Bibelvers der Woche 22/2023

Und wenn ihr dem HErrn wollt ein Dankopfer tun, so sollt ihr es opfern, dass es ihm gefallen könne.
Lev 19,5

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Herzensanliegen

Der Abschnitt ist in meiner Bibel mit „Heiligung des Alltags“ überschreiben. Vor wenigen Monaten habe ich mit BdW 10/2023 eine Betrachtung dazu geschrieben, die einem Liebesbrief ähnelt. Es geht hier darum, wie man Gebote befolgen soll: einfach,geradlinig, ohne Hintergedanken, und der Text gipfelt unversehens in der Forderung, den Nächsten zu lieben wie sich selbst. 

Der Vers spricht übers Opfer. Wir sollen so opfern, dass es uns „wohlgefällig“ macht. Eine erste Bedeutungsebene wird im anschließenden Vers angegeben. Nur zwei Tage lang soll vom Opferfleisch gegessen werden, was am dritten Tage übrig bleibt, soll man mit Feuer verbrennen. Isst man es doch, so macht es nicht wohlgefällig; wer davon isst, muß seine Schuld tragen. Ohne Kühlung hält Fleisch Im Nahen Osten eben nicht länger, auch die jüdischen Begräbnissitten spiegeln das. 

Wie macht uns ein Opfer wohlgefällig? Jesus hat es in Matth 6, 1-4 auf einen sehr einfachen Nenner gebracht: der Zweck des Opfers — Gott zu gefallen — soll im Vordergrund stehen, nicht das eigene Ansehen: 

Habt aber acht, dass ihr eure Gerechtigkeit nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, auf dass dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.

Wenn es uns selbst dient, dann ist es kein Opfer., eigentlich klar. Vielleicht gilt das noch allgemeiner, über das Opfer hinaus: Was immer wir tun — einem Menschen helfen, ein Lied oder ein Gedicht schreiben — wenn es uns ein Herzensanliegen ist, sollen wir es um des ihm innewohnenden Sinns willen tun, nicht um uns damit größer zu machen. Sonst ist es kein Herzensanliegen, nicht wahr? Ein Mensch mit einem großen Herzen tut vieles um der Sache selbst willen.

„Befiel dem Herrn deine Werke, und sie werden gelingen“ (Spr 16,3) lautet mein Konfirmationsspruch. Wie schön kann ein Lied, ein Gedicht sein, wenn es nicht eigentlich nur seinen Verfasser preisen soll… Ich wünsche uns eine gesegnete Woche, die uns wohlgefällig macht!
Ulf von Kalckreuth

Nachtrag, 28.05.2023:
In der Pfingstpredigt, die ich heute hörte, ging es darum, was Gott von uns will, wie unser Opfer aussehen soll. Was für ein Zufall! Paulus hat die Frage zu Ende gedacht. In Röm 12,1 sagt er, wir sollen unser ganzes Leben Gott als wohlgefälliges Opfer widmen:

Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Unser ganzes Leben sei lebendig, heilig und Gott wohlgefällig…! Als ‚vernünftiger Gottesdienst‘, im Gegensatz zu Tieropfern. Aber das können wir alleine nicht, dazu brauchen wir den Heiligen Geist.

Was für ein Vers. Vielleicht ziehe ich ihn mal. Und vielleicht habe ich das ja gerade getan…

Bibelvers der Woche 47/2018

Es sei ein Ochs oder Schaf, so soll man’s nicht mit seinem Jungen auf einen Tag schlachten.
Lev 22,28

Hier ist ein Link für den Kontext, zur Übersetzung von 2017.

Nachhaltigkeit

Der Vers dieser Woche steht etwas verloren in einer Reihe von Bestimmungen darüber, welche Bedingungen ein Opfer erfüllen muss, um dem Herrn wohlgefällig zu sein bzw. ihm den Opfernden wohlgefällig zu machen. Das Buch Leviticus enthält viele Vorschriften, die sich in erster Linie an die Priesterschaft wenden, und es ist daher in mancher Hinsicht schwer zu lesen.

Der heute gezogenen Verses erinnert auch im Wortlaut stark an die Bestimmung in Ex 23,19, dass man das Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen solle — woraus sich bei den Juden das zentrale Verbot ableitet, Milch gemeinsam mit Fleisch zu sich zu nehmen. In beiden Fällen geht es um die Achtung der Kontinuität über Generationen. Die Mutter und das Kalb gleichzeitig zu schlachten würde in vielen Fällen eine Generationenfolge zum Abbruch bringen. In der Welt des Alten Testaments ist dies eine unangenehme, ja schreckliche Vorstellung, selbst bei Tieren.

