden. Ein schwacher Herrscher wird daher gefügigen Menschen ohne eigene Ambition zum Aufstieg zu verhelfen. Was Kohelet anspricht, ist also ein Symptom von Schwäche. 

Ist das alles? Wendet sich Kohelet an den königlichen Nachwuchs und das Topmanagement?

Nein. Sklaven und Toren an der Macht sind ein Bild. Für den Normalsterblichen wird ein handfester Rat daraus, Wir sollen mit unseren Stärken arbeiten und diese mächtig werden lassen und uns nicht von den Schwächen beherrschen lassen. Ist jemand phantasievoll und analytisch begabt, aber schwerfällig im Umgang mit anderen Menschen, sollte er kein Betätigungsfeld wählen, in dem es darauf ankommt, geschickt nach oben und nach unten zu taktieren und Versprechungen zu machen, Loyalitätsnetze zu spinnen und zu zerreißen. Versucht er sich im Dickicht einer Behörde, so muss er seine Kräfte darauf wenden, seine Schwächen zu kompensieren, und seine Stärken sind nicht gefragt. Und vielleicht wird dann aus der Kompensation gar seine zweite Natur.

Stattdessen könnte der Mensch unseres Beispiels als Berater arbeiten, als Wissenschaftler oder Künstler. Unsere Schwächen verdienen unsere Aufmerksamkeit, aber sie sind keine Kraftquelle. Unser Reich, unsere Existenz müssen wir so ordnen, dass die Starken in uns mächtig sind.

Der Wortlaut nimmt absichtlich eine allgemeine Tendenz der Bibel auf, Machtverhältnisse auf den Kopf zu stellen. Auch darin liegt eine Botschaft, Kohelet lässt ja keine Gelegenheit aus, uns zu sagen, dass die Dinge sich anders als geplant entwickeln können. 

Gott selbst verfährt nämlich genau nach dem Muster, das Kohelet als „Unglück“ und „Versehen“  bezeichnet. Er erwählt ein Sklavenvolk, reißt es aus der Abhängigkeit, führt es durch die Wüste in ein neues Land und hilft ihm, dies Land zu erobern. Mit Joseph und Daniel werden Sklaven zu Fürsten. David, der König Israels, ist als Ziegenhirt aufgewachsen und muss lange wie ein Räuber leben. Und der König der Welt kommt unter Hirten zur Welt und stirbt wie ein Verbrecher. In einem alten Kirchenlied heißt es:

Er entäußert sich all seiner G’walt,
wird niedrig und gering
und nimmt an eines Knechts Gestalt,
der Schöpfer aller Ding,
der Schöpfer aller Ding.

Er wird ein Knecht und ich ein Herr;
das mag ein Wechsel sein!
Wie könnt es doch sein freundlicher,
das herze Jesulein,
das herze Jesulein!

Das Motiv zieht sich durch die ganze Bibel. „Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig,“ schreibt Paulus an die Korinther. „Der Bogen der Starken ist zerbrochen und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke“ heißt es bei Samuel. Hesekiel schreibt: „Und alle Bäume auf dem Felde sollen erkennen, dass ich der Herr bin: Ich erniedrige den hohen Baum und erhöhe den niedrigen; ich lasse den grünen Baum verdorren und den dürren Baum lasse ich grünen.“ Im Magnificat singt Maria: „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen“. In diesen Versen, wie auch in dem Vers von Kohelet, klingt das uralte Lied ihrer Namenspatronin Mirjam weiter: 

Lasst uns dem Herrn singen, denn er ist hoch erhaben, Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt.
2. Mo 15,21

Kohelets Botschaft richtet sich an Menschen. Er gibt uns einen Rat der Art, für die man heute bei Coaches viel Geld bezahlt. Gottes Kraft aber ist unbegrenzt: Er muss ihren Einsatz nicht optimieren wie wir, er kann seine Kraft in den Schwachen mächtig werden lassen und damit zeigen, dass Er Herr ist.

Dies ist eine gesegnete Woche, wenn wir aus unseren Stärken leben und unsere Schwächen dem Herrn anvertrauen.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 37/2019

Ich kehrte mein Herz, zu erfahren und erforschen und zu suchen Weisheit und Kunst, zu erfahren der Gottlosen Torheit und Irrtum der Tollen,…
Pred 7,25

Hier ist der Link für den Kontext des Verses, ausnahmsweise aus der Züricher Bibel.

