Bibelvers der Woche 21/2025

Und Salomo opferte auf dem ehernen Altar vor dem HErrn, der vor der Hütte des Stifts stand, tausend Brandopfer.
2 Chr 1,6

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Weisheit und Opfer

Salomo ist König geworden. Brutale Kampfe mit seinen Brüdern waren der Machtübernahme vorangegangen. Sein Weg zum Thron war nicht vorgezeichnet: Salomo war der vierte Sohn Davids mit seiner zweiten Frau Batseba, von den neunzehn Söhnen Davids war er der zehnte (1 Chr 3). Salomo bringt ein großes Opfer. Eintausend Opfertiere, wohl Rinder zumeist, das ist selbst für einen morgenländischen König außergewöhnlich. Der eherne Altar vor der alten Stiftshütte war klein, es war der Altar, den die Israeliten bei ihrer Wanderung durch die Wüste mitgeführt hatten. Einen Tempel gab es noch nicht.

Dies sind die Bilder, die er noch vor Augen hatte, als er sich zum Schlafen legte. In der Nacht erschien Gott ihm, und forderte Salomo auf, einen Wunsch zu äußern,der Wunsch werde erfüllt. Wie im Märchen. Und Salomo wünscht sich nicht Sicherheit vor seinen Rivalen, nicht Geld und Gut, nicht Glück auf dem Schlachtfeld und Macht über die Völker ringsum, sondern er wünscht sich Weisheit. Ein weiser Wunsch, und darin liegt ein Rätsel — muß man nicht weise sein, um sich Weisheit zu wünschen? Ein Regress. Es ist ein wenig wie mit Glauben — man muß glauben, um glauben zu wollen, und man muß glauben wollen, um glauben zu können.

In einem früheren Bibelvers der Woche, BdW 47/2023 habe ich die Erzählung zum Anlass genommen, darüber nachzudenken, worauf es ankommt im Leben. Salomo bekommt Weisheit vom Herrn geschenkt, und auch das, was er sich nicht gewünscht hat. Entscheidend aber war sein Wunsch. Was steht hinter diesem Wunsch? Wo kommt er her?

Unser Vers gibt einen Hinweis: Salomos Opfer. Opfer ist Verzicht und Gemeinschaft mit dem Herrn, diese zwei. Sie können uns zu dem führen, worum es wirklich geht. 

Der Herr segne uns in der Woche, die vor uns liegt. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 20/2025

Und Ruth, die Moabitin, sprach zu Naemi: Lass mich aufs Feld gehen und Ähren auflesen dem nach, vor dem ich Gnade finde. Sie aber sprach zu ihr: Gehe hin, meine Tochter.
Rut 2,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Letzte Ressource: Vertrauen

Rut ist angekommen in einem fremden Land. Dies Land ist ihrer Heimat Moab seit alter Zeit feindlich gesinnt, die heiligen Schriften sind voller Schmähungen. Sie kennt niemanden. Sie ist Witwe. Und sie ist nicht allein — sie sorgt für ihre Schwiegermutter Noomi, auch sie Witwe, eine alte Frau. Immerhin ist Noomi aus der Gegend, und kennt Sitten und Gebräuche. Ruts Sprache ist dem Hebräischen ähnlich genug, dass sie sich verständigen kann, aber mit jedem Wort, das sie redet, weist sie sich als Aussenseiterin aus, als Objekt. 

Für den Rahmen der Erzählung hier ein Link zum Bibelvers der Woche 28/2021

Die beiden Frauen haben Hunger. Rut bleibt eine letzte Ressource: Vertrauen. Sie vertraut auf zwei Dinge. Da ist die sonderbare Sitte des fremden Landes, von der die Schwiegermutter erzählt hat — die Ärmsten haben das Recht, Getreide aufzulesen, das bei der Ernte liegengeblieben ist, siehe den Bibelvers der Woche 48/2019. Und sie vertraut darauf, sie muss darauf vertrauen, dass ihr unter den Knechten und Erntehelfern nichts geschehen wird.

Das ist der Inhalt des Verses: Rut bittet ihre Schwiegermutter um Erlaubnis, dies Vertrauen als Ressource einzusetzen, „dem nach, vor dem ich Gnade finde“. Sie trifft dabei auf Boas, der wegen verwandtschaftlicher Verhältnisse zur Schwiegermutter eine Schutz- und Garantenpflicht für sie hat. Damit konnte sie nicht rechnen. Es gab es eigentlich keine günstige Entwicklung, mit der sie rechnen konnte, als sie hinausging, einige ausgesprochen ungünstige Möglichkeiten dagegen waren klar konturiert.  

