Ein Knecht aber des Herrn soll nicht zänkisch sein, sondern freundlich gegen jedermann, lehrhaft, der die Bösen tragen kann…
2. Tim 2,24
Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017.
Die „Bösen tragen“
Hier ist der letzte BdW in diesem Jahr. Er richtet sich an diejenigen, die Führungsaufgaben in der Gemeinde haben, im weiteren Sinne aber auch an jeden, der geistliche oder weltliche Führung übernimmt: nicht nur Politiker und Manager, auch Eltern, Lehrer und Leiter von Arbeitskreisen.
Zum besseren Verständnis hier zunächst den vollständigen Satz in der Fassung von 2017:
Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streitsüchtig sein, sondern freundlich gegen jedermann, im Lehren geschickt, einer, der Böses ertragen kann und mit Sanftmut die Widerspenstigen zurechtweist. Vielleicht hilft ihnen Gott zur Umkehr, die Wahrheit zu erkennen und wieder nüchtern zu werden aus der Verstrickung des Teufels, von dem sie gefangen sind, zu tun seinen Willen.
Die Aufforderung enthält drei Elemente:
- Wir sollen das, was wir gelernt und erfahren haben, weitergeben, in Paulus Worten: „lehrhaft“ sein. Unser Wissen und unsere Erfahrungen sind ein Schatz, den Gott uns anvertraut. Wir sollen den rechten Gebrauch davon machen
- Wir sollen freundlich dabei sein, nicht „zänkisch“. Das steht mit Absicht sogar an erster Stelle. Und es ist schwer. Wenn ich von einer Wahrheit überzeugt bin und noch dazu den Auftrag habe, sie weiterzugeben — wie soll ich die Geduld bewahren, wenn andere nicht interessiert sind, nicht zuhören, nicht verstehen, gar spotten? Wie soll ich ruhig bleiben, wenn andere aus guten oder weniger guten Gründen das gerade Gegenteil behaupten?
- Das, was uns dennoch an Unwillen entgegenschlägt, sollen wir ertragen und standhaft bleiben. Auch das ist schwer.
Ein Vers für mich, denke ich. Als ich ihn las, dachte ich nicht zuerst an Führung im Gemeindekontext, sondern an meine Rolle als Vater. „Lehrhaft“ bin ich, sicher, diesen Auftrag habe ich immer ernst genommen. Aber bei den anderen beiden Forderungen sieht es viel schlechter aus. Ich musste auch an meine Arbeit denken. Vor einigen Jahren bin ich an den Forderungen 2 und 3 gescheitert, weil für mich Forderung 1 über allem stand.
Da gibt es Rückkopplungen. Je schlechter es um Forderung 3 bestellt ist, umso schwerer ist Forderung 2 zu erfüllen. Und umgekehrt — je gereizter jemand auftritt, umso eher wird er Reaktionen ernten, die schwer zu verdauen sind.
Wir müssen unsere Aufgaben ernst nehmen. Und ohne Freundlichkeit, und ohne die Fähigkeit, ungerechte und verletzende Reaktionen anderer zu ertragen, können wir sie nicht erfüllen. Das weiß jeder, der mit Kindern zu tun hat. Warum ist es denn dann so schwer? Wenn wir unfreundlich werden, und wenn wir uns zu leicht verletzen lassen, geht es eigentlich nicht mehr um unsere Aufgabe, sondern um unsere Eigenliebe. Ist sie verletzt, so hindert uns dies an allem anderen. Im Grunde lädt uns also Paulus ein, unsere Eigenliebe zu vergessen und NUR an die Aufgabe zu denken. Denn dann dienen ja die zweite und dritte Forderung der ersten, es gibt keinen Widerspruch und kein Problem!
Aber ist das denn möglich? Ich selbst bin gescheitert, ich darf das fragen. Auch Paulus hatte seine Probleme. Bei Forderung 2 hilft uns, dass wir uns als Erlöste sehen dürfen. Wir müssen nichts beweisen, wir müssen nicht unbedingt recht behalten, wozu? Und Forderung 3 zu erfüllen ist dann nicht schwer, wenn und solange wir uns als Kinder Gottes sehen und den anderen auch. Und wenn es um das Wort Gottes geht, steht Forderung 1 für „Knechte Gottes“ über allem.
So kann es gehen, aber man muss stark bleiben.
So kann man die drei Forderungen auch in anderen Situationen erfüllen. Immer dann jedenfalls, wenn wir ehrlich überzeugt sind, dass die Aufgabe wichtiger ist als unsere Eigenliebe. Stellen wir fest, dass es nicht so ist, können wir uns guten Gewissens einer neuen Aufgabe zuwenden — wir müssen uns nicht allem zur Magd machen!
Es freut mich, dass ich das alte Jahr mit diesem Vers abschließen durfte. Ich wünsche uns eine gute Woche, in der wir freundlich sind zu jedermann und von anderen nichts Böses ertragen müssen. Und mitten darin in dieser Woche liege ein fröhliches Weihnachtsfest für alle!
Ulf von Kalckreuth