Die Frau… und der Sinn des Lebens

Der gezogene Vers ist unvollständig, eine Einleitung. Hier hat jemand alles getan: sein Herz gekehrt, erfahren, gesucht, geforscht, um die großen Strukturen im Leben zu verstehen. Man kann an dieser Stelle innehalten und sich fragen, ob man auch schon einmal an diesem Punkt war, worum es ging und was dabei herauskam — und ob es heute noch wichtig ist. Vielleicht genügt das ja für diese Woche schon?  

Aber die Fortsetzung des Satzes durch den großen Philosophen Kohelet ist ein echter Stein des Anstoßes: 

… und fand, daß bitterer sei denn der Tod ein solches Weib, dessen Herz Netz und Strick ist und deren Hände Bande sind. Wer Gott gefällt, der wird ihr entrinnen; aber der Sünder wird durch sie gefangen. (Pred 7,26)

Ein solcher Satz kann den Ruf eines Menschen ruinieren, wenn man ihn ins Internet stellt, selbst nach zweieinhalbtausend Jahren. Es gibt mehrere Veröffentlichungen zu der Frage, ob Kohelet frauenfeindlich gewesen sei oder nicht. Dabei ist die Frage zentral, ob er sich die Aussage in Vers 26 zu eigen macht oder ob er sie — als Meinung anderer — nur zitiert, um sie dann zu widerlegen. Da geht es um Stilmittel, spezielles Vokabular und Bezüge zu anderen Texten. Ich kann der Diskussion fachlich nicht folgen. Der hebräische Text wirkt auf mich aber durchaus so, als sei Vers 26 dasjenige, was der Prediger im Vers 25 ankündigt, das Ergebnis großer geistiger Mühen. Also muss auch ich mich mühen. Ich habe drei Ebenen gefunden, auf denen der Vers zu uns sprechen kann. 

Liest man ihn für sich selbst, so geht es um sexuelle Anziehung und das andere Geschlecht als Bezugspunkt für das eigene Leben. Kohelet schreibt als Mann für Männer; wo er „Frau“ sagt, mögen Frauen „Mann“ setzen. Der Vers enthält die ernst gemeinte Warnung davor, den anderen zu überhöhen und zum Dreh- und Angelpunkt der eigenen Existenz zu machen. Das hält davon ab, sich den Lebensaufgaben zu stellen. Die Geliebte wird das Leben nicht richten, und sie kann schnell gar zur Ausrede dafür werden, dass nichts gelingt. In „Hard headed woman“ singt Cat Stevens von dieser Überhöhung, und das Lied weiß auch um die Vergeblichkeit.

Mit seiner Warnung bewegt sich Kohelet durchaus im Kontext der Weisheitsliteratur, siehe Sprüche 2,16; 5,3; 6,24; 7,5. Erinnern Sie sich an den schönen BdW 2018/18? Aber Kohelet ist ja nicht nur auf der Suche nach Weisheit, er prüft die Weisheit selbst. Das Ergebnis des Buchs ist, dass das Streben nach Weisheit wie alles andere auch letztlich ein Haschen nach Wind ist, und dass wir uns einem einfachen Leben in Achtsamkeit widmen sollen. Und hier begegnen wir wieder der Frau, aber ganz anders als in 7,26: 

Genieße das Leben mit der Frau, die du lieb hast, solange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat; denn das ist dein Teil am Leben und bei deiner Mühe, mit der du dich mühst unter der Sonne. Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu; denn im Totenreich, in das du fährst, gibt es weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit. (Pred 9,9+10)

Ich behaupte nun: Kohelet ist (auch) ironisch! Er hebt an in Vers 25, um die Summe dessen zu benennen, was er auf seiner Suche nach Weisheit gefunden hat: es ist die Warnung vor der Frau. Ist denn das wirklich alles? Er bestätigt: ja, auf seiner Suche nach Weisheit habe er unter Tausenden nur einen Mann gefunden, den er ernst nehmen konnte, aber nicht eine einzige Frau. Sonst gar nichts? Er hebt nochmals an, und jetzt kommt eine echte Überraschung:

Nur dies fand ich, sieh: Gott hat den Menschen recht gemacht, sie aber suchten große Erkenntnisse (Pred. 7,29)

Im Hebräischen steht für „Erkenntnis“ ein ungewöhnliches Wort: cheschbon bedeutet eigentlich „Zusammenrechnen“ oder „Resultat“. Im modernen Hebräisch steht es für Rechnung oder Konto. Aber es ist exakt dasselbe Wort, das Kohelet im ganzen Abschnitt für seine eigenen Bemühungen verwendet, Weisheit zu erlangen und viele einzelne Beobachtungen zu einer Gesamtsicht zu vereinigen! Unter den großen Übersetzungen hat nur die Züricher Bibel die wörtliche Entsprechung übernommen. Sie führt direkt ins Zentrum der Schrift: Am Ende von Kohelets Streben nach Erkenntnis steht die Einsicht, dass dies Streben nichtig sei. Und auf dem schwankenden Weg dorthin steht als Zwischenergebnis eine Erkenntnis über die Gefahren, die im Weibe wohnen… Das lässt die ganze Luft wieder heraus, die Vers 25 hineingepustet hat. 

Aber Kohelet ist ein messerscharf denkender Philosoph, und das Zwischenergebnis ist mitnichten beliebig. Das Ende des Abschnitts verweist nämlich auf den Anfang der Bibel, die Geschichte vom Sündenfall. Der Mensch (Adam, so auch im hebräischen Text von 7,29) ist gut geschaffen, aber mit dem Griff nach der Frucht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse verfällt er der Sünde und der Gottesferne. In der Schöpfungsgeschichte ist die Frucht durch die Frau vermittelt. Dies ist die dritte, die symbolische Ebene: Kohelet bindet seine Aussage an den Quellgrund der Bibel an. Auf dieser Ebene geht es nicht mehr um reale Frauen mit menschlichem Körper, sondern um Urbilder, um dasjenige, was uns blind macht und von Gott trennt. Gelungenes Leben ist unmittelbar und angstfrei: „Seht die Lilien auf dem Feld…“ wird Jesus mehrere hundert Jahre später sagen. Dahin ist Kohelet gelangt, das Ergebnis eines Denkerlebens. Wer bietet mehr?

Hinsichtlich der Anklage wegen Misogynie beantrage ich Freispruch wegen erwiesener Unschuld. Ich selbst hatte in der vergangenen Woche meine Silberhochzeit und wünsche uns allen Gottes reichen Segen.
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 36/2019

Darum ging ihm auch das Volk entgegen, da sie hörten, er hätte solches Zeichen getan.
Joh 12,18

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Wieder ein Vers zum Einzug Jesu in Jerusalem: dem Höhepunkt seiner Wirkung im jüdischen Land — im Sinne von Erfolg und Popularität –, ein paar Tage vor seiner Hinrichtung. Wie ein König zieht er ein: die Menschen begrüßen ihn und schreien ihm Worte aus dem messianischen Psalm 118 entgegen: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel.“ Der gezogene Vers nennt uns den Grund für Jesu gewaltige Popularität, die den Mächtigen Angst machte: seine Kraft als Wunderheiler, kurz zuvor erst spektakulär bezeugt bei der Auferweckung des Lazarus von den Toten. 

Ich sehe den Vers und seine Szene vor dem Hintergrund des ersten Abschnitts des Johannesbuchs, Joh 1,11f: 

(Das Licht) war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht. Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf.

Als Jesus in Jerusalem einzog, und in den Tagen danach, sollte sich das Schicksal seiner Mission entscheiden, was sein eigenes Volk betraf, jedenfalls. Er lebte in einer Umgebung, die an sich durchaus bereit war, die Transzendenz im Diesseits zu erblicken und die sehnlich die Transformation ihrer Welt in ein Reich Gottes erwartete. Viel mehr als heute vorstellbar. Als wen oder was hätten die Menschen Jesus erkennen können? Für Christen, nach 2000 Jahren Kirchengeschichte, wäre die kurze Antwort: als Verkörperung des Höchsten und als Messias. Aber seine Zeitgenossen hätten nur den zweiten Teil dieser Antwort überhaupt verstanden, und zoomt man heran, sieht man, dass ihnen das Erkennen auch hier nicht leichtfallen konnte.  