Ihr Vertrauen setzt sie in die Lage, sich zu bewegen, mit der Außenwelt zu interagieren, eine Lösung zu suchen, der tödlichen Starre zu entgehen. Aber es gibt keinen „Grund“ für dies Vertrauen. Es gab auch keinen „Grund“, die Schwiegermutter in dies fremde Land zu begleiten. Die andere Schwiegertochter hatte das nicht über sich gebracht und war schließlich umgekehrt, auf Bitten und mit dem Segen Noomis. Beide sind eng verwandt: die grundlose Loyalität Ruts und ihr grundloses Vertrauen ins Getragensein. Das eine aktiv, das andere passiv, aber im Wesen gleich. Denkt man beides zusammen, gibt es ein Wort dafür: Glaube.

Und so wurde Rut Ahnfrau Davids und Jesu.  

Der Herr segne uns in der Woche, die vor uns liegt. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 19/2025

Und Josua tat, wie Mose ihm sagte, dass er wider Amalek stritte. Mose aber und Aaron und Hur gingen auf die Spitze des Hügels.
Ex 17,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Kampf und Kampf und Kampf und Kampf

Den Titel dieser Betrachtung muß ich erklären. Es gibt eine Schlacht, in der die Israeliten gegen die Amalekiter kämpfen, die erste Schlacht in der neugewonnenen Freiheit. Die Israeliten sind am Horeb, dem Gottesberg angelangt, nicht weit vom Schilfmeer, über das sich die Israeliten vor den Wagen des Pharao gerettet haben. 

Die Schlacht kämpfen auf der ersten Ebene die Krieger. Befehligt werden sie von Josua, auch er kämpft. Mose selbst steht mit seinem Bruder Aaron und einem Gefährten namens Hur auf „dem Hügel“ (dem Horeb?) und hält die Hände zum Gebet erhoben. Israel siegt, solange er das tut, aber sobald er den Arm sinken lässt, gewinnen die Amalekiter die Oberhand. So geht es viele Stunden. Auch Mose kämpft also, unter Einsatz all seiner Kräfte. Seine Gefährten stützen ihn. Und eigentlich und in vierter und letzter Instanz kämpft Gott der Herr selbst. 

Das ist ein wichtiges Bild und es soll nach dem Willen Gottes erhalten bleiben. Mose soll die Geschichte aufschreiben, damit Josua und das Volk sich erinnern. Das ist sehr interessant, richtig spannend: der Text selbst gibt späteren Redaktoren eine klare Anweisung. Was immer ihr auch tut; diese Geschichte muß bewahrt bleiben. 

Es gibt ein eigentümliches Moment der Ungleichzeitigkeit. Josua ist Oberbefehlshaber der Israeliten. Erst zwei Jahre später tritt er wieder in Erscheinung, und zwar als Späher, der im Auftrag Mose das Heilige Land erkundet, siehe Num 13 und 14, und BdW 40/2018. Die Amalekiter, so berichten die ausgesandten Späher, wohnen im Süden des Gelobten Landes. Dann dauert es noch einmal fast vierzig Jahre, bis die Invasion tatsächlich beginnen kann, und zwar unter Josua. Mose hatte ihn vor seinem Tod zum Oberbefehlshaber ernannt. Zu dieser Zeit haben nur zwei Menschen — Josua und Kaleb — die Flucht aus Ägypten selbst erlebt. Kann Josua damals schon General gewesen sein? Und wenn die Amalekiter im Süden Kanaans wohnen, wie kommt es zu einer Schlacht unweit des Schilfmeers? Passt die Beschreibung der Schlacht zu einer großen Zahl entlaufener Bausklaven, waffenlos und militärisch völlig unerfahren?

Die Geschichte würde viel besser in die Zeit der Landnahme passen, mit Josua als Führer eines kampferprobten Heeres und den Amalekitern als militärische Gegner im Süden des Heiligen Lands. Aber da lebte Mose nicht mehr, so erzählt es die Torah.

Ich habe eine Freundin, die Religion grundsätzlich ablehnt. Sie fragte mich einmal, wie ich mit solchen Inkonsistenzen umgehe. Ich habe geantwortet, dass ich Widersprüche genau betrachte, weil man dabei über die Entstehung eines Texts und seiner Tiefendimension lernt. Und dann wende ich den Blick ab vom Widerspruch und hin zur Botschaft der Geschichte.  