Eine andere Entsprechung gibt es beim Erstlingsopfer. Im Prinzip gehört jedes männliche Wesen, welches als erstes den Mutterschoß durchbricht, dem Herrn — Mensch oder Tier: „Deinen ersten Sohn sollst du mir geben. So sollst du auch tun mit deinem Stier und deinem Kleinvieh. Sieben Tage lass es bei seiner Mutter sein, am achten Tage sollst du es mir geben.“ (Ex 22,28b+29, siehe auch die Bestimmung in Ex 13,2). Und dabei ist für einen männlichen Säugling am achten Tag eigentlich die Beschneidung fällig…

In Exodus 34,19f wird diese unbedingte Anweisung aufgefangen: die Erstgeburt des Esels und der eigene erste Sohn müssen „ausgelöst“ werden, d.h. durch ein anderes Opfer ersetzt werden. Die Auslösung durch den Vater ist so wichtig, dass sie in Gen 22 eindrucksvoll narrativ kodifiziert wird: Abraham erhält den Befehl, seinen Sohn Isaak zu opfern. Er will diesen Befehl ausführen, ohne Widerrede, wird aber in letzter Sekunde von einem Engel daran gehindert, der ihm buchstäblich in den Arm fällt  — an Stelle seines Sohnes soll Abraham einen Widder opfern. Der Überlieferung nach hat sich dies an der Stelle zugetragen, wo später das Allerheiligste des Tempels stand und heute der Felsendom. 

Der Erstgeborene sichert die genealogische Linie. Das macht seinen besonderen Wert aus— er steht in der Hierarchie über den anderen Geschwistern direkt hinter dem Vater. Dieser besondere Wert macht ihn nun zwar einerseits zum „geborenen“ Opfer — er gehört Gott — andererseits stellt es ihn auch unter Gottes besonderen Schutz, wie ganz am Anfang schon den Kain, und später auch den Ismael. Das biblische Gesetz enthält hier Sicherheitsgurte vor der eigenen Konsequenz und schreckt dabei nicht vor offenen Widersprüchen zurück.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche, mit einem liebenden Blick über die Generationen hinweg,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 43/2018

Das Feuer auf dem Altar soll brennen und nimmer verlöschen; der Priester soll alle Morgen Holz darauf anzünden und obendarauf das Brandopfer zurichten und das Fett der Dankopfer darauf anzünden.
Lev 6,5

Hier ist ein Link für den Kontext, zur Übersetzung von 2017. 

Feuer

Für Woche 5/2018 gab es einen Vers, der die Einrichtung des Brandopferaltars zum Thema hat — hier ist eine Bestimmung zu seinem Gebrauch. In die Zeit des Umherirrens in der Wüste passt der Vers nicht wirklich: Ein Brandopferaltar, groß genug zur Opferung ganzer Rinder, mit der Bestimmung, dass sein Feuer nie ausgehe und täglich geopfert werde? Wo sollte in der Wüste das Holz dafür herkommen, wo die Rinder, Schafe, Ziegen? Man muss hier eher an eine Regel aus der Zeit des Jerusalemer Tempels und seines Opferbetriebs denken.

Opfer ist Kommunikation mit der Gottheit — archaische Kommunikation über die Grenzen von Tod und Leben hinweg. Juden und Christen haben aufgehört zu opfern, aus unterschiedlichen Gründen. Bei den Juden erinnern die Morgen-, Mittags- und Abendgebete und ihre exakten Zeiten an die täglichen Opfer im Jerusalemer Tempel. Beim Morgengebet, dem Schacharit, werden u.a. Vorschriften über das Morgenopfer rezitiert, hier ist ein Link zu Wikipedia.

Die Christen entwickelten aus dieser jüdischen Tradition die Stundengebete. „Betet ohne Unterlass“, heißt es in 1. Thess 5,17, fast wie im ersten Satz unseres Verses:

            Das Feuer auf dem Altar soll brennen und nimmer verlöschen…

Der Tempel ist nicht mehr, aber der Vers und sein Beginn berühren augenblicklich. Das ewige Licht tritt vor Augen, aber auch die Erinnerung, dass Feuer in frühen Zeiten beinahe wie ein Schatz bewahrt wurde. Wenn es erlosch, musste man vielleicht weit gehen, um beim Nachbarn oder einer anderen menschlichen Siedlung wieder Glut zu bekommen.

Hinwendung zu Gott bedarf der Regelhaftigkeit. Vielleicht mit einem kurzen Dankgebet nach dem Aufwachen, noch vor dem Aufstehen — das jedenfalls fiel mir bei dem Vers ein. 

Opfer und Feuer, beides gehört zusammen. Was immer es auch ist, das heute und in unserem Leben den Platz des Opfers einnimmt: der Vers erinnert daran, dass das Feuer, die Energie dahinter, nie erlöschen soll. Leuchtend, verzehrend, aber auch ansteckend. Stetige Hingabe und Dauerhaftigkeit. Wärme. Eine Flamme im Herzen. Immer, nicht nur gelegentlich.

Eine solche Woche wünsche ich uns,
Ulf von Kalckreuth