Der Messias war eine Herrschergestalt, Überhöhung und Wiederkunft König Davids. So aber ist Jesus nicht aufgetreten. Und es gab weitere Identifikationsangebote: den Gottesknecht, der für Gott und sein Volk leiden würde (Jesaja), den großen Propheten, der wie Moses Mittler zu Gott sein würde (5. Moses) und Elia, dessen Wiederkunft den Messias ankündigen würde (Malachia). Heute sehen Christen Elia in Johannes und setzen im übrigen Messias, Gottesknecht und den großen, von Mose versprochenen Mittler in eins. Im Jahr 33 nach Christi Geburt waren dies verschiedene Personae. 

Haben sie denn nichts erkannt? Der Einzug nach Jerusalem wird von allen vier Evangelisten sehr ähnlich beschrieben. Aber nur bei Johannes, im gezogenen Vers, findet sich ein Hinweis darauf, was dabei die Wahrnehmung der Zeitgenossen dominierte: Jesu Kräfte als Heiler. So sahen ihn die Menschen vor allem anderen: als von Gott begabter und begnadeter Lehrer und Wunderheiler. 

Uns fällt das nicht als erstes ein. Und auch nicht als zweites oder drittes. So aber ist der lebende Jesus tatsächlich aufgetreten, als Heiler, alle vier Evangelien atmen das. Und wir sollten ihn darin ernst nehmen. Auch wenn das nach Johannes für ein Erkennen nicht reicht: Wir brauchen einen Heiler! Vielleicht mehr als alles andere.

Gott schütze uns in dieser Woche, 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 35/2019

Und die Knechte Sauls redeten solche Worte vor den Ohren Davids. David aber sprach: Dünkt euch das ein Geringes, des Königs Eidam zu sein? Ich aber bin ein armer, geringer Mann.
1.Sa 18,23

Hier ist der Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Gesicht“ fallen lassen

Die Geschichte hinter diesem Vers kommt im Religionsunterricht nicht vor. Ein Kampf zweier Männer strebt seinem ersten Höhepunkt zu. König Saul hatte den vitalen, intelligenten und zupackenden David an seinen Hof geholt. David ist charismatisch und erfolgreich. Jeder liebt ihn: das Volk und sogar die eigenen Kinder Sauls.. Der König hingegen leidet unter Depressionen, der Geist Gottes sei von ihm gewichen, heißt es bei Samuel. „Saul hat tausend erschlagen, aber David zehntausend“ singt das Volk, und tanzt dazu, und Saul kennt und hasst den Vergleich. Wo er David früher gefördert hat, will er ihn nun vernichten.

Saul baut eine Situation auf, die den jungen Emporkömmling überfordern soll. Er stellt eine Hochzeit mit seiner ersten Tochter Merab in Aussicht. David soll dafür „nur“ des Herrn Kriege gerecht führen, sagt Saul. Die Lockspeise ist vergiftet. Saul will seinen Unterführer in den Philisterkriegen zu Tode kommen lassen. David ist nichts und hat nichts, muss aber Ebenbürtigkeit beweisen und einen angemessenen Brautpreis bezahlen. Da der Preis nicht klar bestimmt ist, könnte Saul immer mehr fordern, solange, bis es schief geht. David macht sich klein und verzichtet, mit fast denselben Worten wie im gezogenen Vers: „Wer bin ich? Und was ist meine Sippe, das Geschlecht meines Vaters, in Israel, dass ich des Königs Schwiegersohn werden soll?“

Merab geht an einen anderen. Aber Saul hat eine jüngere Tochter, Michal. Diese liebt David, und Saul wiederholt sein Angebot. David wiederholt seine Antwort — das ist der gezogene Vers. Wieder nimmt er sich zurück. In der zweiten Runde sprechen David und Saul nicht mehr direkt miteinander, sondern nur noch über Knechte. Saul muss jetzt eine klare Ansage machen, eine dritte Runde wird es nicht geben. Er nennt einen sehr hohen, aber festen Preis: Der Bräutigam soll hundert Vorhäute getöteter Philister präsentieren. Mit seinen Männern überfällt David die Philister und bringt dem König doppelt so viel wie gefordert: zweihundert Vorhäute. Saul gibt ihm seine Tochter Michal zur Frau. Diese Runde geht an David: er hat nun den familiären Background, den er braucht. Aber das blutige Ringen geht noch lange weiter.