Trotz der Spannung mit dem Kontext blieb die Geschichte in der Torah — weil ihre Botschaft wichtig ist: Wer betet, tut mitnichten nichts, er handelt. Gegebenenfalls kämpft er sogar. Beten verändert unsere Realität, mit Gottes Hilfe. Und manchmal brauchen wir dabei Unterstützung. 

Der Herr segne uns in der Woche, die vor uns liegt. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 18/2025

Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen,…
Kol 3,23

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Dienst am Herrn

Der Abschnitt, aus dem wir gezogen haben, ist in meiner Bibel mit „Die christliche Haustafel“ betitelt. Paulus wendet sich an eine idealisierte Tischgemeinschaft und sagt jedem, worauf es ankommt im Umgang miteinander: Männern, Frauen, Kindern — und Sklaven. Sklaven, in der Bibel auch Knechte genannt, hatten in der Antike oft eine Stellung, die nicht dem heutigen Vorstellung von Sklaverei entspricht. Auf einem Hof waren unfreie Knechte besser gestellt als die auf den Märkten tage- oder stundenweise angeworbenen Tagelöhner: war bekamen die ersteren für ihre Arbeit kein Geld, sie waren aber Mitglied des Haushalts, hatten verlässliche Versorgung und ein stabiles soziales Umfeld, und ihr Herr hatte Fürsorgepflichten. Am ehesten entspricht dem „Knecht“ der Bibel heute ein abhängig beschäftigter Arbeiter oder Angestellter.   

Und was sagt Paulus diesen Knechten? Sie sollen so arbeiten, als gelte ihre Arbeit Gott dem Herrn!

Wow! Das ist nicht trivial. Es gibt nur einen einzigen Weg dahin: sie müssen in ihrer Arbeit den Willen Gottes erkennen. Es mag etwa schlicht Wille Gottes sein, dass ich mich oder meine Familie ernähre. Oder eine wichtige Aufgabe erfülle: Paulus selbst hat als Zeltmacher hart gearbeitet, um seine Mission in Korinth fortsetzen zu können. Die Arbeit mag ihren Sinn in sich tragen — ihren Wert in den Augen Gottes. Oder es gelingt mir, ihr einen zu geben. Ich selbst hatte mein ganze Leben hindurch Arbeit, die ihren Sinn in sich trug, und heute weiss ich, dass dies kein Zufall ist. Wenn man den Sinn nicht sieht, kann man ihn suchen, und wo er sich nicht zeigt, mag man die Arbeit anders machen, dass sie einen Wert erhält in den Augen Gottes. 

Und bedenken Sie: Paulus sagt dies den Knechten — weggehen ist keine Option. Die Menschen, sagt Paulus, sollen Gott dort dienen, wo sie sind. „Blühe, wo du gepflanzt bist“, sagt Franz von Sales, Heiliger der katholischen Kirche und sehr erfolgreicher Gegenreformator. Luther seinerseits lehrte ähnliches. Wir sollen Gottes Werk dort tun, wohin er uns gestellt hat. Von liberaler Seite bekommt er dafür noch heute auf den Hut. 

Mein Konfirmationsspruch lautet: „Befiel dem Herrn deine Werke, so wird dein Vorhaben gelingen!“, Spr 16,3. So ist es — ganz empirisch. Solche Verse suchte damals der Pfarrer aus, es war seine Aufgabe, weiter zu sehen als der Konfirmand. Paulus hat recht und Franz von Sales und Luther und auch mein Pfarrer Oettermann vor fast fünfzig Jahren. Erkenne in deiner Aufgabe den Willen Gottes, und etwas Wertvolles wird daraus! 

Ich muß nicht Tierarzt in der Serengeti sein, in Lateinamerika für Bürgerrechte kämpfen, Missionar in Myanmar sein oder Arzt für die Armen in Kalkutta. Ich kann dort arbeiten und wirken, wo ich alles Wichtige kenne und verstehe, in Frankfurt zum Beispiel. Das klingt ausgesprochen brav, aber es liegt eine geheime und große subversive Macht darin: wenn ich blühen kann, wo (immer) ich gepflanzt bin und dabei den Willen Gottes tun — was kann mich vernichten? 

Der Herr schärfe unseren Blick für sein Werk im Alltag!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 17/2025

Wer dem Armen gibt, dem wird nichts mangeln; wer aber seine Augen abwendet, der wird viel verflucht.
Spr 28,27

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Sehen und leben 

Als ich diesen Vers zog, dachte ich, hier sei nicht viel Arbeit zu tun: er ist selbsterklärend und es gibt keinen Kontext zu erläutern. Das Buch der Sprüche ist eine Sammlung von Merksätzen, die Richtschnur sein sollen für ein gelungenes Leben, und zwischen diesen Merksätzen besteht meist wenig direkte Beziehung. 