Davids Taktik erinnert an eine Szene auf dem Basar: er begrenzt sein Interesse, um Saul zur Abgabe eines festen Angebots zu bringen. Aber es ist mehr. David hat die Fähigkeit, in kritischen Situationen auf Status zu verzichten. Wenn man genau hinsieht, hat ihm dies zuvor bereits den Sieg über Goliath ermöglicht. Diesem gefürchteten Kämpfer war David als Gegner im Zweikampf formal gleichgestellt. Hätte er versucht, diese Rolle auszufüllen, wäre er verloren gewesen. Aber er verzichtet auf Rüstung und Schwert und sieht mit seiner braunen Haut und dem Hirtenstock so lächerlich aus, dass Goliath seine Deckung aufgibt und ihn nahe an sich herankommen lässt. David nutzt die Chance sofort. Auch in unserer Geschichte rettet sich David und siegt, indem er sich nicht wie ein Brautwerber verhält, nicht versucht, dem Brautvater gegenüber groß und prächtig aufzutreten. Er nimmt es in Kauf, sein Gesicht zu verlieren. 

Viel später geschieht noch einmal Vergleichbares (2. Sam 6,17-23). Als David alle Kämpfe und das Königtum gewonnen hat und die Bundeslade nach Jerusalem holt, springt und tanzt er mit nacktem Oberkörper und leinenem Priesterschurz vor der Lade; ganz und gar nicht wie ein König. Diesmal macht er sich vor Gott dem Herrn klein. Seine Frau Michal, die ihn geliebt hat und vor ihrem Vater rettete, versteht es nicht und verachtet ihn.

Es ist keine gute Idee, sich Rollenforderungen regelmäßig zu verweigern. Jeder, der etwas bewirken will — ein König allemal — muss Statusfragen ernst nehmen. Aber wenn diese den taktischen Spielraum so einschränken, dass das Ganze in Gefahr gerät, kann David sich davon lösen. Es fällt ihm sogar leicht, denn er bezieht seine Selbstachtung aus dem Ja Gottes, nicht aus dem „Gesicht“ in den Augen der anderen. Dies Motiv kehrt in den Psalmen immer wieder. Vielleicht ist dies die geistliche Botschaft hinter dieser nicht sehr schönen Geschichte: Wenn es ums Ganze geht, müssen wir uns klein machen können. Der Glaube kann uns die Kraft dazu geben.

Ich wünsche uns eine Woche, in der wir immer klar sehen, worum es wirklich geht. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 34/2019

Zu der Zeit ward Hiskia todkrank. Und der Prophet Jesaja, der Sohn des Amoz, kam zu ihm und sprach zu ihm: So spricht der HErr: Bestelle dein Haus; denn du wirst sterben und nicht lebendig bleiben!
Jes 38,1

Hier ist der Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Sterben und Leben

König Hiskia von Juda erkrankt zum Tode, und zwar gerade, als er und sein Volk durch ein Wunder von einer anderen tödlichen Bedrohung errettet wurde, dem Angriff der Assyrer unter Sanherib. Jesaja, der Prophet des Herrn, sagt ihm, er möge sich keine Illusionen machen. „Bestelle dein Haus, denn Du wirst sterben und nicht lebendig bleiben.“

Hiskias Krankheit und seine Errettung hat uns zu Beginn des Jahres bereits einmal beschäftigt. Anfang März zog ich ein Vers aus demselben Abschnitt, meine Ausführungen dazu könnten für den Vers von heute geschrieben sein.

Nun gibt es aber eine Möglichkeit, weiter darüber nachzudenken. Der gezogene Vers ist wie ein rotes Stop-Schild: bei Ihnen stößt er vielleicht ganz andere Gedanken und Assoziationen an. Mir fallen zwei Dinge ein.