Aber gestern, auf dem Fahrrad, stand mir plötzlich der zweite Teil des Verses vor Augen: „Wer aber seine Augen abwendet, der wird viel verflucht“. Die Sprüche lehren manche Verhaltensweisen und warnen vor anderen. Meist werden die positiven bzw. negativen Konsequenzen genannt oder wenigstens angedeutet. Die Sprüche kommen in Doppelversen: Dieselbe Aussage wird zweimal gemacht, oft je einmal positiv und negativ gewendet. Sie wird dabei nicht einfach wiederholt, sondern in zwei Perspektiven gestellt. Das erleichtert die Aufnahme im Langzeitgedächtnis, es gibt den Merksätzen aber auch Tiefenschärfe, eine dritte Dimension. 

Wir sollen nicht einfach freigiebig sein, blind sozusagen, oder es den Staat richten lassen als gutwillige Steuerzahler, sondern wir sollen hinsehen und wahrnehmen. Wer es nicht tut, begibt sich in Gefahr. Das ist keine Drohung mit der Strafe Gottes. Wenn das Buch der Sprüche warnt, dann wohnen die negativen Konsequenzen der angesprochenen Handlung selbst inne, es sind ihre langfristige Folge. Gott tritt nicht persönlich als strafende Instanz in Erscheinung, er gibt sein Gesetz als Wegweiser. Wer Weisung und Weisheit verachtet, tut dies zum eigenen Schaden. Hier ein Link zum Bibelvers der Woche 40/2022.

Wer nicht hinsieht, den bestraft das Leben, sagt der Spruch. Wer nicht hinsieht, verliert den Kontakt mit seiner Wirklichkeit und seiner Umwelt, wird einsam und unglücklich, lese ich.

Es ist Karfreitag. Gelegenheit, über das Leben und seine Einsamkeiten nachzudenken. Wie oft habe ich nicht hingeschaut, weil es entlastet, weil es die Welt einfach und überschaubar macht, weil sich Alltag und „Notwendigkeiten“ nur so bewältigen lassen. Und es stimmt: wer dies zur dominanten Strategie macht, der ist auf dem Weg in eine sehr enge und ganz private Hölle. Ohne Gott und ohne Teufel. Ganz allein.

Nun bin ich ins Grübeln gekommen, und plötzlich erschließt sich mir auch der erste Teil des Spruchs. Er spannend. Ich bin Ökonom, und für Ökonomen fundamental ist die sogenannte Budgetrestriktion. Damit ist folgender Sachverhalt gemeint: Ein Euro, den man für eine Sache ausgibt, ist für alle anderen Verwendungen verloren. Sehr einfach und sehr mächtig, und es wäre gut, wenn mehr Menschen und Politiker diesen Satz verinnerlichen könnten. Der Schreiber des Verses kennt die Budgetrestriktion, das zeigt die absichtlich paradoxe Formulierung. Wer etwas dem Armen gibt, der kann es nicht mehr für die Erfüllung eigener Wünsche ausgeben. Ja. Aber ist das alles? Der Spruch setzt fort: „… dem wird nichts mangeln“. Wird mir etwas fehlen? Das ist die „richtige“ Frage. Irgendwie kommt es zurück, sagt der Spruch. Kann ich damit gar meinem eigenen Mangel abhelfen? Die Antwort gibt der zweite Teil des Spruchs.

Der Herr gebe uns die Kraft, zu sehen. Er nehme den Schleier von unseren Augen. Er sei besonders dann mit uns, wenn wir die Not des anderen nicht ertragen wollen.  
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 16/2025

…sondern du sollst sie ordnen zur Wohnung des Zeugnisses und zu allem Geräte und allem, was dazu gehört. Und sie sollen die Wohnung tragen und alles Gerät und sollen sein pflegen und um die Wohnung her sich lagern.
Num 1,50

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Kaste und Kompass

Das Kapitel beginnt mit einer Zählung der wehrfähigen Männer in Israel. Das Volk zieht in der Wüste umher, und die Zeit ist gekommen, sich militärisch auf den Einfall in das Gelobte Land vorzubereiten. Bei dieser Erfassung bleiben die Leviten ausgenommen. Ihr Dienst liegt ausschließlich bei der Stiftshütte, den heiligen Gerätschaften und der Bundeslade, einem ganzen mobilen Tempel, der von den Israeliten auf ihrer Wanderung mitgeführt wird. 

So ähnlich — freigestellt von Militärdienst und weltlicher Arbeit für den Dienst an Gott — verstehen sich im heutigen Israel viele ultraorthodoxe Männer. Im alten Israel sind Leviten Tempeldiener. Die Priester werden von einer besonderen Sippschaft unter ihnen gestellt, den Nachkommen Aarons. Andere Leviten dürfen zwar nicht Priester sein, aber auch sie nehmen Aufgaben an dem und für den Tempel wahr. Die Leviten sind, was man heute als Funktionselite bezeichnet. Spezialisiert auf kultische Aufgaben haben sie intensiveren Umgang mit der Schrift als andere Israeliten, und von ihrer Hand stammen wohl große Teile der jüdischen Bibel.  

Als Funktionselite, als Kaste, sind Leviten nicht an ein bestimmtes Territorium gebunden. Es gibt kein Stammland der Leviten, von dem sie leben, das sie bearbeiten könnten. Aber dennoch verstehen sie sich als Stamm und als Nachkommen eines der zwölf Söhne Jakobs, und so beschreibt es die Bibel. Zwei real existierende Stämme — Ephraim und Manasse — werden auf einen Sohn, Joseph, zurückgeführt, damit die Zwölfzahl erhalten bleibt, bei den Stammesterritorien ebenso wie bei den Söhnen.

Ein Israelit wurde in eine bestimmte Aufgabe, eine bestimmte Rolle und Position hineingeboren. Die Leviten haben von Geburt an eine Aufgabe — Gott zu dienen, und zwar in genau bestimmter Weise. Ihr Leben wird dadurch durchgreifend geprägt und bestimmt. Wir sind dieser Art Auftrag im Bibelvers der Woche 34/2023 bereits begegnet.

„Um die Wohnung her sich lagern…“ Wie es sich wohl anfühlt, die Aufgabe schon als kleines Kind zu kennen, sie vom Vater zu erben, gottgewollt?  

Gottes Weisheit ist Orientierung im Leben, Orientierung der Bewegungsrichtung. Wenn wir unsere Aufgabe nicht schon kennen, wenn wir sie erst finden müssen, brauchen wir diese Weisheit so dringend wie einen Kompass im Polareis. 

Der Herr helfe uns, die Aufgabe zu verstehen und er gebe uns Kraft. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 15/2025

Da antwortete Eliphas von Theman und sprach:…
Hiob 15,1

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Ein Tiefpunkt

… Soll ein weiser Mann so aufgeblasene Worte reden und seinen Bauch so blähen mit leeren Reden? 

Das ist die Fortsetzung des begonnenen Satzes. So spricht Elifas, ein „Freund“, zu Hiob. Elifas sitzt neben dem Lager eines Menschen, der seine Kinder, sein Haus, seinen Lebensunterhalt verloren hat und seine Gesundheit dazu: von Geschwüren zerfressen liegt er da. Kann es nach diesen Worten noch eine Brücke geben?

Zu Elifas und dem Streitgespräch Hiobs mit den drei Freunden über das Wesen des Leids hatten wir erst vor kurzer Zeit den BdW 03/2025 gezogen — schauen Sie doch mal kurz herein. Und Elifas‘ Intervention wirkt wie ein Echo auf den Bibelvers der vergangenen Woche.

Denn Elifas behauptet nach dieser Eineitung exakt das, was Kohelet offen in Zweifel zieht, und zwar als pure Wahrheit, hinter der nichts weiter kommt. Den Gottlosen ereilt seine eigene Schuld, Gott wird strafen und ihn dahinraffen. 

Damit antwortet er Hiob. Ausgehend vom eigenen Schicksal war dieser zuvor zu einer Klage über das Schicksal aller Menschen gekommen. Nach einem kurzen Leben auf der Erde müssen sie wieder ohne Spur und ohne Erinnerung, restlos, im Totenreich verschwinden. Das Totenreich stellte man sich als düsteres Schattenreich vor, ohne eigentliche Realität. Die Menschen, so das Fazit, sind Gott nichts wert.