Erstens. Vor zweieinhalb Wochen, auf unserem Camping-Urlaub, wohnten meine Frau und ich dem Gottesdienst einer freien evangelischen Gemeinde bei. Nach der Begrüßung durch den Leiter trat eine Frau mitteren Alters nach vorn und erklärte der Gemeinde, sie habe ein Gespräch mit ihrem Arzt gehabt, und es handele sich bei Ihren Beschwerden um einen bösartigen Hirntumor. Wenn die verbliebenen Behandlungsmöglichkeiten gut anschlügen, könne sie vielleicht noch ein Jahr leben. Ziemlich genau das also, was Hiskia von Jesaja hören mußte. Die Frau war kämpferisch. Sie betete laut zu Jesus, sie sang, mit einer Fahne in der Hand, und sie bat die Gemeinde, mit ihr zu beten. Nach diesem Gebet blieb während des ganzen Gottesdienstes eine Frau bei ihr und flehte Rettung herab. 

Ich fühlte damals, dass ich mich anders verhalten hätte. In den Urlaubswochen hatte ich viel Jeremia gelesen, und es schien mir wichtig, den richtigen Umgang mit dem Unabwendbaren zu lernen. Ich sagte Antje, dass ich wohl hätte versuchen wollen, die verbliebene Zeit so gut und sinnvoll wie möglich zu nutzen. Auch Hiskia hätte so reagieren können — es war sogar buchstäblich das, was Jesaja im Namen des Herrn von ihm verlangte. Aber Hiskia betet. Und er wird gerettet, „against all odds“ und sogar entgegen der Ankündigung des Propheten. „Denn ich werde wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen“ singt in Psalm 116 ein anderer, der vom Tode errettet wurde. Ich werde versuchen, über die Gemeinde der Frau das Gebet des Hiskia zukommen zu lassen — vielleicht habe ich den Vers deshalb gezogen. 

Zweitens. Liest man die Worte Jesajas in Ruhe, so sind sie schlicht wahr, und zwar für jeden von uns und zu jeder Zeit. Wir alle werden sterben und nicht lebendig bleiben, und wir müssen daher unser Haus bestellen. Memento mori — „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“, Ps 90,12. Wenn ich dies schreibe, sitze ich gerade in der Business Class eines Flugzeugs der Etihad Air auf dem Weg nach Abu Dhabi zum Weiterflug nach Kuala Lumpur. Ich bin 11.277 Meter über dem Boden, bald überqueren wir die türkische Ostgrenze, phantastische Wolkengebirge unter mir. Alles genau wie in den Werbevideos, der viele Platz, das Essen, die gutaussehende orientalische Stewardess. Es ist gut, daran erinnert zu werden, dass wir sterben müssen, dass wir keine Götter sind, allem Anschein zum Trotz. Es ist ja so leicht geworden, unseren Anfang und unser Ende zu vergessen. 

Vielleicht sagt uns der Vers auf etwas sonderbare Weise auch, dass wir nicht verzweifeln sollen. Im Angesicht des sicheren Todes können wir noch unser Haus bestellen. Und wir können beten. Beides ist richtig und beides kann die Welt ändern.

Der Herr behüte uns in dieser Woche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 33/2019

Da kam einer, der entronnen war, und sagte es Abram an, dem Ausländer, der da wohnte im Hain Mamres, des Amoriters, welcher ein Bruder war Eskols und Aners. Diese waren mit Abram im Bunde.
Gen 14,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 2017.

Einwanderung — zwei Geschichten

Die fünf Bücher Mose stehen am Anfang der Bibel, sie stellen uns nicht nur Gott vor, als Person, in Auseinandersetzung mit den Menschen, sondern auch das israelitische Volk, ebenfalls als Person, in Auseinandersetzung mit Gott, der Umwelt und sich selbst. Sie enthalten den Gründungsmythos: wie kam das Volk Gottes ins Land, wie wurde es zu dem, was es war, in welcher Beziehung steht es zu seinen Nachbarvölkern? 

Wir kennen eine Antwort: nach der Emigration der Stammväter wuchs das Volk in Ägypten heran. Es wurde von Moses herausgeführt, um dann vierzig Jahre durch die Wüste zu ziehen. Unter seinem Nachfolger Josua fiel es in Palästina, das Gelobte Land ein, sengend, brennend und mordend, und zwar von AUSSEN. Verwandtschaftliche Beziehungen gab es zu Völkern des Umlandes: Moabitern, Edomitern, Ammonitern, Arabern — mit den in Kanaan einheimischen Ethnien hatte das Volk Gottes aber rein gar nichts zu tun. 