Aber dann hatte Hiob ein kühnes Gedankenexperiment gemacht: Wie wäre es denn, wenn es ein Leben nach dem Tode gäbe? Wir wären unendlich viel kostbarer für Gott, er würde auf unsere Schritte achthaben und würde uns unsere Übertretungen verzeihen: 

Meinst du, ein toter Mensch wird wieder leben? Alle Tage meines Dienstes wollte ich harren, bis meine Ablösung kommt. Du würdest rufen und ich dir antworten; es würde dich verlangen nach dem Werk deiner Hände. Dann würdest du meine Schritte zählen, aber hättest doch nicht acht auf meine Sünden. Du würdest meine Übertretung in ein Bündlein versiegeln und meine Schuld übertünchen (Hiob 14,14-17)

Das ist hypothetisch, eine gefestigte Vorstellung vom ewigen Leben bestand in der Zeit der Entstehung des Buchs Hiob nicht. Aber es ist auch berührend: Für einen Augenblick hatte Hiob einen Gesichtspunkt ausserhalb seines eigenen Leids gefunden und Gott kosmisch gesehen, als wahrhaft Liebenden im Angesicht seiner Schöpfung. 

Für einen Augenblick sieht Hiob das Licht. Und sein Freund antwortet und wiederholt nur, dass es wie ihm eben allen Gottlosen gehe. Und dass er bitte daraus lernen solle. 

Ein absoluter Tiefpunkt. Und eine verpasste Chance. Am Ende offenbart sich Gott im Sturm. Er sagt, dass die drei Freunde nicht recht von ihm, dem Herrn, gesprochen hätten, und dass nur Hiobs Fürbitte sie nun retten könne. Vielleicht hatte er dabei diese Stelle des Gesprächs vor Augen…

Der Herr gebe uns einen offenen Geist, das Leiden anderer zu erkennen — und auch das Licht, das sie sehen!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 14/2025

Allerlei habe ich gesehen in den Tagen meiner Eitelkeit. Da ist ein Gerechter, und geht unter mit seiner Gerechtigkeit; und ein Gottloser, der lange lebt in seiner Bosheit.
Pred 7,15

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Was erwarten wir? 

Kohelet, der Prediger, ist ein echter Querdenker. Er ist Empiriker, betrachtet alles genau. Er sieht, dass vieles nur in unserem Kopf existiert, das wir für wahr halten, und unsere Ziele, Absichten, Ideale keinen bleibenden Wert haben. Auch solche nicht, die wir als religiös bezeichnen. Für den Prediger gibt es die Unterscheidung zwischen weltlich und ausserweltlich ohnehin nicht. Die Dinge sind vorbestimmt, Gott lenkt wohl — aber er sagt uns nichts über seine Pläne, wir erkennen sie nicht und das Wirken und Weben der Welt bleibt uns verborgen. So werden unsere großen Ideen „eitel“, der Zeit verfallen, und am besten ist’s, man lebt einfach und im Frieden mit der Welt. 

Hier, in unserem Vers, spricht er eine der grundlegenden Wahrheiten an, die vor allem in den Psalmen betont wird. Wer im Bund mit Gott steht, „gerecht“ ist — „Gott liebt und fürchtet“, würde Luther sagen — den beschützt er, dem hilft er gegen seine Feinde, dem gibt er ein langes Leben. Den Gottlosen, Frevlern, Feinden hingegen steht ein schlimmes Schicksal bevor, sie enden in Verzweiflung. Nicht notwendigerweise in der kurzen Frist, so doch aber in der langen. Diesem Grundmuster sind wir im ‚Bibelvers der Woche‘ oft schon begegnet, vor allem in den Psalmen. Es ist dem „Tun-Ergehens-Zusammenhang“ vorgelagert, es beschreibt gewissermaßen das Wesen des Bundes.

Und der Prediger sagt uns hier, so sei es gar nicht, jedenfalls nicht zuverlässig, man beobachte oft genug das Gegenteil. Und er setzt fort:

Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest. Sei nicht allzu gottlos und sei kein Tor, damit du nicht stirbst vor deiner Zeit. Es ist gut, wenn du dich an das eine hältst und auch jenes nicht aus der Hand lässt… (V 16-17a).

Auf Neudeutsch nennt man das 360° — wir sollen auf alles schauen und nichts außer acht lassen, die Gebote Gottes nicht, aber auch nicht die der Welt. Bibel für Anfänger ist das nicht, und ich frage mich gelegentlich, wie der Prediger/Kohelet dort hineingelangt ist. Hier ist ein Link zum BdW 37/2019 mit einer Betrachtung zum Ende von Kapitel 7, und da kann es einem die Schuhe ausziehen. 

Aber zurück zum Ausgangspunkt — was erwarte ich, was hoffe ich von Gott? Die Frage mag unziemlich erscheinen, aber die Bibel stellt sie oft genug, und hier liegt sie vor mir, in einem Vers, der kommentiert werden will. „Was er mir gibt, „, könnte die erwachsene Antwort lauten, „er wird’s wohl machen“. Es geht mir eigentlich wie dem Prediger, ich erwarte nicht, dass der Gottesfürchtige allen Lebenskrisen heil entrinnt, und auch nicht, dass denjenigen, der sich Gott nicht verschreibt, immer der Abgrund erwartet. Das entspräche meiner Lebenserfahrung nicht. 

Und doch weiss ich mich getragen. Gott war immer da, wenn ich zu ihm rief. In existenziellen Bedrohungen gab es stets einen Weg, auch in Bedrohungen, die ich erst im Nachhinein erkannte. So war es stets, eigentümlich genug, und seit einiger Zeit schon verlasse ich mich darauf. Auch das ist Lebenserfahrung, und ich finde sie in den Psalmen Davids wieder. Ich kann es eigentlich nicht erklären, es liegt sicherlich nicht an meiner Gottesfurcht, mit meiner „Gerechtigkeit“ ist es nicht weit her. Psalm 91,7 sagt, „Auch wenn tausende fallen zu deiner Seite, es wird dich nicht treffen“. Ja, tausende andere fallen, und es sind auch Gottesfürchtige darunter. Das ist ein Rätsel, und ich sehe die Lösung nicht. 

Irgendwann wird es auch mich treffen, werden mein Körper, mein Geist oder beides in seinen Funktionszusammenhängen auseinanderbrechen, werde ich „rufen“, wie es im Judentum heißt. Und ich hoffe, ich erwarte, ich glaube, dass Gott dann antwortet.

Dein Segen sei mit uns allen, Herr! 
Ulf von Kalckreuth

P.S. Noch ein Gedanke, noch einmal Luther. Die 62. der 95 Thesen, die er an das Tor der Schlosskirche in Wittenberg nagelte, lautet: Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes. Vielleicht geht es am Ende gar nicht so sehr um uns. Vielleicht geht es um etwas, das an und für sich unendlich kostbar ist!

Bibelvers der Woche 13/2025

Denn wir kennen den, der da sagte: „Die Rache ist mein, ich will vergelten”, und abermals: „Der Herr wird sein Volk richten.”
Heb 10,30

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Awesome God

Das ist deutlich. Und es ist erst ein paar Wochen her, dass wir mit BdW 06/2025 den unmittelbar vorangegangenen Vers gezogen haben, Heb 10,29. Hier noch einmal die Textstelle im Zusammenhang (28-31), die beiden gezogenen Verse sind gefettet: 

Wenn jemand das Gesetz des Mose bricht, muss er sterben ohne Erbarmen auf zwei oder drei Zeugen hin. Eine wie viel härtere Strafe, meint ihr, wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Bundes für unrein hält, durch das er doch geheiligt wurde, und den Geist der Gnade schmäht? Denn wir kennen den, der gesagt hat »Die Rache ist mein, ich will vergelten«, und wiederum: »Der Herr wird sein Volk richten.« Schrecklich ist’s, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.

Meine Betrachtung seinerzeit richtete sich auf das Wesen der Strafe Gottes. Nun soll ich ein weiteres Mal darüber nachdenken. Genügt es nicht, auf die ältere Betrachtung zu verweisen? Habe ich seinerzeit etwas Wichtiges übersehen oder falsch dargestellt? 

Reset! —

Am vergangenen Sonntag sang ich im Gottesdienst mit dem Musikteam ‚Awesome God‘ von Rich Mullins, hier ist ein Link zu dem Lied. Ich hatte den Solopart mit den beiden Strophen:

When He rolls up His sleeves He ain't just puttin' on the ritz
Our God is an awesome God
There is thunder in His footsteps and lightning in His fists      
Our God is an awesome God
The Lord wasn't joking when He kicked 'em out of Eden
It wasn't for no reason that He shed His blood
His return is very close and so you better be believin'
That our God is an awesome God

Our God is an awesome God
He reigns from heaven above
With wisdom, power and love
Our God is an awesome God!

And when the sky was starless in the void of the night
Our God is an awesome God
He spoke into the darknness and created the light
Our God is an awesome God
Judgement and wrath He poured out on Sodom
Mercy and grace He gave us at the cross
I hope that we have not too quickly forgotten 
That our God is an awesome God!

Our God...

Dies Lied ist, woran ich denken mußte, als ich den Vers zog. Schaue ich in Gott, die Welt und mich selbst, dann ist da immer beides: Gnade und Strafe, Liebe und Gewalt. So zieht es sich durch die Bibel, von Genesis über die Psalmen bis zur Offenbarung des Johannes. Das Leben und Sterben Jesu mag als Exempel dienen, und nirgends steht geschrieben, dass Gottes Gewalt — und Gottes Liebe — mit Jesu Foltertod ein Ende hat. Man mag es mögen oder nicht: der Weg mit dem Gott der Bibel ist immer auch ein Weg am Abgrund. 