Die Genesis enthält aber noch eine ganz andere Erzählung. Abraham, ein aramäischer Halbnomade, erhält in der Stadt Haran von seinem Gott den Befehl, alles hinter sich zu lassen und sich aufzumachen in ein Land, das sein Gott ihm zeigen wird. Er folgt diesem sonderbaren Auftrag und macht sich in Kanaan heimisch: er schließt Bündnisse mit den Clans in der Umgebung, siedelt auf einem Eichenhain auf dem Land des Amoriters(!) Mamre und erwirbt schließlich von einem Hethiter(!) namens Efron ein Erbbegräbnis, die Höhle Machpela, damit er dort seine Frau Sarah bestatten kann (Gen 23). Der Kauf des Grundstücks findet vor einer großen Gruppe von Hethitern statt und verschafft dem alten Mann Abraham Anerkennung und notariell beurkundetes Bürgerrecht. Als er stirbt, findet er selbst in Machpela seine Ruhestätte, und nach ihm auch Isaak und Jakob und ihre Frauen. 

Abrahams Geschichte erzählt vom langsamen Heimischwerden in Kontakt, Konflikt und Kooperation mit der gebietsansässigen Umgebung in Palästina. Unser BdW zeigt einen Ausschnitt. Ein kanaanitischer König hat gemeinsam mit einigen Verbündeten seinem Oberherren die Gefolgschaft gekündigt. Dieser zieht, unterstützt von Verbündeten, gegen die Aufrührer zu Felde: vier Könige gegen fünf. Unter den letzteren sind auch die Könige von Sodom und Gomorrha, in deren Land sich Lot, Abrahams Bruder, heimisch gemacht hat. Die vier verbündeten Könige verlieren die Schlacht und Lot wird verschleppt. Abraham ist Oberhaupt eines größeren Clans, und gemeinsam mit dem Amoriter Mamre und seinen beiden Brüdern bildet er einen Stoßtrupp von 318 berittenen Kämpfern. In einer Kommandoaktion befreit er Lot und das den Königen von Sodom und Gomorrha geraubte Gut aus der Gewalt der fünf Könige. Dafür wird er von Melchisedek gesegnet, selbst König und Priester Gottes in Salem (vermutlich Jerusalem), dem er dafür den Zehnten gibt. Diese eigenartige Stelle haben wir in 2019 KW 8 kennengelernt. 

Spätestens mit der Befreiungsaktion und der rituellen Anerkennung durch Melchisedek gehört Abraham, „der Ausländer“, dazu. Er ist Mitspieler in Kanaan mit lokalem Gewicht. Zur Befreiung seines Bruders nutzt er bestehende Bündnisse und geht neue ein. Ganz friedlich verläuft diese Einwanderung offensichtlich nicht, aber — welch ein Gefälle zum Buch Josua. Das Narrativ von Landnahme und Eroberung ist Mainstream des Alten Testaments und hat die Erzählung von Besiedlung durch Infiltration und Integration überlagert. 

Aber ich liebe diese Geschichte. An Abraham denke ich immer gern, wie er dem Ruf Gottes folgt, ins Heilige Land reist, dort auf dem Eichenhain lebt, immer mit seinem Gott und der Verheißung, schließlich sehr spät Kinder zeugt und am Ende stirbt, „alt und lebenssatt“. Seine Urenkel sind die Väter der zwölf Stämme Israels, allesamt Sabras, im Heiligen Land geboren. Und sein erster Sohn ist Ismael, der Stammvater der Araber und Midianiter. Beim Buch Josua hingegen habe ich vor mehr als vierzig Jahren den ersten Versuch abgebrochen, die Bibel ganz zu lesen. Viel später habe ich erfahren, dass die archäologische Evidenz im Grunde auf Seiten der uralten Abrahamsgeschichte liegt. Für eine großflächige Vernichtung kanaanitischer Städte und Siedlungen in kurzer Zeit gibt es keine Belege, wohl aber für eine dauerhafte kulturelle Koexistenz von Kanaanitern und Hebräern. Schön, nicht wahr?

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche, in lebendiger Auseinandersetzung mit unserer Umwelt.
Ulf von Kalckreuth