Dein Segen sei mit uns, Herr! Und lass mich nicht heute noch den letzten Vers des Ausschnitts oben ziehen. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 12/2025

…und sprachen zu ihnen: Ihr sollt die Gefangenen nicht hereinbringen; denn ihr gedenkt nur, Schuld vor dem HErrn über uns zu bringen, auf dass ihr unsrer Sünden und Schuld desto mehr macht; denn es ist schon der Schuld zu viel und der Zorn über Israel ergrimmt.
2 Chr 28,13

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Stufen

König Asaf von Juda, dem Südreich, hat den Krieg verloren. Und wie! Im Kampf gegen das Nordreich Israel fielen 120.000 seiner Männer — an einem einzigen Tag! Und die Armee des feindlichen Brudervolks führt 200.000 Frauen, Jugendliche und Kinder aus Juda in die Gefangenschaft nach Samaria fort. So berichtet es der Text.

Das sind gewaltige Zahlen. Juda war ein kleines, eisenzeitliches Land in den Bergen. Zum Vergleich: In Stalingrad waren rund 200.000 deutsche Soldaten eingekesselt, von denen etwa 30.000 überlebten. Die anderen starben: in Kampfhandlungen, an Hunger, an Krankheiten oder recht bald nach ihrer Gefangennahme. Die Katastrophe zog sich hin über viele Monate. „Stalingrad“ ereignete sich nicht an einem einzigen Tag.

Man muß die biblischen Zahlen nicht wörtlich nehmen, gemeint ist wohl eine „Unzahl“. Eine Unzahl Gefangener also hatte der israelische König Pekach in Juda gemacht und nun machte er sich daran, sie nach Samaria zu führen, seiner Hauptstadt. So war es üblich. Die Gefangenen erwartete ein hartes Schicksal als Sklaven.

Aber es geschieht etwas Überraschendes. Oded, ein Prophet, geht dem Heer Pekachs entgegen und sagt den Führern, dass sie sich schuldig machen vor Gott. Bei den Judäern handelte es sich zwar um ein anderes Volk, aber doch um ein verwandtes, und um Glaubensbrüder dazu. Der Prophet appelliert an das Gewissen der Entscheidungsträger im Nordreich Israel — und diese fügen sich! Sie lassen die Gefangenen frei, geben ihnen Kleidung und Nahrung, und wo sie krank sind, werden sie behandelt und gepflegt, damit sie den Heimweg antreten können. 

Ein rundherum erstaunliches, fast wunderbares Ereignis, gerade auch, wenn man an Stalingrad denkt. 

„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Es sind ursprünglich nicht Worte Jesu, der Satz findet sich schon in der Thora. Aber wer ist dein Nächster? Jesus antwortet auf diese Frage mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Gemeint waren ursprünglich die Angehörigen der eigenen Sippe und des eigenen Stammes. Die Stelle lautet vollständig (Lev 19, 17-18) : Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR. Feinde waren jedenfalls nicht gemeint, auch nicht solche verwandter Völker. In Richter 19f wird erzählt, wie elf der Stämme Israels über den zwölften und kleinsten erbarmungslos herfallen, aus Rache über einen Sexualmord. 

Aber hier, in unserem Vers, kippt das Liebesgebot der Thora sichtbar ins Allgemeinere. Auch Feinde sind einbezogen. Die Sieger üben hier nicht nur Verzicht auf ihre Beute, sie wenden gar erhebliche eigene Ressourcen auf, um den Besiegten das Weiterleben zu ermöglichen. Meine Großmutter hat uns immer wieder von den amerikanischen CARE-Paketen erzählt, die ihr und ihrer kleinen Familie nach dem Krieg das Weiterleben in der ausgebombten Stadt Essen ermöglicht haben.

Bis zum verallgemeinerten Gebot der Nächsten- und Feindesliebe ist die Bibel einen weiten Weg gegangen, und man kann ihr „buchstäblich“ dabei zusehen.

Herr, hilf uns dabei, unseren Nächsten zu lieben. Lass uns erkennen, dass manchmal gerade die Feinde uns am allernächsten sind — wenn sie hilflos sind, wenn nur wir noch helfen können. Gib diese Kraft uns allen, auch der Regierung des heutigen Israel.

Damit Gaza nicht endet wie Stalingrad…!
Ulf von Kalckreuth